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Dichtung und Wahrheit, Teil 3

Wie stellt man Gerechtigkeit her, nach so vielen Jahren und so viel Unrecht?

Hier geht’s zu Teil eins und zu Teil zwei.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Soll es darum gehen, ein Unrecht wieder gutzumachen? Ist es statthaft, was damals Recht war, heute als Unrecht zu denunzieren? Das trifft sicherlich auf die Raubzüge der Nazis gegen jüdische Besitztümer in ihrem Einflussbereich zu. Trifft das auch auf die Schweiz zu?

Spielt es in diesem Fall eine Rolle, welche Politik die Schweiz gegenüber Juden im Allgemeinen verfolgte? Spielt es eine Rolle, wie der Käufer zu seinem Vermögen kam?

Gerechtigkeit, wenn es so etwas überhaupt gibt, wird nicht durch Rechthaberei hergestellt. Einem Dialog ist es sicher nicht zuträglich, wenn der älteste Sohn des Verkäufers öffentlich behauptet, man habe ihm damals von Seiten der Stiftung «ins Gesicht gelacht». Einem Dialog ist es auch nicht zuträglich, wenn der Präsident der Stiftung formaljuristisch wird und festhält, dass alle Ansprüche sowieso längst verjährt seien.

Handelt es sich hier um einen Streit, bei dem damaliges Unrecht ziemlich genau 80 Jahre später geheilt werden soll? Schaffen da Kampfbegriffe wie «unter Ausnützung einer Notlage von Juden abgepresste Kunstwerke, bezahlt durch Einkünfte aus Waffenlieferungen an die Nazis», Gerechtigkeit?

Wieso bricht dieser Konflikt erst jetzt wieder aus? Die Herkunft der Werke in der Bührle-Sammlung war schon längst vor der Eröffnung der Ausstellung im Kunsthaus Zürich bekannt. Untersucht, umstritten, wieder untersucht, immer noch umstritten. Wobei die Stiftung bestreitet, dass etwas umstritten sei. Seit 2010 ist öffentlich auf der Webseite der Stiftung ein Bericht über die Lebensumstände von Juan Enrique oder Hans Erich Emden sowie über den Bildverkauf einsehbar – und niemals bestritten.

Muss nun 20 Jahre nach seinem Tod, 80 Jahre nach dem Tod von Max Emden, Unrecht geheilt werden? Verblasst der Streit um diesen Monet vor dem Riesenunrecht, das Emdens in Deutschland angetan wurde, ohne nennenswerte Sühne bis heute?

Kann die Stiftung als Wahrheit verkünden, dass es keinen einzigen Fall von problematischer Provenienz eines Kunstwerks in ihrem Besitz gebe? Dass alle allfälligen Restitutionsforderungen zu Recht zurückgewiesen worden seien – oder in Form von Vergleichen erledigt wurden?

Will hier ein Erbe am gewaltigen Wertzuwachs eines Gemäldes profitieren, dessen heutiger Schätzpreis von über 25 Millionen Franken überhaupt nichts mit den damaligen Preisen zu tun hat?

Wie unterscheidet man zwischen Dichtung und Wahrheit?

Ist es Dichtung oder Wahrheit, dass diese Wertsteigerung nicht zuletzt durch öffentliches Ausstellen entstand? Weiss man, was mit dem Gemälde geschehen würde, sollte es tatsächlich in den Besitz der Erben übergehen?

Dichtung oder Wahrheit, einem solchen Gespinst, solchen Verwicklungen, die tief in dunkle Kapitel der europäischen Geschichte zurückreichen, denen kann man nur – wenn man an Wahrheit interessiert ist – mit feinem Besteck beikommen, mit dem archäologischen Pinsel viel eher als mit dem Zweihänder oder dem Vorschlaghammer.

Das perfekte Feindbild.

Wie absurd die Debatte geworden ist, beweist eine kleine Auslegeordnung. Status quo ist, dass diese Werke als Leihgabe im Kunsthaus Zürich hängen. Ihre Herkunft und die Biographie des Sammlers ist in einem eigenen Raum dokumentiert. Was für Alternativen dazu gibt es?

