Schlagwortarchiv für: Gesinnungsblase

Wahn und Wirklichkeit

Die bekannte Unke Peter Burghardt sieht wieder einmal ein Ende nahen.

Der Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» sah schon das Ende der Demokratie in den USA kommen. Und versuchte verzweifelt, gegen den damals drohenden Wahlsieg von Donald Trump anzuschreiben. Vergeblich.

Aktuell übernimmt das Haus der Qualitätsmedien Tamedia seinen Stuss via München und setzt ihn seinen Lesern zahlungspflichtig vor.

«Weil sich «Post»-Besitzer Jeff Bezos dem US-Präsidenten beugt, laufen der einstigen Bastion für furchtlosen Journalismus Redaktoren und Abonnenten davon. Der frühere Chefredaktor Martin Baron findet deutliche Worte für den Verfall.»

Koinzidenz mit Kausalität verwechseln, ein beliebter Fehler.

Als Kronzeugen für sein Untergangsszenario hat er sich einer sehr glaubhaften Quelle versichert. Des ehemaligen Chefredaktors Martin Baron. Der leitete die WaPo von 2013 bis 2021. «Ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, aber es ist noch schlimmer», jammert Baron ins Mikrophon. Der Besitzer Jeff Bezos (Amazon) sei vor Trump eingeknickt, indem er der Redaktion untersagte, eine Wahlempfehlung für die gescheiterte Kandidaten Kamala Harris abzugeben. Seither seien «mehr als 300’000 Abonnemente inzwischen bei der «Washington Post» storniert» worden, «genaue Zahlen gibt es nicht». Dafür ist das aber eine ziemlich genaue Zahl.

Die Lage sei furchtbar, unkt Burghardt: «Fast täglich fragen jetzt ehemalige «Post»-Kollegen Martin Baron um Rat. Gehen? Bleiben? Baron spricht mit ihnen die Möglichkeiten durch.» Er erinnert an die glorreichen Zeiten, als zwei mutige Journalisten den damaligen Präsidenten Richard Nixon mit dem Watergate-Skandal zum Rücktritt zwangen.

Das ist Nostalgie, aber die Wirklichkeit sieht mal wieder ganz anders aus, als sie Burghardt beschreibt, der lieber in seiner Gesinnungsblase leben möchte.

Die reale Entwicklung der Abonnentenzahlen sieht so aus:

  • 1993: Die Washington Post erreichte ihren Höhepunkt mit einer durchschnittlichen werktäglichen Auflage von 832.332 Exemplaren und einer Sonntagsauflage von über 1,15 Millionen.

  • 2012: Die werktägliche Auflage sank auf 484.385, was einem weiteren Rückgang von 8,4 % gegenüber dem Vorjahr entspricht.

  • 2016: Die Auflage lag bei 507.615 Exemplaren.

  • 2023: Die durchschnittliche werktägliche Printauflage betrug 139.232 Exemplare.

Digital sieht es so aus:

  • 2018: Über 1 Million digitale Abonnenten.

  • 2023: 2,5 Millionen digitale Abonnenten.

Trotz dieses Wachstums verlor die Zeitung seit Ende 2020 etwa 500.000 Abonnenten und verzeichnete 2023 einen Verlust von rund 100 Millionen US-Dollar. So viel zum erfolgreichen Wirken von Baron.

Das Blatt war am Abserbeln, als es Bezos 2023 für 250 Millionen Dollar in Cash kaufte. Er verpasste ihm den Slogan «Democracy dies in darkness» und investierte seither viele weitere Millionen. Unter Bezos› Führung erlebte die «Washington Post» eine umfassende Digitalisierung und Modernisierung. Dazu gehörten der Ausbau des Entwicklerteams, die Optimierung für mobile Endgeräte und die Einführung neuer Einnahmequellen wie Softwarelizenzen und Partnerschaften mit anderen Medienhäusern.

Ohne diesen Investor gäbe es die WaPo nicht mehr, sicherlich nicht in der heutigen Form. Trotz Abgängen und Sparmassnahmen beschäftigt die Zeitung immer noch rund 940 Redakteure. Der «Tages-Anzeiger» hat dagegen noch rund 300 Mitarbeiter, die SZ ungefähr 450. Wobei es schwierig ist, bei den ganzen Rausschmissen den Überblick zu behalten.

