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Gesinnungs-Journalismus, Part II

Enver Robelli reitet mal wieder.

Der Tagi lässt ihm halt alles durchgehen:

Der gebürtige Kosovare leistete gegenüber Kroatien einen gewaltigen Beitrag zur Völkerverständigung: «Kroatiens Präsident als Provokateur: Er poltert gerade wie ein Betrunkener – gegen Minister und Bosniaken».

Aber er hat auch den Blick für das Grössere, dafür, dass «Putin den Vormarsch der Autokraten in Europa» unterstütze. Allerdings fängt er sofort an zu eiern. Denn die Beschreibung von Putins angeblichen Essgewohnheiten ist natürlich nichts anderes als «Heldenverehrung im Dienste Russlands». Was daran eine «Fake-News-Kampagne» sein soll? Isst der in Wirklichkeit kein Omelett mit Fruchtsaft, sondern Kaviar mit Wodka? Oder frisst er gar kleine Kinder?

Die Beschreibung der Essgewohnheiten von Donald Trump (Fast Food von McDonald’s, Hackbraten, McMuffins und Coca-Cola light) ist hingegen ein grandioses Stück Recherchierarbeit. Das gilt natürlich auch für Kamala (wer war das schon wieder) Harris (Gumbo), Joe Biden (Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwich, Gatorade Orange)  oder Barack Obama (Salat mit Hähnchen, Tee).

Dann liefert Robelli, wäre sonst zu anstrengend geworden, einfach eine Zusammenfassung einer Studie der FDP-nahen deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung ab. Daher weiss er:

«Der Balkan, so die Studie, sei gezielt als «Labor und Trainingsfeld russischer Propaganda» ausgewählt worden. Die vom Kreml gesteuerten Propagandainstrumente «Sputnik» sowie «RT-Balkan» (früher Russia Today) fluten von Belgrad aus die Region mit Lügen, Fake News und Verdrehungen, um die Bevölkerung gegen «den Westen» aufzurüsten

Anschliessend frühstückt Robelli das Panoptikum der östlichen «Achse der Autokraten» (analog zur «Achse des Bösen») ab: Serbiens Vucic und natürlich Ungarns Orban; «sein Agieren habe das Zeug, die EU, die Nato und das gesamte euroatlantische Sicherheitssystem ins Wanken zu bringen». Wow, der ist ja fast noch gefährlicher als Putin.

Da kommt der Heimweh-Kosovare richtig in Fahrt: «Alleinherrscher von Budapest» (wer meint, der sei gewählt worden, irrt sich), der mit «seiner kruden Mischung aus Nationalismus und Rechtspopulismus den Staat gemäss seinem antiliberalen Weltbild umgebaut hat, inspiriert auch den linkspopulistischen Premier der Slowakei, Robert Fico, sowie den FPÖ-Chef Herbert Kickl, der bald Bundeskanzler in Wien werden könnte. Fico besuchte kurz vor Weihnachten Putin in Moskau.»

Und noch die Kontaktschuld: war in Moskau, vor Weihnachten, das sagt doch alles. Und so weiter.

Nach der unbelegten Beschreibung der Misere zum Schluss unweigerlich die guten Ratschläge: «Auf die unjournalistische Propaganda müsse eine journalistische Antwort folgen

Alles in indirekter Rede, damit Robelli zur Not sagen kann, er habe ja nur abgeschrieben, und das auf quälend langen 9135 A. Allerdings: wenn die Antwort journalistisch sein soll, dann kann dieses Machwerk ja nicht dazuzählen. Es ist im Grunde genauso propagandistisch-primitiv wie vieles, das aus Russland kommt. Einfach andersrum.

 

Old News

Ein Widerspruch in sich selbst? Nein, ein Tagi-Prinzip.

Als USA-Korrespondent Fabian Fellmann am 5. Januar den Artikel verfasste, war Mike Johnson tatsächlich noch nicht als Speaker gewählt. Als der Artikel am 6. Januar immer noch unverändert auf der Homepage des Tagi stand, schon. Allerdings widerspricht sich Feldmann dann im Artikel selbst:

«Speaker Johnson wurde noch einmal gewählt. Der Vorgang lässt erwarten, dass die nächsten Monate im Kongress unvorhersehbar und chaotisch werden, jede wichtige Abstimmung wird zur Zitterpartie.»

Oder auf Deutsch: Fellmann wünscht Trump alles Schlechte. Zu seiner Entschuldigung kann man höchstens anführen, dass die schlampige Tagi-Redaktion dieses «In Kürze» unverändert stehen liess. Kä Luscht, kä Ziit, wir sind im Genderkurs mit Andreas Tobler. Oder so.

Dazu gehört auch die brandaktuelle Aufzählung vergangener und gegenwärtiger Untaten Trumps. Der «Tag der Schande» am 6. Januar 2021, als Trump-Anhänger das Capitol stürmten und die formelle Auszählung der Wahlmännerstimmen zu verhindern suchten. Die daraus resultierende Anklage gegen Trump, die nach seiner Wiederwahl eingestellt wurde. Die Verkündung des Strafmasses im Prozess um seine Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin. Die selbst war nicht strafbar, aber für den Versuch, sie in der Buchhaltung zu verschleiern, wurde Trump schuldig gesprochen.

