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Die Avatarin

Jessica Peppel-Schulz fällt durch eine spezielle Kommunikation auf.

Ihr Leistungsausweis im Journalismus ist überschaubar. Sie war mal kurz CEO bei Condé Nast Deutschland, der Massenzeitschriften wie «Vogue» oder «GQ» herausgibt. Und einen Umsatz von stolzen 50 Millionen im Jahr macht. Dort sparte sie ein wenig ein, bis sie selbst nach 28 Monaten eingespart wurde.

Fast ebenso lang war sie dann in einem Sabbatical, nämlich für 22 Monate. Bis Pietro Supino wieder sein sicheres Händchen für Personalentscheidungen auf höchster Ebene bewies – und sie als neuen CEO von Tamedia berief. Man kann also sagen, dass sie rudimentäre Medienkenntnisse in Deutschland und keine in der Schweiz hat.

Dafür hat sie viel Ahnung von Manager-Bullshit-Talk. «Empowerment», «Customer Journey», «Digital Transformation». Das sind Worthülsen, die schlichtweg überhaupt nichts sagen. So wie «Resilienz» oder «Purpose», wovon ihre Kolleginnen Ladina Heimgartner von Ringer und Isabelle Welton (NZZ-VR-Präsidentin) schwabbeln.

Obwohl Peppel-Schulz vor über einem Jahr ihren neuen Job sehr ausgeruht antrat, hörte man eigentlich nix weiter von ihr. Auch mit ihren Untergebenen pflegt sie eine spezielle Form der Kommunikation. Dafür verwendet sie nämlich einen Avatar, der dann flüssig Deutsch und auch Französisch parliert. Der wurde mit KI geschaffen; was er absondert, wirkt allerdings nicht wirklich intelligent.

Und so richtig fassbar wird sie damit im Hause auch nicht. Allerdings werkelte sie vielleicht in dieser ganzen Zeit an einem neuen Masterplan. Denn wenn im Hause TX (oder «Tages-Anzeiger», man weiss vor lauter Namensänderungen nicht mehr ein und aus) etwas sicher ist, dann das: nach der Sparrunde ist vor der Sparrunde. Und da ist die Verkündung der Halbjahreszahlen am Dienstag immer eine gute Gelegenheit, mal wieder eine neue Strategie vorzustellen.

Bei der man allerdings, bedauerlich auch, nicht alle Mitarbeiter mitnehmen kann. Auch nicht die Druckereien, so sad. Denn was Ringier kann, kann doch Tamedia auch. Es ist zu vermuten, dass an der für heute Abend angesagten Mitarbeiterinformation nicht der Avatar, sondern Peppel-Schulz leibhaftig auftreten wird. Also virtuell, per Videoschalte natürlich.

Wie wichtig ihr das Digitale ist, sieht man an der zunehmenden Verluderung des Online-Auftritts von Tagi & Co. «Online first», das Schlagwort ist schon so abgenutzt, dass es wohl nicht einmal von Peppel-Schulz mehr verwendet wird.

Kann man ihr aber wirklich zutrauen, dass sie eine zündende Idee hat, wie Tamedia künftig verhindern kann, dass Google, Facebook und Co. rund 80 Prozent des Online-Werbemarkts absahnen, während für die grossartigen medialen Contentprovider nur Peanuts bleiben, wie das ein Manager formulieren würde?

Nun, Wunder gibt es immer wieder. Darauf müssen die rund 1800 Tamedia-Mitarbeiter ganz fest hoffen. Während sie sich gegenseitig anschauen und denken: hoffentlich trifft es dich, und nicht mich.

Geld beherrscht die Welt

UKW-Stationen ruiniert, Tamedia saniert (im Bild das Endziel der Sparmassnahmen). So liegen Leid und Lust nahe beieinander.

Jürg Bachmann ist der Präsident des Verbandes der Schweizer Privatradios. Wäre Bachmann eine Radiostation, würde er auf der Langwelle senden. Denn schnell ist nicht so seine Sache.

Bachmann macht eine unglückliche Figur im Streit um die Verhinderung der Abschaltung der UKW-Ausstrahlung der Schweizer Privatradios. Geht nicht, blöde Idee, muss man gar nicht erst ignorieren, meinte er sinngemäss, als der Radiopionier Roger Schawinski seinen Feldzug gegen diese Abschaltung startete.