Es ist aber keinesfalls so, dass die WaPo erst neuerdings Abonnenten verliert. Gleichzeitig steht Bezos für die Verluste gerade, die die Zeitung immer noch produziert.

Von den 940 Mitarbeitern verliessen eine Handvoll das Blatt unter grossem Getöse. Dennoch bemüht sich eine dreimal so grosse Redaktion wie beim Tagi, rund um die Uhr News zu produzieren, ohne dabei sehr viele Inhalte von einer anderen Zeitung im Ausland zu übernehmen.

Darunter ein Stück wie das von Burghardt, das an Realitätsferne nicht zu überbieten ist, wo Wille und Gesinnung wichtiger sind als eine nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit. Es wäre für den Journalisten ein Leichtes gewesen, sich über die wirklichen Zahlen zu informieren und sie seinen Lesern zu präsentieren.

Stattdessen verliert er sich in solchen Nebensächlichkeiten: «Es ist neun Uhr morgens, Martin Baron, den die meisten einfach nur Marty nennen, beugt sich über seinen Laptop. Er wohnt inzwischen die meiste Zeit in Massachusetts. Hemd, Brille, grauer Bart – 70 Jahre ist er alt, einer der renommiertesten Journalisten der USA.»

Schön, dass wir das nun wissen. Aber wie es wirklich um die finanzielle Situation des Blatts steht, welche Bedeutung die Rettungsaktion von Bezos und seine tatkräftige Hilfe bei der Umstellung aufs Digitale hat, das unterschlägt Burghardt seinen Lesern.

Ebenso jede Erwähnung des aktuellen Inhalts. Da muss der Leser schon selber nachforschen, wenn er des Englischen mächtig ist. Dann wird er sehen, dass die WaPo keineswegs lauter Lobeshymnen auf Trump oder seinen Sidekick Elon Musk anstimmt.

Aber Burghardt schreibt lieber nach der Devise: was nicht passt, wird passend gemacht. Oder einfach weggelassen.

Dabei gehört es eigentlich zum Ehrenkodex jedes zurückgetreten Chefredaktors (wie auch jedes anständigen Politikers), dass er vom Altenteil aus nicht seine Nachfolger mit Kritik und launigen Bemerkungen überzieht.

Blöd auch, dass ihm sein Kronzeuge sogar selbst ins Knie schiesst: «Er» (Baron, ZACKBUM) «überfliegt während des Videocalls die aktuelle Ausgabe. Und? «Sieht ziemlich normal aus», sagt er. Da ist an diesem Tag unter anderem ein kritischer Artikel über Donald Trumps Strafzölle.»

Aber immerhin, ein gewünschtes Quote konnte er Baron entlocken: «Meine Sorge gilt dem Verhalten des Eigentümers. Das untergräbt den Ruf der Zeitung.» Das wird dann in einer Bildlegende hochgejazzt zu: «Der Eigentümer untergräbt den Ruf der Zeitung.» Eine solche Schludrigkeit würde man in der WaPo nicht durchgehen lassen.

Aber Burghardt schreibt halt in einer anderen Liga. Seine Art zu schreiben ist in Wirklichkeit Anlass zur Befürchtung, dass so der Journalismus stirbt, sich überflüssig macht, nichts zur Erkenntnis des Lesers beiträgt. Aber das merkt die Unke natürlich nicht.

 

 

 

Haben wir gelacht

Die grosse Preisverleihung des «Schweizer Journalist»: wie sich die Branche lächerlich macht.

Die Auslandchefin von Radio SRF Susanne Brunner ist zur «Journalistin  des Jahres» gewählt worden. Das ist grossartig, weil gerade die Auslandberichterstattung – und nicht nur sie – des Zwangsgebührenfunks schwer in der Kritik steht. Parteilich, einseitig. Naher Osten, Trump, Ukrainekrieg, au weia. Als Nahost-Korrespondentin bekam die Journalistin des Jahres schwer Prügel wegen ihrer antiisraelischen und propalästinensischen Schlagseite in der Berichterstattung. Wirklich die richtige Preisträgerin?

Sie tritt damit in die flachen Fussstapfen von Fabian Eberhard, das Ein-Mann-Investigativteam des SoBli, der nicht mal in einem Bürogebäude die Räumlichkeiten des Internetradios Kontrafunk findet.