Und schliesslich: «Trotz der Verurteilung in New York will Donald Trump am 20. Januar triumphal seine Amtseinführung feiern – eine Tradition, die er selbst vier Jahre zuvor mit Füssen getreten hat.»

Das alles ist ein übellauniger Rempler, mit dem der Journalist klarstellt, dass von ihm keine einigermassen objektive Berichterstattung über Präsident Trump zu erwarten ist. Seine persönliche Einstellung sei ihm unbenommen, und es gibt tatsächlich mehr als genug Gründe, die Person Trump unausstehlich zu finden. Allerdings wäre es die Aufgabe eines Zeitungskorrespondenten, den fernen Lesern in der Schweiz begreiflich zu machen, wieso eine Mehrheit der US-Stimmbürger diesen Mann gewählt haben – und welche Pläne er verfolgt.

Stattdessen aber ein Rehash von Vergangenem, fern der Aktualität und Realität.

Die Welt ist nicht nur schlecht, sie wird auch immer schlechter. Denn ein Trump ist nicht genug. Da gibt es im Süden der Schweiz die italienische Ministerpräsidentin Meloni. Im Westen Marine Le Pen. Im Norden Alice Weidel und die AfD. Dazu im Osten Herbert Kickl und seine «in Teilen rechtsextreme FPÖ». Das weiss Verena Mayer, «Korrespondentin für Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Moldau und Slowenien» für die «Süddeutsche Zeitung», womit auch das Qualitätsmedienhaus Tamedia ihre Ansichten übernimmt.

Denn so wie viele Journalisten immer noch am Wahlsieg Trumps zu knabbern haben, kommen sie auch nicht darüber hinweg, dass die FPÖ die Wahlen in Österreich gewann, aber nicht mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Nachdem das Gewürge, eine Koalition der Wahlverlierer zu formen, gescheitert ist, kommt nun wieder der demokratische Brauch zum Zuge, dass der Gewinner die Chance auf Regierungsbildung bekommt. Oder wie Mayer das formuliert: «Der Nachricht, die wie eine Kugelbombe in die österreichische politische Landschaft einschlug, war ein ereignisreiches Wochenende vorausgegangen.»

Eine Nachricht als Kugelbombe? Die Dame hat wohl die Nachwirkungen der Silvesterfeier noch nicht ganz verdaut. Genüsslich zitiert sie nun frühere Aussagen des neuen ÖVP-Chefs, der wohl als Juniorpartner unter Kickl amtieren wird. Der sei ein «Hochrisiko mit radikalen Ideen» und eine Gefahr «nicht für die Sicherheit, sondern auch für die Demokratie in diesem Land», meinte Christian Stocker zuvor. Aber es zeichnet ja nicht nur in Österreich den Politiker aus, dass er problemlos das Gegenteil vom Gegenteil sagen kann, immer begleitet von «ich habe schon immer gesagt».

Für völlig überflüssig hält es die Korrespondentin, ihren Lesern die Wahlresultate in Erinnerung zu rufen. Die FPÖ siegte mit 28,8 Prozent, auf den Plätzen folgten die ÖVP mit 26,3 und die SPÖ mit 21,1 Prozent. Dabei brach die ÖVP um über 11 Prozent ein, die Grünen um 5,66 Prozent, die SPÖ blieb einigermassen stabil, während die FPÖ um 12,68 Prozent zulegte. Das nennt man normalerweise einen Erdrutsch. Ausser, es handelt sich um eine «in Teilen rechtsextreme Partei».

Nun ist die FPÖ tatsächlich selbst für österreichische Verhältnisse (niemand schlägt eine schöne Wiener Hofintrige) schillernd. Erinnert sei an Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache (Ibiza-Affäre). Allerdings muss sich die ÖVP mit Christian Kunz oder die SPÖ mit dem bekennenden Marxisten Andreas Babler auch nicht verstecken. Zuerst war 2023 ein Hans-Peter Doskozil als neuer SPÖ-Parteivorsitzender ausgerufen worden. Dann wurde zerknirscht eingeräumt, dass die Stimmen vertauscht worden seien, in Wirklichkeit habe Babler gewonnen.

Nun sind die Ausflüge der FPÖ in den braunen Sumpf tatsächlich zahlreich. Allerdings hat Österreich traditionell einen überproportionalen Anteil  an Anhängern des Hitler-Faschismus gestellt, und angebräunte Ansichten sind in der Alpenrepublik heute noch im Schwang.

Das sind zwei weitere Beispiele von Gesinnungsjournalismus, der die Leser nicht aufklären, informieren, orientieren will. Sondern belehren, beeinflussen, mit persönlichen Meinungen bedrängen und belästigen.

Wer ein Abo hält, entrichtet damit also einen Gesinnungsobolus. Wer einfach informiert werden will, schmeisst sein Geld zum Fenster raus.