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Nimm das, Trump!

NZZaS-Chefredaktor Beat Balzli ordnet die Welt mit einem Soufflé.

Das Editorial erhebt den Chefredaktor aus den Mühen seines Alltags. Der besteht aus Sitzungen, dem Abklopfen von Storyideen auf potenzielle Gefahrenherde wie teure Rechtsstreitigkeiten und der Ordnung des Intrigantenstadls, aus dem die modernen Schrumpfredaktionen bestehen.

Balzli ist der Meister des verunglückten Editorials. Aber leider beratungsresistent. Jetzt hat er’s schon wieder getan. Er beginnt mit einem Frage-Titel, der den Leser verwirrt und ihn darum bittet, ja nicht weiterzulesen: «Müssen wir den Kapitalismus entschleuningen?» Wer ist «wir», wieso müsste man, und wenn ja, wie ginge das?

Dann tut er das, was auch zu seinen Marotten gehört. Er beginnt mit einem schiefen Bild, blickt «in den Backofen». Hä? Gemach, er versucht zu erklären:

«Denn wir alle kennen ihn, diesen Soufflé-Moment. Wenn etwas schnell gebacken wird, der Superlativ sich in der Hitze ausdehnt, das Versprechen an selbstgebräunter Grossartigkeit nicht mehr zu überbieten ist – und dann in sich zusammenfällt.»

Eigentlich liefert er hier eine treffende Erklärung für sein Editorial. Mit dieser pompösen ersten Satzkonstruktion, die in sich selbst zusammenfällt. Ob er wohl weiss, dass man das die nachgestellte Apposition nennt? Wohl eher nicht.

Rumpelnd widmet er sich dann Trumps Ankündigungspolitik. Dafür schiebt er gleich das nächste schiefe Bild auf die Schiene: sie «erinnert an einen französischen Hochgeschwindigkeitszug, weil sie auch so schnell wirkt: TGV – totale globale Verunsicherung».

So schnell kann kein TGV entgleisen wie diese Metapher.

Dann verwandelt sich der Schnellzug in etwas Winziges: «Dieses Virus befällt als Erstes die Finanzmärkte. Darin liegt Fluch und Segen zugleich.» Wir versuchen zu folgen. Entschleunigen, Soufflé, TGV, Virus. In solchen Sprachunglücken liegt mehr Fluch als Segen.

Aber weiter im wilden Ritt: «Während die Checks and Balances der USA komatös wirken, funktioniert wenigstens die Wall Street.» Komatös wirken? Diesen Eindruck mag wohl auch der Leser erwecken, wenn er sich bis hierher durchgekämpft hat.

Ist vielleicht noch der eine oder andere in der Spur? Das kann Balzli ändern:

«Während die Demokraten wie Zombies durch Washingtons Kulissen huschen, springt der schnöde Mammon als Opposition ein. Danke, Markt!
Doch die Börsen leiden an einem Phänomen, das sie mitgezüchtet haben, weil sie mit ihrem quartalsweisen Hunger nach Erfolgszahlen die Globalisierung mitbeschleunigen. Rechtspopulisten sind nicht nur, aber auch das Produkt des Strukturwandels.»

Zombies huschen, der schnöde Mammon springt, die Börsen haben Quartalshunger und beschleunigen, dann poppen auch noch die Rechtspopulisten auf. Nicht nur, aber auch.

Nun, der Platz ist beschränkt, lässt Balzli die Katze aus dem Abfalleimer oder so und hofft doch tatsächlich, dass der US-Präsident sein Geschreibsel liest: «Statt mit erratisch verhängten Monsterzöllen die Zeit zurückdrehen zu wollen, sollte sich Donald Trump besser auf eine seiner wenigen diskussionswürdigen Ideen besinnen.»

Auf welche denn? «In der ersten Amtszeit dachte er laut über die Entschleunigung der Börse und die Abschaffung der Drei-Monats-Konzernberichte nach.»

Das habe auch seine damalige Konkurrentin Hillary Clinton getan, ganz am Schluss besinnt sich Balzli auf seine einleitende Metapher und schliesst: «Vielleicht sollten die beiden ­einmal zusammen etwas Stabiles backen.»

