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Zauberhaft

Nun also auch David Copperfield.

Die «#metoo»-Bewegung ist schon längst entzaubert. Als oftmals missbrauchter Knüppel, um sich an Prominenten abzuarbeiten. Entweder, um etwas vom Schein deren Prominenz auf sich selbst abzulenken – oder aus rein finanziellen Erwägungen.

Als letztes grosses Opfer blieb der grosse Schauspieler Kevin Spacey zurück. Von allen Vorwürfen freigesprochen, aber ruiniert und für Jahre ohne seinem Talent entsprechende Rollen. Shit happens, sagen da die harten Vertreter von #metoo» (wenn sie überhaupt etwas sagen). Denn Typen wie Andreas Tobler sind schnell bereit, das Canceln von allen Konzerten von Rammstein in der Schweiz zu fordern. Aber wenn sich dann seine Unschuld herausstellt, schweigt er feige.

Nun hat es also noch den Zauberer David Copperfield erwischt. Es ist sozusagen das übliche Vorgehen. 16 Frauen beschuldigen ihn öffentlich, ihnen gegenüber sexuell übergriffig geworden zu sein. Die Vorfälle sollen sich von den späten Achtzigerjahren bis 2014 ereignet haben. Also der jüngste liegt 10 Jahr zurück; allesamt jenseits der Verjährungsfristen. Angezeigt wurde kein einziger dieser angeblichen Übergriffe.

Eines der möglichen Opfer behauptet unter Namensnennung, sie sei 1988 als damals 17-Jährige von Copperfield unter Drogen gesetzt und während einer Ohnmacht missbraucht worden. Schon 2007 hatte ihn eine frühere Schönheitskönigin bezichtigt, sie sexuell missbraucht zu haben. Da das in den Einzugsbereich des FBI fiel, untersuchte die Behörde zwei Jahre lang, ohne Ergebnis. Dieselbe Frau wurde dann später wegen der gleichen falschen Anschuldigung gegen ein anderes Opfer zu einer Geldstrafe verurteilt.

Schon 2018 hatte Copperfield geradezu seherisch vor der Verwendung falscher Anschuldigungen gewarnt, weil sie den tatsächlichen Opfern schadeten.

Das alles bedeutet nicht, dass all diese behaupteten Übergriffe erfunden oder imaginiert seien. Es ist nicht auszuschliessen, dass Copperfield ein Sexmonster mit einer Vorliebe für blutjunge Frauen ist. Die er mit dem Versprechen, ihnen bei ihrer Karriere behilflich zu sein, mehr oder minder willig machte, seinen Avancen nachzugeben. Oder die er unter Drogen setzte, damit sie ihm wehrlos ausgeliefert waren.

Nur: auch Copperfield beteuert und lässt durch seine Anwälte ausrichten, dass er sich niemals «unangemessen» verhalten habe, schon gar nicht gegenüber Minderjährigen. Er weist auch darauf hin, dass das nicht das erste Mal sei, dass er mit solchen (niemals zu einer Verurteilung führenden) Vorwürfen konfrontiert werde.

Schuld oder Unschuld ist hier nicht beweisbar. Nur hat die Anschuldigung «sexueller Übergriff» die fatale Folge, dass der Angeschuldigte eigentlich seine Unschuld beweisen muss. Reines Leugnen, Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, der Nachweis muss über jeden vernünftigen Zweifel hinaus erfolgen, all diese Prinzipien des Rechts sind hier ausser Kraft gesetzt.

Stattdessen wird gemeint und vermutet. Die einen meinen, dass Copperfield doch sicher Zaubertricks angewendet habe, um Groupies ins Bett zu kriegen. Andere meinen, dass man es dem doch schon ansehe. Wieder andere meinen, dass er ein weiteres Opfer der sich wirklich wiederholenden gleichen Masche ist. Viele Jahre später melden sich Frauen nicht etwa bei den Strafbehörden, sondern bei den Medien, in diesem Fall dem «Guardian».

Der titelt recht merkwürdig: «Enthüllt: Magier David Copperfield wird des sexuellen Fehlverhaltens von mehreren Frauen beschuldigt». Das hätte eine «US-Investigation» des «Guardian» ergeben. Was für eine Untersuchung? Offensichtlich haben sich diese Frauen bei der Zeitung gemeldet, während Copperfields Anwälte die Anschuldigungen als «nicht nur komplett falsch, sondern auch völlig unplausibel» zurückweisen.

Nun ist es normalerweise eher schwierig, ein Ereignis, das wohl unter vier Augen vor vielen Jahren stattgefunden haben soll, zu beweisen. Es ist fast noch schwieriger, zu beweisen, dass es nicht stattgefunden hat.

Sicher ist einzig: damit ist auch der Ruf von Copperfield schwer beschädigt. Sollten sich auch diese Anschuldigungen (womit nicht gesagt sein soll, dass es keine widerlichen sexuellen Übergriffe unter Ausnützung von Jugend oder Machtgefälle gebe) in Luft auflösen, bleibt sicherlich mehr als ein schlechter Geruch zurück.

