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Zahlenakrobatik

Besonders eine Behauptung Mileis sorgt für Hallo.

Verwenden wir die Version von Markus Somm, damit dessen unermüdlicher Newsletter etwas mehr Leser bekommt. Der schreibt:

Wenn jemand nämlich von solchen Wachstumsraten profitiert hat, dann vor allem die Armen. Milei:

  • Um 1800 lebten 95% der Menschheit in tiefer Armut. Sie erarbeiteten geradeso viel, dass sie den Tag überstanden. Eine Missernte, eine Absatzkrise: Und sie verhungerten, buchstäblich, nicht symbolisch
     
  • Gegenwärtig (kurz vor der Pandemie) gelten noch 5% der Weltbevölkerung als extrem arm. Seit 1800 wurden demnach 90 Prozent der Menschheit aus grauenhaften Lebensverhältnissen befreit
Das sind Fakten. Jederzeit abrufbar. Warum aber scheinen so viele kluge Menschen sie nicht zu kennen – oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen? Wer die Geschichte Argentiniens studiert, weiss, warum Milei uns hier weiterhelfen kann:

«Jederzeit abrufbare Fakten», behauptet Somm. Ein terrible simplificateur. Es gibt kaum eine komplexere Definition als die der «absoluten Armut». Es gibt kaum einen Indikator, der schwerer weltweit zu messen ist. Oder glaubt jemand im Ernst, dass in gescheiterten afrikanischen Staaten oder in Diktaturen die Zahl der Armen korrekt erhoben und veröffentlicht wird?

Der am meisten verwendete Masstab ist ein gewisses kaufkraftbereinigtes Minimaleinkommen pro Person und Tag. Wer darunter liegt, sei absolut arm. Dieses Kriterium hat zwei Schwachstellen. Wer unter dieser Schwelle liegt, also nicht das Geld hat, um sich das Lebensnotwendige zu verschaffen, müsste eigentlich tot sein, oder sterben. Und damit aus der Statistik fallen.

Zum zweiten berücksichtigen diese Statistiken der Weltbank und anderer Organisationen nur Einkommen, die in Geld messbar sind. Tauschhandel, familiäre oder Stammesfürsorge, nicht quantifizierbare Formen von Überlebensstrategien sind nicht abgebildet.

Noch absurder ist es, für 1800 eine solche Zahl nennen zu können. Damals waren weite Teile der Welt noch statistisch gesehen Terra incognita.

Zu all diesem Unfug kommt noch etwas hinzu. Somm zitiert zustimmend, dass der argentinische Präsident für diese Entwicklung in erster Linie den Kapitalismus verantwortlich macht, während der Sozialismus das Gegenteil bewirkt habe. Mehr Friedman und Hayek lesen, jubiliert Hobbyökonom Somm, der nicht mal seinen «Nebelspalter» in die schwarzen Zahlen führen kann. Muss man das so sehen, dass es sich hier um ein sozialistisches Experiment handelt?

Wie auch immer, der Hauptwiderspruch in der von ihm bejubelten Argumentation von Milei fällt Somm – wie den meisten Kommentatoren – gar nicht auf. Denn mit Abstand der wichtigste Grund für die tatsächlich stattfindende Verminderung der Armut auf der Welt trägt einen Namen: China. Indem in China Hunderte Millionen Menschen zu einem bescheidenen Wohlstand kamen, verringerte sich die Zahl der Armen auf der Welt. In Schwarzafrika hingegen nahm sie zu.

Nun ist China zweifellos eine kommunistische Parteidiktatur. Also von all den angeblich zentral wichtigen Errungenschaften wie freie Marktwirtschaft, kaum staatliche Lenkung, Meinungsfreiheit usw. weit entfernt. So legte China über viele Jahre Wachstumsraten hin, von denen kapitalistische Staaten nicht mal träumen konnten.

Statt spitze Jubelschreie auszustossen, wäre es doch viel sinnvoller gewesen, wenn Somm versucht hätte, diese Widersprüche oder zumindest Komplexitäten darzustellen, so als eigenständige intellektuelle Leistung. Aber eben, dafür braucht es halt gewisse Voraussetzungen und Fähigkeiten, oberhalb davon, Buchstaben sortieren zu können.

Amok Somm

Nebel und spalten, das scheint seine Devise als Chef zu sein.

Der «Nebelspalter» entwickelt sich immer mehr zum Paradebeispiel, wie man es wirklich nicht machen sollte. Grosse Klappe, grosse Ausgaben, ein Fehlentscheid nach dem anderen.