Dann gäbe es einen, der den Preis fürs Lebenswerk schon überfällig lange verdient hätte. Nein, Roger de Weck ist es nicht; der hat ihn zwar gekriegt, aber verdient hätte ihn Roger Schawinski. Der bekam ihn schon mal von ZACKBUM, aber sonst …

Aber richtig lustig wird es bei einigen Kategoriensiegern. Da gab es schon eine Reihe von schlimmen Ausrutschern, aber diesmal wälzt man sich am Boden vor lachen.

In der Kategorie «Politik» wurde jemand ausgezeichnet, dessen Namen wir hier eigentlich schon aus hygienischen Gründen nie mehr nennen wollten. Wir machen eine einzige Ausnahme, damit wir richtig losprusten können: Philipp Loser. Dieser linksradikale Amok («Faschist Trump»), diese publizistische Witzfigur, die nur seine kleiner werdende Gesinnungsblase noch ernst nimmt? Man reiche uns ein neues Pack Taschentücher.

Aber damit nicht genug der Lachnummern. In der Kategorie Gesellschaft siegte Mona Vetsch, das Betroffenheitstussi von SRF. Kategorie Kolumne Anna Rosenwasser, wozu man höchsten sagen kann, es gäbe noch Schlimmere. Aber wieder ein neuerlicher Höhepunkt, ein echter Angriff aufs Zwerchfell, Kategorie Kultur Simone Meier. Obwohl die mit Kultur («Juden canceln») so viel zu tun hat wie eine Kuh mit Quantenphysik.

Einzig etwas Gnade walten lassen wir bei der Redaktion des Jahres. Da kann man die WoZ durchaus nehmen. Keine Entlassungswelle, keine Bettelaktion, kein grosser Flop, neben Gesinnungs- auch brauchbarer Journalismus, warum nicht.

Aber eine Jury, die ernsthaft Loser oder Meier auszeichnet, plus das übrige Fussvolk, die will wohl einfach zeigen, dass Journalisten wirklich völlig abgehoben von der Wirklichkeit in einer eigenen Blase leben. Aus der allerdings immer mehr unsanft rausfallen. Denn inzwischen wissen alle: nach der Entlassungswelle ist vor der Entlassungswelle.

Daher hat ZACKBUM natürlich auch dieses Jahr in der Kategorie «Journalist des Jahres» drei klare Favoriten. Erster Platz: Pietro Supino. Zweiter Platz: Michael Wanner. Dritter Platz: Marc Walder. Und den Preis fürs Lebenswerk hätte natürlich Frank A. Meyer verdient.

Allerdings: wer diesen Preis noch annimmt, ist selber schuld. Das disqualifiziert ja eher, als dass es ehrt. Und nach diesen Preisträgern wird’s ganz und gar unmöglich.

«Republik» rechnet

Es darf gelacht werden, denn Zahlen sind Feinde, so wie die Wirklichkeit.

Es ist halt schon dumm, dass der Aufenthalt in der gemütlichen Gesinnungsblase von fast 50 Nasen viele Millionen kostet. Denn ob sie etwas leisten oder nicht, wenn etwas sicher ist, dann das Gehalt.

Nun berichtet die «Republik» mal wieder über «die wichtigsten Zahlen». Packungsbeilage: es darf gelacht werden, verstehen muss das aber niemand:

«3,5 Millionen Franken: Der Umsatz, den wir kumuliert bis Ende Januar erreichen müssen, um Kürzungen im laufenden Geschäfts­jahr zu vermeiden.
1,8 Millionen Franken: Der Umsatz, den wir kumuliert von Juli bis Ende November erreicht haben.

Mal schauen, wie weit ZACKBUM, die Gratis-Postille mit einem gleich hohen Output wie die «Republik»,  beim Versuch kommt, das zu verstehen.

Also, von Juli bis Ende November, das sind fünf Monate, wurde ein kumulierter Umsatz von 1,8 Millionen Franken erzielt. Das sind pro Monat, Moment, 360’000 Franken. Nun müssen angeblich von Dezember bis Ende Januar 3,5 Millionen Umsatz geschafft werden. Oder von Juli bis Januar, das ist nicht so ganz klar.