Clinton, die völlig in der Versenkung verschwunden ist, und Trump, der sich kaum daran erinnert, was er vor fünf Minuten gesagt hat, sollen zusammen etwas backen?

Während der Leser so schnell den Kopf schüttelt, als müsse er einem TGV beim Vorbeifahren zuschauen, einer von links, einer von rechts (von diesem Sprachbild könnte sich Balzli zwei Scheiben abschneiden), verabschiedet sich der Sprachkünstler mit einem launigen «Ich wünsche Ihnen weiterhin ein fluffiges Wochenende».

Statt Leichtigkeit zu empfinden, steht zu befürchten, dass sich der Leser eher wie ein Soufflé fühlt, aber wie ein missglücktes, das in die Luftnummer dieses Editorial-Quälers geriet.

Wie der «Blick» eine Grafik versemmelt

Wer’s nicht kann, kann’s nicht.

Eine banale Weisheit, aber dem «Blick» muss man mit Banalitäten kommen. Eigentlich ist eine grafische Aufbereitung von ein paar Zahlen ein Kinderspiel. Zumindest etwas, was Zeitungen seit vielen Jahrzehnten betreiben und beherrschen.

Im Rahmen der allgemeinen und speziellen Sparwut geht auch Sichergeglaubtes wieder verloren. Das zeigt sich dann bei einer Grafik in aller offenen Hässlichkeit.

Natürlich ist es verdienstvoll, vor den Wahlen eine Grafik zu präsentieren, die die wichtigsten Prognosezahlen vereint. Also die Resultate von Umfragen (hier nicht abgebildet) und vor allem das Zuschreiben von Wahlmännerstimmen. (Pfuibä, dass das noch keiner Kampffeministin aufgefallen ist, wo bleiben Tobler & Co., wenn man sie dringend braucht?)

Denn beim etwas merkwürdigen US-Wahlsystem entscheidet nicht die Mehrheit der Stimmen (so hatte Hillary Clinton bedeutend mehr Wählerstimmen als Donald Trump, verlor aber dennoch), sondern die Anzahl der gewonnenen Wahlmänner (und -frauen und everybody beyond, muss ZACKBUM korrektsprachlich hinzufügen).

Hier wird nun Kamala Harris Donald Trump in den klassischen Parteifarben gegenüber gestellt. Links in Blau Harris, in der Mitte die entscheidende Marke von 50 Prozent oder 270 Wahlmännern, die zum Sieg reichen. Soweit, so klar. Nun kann man die Vorhersage wagen, welche Stimmen der Kandidat (generisches Maskulin, you know) auf sicher hat. Das wären bei Harris laut «Blick» 191, bei Trump 122. Daher in sattem Blau, bzw. Rot eingefärbt. Dann kommen die wahrscheinlichen Stimmen, bei Harris 35 und bei Trump 97. Und schliesslich die offenen aus den sogenannten Swing States, hier in einer Art Uringelb wiedergegeben.

Na und, ist doch alles soweit in Ordnung. Nun ja:

Zwischen wahrscheinlich und offen gibt es aber noch eine Farblegende für «eher». So eine Art Blassblau oder Blassirgendwas, abgedämpft zu den Farben für «wahrscheinlich».

Nur: das kommt in der Grafik nicht vor. Da gibt es nur sicher, wahrscheinlich und offen.

Das würde selbst einem Sehbehinderten, einem Farbenblinden, einem oberflächlichen Betrachter auffallen. Aber beim Qualitätsorgan «Blick», dem Kompetenzzentrum für News und Nachrichten, fällt das niemand auf.

Wie peinlich ist das mal wieder? Ach, um dort zu wirken, braucht es eine gute Portion Schamfreiheit. Bringt man die nicht mit, muss man sie sich halt ansaufen.

And the Winner is …

Hat die Journaille aus den vorletzten Wahlen in den USA gelernt?

Daran möchten sich nicht einmal eingefleischte Trump-Hasser gerne erinnern. Als Donald Trump 2016 gegen Hillary Clinton antrat, waren sich eigentlich fast alle US-Spezialisten, Kenner, Analysten, Politbeobachter, Experten und Fachleute einig:

Die USA wird bald zum ersten Mal eine Präsidentin haben. Denn es sei ja wohl undenkbar, dass so ein Gnom wie Trump, ein Vielfachversager, Aufschneider, Berufslügner, jemand der so sprunghaft ist, von den meisten Gegenden der Welt keine Ahnung hat und noch niemals zuvor in irgend einer Form politische Verantwortung übernehmen musste – Präsident werden könnte.

