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Das Bewerbungsgespräch

Rein fiktiv, natürlich. Denn die Wirklichkeit ist viel schlimmer …

«Tee, Mineral, vielleicht ein Kaffee?»

«Nein, danke, ich nehme ein stilles Wasser.»

«Ich möchte heute sehen, ob du dich für eine neu geschaffene Stabsstelle interessieren könntest.»

«Wunderbar, ich bin top motiviert, habe meine Management Skills gerade durch ein Post Graduate in Harvard geschärft, führe inkludierend, schliesse den Gender Gap, habe energische Massnahmen gegen die männerdominierte …»

«Ist gut, danke. So Zeugs erzähle ich auch jeden Tag. Aber jetzt mal von Frau zu Frau: es handelt sich hier um den Posten des Head of Chiefs im Bereich Programmatic Media Services.»

«Kann ich mich sehr gut hineindenken. Das ist dann die Schnittstelle zwischen dem Growth Management, dem Audiovisual Competence Center und Strategy & Innovation, nicht wahr?»

«Nein, das hast du falsch verstanden. Du würdest den Product Officer und den Head of Newsroom Coordination mit dem Head of Editorial Services vernetzen.»

«Aber diese Stelle ist doch vakant.»

«Ach ja, jetzt hast du mich drausgebracht. Ich meine natürlich den Chief Digital & Distribution.»

«Aber müsste der nicht mit dem Head of Media Service und zusammen mit dem Chief Product an den Chief Content Officer rapportieren?»

«Nein, nein, mach da jetzt keinen Salat draus. Ist doch einfach. Also der Head Product Officer und der Chief Newsroom …»

«Entschuldige, ist das nicht der Chief Product und der Head Newsroom?»

«Sagte ich doch. Also auf jeden Fall landet das alles am Schluss auf meinem Schreibtisch, denn ich bin ja die Einzige ohne Head und Chief hier, nicht wahr.»

«Da kann ich mich sehr gut hineindenken, das ist eine Aufgabe, die mich sehr reizt. Ich kriege dann doch auch ein eigenes Büro und einen Parkplatz in der Tiefgarage?»

«Für deinen neuen Geschäftswagen? Klar, Kleiderzulage gibt’s auch; was hältst du eigentlich von diesem Oberteil? Issey Miyake, habe ich bei meinem letzten Abstecher in dieser wunderbaren Boutique in Tokio gekauft.»

«Steht dir sehr gut. Dazu noch dieser sportliche Akzent, das sind doch die Roger Advantage, oder nicht?»

«Gutes Auge, wobei, ob das noch politisch korrekt ist? Da gab es doch so hässliche Behauptungen über Gewinnspannen und so weiter.»

«Ach, darüber müssen wir uns bei Ringier keine Sorgen machen.»

Gemeinsames Gelächter.

«Ich glaube, du hast den Job, gratuliere.»

«Vielen Dank. Ich werde dich nicht enttäuschen und mich schnell einarbeiten. Gibst du mir dann noch die Adresse von dieser Boutique in Japan?»

«Nein, meine Liebe, das sind Geschäftsgeheimnisse. Ich lasse dann den Arbeitsvertrag mit einer kurzen Job Description ausarbeiten, solltest du in einer Woche kriegen. So, nun habe ich aber ein dringendes Meeting.»

Die frischgebackene Chief of Heads of irgendwas verlässt glücklich das Chefbüro. Die Chefin drückt auf die Intercom-Taste: «Könnest du den Termin bei der Visagistin um eine Stunde verschieben? Ich gehe zuerst doch noch in die Massage, danke. Ach, und dann noch ein Kündigungsschreiben, bitte. Diese Kuh hat keine Ahnung, was ich von ihr will, und dann hat sie mir auch noch widersprochen. Das Übliche, Änderungskündigung, neues Jobangebot im Call Center Abos, einen Tag Bedenkzeit.»

Versager 2

«Ich war schon bei Tyson auf dem Sofa». Das sagt alles.

Nein, nicht ganz. Das sagt der neue «Head of Sports». Hä, Head of? Head off? Kopf ab? Nein, keine Scherze, er ist ja nur einer von vielen neuen Häuptlingen. Denn beim ehemaligen Boulevardblatt «Blick» wimmelt es nur so von Heads. Und Officers.