  1. Der Leihgeber zieht die Sammlung wieder zurück.
  2. Einzelne Werke werden der Öffentlichkeit entzogen, bis ihre Provenienz nochmals abgeklärt wurde.
  3. Die Sammlung wird verstaatlicht.
  4. Einzelne Werke werden an die Erben der Verkäufer zurückgegeben
  • nur an die, die das fordern
  • aus Gleichbehandlungsgründen an alle
  1. Es wird auch für diese Sammlung der Begriff «NS-bedingter Kulturverlust» angewendet oder das Prinzip der «freiwilligen» Rückgabe, das vom Kunstmuseum Bern in Bezug auf die Gurlitt-Sammlung angewendet wird.
  2. Es werden weitere Kommissionen einberufen, die mit Steuergeldern finanziert nochmals versuchen, die Provenienz aller Kunstwerke zu überprüfen.

Es gäbe noch weitere Spielarten, aber allen ist gemeinsam: die gesamte Sammlung, oder zumindest Teile davon, würden der Öffentlichkeit entzogen werden.

Alle verlieren, auch die Wahrheit

So kann es nur Verlierer geben. Die Wahrheit gehört dazu. Einzig profitieren tun alle, die sich hier ihr eigenes Süppchen kochen wollen, ihre politischen Urteile und Vorurteile ausleben, mit billigen Propagandabegriffen die Lufthoheit über dem Stammtisch der öffentlichen Meinung erobern wollen.

Also letztlich nicht nach Wahrheit oder gar Gerechtigkeit suchen, sondern nur nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Durch einseitige Skandalisierung oder gar durch absurde Forderungen nach Rückkauf eigener Werke, weil die nicht in der Nähe dieser Sammlung hängen dürften.

In der Woke-Gesellschaft das übliche Vorgehen. Mangels eigenem Leiden vergreift man sich an fremdem, längst vergangenem. Um dann bühnenreif und mit geradezu schillerschem Überschwang («nimm das, Schurke») eine jämmerliche Performance abzuliefern.

Das gilt bedauerlicherweise für eigentlich alle Beteiligten an diesem künstlichen Trauerspiel. Die Stiftung als Rechtsnachfolgerin des Käufers hätte genügend Zeit gehabt, sich auf die absehbare Welle an Kritik vorzubereiten. Das hat sie unterlassen, blieb zunächst sprachlos, um dann mit einer dilettantischen Pressekonferenz mehr Öl ins Feuer zu giessen.

Das Kunsthaus als Gastgeber für die Ausstellung verwickelte sich ebenfalls unnötigerweise in Widersprüche und Fragwürdigkeiten, liess es an aller Sensibilität gegenüber einem solch aufgeladenen Thema missen.

Die Zürcher Regierung bedient jedes Vorurteil, dass man gegenüber opportunistischen Politikern nur haben kann. Die Stadtpräsidentin jubelte noch bei der Eröffnung des extra für diese Sammlung errichteten Erweiterungsbaus und badete in der hellen Sonne dieses neuen kulturellen Highlights, das Zürich als Museumsplatz in die Oberliga weltweit befördert.

Als erste Kritiken laut wurden, reagierte sie abwiegelnd, dann mit dem üblichen Rückzug, dass hier nochmals untersucht und abgeklärt werden müsse. Inzwischen, nachdem der Wind etwas stärker bläst, sieht sie auch plötzlich Probleme und Schwierigkeiten bezüglich einer weiteren Ausstellung der Werke.

Nach der missglückten Pressekonferenz sägt sie nun kräftig am Stuhl des eigentlich erst per Ende 2022 abtretenden Kunsthaus-Direktors und würde es begrüssen, wenn dieses «Dossier» so schnell wie möglich an seine Nachfolgerin übergehen würde.

Wieso nicht gleich wieder rauben?

Die Süppchenkocher auf längst Vergangenem, aber noch nicht Erledigtem, fordern mehr oder minder unverblümt Einblick in vertrauliche Vertragswerke und entweder die Rückgabe diverser Gemälde oder gleich die Verstaatlichung, getarnt als «Schenkung» an das Kunsthaus. Nachdem diese Verträge veröffentlicht wurden, brach grosse Enttäuschung aus: es gab nichts zu skandalisieren.

Eine Schenkung einfordern, das ist nassforsch. Würden sich solche Vergleiche nicht verbieten, kämen Analogien zum Vorgehen in dunklen Zeiten des letzten Jahrhunderts in den Sinn.

Sozusagen als materiell gewordener Ausdruck einer zunehmenden Hysterie fordert ein nicht mehr kandidierender Stadtrat sogar, dass man Kunsthaus eine Bührle-Kanone auf den Marmorboden mitten in Ausstellung stellen solle. Damit würde «die Finanzierung der Sammlung aus Kriegsgewinnen» gleich sichtbar.

