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Campax spinnt

Eine Lobbyorganisation ausser Kontrolle.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit Grenzüberschreitungen dieser «Bürger*innenbewegung» befassen, die «seit 2017 Kampagnen zu den wichtigen Fragen unserer Zeit» führt. Edle Zielsetzung: «Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Menschen in Würde und Freiheit leben

Edle Ziele, schmutzige Methoden zur Erzielung. Duftmarke eins: «Nazi-Fratzen hinter der Folklore-Fassade: Die Freiheitstrychler haben bei der “Friedensdemonstration“ letzten Samstag auf dem Bundesplatz ihr wahres Gesicht gezeigt.»

Wenn ihnen der Inhalt eines Artikels nicht passt, wird gleich eine Beschwerde beim Presserat eingereicht und werden die höchsten Entscheidungsträger angebellt, Duftmarke zwei: «Deshalb fordern wir die Familie Coninx und Pietro Supino, den Verwaltungsratspräsident der TX-Group dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um den journalistischen Standard und die Qualitätssicherung der journalistischen Arbeit zu garantieren.»

Nun übertrifft sich Campax selbst, und das ist gar nicht so einfach. Ein Kampagnenleiter Urs ruft zu Spenden auf. Edles Ziel: «Zusammen verhindern wir den Rechtsrutsch!» Wie das? Indem die edlen Spender insgesamt 17’720 Franken aufwerfen sollen. Wofür? Für ein halbseitiges Inserat in der NZZ. Abgesehen von der Frage, ob die NZZ das Inserat überhaupt annehmen würde (wenn nicht, wird dann das Geld zurückbezahlt?): was soll da drinstehen?

Da hält sich «Urs» eher bedeckt. Die edlen Spender sollen für eine Black Box ihr Geld ausgeben. Vom mutmasslichen Inhalt gibt er nur bekannt: «Wissen die Menschen überhaupt, welchen antidemokratischen Kräften sie ihre Stimme geben, wenn sie FDP oder SVP wählen?»

Das ist ungeheuerlich. SVP und FDP sind die grösste und die traditionellste Partei der Schweiz. Sie sind in demokratischen Wahlen zu ihren Stimmen und ihrer Vertretung in Parlament und Regierung gekommen. Im Gegensatz zum «Kampagnenleiter von Campax Urs», der Geld dafür sammelt, um seinen undemokratischen Ansichten eine Plattform geben zu können.

Was ist der Anlass für diese Ausgrenzung?

«Hörst Du den riesigen Aufschrei darüber, dass die Junge Tat den Wahlkampf einer SVP Nationalratskandidatin koordiniert?1) Ich auch nicht. Und genau da liegt das Problem. Es wird immer normaler, dass rechtsextreme Kräfte in unserer Gesellschaft an Macht gewinnen. Diese antidemokratischen Kräfte und ihre Verbündeten werden etwa mit Listenverbindungen bis weit ins bürgerliche Lager normalisiert. Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie.»

Campax-Urs bezieht sich dabei auf einen Artikel im «Blick». Sollte es zutreffen, dass eine SVP-Nationalratskandidatin auf einem aussichtslosen hinteren Listenplatz kommunikative Unterstützung der Organisation «Junge Tat» in Anspruch genommen hat, ist das ungefähr so bedenklich oder unbedenklich, wie wenn Campax ihr genehme Kandidaten unterstützt.

Natürlich kann man die politischen Zielsetzungen der «Jungen Tat», der SVP oder der FDP ablehnen, verurteilen, sogar als schädlich ansehen. Natürlich kann man einen Rechtsrutsch befürchten und sich dagegen wehren. Alles in einer Demokratie erlaubt, inklusive freie Meinungsäusserung.

Die hat aber auch ihre Tücken. Denn man ist auch frei darin, Unsinn, Schwachsinn, Entlarvendes zu brabbeln. So wie das Campax häufig tut. Der Organisation rutschen die Worte weg, sie wird keifig, schrill, merkt damit nicht, dass sie sich selbst den Boden unter den Füssen wegzieht.

