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Born to kill

Ein Terrorist weniger auf der Welt. Super. Oder?

In seltener Einmütigkeit wird in eigentlich allen Massenmedien von der «gezielten Tötung» des Al-Kaida-Chefs Ayman al-Sawari berichtet. Die USA haben ihn nach verschiedenen Berichten auf dem Balkon seines Hauses in Kabul mit zwei von einer Drohne abgeschossenen Hellfire-Raketen erwischt. Kollateralschäden habe es keine gegeben.

Wer nicht zur Fraktion der fundamentalistischen Wahnsinnigen gehört, empfindet darüber kein Bedauern. Wer zur Fraktion der Anhänger des Rechtsstaats gehört, hat ein paar Fragen.

Wenn sich im Film «Full Metal Jacket» der Armeereporter Joker das Peace-Zeichen und den Slogan «Born to kill» auf den Helm heftet, dann will er damit auf Widersprüchlichkeiten hinweisen. Um welchen Widerspruch handelt es sich hier?

Eine Tötung ausserhalb von Kriegshandlungen, zudem noch auf dem Territorium eines fremden Staates, gegen den die USA keinen Krieg erklärt haben, ist Mord. Es ist Mord, wenn die Opfer unschuldige Zivilisten sind, die an einer Hochzeit teilnehmen, was die USA mit einer Versammlung von Terroristen verwechselten. Es ist Mord, wenn das Opfer der Anführer einer Bande von blutrünstigen Terroristen und Massenmördern ist.

Dieser Mord ist Bestandteil einer sogenannten «Disposition Matrix». Diese Matrix, welch schönfärberischer Ausdruck, wird im Slang der CIA auch als «Kill List» bezeichnet. Denn sie enthält die Namen von Personen, die nach Auffassung der US-Geheimdienste umgebracht werden sollten. Unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, ihrer Nationalität und den damit verbundenen weiteren Opfern.

Diese Matrix wurde vom Friedensnobelpreisträger Barak Obama entwickelt und ersetzte vorherige Zusammenstellungen, die eher umkoordiniert waren. Dem Friedenspräsidenten wurde – wie auch seinen Nachfolgern – jede Woche ein Auszug dieser Liste vorgelegt, worauf er die vorgesehenen Attentate absegnen durfte.

Das gezielte Töten ohne Prozess ist die letzte Steigerung der US-Massnahmen, extraterritorial auf Kuba ein Gefangenenlager zu unterhalten, in dem keine rechtsstaatlichen Garantien existieren. Obama hatte an gekündigt, es schliessen zu wollen. Es existiert noch heute. Genau wie der Brauch, Gefangene ausserhalb der USA foltern zu lassen; meistens in östlichen Staaten wie Polen, die sich für solche Handlangerdienste hergeben.

Nicht nur die gezielte Tötung ist schlichtweg illegal, das Inkaufnahmen von zivilen Opfern dabei ist ein Verbrechen. Alleine in Pakistan sollen nach Angaben des Innenministers bei 336 Drohnenangriffen über 2300 Menschen getötet worden sein, davon seien über 80 Prozent unschuldige Zivilisten gewesen. Für den Jemen sieht die entsprechende Statistik laut einer US-NGO so aus:

Diese Morde im Ausland stellen die Steigerung des US-Wildwest-Gerichtsverfahrens dar, das nur mit leichter Ironie so dargestellt wird: «give them a fair trial – then hang them». Gebt ihnen einen fairen Prozess, dann hängt sie auf.

Bei besonders abscheulichen Verbrechen wird in der Bevölkerung immer wieder auch in den Staaten, in denen die Todesstrafe schon lange abgeschafft ist, der Tod des Täters gefordert. Es ist eine ausserordentliche zivilisatorische Errungenschaft, dass diesen Forderungen nicht nachgegeben wird. Die USA gehören zu den Ländern auf der Welt, in denen die Todesstrafe bis heute praktiziert wird.

Da die USA auch über eine kritische Öffentlichkeit verfügen, werden immer wieder Fälle publik, in denen sich die Unschuld des zum Tode Verurteilten herausgestellt hat. Nach der Hinrichtung.

Aber dieser gezielten Tötung ging immerhin ein Prozess vor einem ordentlichen Gericht voraus. Wer auf diese Matrix, diese Tötungsliste kommt, das ist dem Belieben der US-Geheimdienste überlassen. Natürlich handelt es sich in der Mehrzahl der zum Tode Verurteilten um üble Gestalten. Um Terroristen, Massenmörder, um Verantwortliche für den Tod von unschuldigen und unbeteiligten Zivilisten. Es gibt wohl keinen Einzigen unter ihnen, der nicht Abscheu, Widerwillen und Verachtung auslösen würde.

Dennoch kann eine zivilisierte Gesellschaft ihre Überlegenheit gegenüber solchen Verbrechern nicht darin zeigen, dass sie technologisch so fortgeschritten ist, dass sie an jedem beliebigen Ort der Welt jemanden ausfindig machen und umbringen kann. Es ist eben die Bürde der Zivilisation, dass man es sich nicht so einfach machen kann wie diese terroristischen Wahnsinnigen.

Dass das Abarbeiten dieser Kill List, das Absegnen von Tötungen unter Inkaufnahme von zivilen Opfern durch den US-Präsidenten nicht zumindest in der Öffentlichkeit thematisiert, problematisiert und diskutiert wird, ist ein weiteres Armutszeichen der modernen deutschen Massenmedien. Stattdessen wird einfach pseudo-neutral berichtet, wie von einem chirurgischen Eingriff, mit dem ein störender Fremdkörper beseitigt wird.

Darf man sich darüber freuen, dass al-Sawari nicht mehr lebt? Natürlich. Darf man seine Tötung auf diese Art akzeptieren? Natürlich nicht.