Zunächst setzte die Riege älterer Herren auf den völlig falschen Mann, um essentielle Dinge wie CMS, Marketing, Geschäftsleitung und Einwerbung von Inseraten zu wuppen. Beratungsresistent verkrachte sich Markus Somm schon ganz am Anfang mit einem ausgewiesenen Fachmann, der Somms Ansage, dass es eine absolute Bezahlschranke ohne Wenn und Aber gebe, zu recht als vollgaga kritisierte.

Tolle Büroräumlichkeiten, eine sich aufblähende Payroll, teuer produzierte Selbstbespiegelungs-Videos, redaktionelles Chaos, dafür eine «Assistentin der Chefredaktion», Szenen aus Absurdistan. Lange Zeit erschien das Online-Magazin so inseratefrei wie die «Republik», nur nicht ganz freiwillig. Zahlen wurden wohlweislich keine bekanntgegeben. Dann wurde mal zähneknirschend bestätigt, dass ZACKBUM mit knapp 4000 Abonnenten durchaus richtig liege. Peinlich.

Dann viel fire und kaum hire, im Impressum scheint eine Drehtüre eingebaut zu sein, aus der aber mehr Leute rausgehen als reinkommen. Redesign eins, Redesign zwei, Wechsel des Geschäftsführers, Wechsel des CMS, Redesign drei, das übliche wilde Geruder, wenn ein Schiff Wasser zieht und leise gluck gluck zu machen beginnt.

Inhalt? Nicht nennenswert, nicht bemerkenswert, gepflegte Langeweile. Dem «Nebelspalter» ist es nie gelungen, sich als Stimme in der Öffentlichkeit zu etablieren. Und nun noch das. In der gewohnt ruppigen Manier des Hauses wurde der Chefredaktor der Printausgabe gefeuert. Per sofort freigestellt, und tschüss. Dabei figuriert er sogar noch im Impressum der Online-Version, damit es dort nicht so schmürzelig aussieht. Ein solcher Rausschmiss ohne Vorwarnung einer verdienten Führungskraft schlägt sogar noch die Freistellung Dorers bei Ringier. Das ist einfach rüpelhaft und unanständig.

Dabei war Ralph Weibel solidarisch und aufrecht bemüht, den absurden Spagat – online neu und politisch aktiv – Print traditionell und dem gepflegten Scherz verpflichtet – mitzutragen. Aber damit fing der Wahnsinn schon an. Wie man ernsthaft auf die Idee kommen kann, den «Nebelspalter» zu spalten und online etwas ganz anderes zu machen als im Print – gaga. Man hat zwar eine der traditionellsten Marken der Schweizer Medienlandschaft gekauft, die steht aber für alles andere als für das, was Somm* daraus machen wollte.

Das ist etwa so, wie wenn man Coca-Cola kauft, um dann Flugreisen anzubieten. Bei Verträgen spricht man von einem Grundlagenirrtum, beim «Nebelspalter» muss man gaga sagen.

Als einzige feste Grössen sitzen Markus Somm und Dominik Feusi auf ihren Stühlen. Bislang. Sie grinsen die wenigen Besucher auch von überall her auf der nochmals neu designten Homepage an. Viel besser geworden ist sie allerdings auch im dritten Versuch nicht.

Wie soll’s weitergehen? Die Frage ist wohl eher: wo soll das enden? Wenn man dermassen viele Fehler macht, dermassen erfolglos ist, dermassen viel Geld zum Fenster rausschmeisst, dann verröstet man schnell einmal die eingesammelten Millionen.

Die neuste Zacke im Zickzackkurs scheint nun zu sein, dass man Print und online näher zusammenführen will. Also das, was online nie sein sollte, nämlich ein Karikaturenblatt, nun mit Karikaturen anfüllen. Und die Printausgabe, die nie ein Politblatt sein wollte, mit Politik füllen. Mit anderen Worten hat man einen weiteren Grundlagenirrtum endlich eingesehen. Und durch zwei neue ersetzt.

Mysteriös bleibt einzig, wieso die Shareholder und der exzellent besetzte Verwaltungsrat diesem Treiben bislang tatenlos zuschaut. Offensichtlicher, dass ein guter Chefredaktor deswegen kein guter Unternehmer sein muss, war’s wohl nie in der jüngeren Pressegeschichte.