Denn wer, der nicht völlig vernagelt ist, will schon für ein Inserat spenden, dessen Erscheinen ungewiss ist, dessen Inhalt unbekannt, und von dessen Stossrichtung man nur weiss, dass es SVP und FDP als «antidemokratische Kräfte» denunzieren will?

Bezeichnend: so grob Campax austeilt, so feig wird die «Kampagnenorganisation», wenn man ihr ein paar kritische Fragen stellt. Keine Antwort …

Wer etwas von Demokratie hält und sich als Demokrat sieht, zahlt dafür sicherlich keinen Rappen.

So trennt man sauber den Müll

Pardon, redaktionellen Inhalt und bezahlte Werbung. Eine Obduktion.

Wir hätten auch «watson», «nau.ch» oder «20 Minuten» nehmen können. Oder ein Beispiel von CH Media oder Tamedia. Aber keiner tanzt den Inserate-Rap so neckisch unbekleidet wie der «Blick».

Das machen wir doch am besten in Form eines Wettbewerbs. Zehn Beispiele vom Online-Auftritt des «Blick». Nicht vollständig, aber alle zum gleichen Zeitpunkt genommen. Wettbewerbsfrage: Wer findet alle bezahlte Werbung? Oder vielleicht, könnte einfacher sein, wer findet alle Eigenleistungen?

Ein Ratespiel für die ganze Familie. Selbstverständlich dürfen auch Schimpansen, Papageien oder Hunde teilnehmen. Es gibt keine Beschränkung durch IQ.

Frage 1:

Okay, das ist nur zum Aufwärmen …

Frage 2:

Schon schwieriger, gell?

Frage 3:

Der Schwierigkeitsgrad steigt …

Frage 4:

Wie viele bezahlte Inhalte? Einer, zwei oder drei?

 

Frage 5:

Eine Erholungsfrage …

Frage 6:

Es wird wieder schwieriger.

Frage 7:

Kein Stress, kann man rauskriegen.

Frage 8:

Nichts für Warmduscher.

Frage 9:

Tipp: rechts wird’s wärmer.

Frage 10:

Noch ein Dreierrätsel.

Frage 11:

Bonusfrage, denn Frage 10 ist verteufelt schwierig.

 

Auf dem Strich

Bezahlter und redaktioneller Inhalt: immer strikt getrennt. Pustekuchen.

Wenn ein Medium den Schwurfinger erhebt und den treuen Augenaufschlag probt, dann bei diesen beiden Versprechen: Niemals beeinflusst der Inserent den redaktionellen Inhalt. Redaktionelle Unabhängigkeit über alles.

Wenn das neue Modell von Grossinserent VW Schrott ist, dann darf das auch so geschrieben werden. Wenn die neue und sackteure Anti-Wrinkle-Creme des Kosmetik-Multis die Falten nicht wegbügelt, dann wird darüber die Stirne gerunzelt. Wenn die neue Feriendestination voller Ärgernisse steckt und das Hotel eine Touristenfalle ist: das schreibt der Journalist so, obwohl er vom Touroperator eingeladen wurde.

Das gilt selbstverständlich auch für die letzten Grossinserenten aus dem Detailhandel; der neue Wackelpudding wackelt nicht richtig, das darf dann doch wohl noch gesagt und kritisiert werden.

Wir wischen uns die Lachtränen aus den Augen und machen ein ernstes Gesicht beim zweiten Schwur: Bezahlter Inhalt und redaktioneller sind für den Leser deutliche erkennbar getrennt. Durch einen Strich, durch den Titel «Inserat», durch eine grafisch und typografisch deutlich andere Aufmachung.

Mit der «Publi Reportage» fing’s an

Lange Jahre gab es den redaktionellen Inhalt. Drum herum, daneben die Inserate. Nicht verwechselbar. Dann erfand man die «Publi Reportage». Das heisst: ein bezahlter Inhalt kommt so täuschend ähnlich wie möglich im Gewand eines redaktionellen Beitrags daher.

Beispiel «watson».

Mit zunehmender Verzweiflung hat sich ein ganzer Begriffszoo von Euphemismen entwickelt. Irgendwo steht «Paid Post», «Sponsored», «Branded Content» oder «Präsentiert von …» Sauber ausgewiesen, sagen die Medienmanager. Das gilt natürlich auch für die neuste Erfindung, die «Native Ad» oder den «Native Content». Daran ist nichts bodenständig oder heimisch, schon gar nichts naiv.