Eine unvollständige Liste: Chief Content Officer Steffi Buchli. Chief Digital & Distribution Officer Sandro Inguscio. Dann haben wir den Head of Newsroom, dann hätten wir noch das «audiovisuelle Production Center», gesucht wird noch ein Head of Storytelling. Das ist alles etwas verwirrlich, deshalb gibt es natürlich auch noch einen Head of Newsroom Coordination. Head of Blick.ch, schliesslich gibt es noch neu das Ressort Desk, wohl ohne Head.

Head of Product & Innovation Newsroom, Head of Product/Quality, Head of Growth Management, Head of Heads, Heads of Officers, Chiefs of Heads, da schwirrt einem der Head, Pardon, Kopf.

Man kann sich jede Menge Slapstick vorstellen, wie diese Heads, Officers und Chiefs die Köpfe zusammenstecken und herauszufinden versuchen, was dieser Scheiss eigentlich soll. Denn das muss sie sagen, und das glaubt nicht mal Steffi Buchli selbst:

«Ich freue mich auf starke Charaktere und maximale Fachkompetenz. Damit ist die Basis gelegt, um die besten multimedialen Geschichten zu erzählen und unsere Inhalte auf ein noch höheres Level zu hieven.»

Noch höher? Also die Köpfe in den Wolken? Wahrscheinlich hat es der «Blick» endlich geschafft, denn es gibt ja noch so etwas Altmodisches wie Chefredaktor SoBli, sein stellvertretendes Investigativ-One-man-Team und jede Menge weiterer Häuptlinge. Was geschafft? Die Idealvorstellung jedes Versagers in oberster Position, der sein Versagen durch unablässiges Rumschrauben an Organigrammen verstecken möchte: endlich gibt es mehr Häuptlinge als Indianer.

Der grösste Vorteil ist aber: wer Head ist, kann auch einen Kopf kürzer gemacht werden. Wer Officer ist, wer Chief ist, kann an etwas schuld sein. Denn eines ist klar: die oberste Chefin ist an überhaupt nichts schuld. denn auch sie ist dank Dreifachbonus unkaputtbar.

Also, ein kräftiges «head, head, hurra!» Wir warten sehnsüchtig darauf, die ersten Inhalte auf noch höherem Level geniessen zu dürfen. Wir warten. Wir warten und warten und warten und hoffen, dass unsere Lebenserwartung dank neuer Erkenntnisse auf weit über 100 Jahre gesteigert wird. Denn dann warten wir noch immer.

Zuvor stellen wir uns aber kurz die Entstehung eines Inhalts auf noch höherem Niveau vor.

Indianer: «Ich habe von der Polizei gehört, dass da einer seine Frau und seine Kinder umgebracht hat. Und seine Katze. Und dann sich selbst.»

Head of Sports: «Ich bin dann mal weg

Head of Newsroom Coordination: «Okay, ich übernehme dann mal.»

Head of Blick.ch: «Online first, ich übernehme dann mal

Head of Newsroom: «Das entscheide immer noch ich, okay

Chief Content Officer: «Kann ich mal kurz gebrieft werden? War gerade an einer Sitzung mit der Geschäftsleitung.»

Chefredaktor SoBli: «Wir übernehmen die Hintergründe, ich setze sofort mein Investigativ-Team dran.»

Head of Investigativteam: «Ich recherchiere gerade eine Story über den Griff ins Kässeli beim Gesangsverein Alpenglühn Unterentfelden, keine Zeit

Head of Product/Quality: «Das sollte sich doch der Head of Storytelling mal anschauen. Ups, das Ressort ist ja noch kopflos.»

Indianer: «Wenn ich auch etwas sagen darf …»

Alle Heads im Chor: «Schnauze, siehst du nicht, dass wir hier arbeiten?»

Indianer: «Ich wollte aber nur …»

Alle Heads im Chor: «Wenn du nicht unter Artenschutz stehen würdest, wärst du gefeuert

Indianer, tapfer: «Ich wollte nur sagen, dass «20 Minuten» die Story gerade online gestellt hat.»