Schade eigentlich. Denn man kann Somm ja vieles vorwerfen, aber mangelnden Schreib- und Sprechfleiss sicher nicht. Nur schadet er sich natürlich auch hier selbst, weil sich die Hörer und Leser auf anderen Plattformen zunehmend fragen: Und der will uns die Welt erklären, dabei hat er nicht mal seinen eigenen Laden im Griff?

*Packungsbeilage: René Zeyer schrieb längere Zeit und gerne für die BaZ, als Somm dort Chefredaktor war. Ein guter Chefredaktor, der alle Freiheiten liess und mutig Druckversuchen standhielt.

Stromereien und Zockereien

ZACKBUM legt sich mit seinen Lesern an. Sollte man nicht tun.

Tun wir aber. Denn wir empfinden uns hier doch noch als Erziehungsanstalt und der Aufklärung verpflichtet. Schliesslich unterscheiden wir uns auch von Organen wie die «Republik» oder Tamedia, die nur im Rahmen des von ihrer Gesinnungsblase Erlaubten die Wirklichkeit zurechthübschen und niederschreiben.

Richtig geraten, es geht nochmals um die Axpo. Nach vertiefter Beschäftigung und mithilfe der NZZ haben wir bereits eingeräumt, dass wir uns in der ersten Analyse getäuscht haben. Die Firma hat schlichtweg ein Liquiditätsproblem, das durch die Besonderheiten des Strommarkts verursacht wurde. Oder einfach gesagt: wer vor einem Jahr prognostiziert hätte, dass der Strompreis von 60 Franken die MWh auf über 1000 explodiert, wäre mit Elektroschocks behandelt worden.

Das wurde soweit verstanden, aber im Chor wird weiterhin der Vorwurf erhoben: «Wer fremden Strom zu angenommenen Preisen auf Termin kauft oder verkauft, ist ein Spekulant. Die Axpo hat mehr Energie gehandelt, als sie selber erzeugt, also ist das Spekulation.»

Das ist richtig, und das ist auch gut so. Fangen wir von hinten an, beim privaten Stromkonsumenten. Der ist nämlich auch ein Spekulant. Warum? Ganz einfach, er schliesst einen Terminkontrakt ab. Macht also genau das, was der Axpo vorgeworfen wird. Der Terminkontrakt besteht darin, dass sein Stromlieferant sich verpflichtet, bis weit in die Zukunft hinein Strom zu einem heute fixierten Preis zu liefern. Wobei nicht einmal die Menge bekannt ist. Spart der Konsument wie wild oder lässt er fünf Elktroöfeli laufen? Das weiss der Stromlieferant alles nicht; er weiss nur, dass er ohne Pleite zu gehen eine unbekannte Menge Strom zu einem fixierten Preis zu liefern hat. Ob auf dem Strommarkt die Preise noch weiter durch die Decke gehen oder nicht.

Nun könnte man einwenden, dass die Axpo dann halt um des Stromes willen Terminkontrakte handeln darf, die ausreichen, um ihren eigenen geschätzten Strombedarf zu decken. Aber handelt sie mit grösseren Volumen, dann sei das eben Spekulation, Zockerei, pfuibäh.

Stellen wir dagegen ein konkretes Beispiel:

Nehmen wir an, die Axpo hat auf Termin 1 Jahr 1 GWh Strom verkauft für Euro 200.- die MWh und nach 3 Monaten sieht sie, dass sie ½ GWh auf denselben Termin kaufen kann zu Euro 150.- die MWh, umgekehrt für einen Termin ein paar Tage später Euro 250.- bekommt die MWh; warum soll sie dann nicht ½ GWh billig zurückkaufen und für einen ähnlichen (ein paar Tage längeren Termin) ½ GWh wesentlich teurer verkaufen? Man müsste den VR entlassen, wenn er solche Gelegenheiten nicht wahrnehmen würde. Es ist so, dass bei der Axpo ein Tradingroom besteht, wo den ganzen lieben Tag gehandelt wird und Arbitragemöglichkeiten wann immer möglich wahrgenommen werden.

CEO Brand hat nun ein kitzliges Kommunikationsproblem. Gesteht er ein, dass die Axpo mit dem Trading hübsche Gewinne macht, versteht niemand, wieso dann die nächste Stromrechnung um 30 Prozent aufschlägt. Dieser geldgierige Wegelagerer. Müsste er einräumen, dass es im Trading Verluste gegeben habe, wäre er ein Versager und sollte entlassen werden.

Wie er’s auch macht, er kriegt von meinungsstarken, aber wissensschwachen Populisten eine rein. Termingeschäft, Spekulation, Zocker, Schweinerei. So geht die Mär.

