Medien als Filter
Was für eine Funktion haben Medien eigentlich?
Die vermeintlich banale Frage führt direkt in die Nebel des Krieges. Die Banalität, dass bei kriegerischen Auseinandersetzungen die Wahrheit zuerst stirbt, zitiert jeder Depp irgendwann mal.
Seit Urzeiten, zumindest, seit es so etwas wie eine öffentliche Meinung und die Möglichkeit zu deren Beeinflussung gibt, ist es sonnenklar, dass alle an einer kriegerischen Auseinandersetzung Beteiligten alles dafür tun, die öffentliche Meinung in ihrem Sinn zu beeinflussen. Das tun übrigens auch in friedlichen Zeiten die meisten Teilhaber an der Wirtschaft; grosse Firmen beschäftigen ganze Heerscharen von Kommunikationsfuzzis, Spin-Doctors. Lobbyisten und anderen Beeinflussern, die sowohl Entscheidungsträger wie auch die Öffentlichkeit im Sinne ihres Brötchengebers beeinflussen wollen.
Das fängt bei Banalitäten wie zugeschickten Produkten oder gesponserten Reisen an. Das hört bei diskreten Hinweisen, dass man Inserate schon gerne in einem inseratenfreundlichen Umfeld platzieren möchte oder mit dem Wink mit dem Zaunpfahl, dass man dann die nächste Leseraktion nicht unbedingt sponsern werde, nicht auf. das umfasst auch pfannenfertig vorbereitete Beiträge in journalistischem Gewand, mit denen sich das Organ dann als angebliche Eigenleistung schmücken kann.
Das kann auch in Form eines Telefonats von CEO zum Medien-CEO stattfinden, dass dann im Fall der beantragte Betriebskredit leider noch nicht entschieden sei. Denn ganz allgemein ist es mit der berühmten Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit und Wahrheitssuche der Medien nicht weit her. War’s auch nie. Dass selbst ein Riesenkonzern wie Apple vor einer Riesenwirtschaftsmacht wie China einknickt und den geschätzten Jon Stewart nicht weiter sein Programm gestalten lässt – Business as usual.
Geht es um Berichterstattung im Ausland, insbesondere um Kriegsberichterstattung, kommen noch weitere Probleme hinzu. Immer weniger Medien können sich einen eigenen Kriegsreporter überhaupt noch leisten. Alleine dessen Versicherung kostet, dazu alle nötigen Massnahmen, um seine Sicherheit zu gewährleisten, plus sein Gehalt, das macht in der Schweiz zum Beispiel schlichtweg niemand mehr, von gelegentlicher Beschäftigung von Kurt Pelda vielleicht abgesehen.
Zudem sind Kriegsparteien natürlich daran interessiert, Journalisten nur ihre Sicht der Wirklichkeit zu vermitteln; ungeniert wurde der Begriff des sogenannten «embedded journalist» erfunden. Der «eingebettete» Reporter durfte wohlgeschützt durch die Armee eines Konfliktteilnehmers berichten, was der ihn sehen liess.
Zurzeit gibt es beispielsweise im Gazastreifen keinen einzigen unabhängigen Reporter. Zu gefährlich, zudem will die Hamas natürlich Lufthoheit in diesem Gebiet zumindest medial behalten. Das führt dann dazu, dass es zwar inzwischen jede Menge Ferndiagnosen über den Verursacher der Explosion bei einem Spital dort gibt, aber keine vertrauenswürdigen Augenzeugenberichte oder die Reportage eines unabhängigen Beobachters. Was wiederum zum Paradox führt, dass in der heutigen Informationsgesellschaft mit noch nie dagewesenen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung weder der Schuldige, noch die Anzahl Opfer über jeden vernünftigen Zweifel hinaus feststehen.
Ein weiterer hässlicher Faktor sind die Klowände des Internets, die asozialen Medien. Hier tobt der Bär, das schnelle Urteil und die Dummheit. Ein idealer Nährboden für Manipulation, wo mit gefälschten Bildern, Videos, angeblichen Augenzeugenberichten, falsch zugeordneten Aufnahmen oder Tondokumenten Stimmung gemacht wird.
Also wäre es so nötig wie noch nie, dass sogenannte Qualitätsmedien etwas für das Geld ihrer Abonnenten tun. Aber die Verifizierung oder Falsifizieren von Informationssplittern ist ein aufwendiges Geschäft. Es braucht zwei Klicks, um eine Jubeldemo von Anhängern Palästinas in Zürich ins Netz zu stellen, die sich angeblich über die Hamas-Massaker freuen. Es war ziemlich aufwendig, beispielsweise an der Länge der Schatten und einer kurz sichtbaren Uhrzeit zweifelsfrei nachzuweisen, dass die Demo zwar echt, der Zeitpunkt aber frei erfunden war.
Mangels Manpower, Ressourcen und auch Kompetenz verlegen sich immer mehr Medien darauf, zu meinen und zu kommentieren. Dazu gesellen sich Sandkastengeneräle, «Militärstrategen» und überhaupt Schwätzer, die immer froh sind, dass man sie nicht an zurücklegende Flops erinnert. Nehmen wir als eines von überreichlich vorhandenen Beispielen nur den Professor Michael Wolffsohn. Der «deutsch-jüdische Patriot» (Eigeneinschätzung) wird gerade wieder herumgeboten als der grosse Fachmann für den Nahen Osten.
Als er noch Historiker an der Bundeswehr-Universität war, behauptete er: «Die Intervention der Amerikaner im Irak 2003 war richtig, das wird auch die Geschichte zeigen!» Nachdem die Geschichte gezeigt hat, dass diese Invasion Hunderttausende von Toten und einen dysfunktionalen, gescheiterten Staat verursachte, sollte man bei seinen aktuellen Einschätzungen auch eher skeptisch sein.
Nicht nur in der Ukraine, nicht nur im Nahen Osten gilt leider verschärft: noch nie verfügten wir über dermassen umfangreiche Informationsmöglichkeiten, noch nie waren wir dermassen unterversorgt mit belastbaren Informationen.