Wie wäre es mit Brunnen mit rotgefärbtem Wasser in den Empfangshallen der Schweizer Banken, als Erinnerung an die Blutgelder, die hier aufbewahrt wurden oder werden? Fotos von Tieren in Schlachthöfen in Metzgereien. Darstellungen von Sweatshops der Dritten Welt in Kleiderläden. Nachbauten von engen Tunneln, in denen kleine Kinder nach seltenen Erden graben, in Handyläden.

Der schärfste Kritiker der Ausstellung der Sammlung, der in der «Republik» eine ganze Artikelserie darauf verbriet und dem Enkel des Kaufhauskönigs eine Plattform gab, seine Vorwürfe zu wiederholen, sprach sich zehn Jahre zuvor noch lebhaft für den Neubau und die grossartige Ausstellung aus. Daniel Binswanger ist ein Opportunist, Wendehals und Schwulstschwätzer erster Güte.

Soll die Sammlung der Öffentlichkeit entzogen werden?

Allen Beteiligten ist nicht klar, dass sie daran arbeiten, dass eine der bedeutendsten Sammlungen impressionistischer Kunst der Öffentlichkeit entzogen werden könnte. Allen Beteiligten ist nicht klar, dass sich – je nach weiterer Entwicklung – andere Privatsammler dreimal überlegen, ob sie ihre Kollektionen als Leihgaben an öffentliche Museen weiterreichen.

Ist es so, dass man sich beim Betrachten des blutroten Mohnfeldes von Monet an blutgebadete Schlachtfelder erinnern muss? Ist es so, dass man sich beim Betrachten des mit Wolken hingetupften Himmels an Kamine eines KZs erinnern muss? Haben die drei Frauen im Mohnfeld beim Blumenpflücken ihre Unschuld verloren, weil sie in den Besitz eines Waffenfabrikanten gerieten?

Muss man bei ihrem Anblick an das Lied «Sag mir, wo die Blumen sind?» denken? Muss man sich fragen, wie es sein kann, dass ein solches Gemälde einen Schätzwert von über 25 Millionen Franken hat?

Oder kann man das Gemälde so betrachten, wie es vom Maler wohl beabsichtigt wurde: als erhebender und erbaulicher Anblick einer künstlerisch hochstehenden Verarbeitung der Realität? Als Bereicherung, nicht für den Besitzer, sondern für den Betrachter.

Wäre das naiv, unstatthaft? Oder wäre das die Rückführung eines Kunstwerks auf seinen eigentlichen Sinn und Zweck? Erbauung, Erhöhung, Erweiterung, Einblick, Bewunderung der Kunstfertigkeit eines Malers?

Sollte der Betrachter Scham und Schuld empfinden müssen? Gar die Augen schliessen, den Anblick boykottieren? Oder sollten sich all die öffentlichen Kritiker schämen, die sich in Unkenntnis der Vergangenheit mit geraubtem Leiden schmücken, sich ohne jede Legitimation zu moralischen Scharfrichtern aufspielen?

Wer weiss die Antwort? Wer wohlfeile Antworten hat, sollte besser schweigen. Damit wäre allen und der Kunst gedient.

Dichtung und Wahrheit, Teil 2

Die Geschichte hinter der Geschichte von Raubkunst.

Hier geht’s zum ersten Teil.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Die Brissago-Inseln wurden 1949 von Emden an den Kanton Tessin für 600’000 Franken verkauft. Die Gemälde verblieben in der Obhut Schweizer Kunsthändler, darunter Werke von van Gogh, Renoir, Monet und anderen. So wurde beispielsweise der Monet vom Kunsthändler Fritz Nathan für 35’000 Franken an einen reichen Schweizer Waffenfabrikanten verkauft, im Jahre 1941.

Dieser Monet war Teil eines Raubes aus der Sammlung des Waffenhändlers; das Gemälde wurde aber 8 Tage nach dem Diebstahl im Jahre 2008 unversehrt wieder aufgefunden. Damals forderte ein Nachkomme des längst Verstorbenen Verkäufers die Rückgabe des Werks.

Die Verhandlungen dauerten bis 2012, wobei die Stiftung, als Rechtsnachfolgerin des Käufers, diese Forderung zurückwies und Vergleichsverhandlungen abgebrochen wurden. Die Stiftung sagt, dass auf ihre Bitte um Stellungnahme zu ihrer Position niemals eine Antwort erfolgte.

