Hust, röchel, würg
Rauchen schadet der Gesundheit. Saufen auch. Rauchen ist nicht verboten. Saufen auch nicht.
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Alkoholkonsum verursacht gesellschaftliche Kosten von ca. 4,2 Milliarden Franken pro Jahr. Rund 1600 Todesfälle sind darauf zurückzuführen, mit Bier (900 Mio.), Wein (550 Mio.) und Spirituosen (250 Mio.) wird ein jährlicher Umsatz von 1,7 Milliarden Franken erzielt.
Die tabakverarbeitende Industrie erzielt in der Schweiz einen Umsatz von 27,3 Milliarden Franken. Pro Jahr werden dem Tabakkonsum rund 9500 Tote zugeschrieben. Die gesellschaftlichen Kosten (Medizin 3 Mia., plus Ausfälle durch Krankheit etc.) sollen sich pro Jahr auf über 5 Milliarden Franken belaufen.
Sowohl Alkoholkonsum wie auch das Rauchen sind erlaubt, wenn auch mit Restriktionen versehen. Die direkten Auswirkungen des Alkohols auf das Verhalten oder die Verkehrssicherheit sind ungleich gravierender als beim Tabak.
In regelmässigen Abständen wird auf das Rauchen eingeprügelt. So gerade wieder mal von Tamedia:
«Lobbying und Preisfreiheit statt Prävention und Regulierung: Ein Ländervergleich sieht die Schweiz als Zufluchtsort und Marketinglabor für die internationalen Tabakkonzerne.»
Schlimmer als in der Schweiz gehe es eigentlich nur in der Dominikanischen Republik zu, weiss Autor Gregor Poletti. Insgesamt 80 Länder seien untersucht worden, die Schweiz landet «auf dem unrühmlichen zweitletzten Rang, wie der demnächst offiziell publizierte Bericht zeigt».
Ein Artikel, der auf Datenschrott basiert
Abgesehen davon, dass der Bericht schon längst publiziert ist; um welche Untersuchung von wem handelt es sich, wie wurde diese Rangliste erstellt? «Daten herunterladen», verspricht unter der Tabelle ein Link. Er führt zu einer Excel-Tabelle:
Datenquelle als Witz bei Tamedia.
Wer hat diese Rangliste erstellt? Sie beruhe auf dem «Tobacco Industry Interference Index». Das hört sich irgendwie wissenschaftlich an, ist aber der nächste Witz:
Wissenschaftliche Untersuchung aus dem fernen Thailand.
Wer bastelt den nun?
«Dieser Global Tobacco Index, der ursprünglich von der Southeast Asia Tobacco Control Alliance (SEATCA) initiiert wurde, wird vom Global Center for Good Governance in Tobacco Control (GGTC) als Teil des globalen Watchdogs der Tabakindustrie STOP (Stopping Tobacco Organizations and Products) erstellt. GGTC mit Sitz an der School of Global Studies der Thammasat University ist eine gemeinsame Initiative mit SEATCA.»
Nichts gegen thailändische Universitäten, aber echt jetzt? Wie werden denn die Daten erhoben?
«Dieser Bericht basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen über die Einmischung der Tabakindustrie in den Ländern und der Reaktion der jeweiligen Regierungen auf diese Einmischungen. Die Länder werden nach der Gesamtpunktzahl eingestuft, die von «Gruppen der Zivilgesellschaft» bereitgestellt werden.»
Sorry, Herr Journalist, bevor Sie dermassen in die Trompete blasen, hätten Sie sich vielleicht einmal über Ihre Quellen etwas genauer informieren können. Oder das dem Leser wenigstens mitgeben.
Der Link ins Nichts des «Entwicklers» der Datenquelle.
Der Autor will einfach sein Nebelsüppchen kochen
Schöner ist’s natürlich, über das unselige Wirken der «Tabaklobby» herzuziehen, wie die weiterhin die Kinder verführe und wie es noch striktere Werbeverbote für Glimmstengel brauche: «die Werbevorschriften bleiben zu lasch».