Aber nehmen wir doch hoffnungsfroh an, dass es sich um insgesamt 7 Monate handelt. Nun sind 3,5 Millionen das Ziel, minus 1,8 Millionen, das bislang Erreichte, nach Adam Riese 1,7 Millionen. Das bedeutet, dass in den zwei verbleibenden Monaten haargenau zweimal 850’000 Franken Umsatz gemacht werden müsste. Mehr als das Doppelte des bislang erzielten Umsatzes.

Ähm.

«Allein im Dezember und im Januar steht für mehr als 7000 Verleger die Erneuerung ihrer Mitgliedschaft an – das ist ein Viertel von Ihnen! Entschliessen Sie sich alle, an Bord zu bleiben, wären das über 1,5 Millionen Umsatz.»

Ähm.

Also wenn sich alle 7000 Verleger entscheiden würden, «an Bord» zu bleiben, fehlten immer noch 200’000 Franken in der Kasse. Wobei eine Erneuerung aller Abos in der Höhe von 240 Franken nicht 1,5 Millionen Umsatz wäre, sondern 1,68 Millionen. Ausser, eine grössere Anzahl profitiert von einer der vielen Rabattmöglichkeiten. Ausserdem ist auch nicht bekannt, wie viele Monatsabos denn so abgeschlossen werden.

Ähm.

Aber keine Bange: «77 Prozent: Die durch­schnittliche Erneuerungs­rate seit Beginn des Geschäfts­jahres im Juli. Sie ist um 2 Prozent­punkte höher als in vorherigen Jahren, was zum Jahresende einen wichtigen Unterschied machen kann.
Damit sind wir auf dem geplanten Kurs.»

Ähm.

77 Prozent von 7000 sind 5’390. Wenn also so viele ihr Abo erneuern und alle die volle Jahresgebühr zahlen, sind das haargenau 1’293’600 Franken. Also fehlten dann rund 400’000 zum Ziel. Auf dem geplanten Kurs in den Konkurs?

Ähm.

Jedes normale Unternehmen, das nicht auf die tiefen Taschen zweier reicher Erben und die Spendenfreudigkeit von Sympathisanten zählen kann, wenn es mal wieder mit Selbstmord droht, würde bei solchen Zahlen ernsthaft an zwei Dinge denken.

Entweder, die Ausgaben endlich mal den Einnahmen anzupassen. Oder aber, das ganze Unternehmen, ohnehin eigentlich überschuldet, einzustellen. Hat der «Kosmos» doch schliesslich auch gemacht.

Der Unterschied ist allerdings: den Betreibern des «Kosmos» waren die 72 Angestellten, die damit ihren Job verloren, schlichtweg scheissegal. Bei der «Republik» sind die Angestellten die wichtigsten Shareholder und kämen nie im Traum auf die Idee, ihre üppigen Gehälter zu kürzen oder gar das Hausen in der warmen Gesinnungsblase im Rothaus aufzugeben.

Aber immerhin, wenn sie Zahlenakrobatik betreiben, darf laut gelacht werden. Und lachen ist nicht nur gesund, sondern richtig hilfreich in diesen trüben Zeiten.

 

Armutszeugnis

Polemik als Ersatz für Argumente greift um sich.

Helmut Herzfeld war ein mutiger Mann. Der Erfinder der politischen Fotomontage änderte seinen Namen in John Heartfield. Im Jahre 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, als «Gott strafe England» zum geflügelten Wort im deutschen Kaiserreich geworden war.

Damals gab es noch keine Shitstorms, wo anonyme Feiglinge öffentlich ihr Mütchen kühlen können. Dass Heartfield betagt 1968 in Ost-Berlin starb, ist ein kleines Wunder. Sein umfangreiches Werk belegt, wie sich ein Künstler mit all seiner Macht gegen den Weltkrieg, den Hitlerfaschismus und all die Kriegsgurgeln wehrte, die plötzlich ihr patriotisches Herz entdeckten und tolle Kurzgedichte machten wie «Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoss ein Franzos. Jeder Tritt ein Britt, jeder Klaps ein Japs».