Niemals nicht, absolut klar, keine Frage; nur wenn Clinton tot umfällt oder einen noch grösseren Bock schiesst als ihr Gatte mit seinen Sexaffären, dann, aber nur dann hätte Trump vielleicht eine Aussenseiterchance. Aber auch das sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

So tönte es auf allen Kanälen bis in die Wahlnacht hinein. Unvergesslich köstlich, wie in den Wahlstudios der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland, wie beim Schweizer Farbfernsehen die Moderatoren die ersten Resultate noch schönschwatzten, bis tief in die Wahlnacht hinein sich verzweifelt an der Hoffnung festklammerten, dass ja nun alles geschehen könne, inklusive Weltuntergang, aber eine Wahl Trumps, niemals, ausgeschlossen.

Dann gab es eine Schockstarre, eine Schweigepause, während der der Konsum von Psychopharmaka, Alkohol und härteren Drogen unter Journalisten sprunghaft zunahm.

Nun folgte Phase zwei. Wie konnte das passieren? Alle, inklusive Claas Relotius, waren sich sicher: das lag an diesen verdammten Hinterwäldlern aus den Fligh-over-Counties. So nennen Ost- oder Westküstenintellektuelle das Kernland der USA. Reporter wurden dorthin entsandt, die mit der Schreckensmeldung zurückkamen: genau, die sind so hinterwäldlerisch, eigentlich sollte man denen das Wahlrecht entziehen.

Denn für die Journaille war klar: da der Wähler gegen ihren einhelligen Ratschlag abgestimmt hatte, ist er mehrheitlich blöd. Der Aufgabe nicht gewachsen. Beratungsresistent. Unempfänglich für all die guten Ratschläge, die die Journaille unablässig auf ihn niederregnen liess.

Dann vier Jahre Präsidentschaft. Eigentlich kann man sagen, dass Trump so im üblichen Mittelmass seiner Vorgänger regierte. Erschwerend kam für ihn hinzu, dass er keine Ahnung hatte, wie das Politsystem in Washington funktioniert, wie man sich Mehrheiten verschaffen kann, wie das tägliche Kleinklein der Regierungsarbeit aussieht.

Dann das grosse Aufatmen 2020. Ein paar Irre versuchten zwar noch, das Kapitol nicht nur zu stürmen, sondern einzunehmen. Und Trump begann seinen Feldzug, dass ihm der Sieg gestohlen worden sei. Aber entgegen anderslautenden Befürchtungen räumte er das Weisse Haus durch den Hinterausgang und begann vorher keinen Dritten Weltkrieg.

Die Journaille atmete auf und hoffte, dass sie sich nie mehr intensiv mit diesem blondierten Amok beschäftigen müsse. Bis zu den Vorwahlen der Demokraten und der Republikaner. Bei den Demokraten war es klar und einfach. Niemand wollte ernsthaft Joe Biden in die Quere kommen. Und die Hoffnung, dass ihn Kamala Harris nach zwei Jahren ablösen könnte, war genauso zerstoben wie die Hoffnung, dass sie nach Ende seiner Amtszeit antreten könne.

Erst als sich Biden in einer TV-Diskussion restlos blamierte, wurde Harris knirschend auf den Schild gehoben. Obwohl es bessere Kandidaten gegeben hätte. Aber sie hatte einen unschlagbaren Vorteil: nur mit ihr mussten all die Wahlspenden für Biden/Harris nicht zurückgegeben werden.

Also schwenke die Journaille, die zuvor noch Biden als einzigen Kandidaten hochgejubelt hatte, der Trump sicher stoppen könne, auf die neue weibliche Hoffnung um. Und übersah geflissentlich, dass Harris noch weniger Programm oder Überzeugungen zu bieten hat als Trump.