Der Kurzschluss fängt schon bei dem beliebten Vorurteil an, dass Spekulation als solche des Teufels sei. Geldgierige Spekulanten manipulieren die Preise, treiben sie hoch und runter, je nachdem, wie sie zocken. Eine verdammte Sauerei, eine bodenlose Sauerei, wenn es dabei sogar um Nahrungsmittel oder eben um Bestandteile der Grundversorgung wie Strom geht. Denen muss man das Handwerk legen. Noch schlimmer, wenn sie dann auch noch mit dem Geld des Steuerzahlers gerettet werden müssen, wenn sie sich verzockt haben.

Der zweite Teil trifft schonmal, da sind sich wohl alle einig, auf die Axpo nicht zu. Die hat sich nicht verzockt, sondern macht hübsche Gewinne mit dem Trading. Welche die Besitzer, also die Kantone, gerne einstecken. Aber die Axpo hat ein mögliches Liquiditätsproblem, weil im Strommarkt abgeschlossene Terminkontrakte mit Sicherheiten unterlegt werden müssen, wenn der Preis steigt. Trivial.

Nun ist es so, dass ein Terminkontrakt keinesfalls des Teufels ist, sondern Handlungssicherheit schafft. So wie der Stromkonsument ein Jahr im Voraus weiss, welchen Preis er für eine MWh bezahlen wird, weiss zum Beispiel ein Bauer bereits ein halbes Jahr vorher, welchen Preis er für seine Ernte erzielen wird. Mit dieser Garantie kann er beispielsweisse Düngemittel kaufen. Ist der Preis für eine Tonne Reis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Terminkontrakts höher als bei Abschluss, hat der Bauer allerdings etwas Pech gehabt.

Liegt der Preis aber niedriger, geht das auf Kosten des sogenannten Spekulanten. Denn er muss den höheren, vereinbarten Preis bezahlen. Natürlich ist das von beiden Seiten Spekulation. Und das ist gut so. Hilfreich. Sinnvoll.

Vielleicht hilft auch der Hinweis auf eine banale Tatsache: alle Spekulationen sind Wetten. Wetten auf eine zukünftige Entwicklung. Und Wetten brauchen immer mindestens zwei Beteiligte. Denn man kann ja schlecht gegen sich selbst wetten. Also gibt es immer Gewinner. Genau wie Verlierer. Wobei der Gewinn von den Verlusten bezahlt wird.

Und damit allenfalls der Leser richtig aufschäumt: Es hat viele Versuche gegeben, den Einfluss von Spekulationen, Termingeschäften, vom Handel mit Derivaten ganz allgemein auf die Preisbildung von Produkten, natürlich in erster Linie Rohstoffe, nachzuweisen. Denn das Bild vom hemmungslosen, geldgierigen Spekulanten, der für den eigenen Profit Grundnahrungsmittel unerschwinglich macht, wodurch in der Dritten Welt Hungersnöte ausbrechen, ist zu verführerisch, als dass man es nicht ständig bedienen würde.

Kleines Problem: dieser Nachweis ist nicht gelungen. Im Gegenteil, auch die Analyse grösster Datenbanken hat immer wieder ergeben, dass es keine signifikante Korrelation zwischen Spekulationsmustern und der Preisentwicklung gibt.

Das ist natürlich blöd, weil es einem allgemein anerkannten Feindbild etwas die Farbe nimmt. Aber die Realität ist halt immer viel bunter, wenn man sie wirklichkeitsnah zu analysieren versucht – statt sie mit der ideologischen Brille zu betrachten. Die gibt zwar Halt in haltlosen Zeiten. Behindert aber Erkenntnisgewinn ungemein.

Die Genus-Vollklatsche

Vorläufig letzter Versuch. Genus ist nicht gleich Geschlecht. Kann doch nicht so schwer sein …

Wenn man ein ganzes Weltbild, eine ganze Kriegsführung auf einem Grundlagenirrtum aufbaut, ist das nicht etwas peinlich? Das ist oberpeinlich, blutrotpeinlich, zum Heimgehen und Schämen peinlich. Desasterpeinlich.

Wir erklären es nochmal gaaaaanz laaangsam. Es gibt das Geschlecht. Das sieht beim Menschen so aus:

In künstlerischer Freiheit und nicht proportional richtig dargestellt …

Normalerweise. Das nennt man auch Geschlechtsorgane. Davon abgeleitet unterscheidet man zwischen Männlein und Weiblein. Zum Geschlechtsakt vereinigen die sich. Üblicherweise. Es gibt auch Männlein, die sich zu anderen Männlein hingezogen fühlen, das kommt auch bei Weiblein vor. Ist nicht schlimm.