Als er 1932 in der Arbeiter Illustrierten Zeitung diese doppelseitige Fotomontage von Heartfield erschien («Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen»), wurde diese Ausgabe der AIZ beschlagnahmt. Nicht zuletzt deswegen, weil er aus dem höchsten preussischen Kriegsorden «pour le mérite» in seiner Montage «pour le profit» gemacht hatte. Aber all sein Wirken gegen die Dummheit der Massen, der Verführbaren, der Anhänger einfacher Denkschablonen war vergebens. So wie heute.

Schon damals gab es Kriegsgurgeln, schon damals benützten viele mangels Argumenten billige Polemik. Wie sich die Zeiten wiederholen.

Natürlich hat sich das Vokabular leicht verändert; patriotisches Gedöns ist nicht mehr so gefragt. Aber einiges ist doch fatal ähnlich geblieben. Die Verteufelung des Gegners, der von Grund auf schlecht ist, Slave halt, der Iwan, eigentlich ein asiatischer Untermensch, gefühllos, brutal, tierähnlich, wird von unfähigen Heeresführern sinnlos verheizt.

Dagegen der edle westliche Held, gut geschauspielert von einem Schauspieler, der korrupt sein kann, Millionär, der sich seine Präsidentschaft kaufen liess und dafür den Käufer von Multimillionenklagen amnestierte, das alles tut seinem propagierten Image keinen Abbruch.

Fatal gleichgeblieben ist auch, dass fehlende Gegenargumente mit immer den gleichen demagogischen Blödsprüchen ersetzt werden. Bezahlter Agent Moskaus, auf der Payroll des Kreml, gar Nordkoreas. Zumindest ein Putinversteher (wie der Versuch, jemanden verstehen wollen, zum Schimpfwort denaturieren konnte, unfassbar). Noch schlimmer ist höchstens, dass einer angeblich unwissentlich das Geschäft des russischen Autokraten verrichtet, westliche Werte verrät, auf die primitive Propaganda des unbezweifelbar Bösen hereingefallen ist.

Ausläufer dieser intellektuell tiefergelegten Schimpftiraden branden auch in die Kommentarspalten von ZACKBUM. Da meint so mancher, sein München kühlen zu wollen und mit Verbalinjurien um sich werfen zu müssen. All diese Kläffer merken lustigerweise nicht mal, wie lächerlich sie sich damit machen.

Ein paar erbärmliche Muster:

«Ist Abt immer noch im Sold von Radio Pjöngjang und Russkoe Radio? Er soll für die Weltwoche schreiben vielleicht wurde er dort von der Familie des dicken Diktators einer Gehirnwäsche unterzogen. Auftragsschreiber und Freiheitsverächter Felix Abt macht Zackbum Zeyer zu einem nützlichen Idioten und Stiefellecker des putinschen Systems.»

Wieso ist es so einfach, die Hirne von ansonsten zurechnungsfähigen Zeitgenossen dermassen zu vernebeln? Bei ihnen pavlovsche Reflexe auszulösen, kaum hören sie eine Position, die von ihrer Gesinnungsblase abweicht? Da stapelt einer – unwidersprochen – Beispiele für die braunen Flecke auf Selenskys olivgrüner Weste aufeinander und weist zurecht darauf hin, dass bis heute existierende Denkmäler und Heldenverehrung für den Kriegsverbrecher, Antisemiten und tiefbraunen Nazi Stepan Bandera einige Argumente für Putins Behauptung liefern, dass die Ukraine von Nazis gesäubert werden müsse.

Nun kann mit gutem Recht anderer Meinung sein, dieser Position lauthals und durchaus auch polemisch widersprechen. Aber so ein Argument oder zwei wäre dann schon nicht schlecht. Oder eine Widerlegung dessen, was den Kommentarschreiber in Wallungen bringt.

Eine abweichende Meinung als entweder gekauft oder irrig-blöd abzuqualifizieren, soll das irgend einen Erkenntnisgewinn in die Debatte bringen? Merken diese Dummschwätzer nicht, wenn sie mehr oder minder verklausuliert fordern, dass eine Stimme, deren Äusserungen ihnen nicht passen, zensiert, unterdrückt, nicht publiziert werden sollte, dass sie keinen Deut besser argumentieren oder denken als die Herrschenden in den Zensurstaaten Ukraine und Russland?