Dessen Vorwahlkampf wurde mit immer schriller werdendem Pfeifen im Wald begleitet. Jede Eintagsfliege wurde als mögliche chancenreiche Gegenkandidatur hochgelobt, jeder Sieg von ihm mit einem «noch ist nichts entschieden» begleitet. Bis auch hier das Unvorhersehbare, das Ungeheuerliche wieder geschehen war: Trump wurde Präsidentschaftskandidat.

Im fliegenden Wechsel von Biden zu Harris war sich die Journaille einig: die Dame ist schwer unterschätzt worden, die kann Trump Saures geben, der hat völlig den Faden und das Konzept verloren, die macht ihn fertig.

Wie immer, wenn es um Trump geht, schrieb sich die Journaille die Finger wund, wieso er es auf keinen Fall schaffen könne, wieso das absolut ausgeschlossen sei, wieso er nun eine Gegnerin habe, die alle guten Kräfte hinter sich vereinige.

Besoffen von der eigenen Schreibe kam da die Phase, wo von einer Wende fantasiert wurde, wo der mögliche Sieg von Harris als immer wahrscheinlicher hingeschrieben wurde, wo Trump als der sichere Verlierer abgekanzelt wurde.

Bis zur nächsten Wende, wo zunächst raunend, dann offen wehklagend berichtet wurde, dass Trump doch wider Erwarten aufhole, noch gar nicht geschlagen sei, sogar die Nase wieder vorne habe, Gott sei bei uns.

Und nun kommt die nächste Wahlnacht auf uns zu. Und wieder werden die Beobachter, Analysten, Koryphäen, USA-Kenner von Peter Hossli aufwärts ihren Senf dazu geben. Schamlos. Als hätten sie sich nicht Mal für Mal blamiert, immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie von den USA – ausserhalb von New York, Boston, LA und San Francisco – schlichtweg nicht den Hauch einer Ahnung haben.

Aber wahrscheinlich sind sie doch etwas vorsichtiger geworden und werden Harris nicht vorschnell zur sicheren Siegerin erklären. Obwohl sie das in überwiegender Mehrheit inbrünstig hoffen.

Es darf gelacht werden

Correctiv! hat selbst Korrektur nötig.

In Deutschland gehen Hunderttausende auf die Strasse, weil die Plattform «Correctiv!» mit geheimdienstlichen Methoden ein Treffen einiger Rechter und Rechtsradikaler aus dem Umfeld der AfD und der CDU abhörte und fotografierte. Dort ist ein österreichischer Identitärer aufgetreten und wurde anscheinend das Unwort «Remigration» verwendet.

Endlich ist «Correctiv» mal ein Scoop gelungen, um in der Öffentlichkeit Punkte zu sammeln. «In unserer Arbeit setzen wir uns für Transparenz, die Enthüllung systematischer Missstände sowie freien Zugang zu Informationen ein», dröhnt Correctiv! auf seiner Webseite. Allerdings ist ihm in den letzten Jahren keine solche Enthüllung gelungen.

Noch peinlicher: 2016 blamierte sich der Correctiv-Gründer und Chef bis heute, David Schraven, bis auf die Knochen:

Da war mal wieder der Wunsch der Vater des Gedankens. «Hillary Clinton hat gewonnen», wusste Schraven weltexklusiv, das sei «fast amtlich». Dann höhnte er: «Trump: ein anderes Wort für miesen Verlierer.» Dem stehe nun eine Behandlung wegen Depressionen bevor.

Wer so hämt, müsste sich eigentlich um Spott nicht kümmern. Aber in den Mainstream-Medien wird diese Lachnummer von Schraven (nicht sein einziger Flop) wohlwollend übergangen. Sonst müsste man sich ja die Frage stellen, wie vertrauenswürdig die Behauptungen von Correctiv über dieses konspirative Treffen sind – und ob man durch eine so dicke ideologische Brille überhaupt die Wirklichkeit sehen kann.

Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun? Nun, das, was bei diesem privaten Stelldichein besprochen worden sei, welche Ideen oder Formulierungen dort herumschwirrten, dafür haben wir lediglich die Behauptungen von Correctiv. Wie weit die echt oder manipuliert sind, wer weiss das schon. Man weiss nur: wer Clinton damals vorschnell zur Siegerin ausrief und Trump als miesen Verlierer beschimpfte, ist keine sehr vertrauenswürdige Figur.