Sekundiert vom Radio-Amateur Wanner Junior meinte Bachmann dann, dass man Schawinskis Attacke schon ernst nehmen müsse, aber der habe keine Chance, es werde wie geplant abgeschaltet.

Seit dem gegenteiligen Entscheid hat er auch diese Position geräumt, obwohl er immer wieder drohend wiederholte, dass die Verlängerung der UKW-Übertragung unglaubliche Kosten verursachen würde.

Das wollte ZACKBUM genauer wissen:

«Der Verband Schweizer Privatradios wird mit der Aussage zitiert, dass die Verschiebung der Abschaltung der UKW-Frequenzen auf Ende 2014 zusätzliche Kosten in «mehrstelliger Millionenhöhe» verursachen würde.

Dazu haben wir drei Fragen:

  1. Mehrstellig bedeutet mehr als zweistellig. Es ist also mit Kosten von mindestens 100 Millionen Franken zu rechnen?
  2. Ob mehrstellig oder zweistellig, wodurch entstehen diese gigantischen Kosten?
  3. Ausser Roger Schawinskis «Radio 1» hat noch kein privater Radio-Betreiber die Kosten ausgewiesen, die eine Weiterführung des UKW-Angebots verursachen. Gibt es da inzwischen mehr Informationen?»

Aber da hatte Bachmann plötzlich überhaupt kein Sendungsbewusstsein mehr: Pausenzeichen, statisches Rauschen, Schweigen. Daher wissen wir leider weiterhin nicht, ob es dermassen schweineteuer ist, auf UKW zu senden. Wir wissen aber auch nicht, ob der Verband den richtigen Präsidenten hat. Wenn der für seine Tätigkeit einen mehrstelligen Betrag bekommt, ist das definitiv zu viel.

Senden kostet, schreiben macht Gewinn 

Bei so viel Zahlenelend sind wir aber froh, dass es dem Big T wieder gutgeht. Also Tamedia, also der TX Group. Offenbar sind die Kosten der ständigen Namensänderungen verdaut.

Nur die Drehtüre bleibt …

Der Ankauf einer neuen Coninx-Yacht kann nun endlich in die konkrete Phase gehen. Es Bitzeli Reingewinn von über 20 Millionen Franken, da hat sich doch das Sparen gelohnt. Selbst Tamedia, also das News-Geschäft, konnte wieder Geld ins Kässeli schaufeln, allerdings nur, wenn man die Abschreibungen nicht berücksichtigt.

Da hat das anhaltende grosse Rausschmeissen zumindest im Portemonnaie der Aktionäre wohltuend gewirkt. Wenn nur nicht der Konsument weiterhin davonlaufen würde. Der ist ja auch ein ganz undankbares Wesen. Versteht nicht, wieso er für den Dünnpfiff von skelettierten Redaktionen auf fast durchsichtig-dünnen Tagesausgaben immer noch gleichviel zahlen soll wie zu Zeiten, als noch genügend eigene Redaktoren mit Sachkenntnis vorhanden waren.

Zwischen mehr und leer geht’s dahin.

Damals konnte man ja noch Gründe dafür anführen, wieso 700 Franken im Jahr gut investiertes Geld ist. Aber heute? Sich der eigenen Nabelschau, eigenen Problemen, eigenen Steckenpferden widmende Redaktoren, plus das Bürgerbräu aus München, das sich in alle Gefässe ergiesst, ist das noch einen tiefen Griff ins Portemonnaie wert?

Aber bleiben wir bei den guten Nachrichten. Schon ein Viertel des Sparziels von 70 Millionen sei im ersten Semester bei Tamedia erreicht worden. Also fehlen bloss noch Dreiviertel, das wird sicherlich weiterhin ohne die geringste Qualitätseinbusse möglich sein.

Links die Nachahmung, rechts das Original, die New York Times.

Im Gegenteil, da ja neuerdings auch beim Seitenumbruch keine Bäume mehr ausgerissen werden, erhöht sich der Wiedererkennungswert ungemein. Ist schliesslich auch wie beim Münchner Bierbrauen. Gefässe abfüllen nennt man das.

Nur werden in München Flaschen abgefüllt, in Zürich füllen Flaschen ab.