Auch all diese Bezeichnungen bedeuten schlicht und einfach: jemand hat für diesen Inhalt bezahlt. Nicht die Redaktion, sondern der Auftraggeber hat die Aussage bestimmt. Wunderbar ist auch die Formulierung: «Diese Reportage über sinnvolle Brandrodung in der Dritten Welt ist eine Zusammenarbeit mit Ihrem Palmölproduzenten.»

Beispiel «Blick».

All diese Werbeformen unterscheiden sich vom klassischen Inserat («kauft’s, raucht’s, sauft’s») durch zwei Eigenschaften: meistens wird es vom Medium selber produziert, nicht vom Inserenten, und nicht nur deswegen ist es viel lukrativer als ein angeliefertes Normalinserat.

Aber, wir brauchen schon wieder das Taschentuch, all diese Spielformen sind deutlich gekennzeichnet und vom Konsumenten klar erkennbar. Niemals würde er einen Paid Post mit einem redaktionellen Beitrag verwechseln. Ehrenwort.

Studie zeigt hohe Verwechslungsgefahr

In einer Studie ist die ZHAW dieser Frage nachgegangen.

Überraschung: Im Schnitt erkannte gut ein Drittel der Teilnehmer am Experiment diese Werbeformen nicht als bezahlten Inhalt.

«Je nach Plattform und Art der Kennzeichnung, bemerkten sogar bis zu 60 Prozent der Teilnehmenden nicht, dass es sich bei einem Beitrag um gesponserten Inhalt handelt»,

erläutert Guido Keel, Studienleiter und Professor für Media Literacy am Institut für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule ZHAW.

Beispiel «20 Minuten».

Bezeichnungen wie «Native Content» war für die Hälfte der Teilnehmer nicht verständlich. «Zwischen fünf und zehn Prozent der Befragten nahmen zudem an, dass bei diesen Bezeichnungen der Auftraggeber keinen Einfluss auf den Beitrag hat, weder in Bezug auf das Thema noch auf die konkreten Inhalte.»

Mit Eye-Tracking wurde bei einer kleineren Gruppe belegt, «dass Hinweise auf das Sponsoring, die nicht direkt als Lauftext eines Beitrags aufscheinen, kaum zur Kenntnis genommen, sondern routiniert ignoriert werden». Keel ergänzt: «Selbst Teilnehmende, die den Hinweis auf das Sponsoring betrachteten, konnten sich in der anschliessenden Befragung nicht daran erinnern, einen Hinweis gesehen zu haben».

Also kann man einerseits sagen: voller Erfolg. Bezahlte Inhalte sind so täuschend ähnlich an redaktionelle Beiträge angepasst, dass viele den Unterschied gar nicht bemerken. Oder wenn doch, davon ausgehen, dass der Inserent doch wohl keinen Einfluss auf den Inhalt habe.

Beispiel CH Media.

Andererseits ist das natürlich ein weiterer Sargnagel für die gebetsmühlenartigen Schwüre der Medien. Denn nur durch eine glasklare Trennung sei ja die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen gewährleistet. Pustekuchen.

Es gibt noch eine viel wirksamere Form der Einflussnahme

Dabei haben wir die wirksamste Form der Einflussnahme noch gar nicht erwähnt. Die äussert sich weder in einer Native Ad oder gar einem Inserateboykott. Sondern in einem diskreten Anruf beim CEO oder gleich beim privaten Besitzer des Medienkonzerns.

Man habe gehört, dass da irgendwelche angeblich anrüchige Handlungen recherchiert würden. Sei natürlich nichts dran, aber der mögliche Reputationsschaden. Da müsste man dann allenfalls rechtliche Schritte einleiten, und was das alles wieder kostet. Wäre doch viel besser, das Thema sein zu lassen, interessiere doch sowieso keinen.

Beispiel NZZ.