Es gibt auch asexuelle Wesen, die sich aus Sex und so nichts machen. Ist auch nicht schlimm. Ausser, es sind Priester, aber das wäre ein anderes Thema. Es gibt Menschen, die sich im falschen Körper geboren fühlen, sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen wollen. Gibt’s.

Es gibt ein paar Unterschiede zwischen Wirklichkeit und Widerspiegelung

Das ist die reale Welt. Nun fiel schon einem genialen Mönch im Mittelalter auf, dass es zwischen der realen Welt und den sie beschreibenden Worten einen gewaltigen Unterschied gibt. Daraus bastelte Umberto Eco einen Bestseller: «Der Name der Rose». Damit ist gemeint, dass eine reale Rose verwelkt, während ihr Name unverändert bleibt.

Noch alle an Bord, inklusive Tagi-Protestfrauen oder den Deppen Philipp Albrecht von der «Republik»? Wunderbar. Der freut sich nämlich «sehr, dass der Club der Zürcher Wirtschaftsjournalisten neu die weiblichen Mitglieder in seinen Namen integriert». Trauen sie so einem Irrläufer zu, eine Bilanz lesen zu können? Obwohl die weiblich ist?

Nun kommen wir zu einer ganz, ganz, ganz anderen Baustelle. Nämlich zum Genus. Damit ist eine Unterteilung von Substantiven nach Gattung gemeint. Leider hat das irgendwann einmal ein Idiot mit «Geschlecht» übersetzt, damit das auch einfache Gemüter verstehen. Und seither haben wir den Salat. Wobei ja niemand, der ernstgenommen werden will, daraus schliessen würde, dass es Salat nur in männlicher Form gibt, daher die weibliche ausschliesst, daher mit «die Salatin» ergänzt werden müsste, oder als «Salat*, Salat:in, Salat_in, Salat!in» geschrieben werden müsste.

Der Grat, der Rückgrat? Nein? Wieso dann das Rückgrat? Das sind doch interessante Fragen …

Das Genus ist einfach eine Unterteilung, die manchmal, aber nicht immer, mit dem Geschlecht zu tun hat. Der Mann, die Frau, da macht es Sinn, reales Geschlecht und Genus des Substantivs analog zu verwenden. Nun gibt es Sprachen (wie das Deutsche), die drei Genera haben. Andere haben zwei, einige haben – keins. Deshalb bleibt den Ungarn, den Türken oder den Indonesiern dieser ganze Quatsch erspart, der aktuell auf Deutsch die Sprache verhunzt, vergewaltigt, von ihrer wichtigsten Funktion abhalten will.

Wo es Genus gibt, gibt es Sammelbegriffe. Die gelten unabhängig von der geschlechtlichen Ausformung der Bezeichneten, kümmern sich auch nicht darum, zu welchem der inzwischen mehr als 160 Gender sie gehören. Da spricht man vom generischen Maskulinum. Was bedeutet, dass die Verwendung eines Genus keinerlei Diskriminierung der anderen beinhaltet. Genauso wenig, wie man (!) auf die bescheuerte Idee käme, sich bei Person nicht angesprochen zu fühlen, weil das Genus feminin ist.

Sprache als Kommunikationsmittel, nicht als falsches Kampffeld

Deutsch hat zudem die Besonderheit, dass es im Plural keine Genera gibt. Die Frauen, die Männer. Hier regierte, ginge es nach den Gender-Wahnsinnigen, nur das weibliche Geschlecht. Aber keine Bange, dem ist nicht so.

Es gibt eine ganze Reihe von Substantiven, die sogar – nein, das ist keine Analogie zu Menschen – unsicher sind, welchem Genus sie angehören wollen. Bzw., eine Veränderung des Genus führt zu leichten Bedeutungsverschiebungen.

Noch verwirrender, aber nur für Verwirrte: «die Eltern» hat keinen Genus. Potzteufel auch, denn das Wort existiert nur im Plural. Das nennt man Pluraletantum. Aber keine Bange, dieses Wort verwenden nur Menschen, die sich in der deutschen Sprache auskennen, darum müssen sich die meisten Journalisten oder Inklusion fordernde Verwirrte nicht kümmern. Oder Leute, für die Kosten der Plural von Kost ist. Oder «das, was andere für mich bezahlen müssen».