So wie Spacey, wie beim Sänger von Rammstein, wie bei anderen deutschen Prominenten. All denen klebt bis an ihr Lebensende an: war da nicht mal was? Aber sicher, wenn man reich und berühmt ist, dann kommt man aus allem heraus. Wobei sich bei solchen Anschuldigungen gerade zeigt, dass auch das Gegenteil der Fall ist.

Was hier besonders befremdet: die überdeutliche Parallelität zum Fall Rammstein. Ein mutmassliches Opfer meldet sich und steht mit Namen und Gesicht zu seiner Anschuldigung, die allerdings im Jahr 1988 stattgefunden haben soll. Dann melden sich weitere mutmassliche Opfer, fast alle anonym. Und alle diese 16 Frauen konnten bis heute niemals über das ihnen angetane Unrecht sprechen? Keine einzige kam auf die Idee, direkt nach dem Vorfall Anzeige zu erstatten? Aber jetzt bricht es gleichzeitig aus ihnen heraus?

Einfach NZZ

Keine Rezension, keine Kritik. Einfach ein Seufzer.

Wer die «Financial Times», den «Economist», den «Guardian», den «New Yorker», «Mother Jones» oder «The Atlantic» liest (die Liste liesse sich beliebig verlängern), ist bereichert und fühlt sich gleichzeitig elend.

Bereichert, weil das normalerweise (Ausnahmen gibt es immer) Qualitätsjournalismus auf hohem Niveau ist. Hier werden Themen durchdrungen, bearbeitet, komprimiert, in eine elegante Schreibe übertragen. Hier spürt man in jeder Zeile, dass der oder die Autoren viel mehr wissen, daraus dann das Wichtige extrahiert haben.

Ein gnadenloser Faktencheck und eine offensive Fehlerkultur garantieren, dass sich der Leser auf die Richtigkeit der Angaben verlassen kann. Die Interpretation der Wirklichkeit erfolgt selbstverständlich auch. Aber die Befindlichkeit der Autoren, die Nabelschau wird eher selten betrieben, es gehört sich nicht, den Leser damit zu belästigen.

Vor allem aber: hier herrscht Niveau. Sicher gab es vor allem in den USA Übertreibungen in der Berichterstattung über Trump, wird der Famlienclan von Präsident Biden bis heute unziemlich geschützt. Aber das sind kleine Flecke auf einer blütenweissen Weste.

Der deutschsprachige Journalismus dagegen ist weitgehend im Füdli, man kann es nicht vornehmer sagen. Wozu Beispiele aufführen, ZACKBUM ist voll von ihnen. Mediokres, Banales, Aufgepumptes, Skandalisiertes, dazu Ich, Ich, Ich, der moralische Zeigefinger, Rechthaberei, ein Telefon und zweimal googeln, fertig ist der Artikel.

Bildungslos, kulturlos, kenntnislos. Die Lektüre der drei Grosskonzerne, die die Schweizer Medienlandschaft mit unzähligen Kopfblättern im Tagesjournalismus beherrschen, ist eine Tortur, für die gar nicht genug Schmerzensgeld gezahlt werden kann. Gestolpertes, Gerülpstes, Unverdautes, Tiefergelegtes, künstlich Aufgeregtes, und immer penetranter: nicht berichten, sondern belehren. Nicht aufklären, sondern verklären. Nicht mit der Darstellung der Wirklichkeit ringen, sondern die eigene Weltsicht an einem Ereignis spiegeln.

Das ist furchtbar.

Aber es gibt einen Lichtblick. Auch darüber hat ZACKBUM schon einige Male geschrieben, auch kritisiert. Aber es ist hier eine subjektive, persönliche Erfahrung zu berichten, ein Blick aus dem eigenen Bauchnabel.

ZACKBUM hat um ca. 11 Uhr vormittags am 5. September 2023 die Homepage der NZZ aufgerufen. Und war informiert, amüsiert, auf Niveau wurden die Splitter der aktuellen Nachrichtenlage dargeboten, bekömmlich, aufbereitet, bedacht, selten, sehr selten aufgemaschelt, eigentlich nie kreischig. Nachdenken über den Frieden, hat Jositsch eine Chance, Touristen in Afghanistan, der Chef der Deutschen Bank (vielleicht eine Spur zu unkritisch, das Interview), gegen antiautoritäre Erziehung, Chinas Geisterstädte, die Rolling Stones singen noch, eine Ausstellung über die «Secessionen» in Berlin, ein nordkoreanischer Überläufer, die Massenschlägerei in Opfikon.

Und eine besondere Perle: im Feuilleton das Interview mit dem deutschen Journalisten und Autor Dirk Schümer. Ein wunderbarer Gedankenflug, die Fragen (knapp) auf der Höhe der Antworten, was für eine Bereicherung. Und in welche Abgründe blickt man dagegen bei den Schweizer Stammel- und Kreischautoren, denen der Titel Schriftsteller aberkannt werden sollte.

Nein, auch das ist kein «Paid Post», einfach die Entladung einer zu oft gequälten Seele …