Selbstverständlich widerspricht die Annexion der Krim und der Überfall auf die Ukraine nur schon der mit Eiden beschworenen Unantastbarkeit der ukrainischen Grenzen. Und wer Staatsverträge bricht, wird zum internationalen Paria. Schlimmer noch: was als wenige Tage dauernde militärische Spezialoperation angekündigt wurde, ist seit mehr als 1000 Tagen ein veritabler Krieg mit dramatischen Verlusten auf beiden Seiten.

Dass Selensky keineswegs die Lichtgestalt ist, als die ihn die westliche Propaganda hinstellen will, das weiss jeder, der nicht mit Scheuklappen durch die Welt läuft. Er ähnelt in einigen Eigenschaften fatal seinem Widersacher. Dass der Westen, dass die USA die Ukrainer ins Feuer schicken, sie abschlachten lassen, damit Russland als Hegemon lächerlich gemacht wird und Putins Regime ein möglichst grosser Schaden zugefügt wird, triviale Erkenntnis.

Aber zu viele glauben das Märchen der Verteidigung des Wertewestens am Hindukusch, Pardon, bei Kursk, wo das der treudoofe deutsche Landser und auch Panzermänner schon mal versuchten.

Über all das kann man geteilter Meinung sein. Aber ein Meinungsaustausch ist keine Kneipenschlägerei. Das wird es auf ZACKBUM zukünftig nicht mehr geben. Und all die anonymen Schmierfinken sollen sich die Energie sparen, von angeblicher Zensur und Unterdrückung missliebiger Meinungen zu faseln.

Zudem wird es einen Zusammenhang zwischen dem erlaubten Grad der Polemik und der Selbstverständlichkeit geben, dass sich der Autor outet. Umso anonymer, desto pöbelnder? Das lassen wir zukünftig.

Mit Argumenten unterfütterte Polemik ist jederzeit willkommen. Aus Mangel an Argumenten hochgekochte Polemik muss zukünftig andere Gefässe suchen.

Alleine Regeln der Hygiene fordern das. Und falls immer noch einer meckern sollte: hier gilt Hausrecht. basta.

Gleiche Sendung gesehen?

Kamala Harris hat auf Fox News ein Interview gegeben. Kann man so oder so sehen.

Die «Weltwoche» hat eine klare Ansicht: «Das Techtelmechtel von Kamala Harris mit der rechten Seite wurde zum Rohrkrepierer. Ihr Auftritt bei Fox News war geprägt von unklaren Antworten und Ausweichmanövern».

Neutraler ist Nau.ch: «Kamala Harris mit hitzigem Interview bei Fox News». CH Media tut geheimnisvoll: «Kamala Harris gibt dem Trump-freundlichen Sender Fox ein Interview – und macht eine erstaunliche Aussage». Ganz anderer Ansicht ist hingegen Tamedia: «Wahlkampf-Interview bei Fox News: Kamala Harris trickst den Fuchs aus».

Korrespondent Fabian Fellmann kommt zu einem klaren Ergebnis: «Der Auftritt gelang der Vizepräsidentin derart gut, dass Fox eine ganze Weile benötigte, um zur alten Angriffslinie zurückzufinden. Verdattert kamen die Fox-Kommentatoren in ihren ersten Bewertungen zum Schluss, die Interviewte habe sich gut geschlagen.»

Also triumphaler Auftritt der Präsidentschaftskandidatin. Offensichtlich eine andere Sendung hat hingegen die WeWo gesehen: «Fox-Moderator Bret Baier, bekannt als harter Gesprächsführer, nahm Kamala Harris in die Mangel. Ihre meist ausweichenden Antworten quittierte er mit Nachfragen, auf die sie ebenfalls wenig handfest reagierte.»

Also verhauener Auftritt der Präsidentschaftskandidatin. Auch der WeWo-Kommentator ist ganz dieser Meinung: «Eine katastrophale ( Gott sei Dank) Darbietung von Harris. Anfangs hatte man die Befürchtung das es wieder ein Soft Ball Interview wird. Aber Bret Baier war großartig.» Oder: «Harris war desaströs.»

Auch der Tamedia-Leser hat eine klare Meinung: «Viele Kritiker müssten nun seit diesem Fox Interview zugestehen, dass K.Harris grossartig war.» Oder: «KH ist schlicht und ergreifend gut – sehr gut!»