Es war in Europa längere Zeit herrschende Meinung, dass die Erde nicht nur das Zentrum des Universums sei, sondern auch flach wie ein Pfannkuchen. Wer diesem Irrtum widersprach, hatte gute Chancen, auf dem Scheiterhaufen oder auf der Streckbank zu enden, um dort seinen Irrtum zu bereuen. Das machte zwar die Todesqualen nicht angenehmer, bot aber die Hoffnung, doch wieder in die göttliche Gnade und das Paradies aufgenommen zu werden.

Wer meint, das seien längst vergangene Torheiten: auch heute gibt es Kreationisten, die aufgrund einer möglichst wortgetreuen Auslegung der Bibel felsenfest davon überzeugt sind, dass das Universum, die Erde erst vor wenigen tausend Jahren entstanden. Dieser Unsinn verkleidet sich in verschiedene Namen, wie beispielsweise das «Intelligent Design». Bleibt aber Unsinn.

Die Sprache ausschliesslich als Herrschaftsinstrument missverstehen

Genau wie die Grundthese unsinnig ist und bleibt, dass die deutsche Sprache Ausdruck einer männerdominierten, frauenunterdrückenden Gesellschaft sei, ein Herrschaftsinstrument (!). Ob sie in primitiver Form, als «feministische Linguistik» oder sonst wie vorgetragen wird. Abgesehen davon, dass all diese Ausformungen dem gleichen Grundlagenirrtum unterliegen: Sprache gehört immer auch den Unterdrückten, kann von ihnen genauso als Mittel zum Umsturz und zur Aufhebung von Herrschaftsystemen verwendet werden – wie von Herrschenden zur Stützung und Verteidigung existierender Strukturen.

Sonst könnte es wohl kaum sein, dass ein dermassen signifikatives Wort in diesem Zusammenhang, «die Herrschaft», als Genus feminin ist. So wie viele Abstrakta (Philosophie, Ideologie, Wissenschaft, Forschung, etc.).

Dialektisch gesehen, aber da wird die Luft dann für viele recht dünn, könnte man sogar die These wagen, dass all diese Sprachhampeleien, dieses aufgeregte Geschnatter, als ob durch die Verwendung von Sprachverhunzungen wie dem Genderstern der feministischen Sache auch nur der geringste Dienst erwiesen würde, von eigentlichen Unterdrückungsphänomenen abgelenkt wird.

Lohnungleichheit, grauenhafte Misshandlung von Frauen in der Dritten Welt, im Islam, Barbareien wie bis heute millionenfach betriebene Klitorisbeschneidung: das wären ein paar wirkliche Probleme. Zudem sind Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen auch, aber längst nicht nur geschlechtsspezifisch.

Anders absurd formuliert: Ajatollah ist bekanntlich die Bezeichnung für einen schiitischen Rechtsgelehrten. Mann. Würde es am frauenverachtenden Islam irgend etwas ändern, wenn man die Forderung aufstellte, diese Wort neuerdings als Ajatollah*In, als Ajatollah_In oder wie auch immer zu schreiben? Träte dann an die Seite des Gelehrten auch die Gelehrte? Oder wird die katholische Kirche femininer, wenn man neben Papst auch Päpstin schreibt? Was für ein Humbug.

Wieso bekommt ein solcher Luftkampf mit angetauchten Schlachten so viel Bedeutung?

Bleibt die Frage, wieso dann ein solcher Unfug eine dermassen überproportionale Bedeutung bekommen kann. Womit wir wieder beim Mittelalter wären. Nur wer überzeugt ist, den Schlüssel zum ewigen Seelenheil, zumindest aber das Wissen um das Gute und Bessere und Richtige und Humanistische und Fortschrittliche in den Händen zu halten, der kämpft wie ein Berserker um seine Ziele. Der beschimpft, beleidigt, bedrängt alle Abweichler vom vermeintlich richtigen Pfad. Mit dem flackernden Blick des Fanatikers, beratungsresistent. Für kein Argument zugänglich. Verschlossen gegenüber Logik, Verstand und Beweisführung.

Was früher Ketzer und Ungläubige waren, sind heute Sexisten, Frauenverachter, Diskriminierer. Natürlich gibt es solche (geschlechtsunabhängig, übrigens). Aber das kann doch nicht im Ernst Anlass zu Kampfesarien, Protesten, Glaubenskriegen sein. Oder doch?