Der Sohn des damaligen Kunstberaters des Verkäufers erinnert sich, dass der Verkäufer immer mit Respekt vom Käufer sprach und niemals die Ansicht äusserte, dass er möglicherweise unter Ausnützung seiner damaligen Lage über den Tisch gezogen worden sei.

Dennoch melden sich nun seine Erben erneut und fordern die Rückgabe des Gemäldes. Die Wahrheit ist, dass solche Forderungen längst verjährt sind. Die Wahrheit ist auch, dass es angesichts der Raubzüge, die von den Nazis auf den Kunstbesitz von Juden geführt wurden, angesichts der Tatsache, dass Juden auf der Flucht sich von Kunstwerken trennen mussten, um die Flucht selbst und den Lebensunterhalt bestreiten zu können, angesichts der Tatsache, dass diese Notlage auch skrupellos ausgenützt wurde, hier eine Schwebung zwischen Dichtung und Wahrheit entstanden ist.

Bei all diesen Forderungen nach Restitution sollte abgeklärt werden, ob damals ein angemessener Preis bezahlt wurde, ob der Verkäufer über den Betrag frei verfügen und ihn auch ins Ausland transferieren konnte und ob der Verkauf unter Zwang oder in einer Notlage erfolgte.

Naturgemäss gehen hier die Auffassungen der Erben der damaligen Käufer und der Nachkommen der damaligen Verkäufer häufig auseinander.

Wie viele Wahrheiten gibt es?

Allfällige Wahrheiten müssen aus einem Gespinst aus Dichtung, Verlorengegangenheit und bis heute aufgeladenen Begrifflichkeiten herausgeschält werden. Schon alleine die Frage, ob ein «angemessener» Preis bezahlt wurde, führt in unendliche Verwicklungen.

Im Kapitalismus bestimmt sich der Preis eines Wertgegenstands, und das ist auch ein Kunstwerk, nach Angebot und Nachfrage. Der sollte im besten Fall um einen sogenannten inneren Wert oszillieren. Der ist bei einem Gebrauchsgegenstand, einer Immobilie, einer Fabrik einigermassen festzulegen. Auch bei Schmuck oder Edelmetallen gibt es Anhaltspunkte. Bei einem Kunstwerk ist es entschieden schwieriger.

Befand sich in diesem konkreten Fall der damalige Besitzer in einer Notlage, musste er unter Zwang verkaufen, wo er doch nachweislich Millionär war? Brauchte er schnell Liquidität, um seine Reise nach Chile zu finanzieren, wo er doch über bedeutende Bargeldreserven in Dollar auf US-Banken verfügte?

Wie soll man heute das Verhalten der Stiftung bewerten, wo doch beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland lange Jahre die Rückgabe von in Hitlers Sammlung gelangter Gemälde verweigerte, mit der putzigen Begründung, dass die beiden Bellotto-Bilder doch als legale Erwerbungen der Nazis gälten.

Verschwindet die Wahrheit über dieses eine Gemälde hinter dem gewaltigen Unrecht, das dem Stammvater der Familie angetan wurde, der zwar einen Teil seines Vermögens in die Schweiz rettete, aber gewaltigen Besitz in Deutschland und in von den Nazis okkupierten Ländern zurücklassen musste – der ihm schlichtweg gestohlen wurde?

Zwei seiner Urenkel leben in Deutschland und reiben sich bis heute an der Unwilligkeit deutscher Behörden, diesen Fall aufzuarbeiten. Schliesslich sei ihr Urgrossvater Max Emden doch trotz diesen Raubzügen der Nazis ein vermögender Mann geblieben, der sich ein luxuriöses Leben mit Frauen, Bediensteten und vielen Gästen in einer Villa auf einer eigenen Insel leisten konnte, behaupten deutsche Beamte eiskalt.

Auch der Nachkomme war finanziell gut gestellt

Schliesslich habe doch auch ihr Grossvater Hans Erich Emden noch über genügend Vermögen verfügt, um sich in Chile niederlassen zu können, ohne in materielle Bedrängnis zu geraten. Und schliesslich sei es doch bei allen Verkäufen in der Schweiz mit rechten Dingen zu und hergegangen. Von Ausnützen einer Notlage, von Fluchtkunst, von Mundraub könne nicht die Rede sein.