Wie kann man das ändern? «Damit erhält die Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» gewaltigen Auftrieb. Sie will jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht, verbieten. Obwohl dies in der Umsetzung nicht ganz einfach werden dürfte, ist dies ein gangbarer Weg.»
Denn: es gebe «praktisch keine Einschränkungen, wie die Tabakindustrie ihre Produkte in der Schweiz vermarkten» könne. Bloss: Neu gelte «zwar ein Werbeverbot auf Plakaten, in Kinos, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden sowie auf Sportplätzen. Werbung in der Presse und im Internet ist aber auch künftig nicht grundsätzlich verboten, ausser in Radio und TV.»
Wie man aus einem dermassen von Verboten umrankten Marketing «praktisch keine Einschränkungen» machen kann? Zu viel geraucht? Oder schon ein Halbeli intus?
Der Schaden, der gar keiner ist
Aber es wird noch schlimmer. Natürlich erwähnt auch Poletti die 5,6 Milliarden Franken «Schaden», die Tabakkonsum in der Schweiz anrichte. Unbeschadet davon, dass diese Zahl falsch ist. Die NZZ versucht immer mal wieder, diesen Unsinn richtigzustellen.
Etwas ermüdet durch die Aufklärungsarbeit fetzte die alte Tante 2019 in erstaunlich harschem Stil:
«Lasst die Raucher in Ruhe! Wer gesund lebt, verursacht höhere Kosten. Raucher müssen sich zurzeit wieder vorrechnen lassen, welch hohe volkswirtschaftliche Kosten sie verursachen. Richtig ist das Gegenteil: Die Raucher sind Nettozahler. Sie subventionieren die Nichtraucher. Teurer sind laut einer Studie die Gesunden.»
Hoppla, schon wieder so eine merkwürdige Studie, wahrscheinlich auch aus Thailand? Nicht ganz: «Die Arbeit datiert von 1998. Ökonomen der Universität Neuenburg haben im Auftrag des Bundes die sozialen Kosten des Tabakkonsums berechnet. Fazit: Raucher sind volkswirtschaftlich betrachtet Nettozahler. Sie kommen nicht nur voll für die Schäden auf, die sie anrichten, sondern leisten sogar einen Beitrag darüber hinaus. Die rauchende Minderheit subventioniert den Rest.»
Dazu nur zwei Zahlen: Da Raucher bekanntlich früher und schneller sterben als Nichtraucher, entlasten sie die AHV um mindestens 1,3 Milliarden Franken. Zudem drücken sie 2,1 Milliarden Tabaksteuer ab. Zählt man weitere entlastende Faktoren zusammen, kommt man zum Resultat «Nettozahler».
Das mag nun Schimpfkanonen wie Poletti nicht schmecken, das ändert aber nichts an den Zahlen. Vielleicht sollte man den Nebel, den er anrichtet, etwas lichten.
Was für ein journalistisches Niedrigniveau
Poletti arbeitet aufgrund von mehr als zweifelhaften Zahlen einer mehr als zweifelhaften Organisation. Er redet einer Initiative das Wort, die praktisch nicht umsetzbar ist. Er will faktisch jegliche Werbung für ein völlig legales Produkt verbieten.
Raucher, zu denen der Autor auch viele Jahre gehörte, müssen sich schon lange auf ihrem legal und für teures Geld erworbenen Produkt übel beschimpfen lassen und Horrorbilder anschauen. Das ist beim Alkoholkonsum nicht der Fall.
Warum eigentlich? Nun, es gibt doch ziemlich viele Weinbauern in der Schweiz mit entsprechender Lobby. Während die furchtbar einflussreiche Tabaklobby all diese Einschränkungen nicht verhindern kann, obwohl sie einen ungleich höheren Umsatz erzielt. Aber beide Produzenten bieten ein legales Produkt an, wie Milchproduzenten oder die Hersteller von Bratfett.
Auch bei diesen Produkten, wie bei allen legalen Stoffen, ist es dem Konsumenten überlassen, ob er sich damit dem Risiko gesundheitlicher Schäden aussetzen will oder nicht.
Ihn darauf aufmerksam zu machen, ist erlaubt. Unfug zu verbreiten, sollte hingegen verboten werden.