Wunderbar, sagst das dem zuständigen Chefredaktor im Vorbeilaufen, danke. Und wie geht’s der Gattin, wollen wir mal wieder in meinem Privatjet nach Tokio?

Läuft das so? Natürlich läuft das so. Nur: beweisen kann man’s sehr, sehr selten. Selbst dann nicht, wenn es einem schon mehrfach passierte, dass eine anfängliche Begeisterung über die Beschreibung eines saftigen Skandals urplötzlich abkühlte, ein Vorwand nach dem anderen erfunden wurde, um dann zu einem abschliessenden : «Ist wohl doch kein Thema für uns» zu gelangen.

 

 

Ein Text ohne Wirkung

Wenn zuviele Personen mitreden, wird jede Botschaft zum Flop.

Wollen Verbände in die Medien kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der Klassiker ist die Medienmitteilung. Doch je nachdem, wieviele Verbandsvertreter beim Texten der Medienmitteilung mitwirken, wird diese lesbarer oder eben nicht. Killerpunkte sind schwerfällige Funktionsbeschriebe und ewig lange Schachtelsätze zum Einstieg. Etwa darüber, was der Sinn und Zweck des Verbands sind. Die Folge: Die Medienmitteilung wird fast nirgends abgedruckt. Sie kommt vielleicht online auf Bluewin.ch. Das war’s.

Publireportage? Inserat?

Nächste Möglichkeit: Man telefoniert Redaktionen ab und bietet einen Story an. In besagtem Fall geht es um das Thema «Medizin und Ökonomie: Gegeneinander oder Miteinander?» Das ist nicht gerade ein Brüllerthema. Möglich wäre allenfalls etwas….. wenn der Verband ein Inserate schalten würde. Ein Vorgehen, das auch bei grösseren Verlagen gang und gäbe ist. Führt das nicht zum Erfolg, kann der Verband eine Publireportage buchen. Oft schreibt dann eine spezielle Abteilung innerhalb des Verlags den Text nach journalistischen Grundsätzen. Der Verband kann dann noch seinen Senf dazu geben, so dass es für alle stimmt. Oft ist die Gestaltung so raffiniert, dass der Leser den Unterschied zum «normalen» redaktionellen Teil nicht auf den ersten Blick bemerkt. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Komplizierter Entscheidungsprozess

Wenn der Verband aber unter allen Umständen in der «NZZ» erscheinen will, klappt der Kniff mit der eingebetteten Publireportage nicht. Dann bleibt nur das Inserat. Das ist aus Sicht des auftraggebenden Verbandes darum verführerisch, weil alle wichtigen Verbandsvertreter beim Inhalt des Textes mitbestimmen wollen und dürfen. Ein typisches Resultat eines solchen Entscheidungsprozesses konnte man in der Samstagsausgabe der «NZZ» sehen. Der Vorstand der Schweizerischen Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren hat ein halbseitiges Inserat geschaltet: «Medizin und Ökonomie: Gegeneinander oder Miteinander?» Bezüglich Rechtschreibung gilt eher ein Gegeneinander.

Nur zwei Müsterchen aus dem nicht lesefreundlich gestalteten Text:

«Der Spitaldirektorin bzw. dem Spitaldirektor bzw. dem CEO kommt dabei eine besonders anspruchsvolle Aufgabe zu, denn ein Spital kann nur dann erfolgreich sein, wenn die verschiedenen Disziplinen gut miteinander zusammenarbeiten und das unterschiedliche «Spezialwissen» zu einem Ganzen zusammengefügt wird. Strategische und operativ bedeutende Entscheidungen werden meistens im Konsens gefällt, da eine erfolgreiche Umsetzung die aktive Mitarbeit aller Schlüsselpersonen und Bereiche bedingt.»

Und noch ein Beispiel:

«Wünschbar für die Zukunft ist, dass Führungspersönlichkeiten aller Bereiche,welche infolge gut überlegter Strategieanpassungen ausscheiden, damit ohne systemdestruktives Verhalten umgehen.»

Kein Wunder, landen solche Medienmitteilungen im Rundordner. Und es ist offensichtlich, dass auch das Inserat kaum gelesen wird, ausser von den Spitaldirektoren selber. Schade für das Geld.