Schliesslich hätten sich doch auch in Deutschland fast alle Profiteure des arisierten Eigentums irgendwie herausgeschwätzt.

Der «Spiegel» schrieb 2017: «Mitte der Neunzigerjahre reiste Hans Erich Emden ein letztes Mal ins ungeliebte Deutschland, er besichtigte damals sein altes Elternhaus in Klein Flottbek, dieses weitläufige Anwesen, das schon lange niemand mehr Sechslinden nennt, und in dem seit Jahrzehnten eine private Schule untergebracht ist. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wo einst sein Kinderzimmer war, wie er auf dem Poloplatz nebenan gespielt hatte. Davon, dass in den 1930er-Jahren die Luftwaffe das Gebäude übernommen hatte, hatte er gehört.»

In seinem grossen Bericht über diese Familie schreibt das Hamburger Nachrichtenmagazin auch:

«In den Achtzigerjahren überwies das Ausgleichsamt in Bremen Hans Erich Emden in Chile für zwei verlorene Warenhausgrundstücke in Danzig und Stettin 40.000 Mark.»

Die wieder in Deutschland lebenden Urenkel berichten, dass all dieses Unrecht vor allem an ihrem Vater, dem ältesten Sohn von Hans Erich, dem damaligen Alleinerben, zehre.

War Remarques Bemerkung, als die Nazis sich die verbliebenen Besitztümer unter den Nagel rissen, zynisch oder zutreffend? «Er leidet unter der Millionärskrankheit: Er hat Angst, arm zu werden», schrieb der Schriftsteller, der häufig Gast auf der Insel war. Als der Tycoon 1940 mit erst 65 Jahren starb, fügte er kalt hinzu:

«Das hat er nun von seiner Angst gehabt!»

Was ist mit all den Besitztümern geschehen, wieso wurde kaum etwas entschädigt? War der reiche Begründer der Familie nicht jüdisch genug, weil er schon in seiner Jugend zum christlichen Glauben übergetreten war? Lebte er zu mondän als reicher Aussteiger mit 17-jähriger Geliebten im Tessin?

Zynische Rechtfertigungsversuche von Deutschland

Deutsche Rechtfertigungsversuche des damaligen Unrechts sind an Zynismus kaum zu überbieten. Während er damals als Jude behandelt wurde, seine Vermögenswerte aufgrund gegen Juden gerichteter Gesetze gestohlen wurde, stellte sich die Bundesrepublik später auf den Standpunkt, dass er als Nicht-Jude keinerlei Anrecht auf Wiedergutmachung habe. Zudem sei er ja gar nicht mehr deutscher, sondern Schweizer Staatsbürger gewesen.

Die «taz» verläuft sich in ihrer Beschreibung einer Dokumentation rettungslos in Dichtung und Wahrheit: «Vor der Abreise vertraute Hans Erich Emden eines der teuersten Bilder der Sammlung seines Vaters, das „Mohnfeld bei Vétheuil“ von Claude Monet, einem Vertrauten der Familie an. Der verkaufte es für den Spottpreis von 30.000 Schweizer Franken an den in der Schweiz lebenden deutschen Waffenhändler Emil Bührle – und steckte den größten Teil des Erlöses auch noch in die eigene Tasche.»

Verschwindet die Wahrheit hinter Absicht und Begierde?

Das scheint nun eindeutig mehr Dichtung als Wahrheit zu sein. Aber wie steht es mit den wiederbelebten Ansprüchen dieses ältesten Sohnes, der via ein Schweizer Online-Magazin schwerste Beschuldigungen über die damalige Behandlung durch die Stiftung erhebt und von seinem Anwalt ausrichten lässt: «Ich kann Ihnen versichern, dass die Ansprüche der Emden-Erben auf das ‹Mohnblumenfeld› keineswegs zurückgezogen werden. Faire und gerechte Lösungen sind das Ziel, die, wo immer möglich, mit einer Rückgabe einhergehen sollen

Ist das das Ziel oder hat der Sohn des damaligen Beraters von Hans Erich Emden recht, der abschätzig urteilt, dass es den beteiligten Anwälten doch nur ums Geld ginge und dass die Forderung nach einer Rückgabe in diesem Fall «absurd» und sogar unanständig sei?

Im Pulverdampf des Gefechts über längst vergangene Taten – oder Untaten? – verschwindet die Wahrheit hinter Dichtung, Absicht und Begierde.

Fortsetzung folgt: Auf der Suche nach Gerechtigkeit