Das bedeutet, dass beide Medien die Meinung ihrer Gesinnungsblase bedienen. Hin und her gerissen ist der «Blick»: «Harris blieb trotz der teils fiesen Fragen cool. Befriedigende Antworten aber lieferte sie nicht.»

Entsprechend durchmischt reagieren hier die Leser: «Sie antwortete genau und korrekt und behielt die Nerven.» Oder aber: «Die Fragen waren alle fair und sie hat keine einzige(!!) beantwortet, filibuster Reden gehalten und damit das beschränkte Zeitfenster fürs Interview strapaziert.»

Zusammenfassend bedeutet das: wenn das Medium die Erwartung seiner Leser erfüllt, wird dem Artikel zugestimmt. Völlig unabhängig davon, ob er den Auftritt von Harris lobt oder kritisiert. Beschreibt der Artikel sowohl Positives wie Negatives, ist der Leser auch der Meinung, es habe Licht- wie Schattenseiten gegeben.

Perception is reality, die Wahrnehmung ist die Realität. Soll Lee Atwater gesagt haben, ein US-Polit-Stratege. Damit hatte er wohl sehr recht.

Und was macht das Blatt der tiefen Denke und der hausgemachten Analyse? Leider kann man die NZZ hier nicht zählen, weil sie schlichtweg eine Tickermeldung der DPA publiziert. Die bemüht sich wenigstens um Neutralität, wertet den Auftritt nicht, sondern beschreibt den Inhalt. Nur zum Schluss zitiert die DPA zwei konträre Meinungen:

«Trumps Wahlkampfteam reagierte umgehend auf Harris Äusserungen. Es nannte das Interview ein Fiasko und bezeichnete Harris als «wütend und defensiv». Die «Washington Post» schrieb hingegen, der TV-Auftritt sei ein «aussergewöhnlichen Moment» in einem ohnehin turbulenten Wahlkampf gewesen.»

Ja was denn nun? Offensichtlich sind die wichtigsten Leitmedien nicht in der Lage, eine qualitative Beschreibung dieses Interviews zu geben. Wer sich im Trump-Lager verortet (Chefdenker Roger Köppel bezeichnet die mögliche Wahl Trumps als Segen für Europa), fand den Auftritt mies. Wer zur Trump-Hasser-Fraktion gehört, fand den Auftritt hervorragend. Dann gibt es noch ein Sowohl-als-Auch und ein «keine Beurteilung».

Das alles zusammen ist nicht viel. All diesen Beschreibungen fehlt das, wofür der Leser gerne bereit wäre, etwas zu zahlen. Mehrwert in Form von Analyse, Einordnung oder Beurteilung. Meinungsstücke dafür oder dagegen, das kann sich jeder gratis im weiten Internet abholen. Deskriptive Darstellung auch. Wackelpudding ebenfalls.

Und die Bedienung der vorgefassten Meinungen in der eigenen Gesinnungsblase erst recht.

Unabhängig davon, ob der Auftritt von Harris grossartig oder desaströs war: die mediale Reaktion darauf ist katastrophal.

Atavismus am 7. Oktober

Wie soll man mit diesem kulturellen Rückfall umgehen?

Die Pro-Israel-Kreischer haben es leicht. Notwehr, Antisemitismus, Zwang zum Gewinnen, da passt kein Hauch eines Zweifels ins Weltbild. Die Pro-Palästina-Kreischer haben es auch leicht. Freies Palästina, eigener Staat, Besetzungsmacht, Kriegsverbrechen. Auch da ist die Gesinnungsblase luftdicht von der Wirklichkeit abgeschlossen.

Aber was soll man auch Vernünftiges dazu sagen? Der Angriff ohne Vorwarnung auf Zivilisten, das Massaker an einem Musikfestival, beabsichtigte Barbarei, um Israel zu einem barbarischen Gegenschlag zu provozieren. Dass der massiver – und barbarischer – erfolgte als gedacht, die Dummheit fundamentalistischer Wahnsinniger ist schwer zu überbieten.

Die Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen, die Mordtaten fanatischer israelischer Siedler auf illegal besetztem Land, die barbarischen Angriffe auf Wohnviertel in Beirut, damit fallen beide Seiten in atavistische Verhaltensweisen zurück.

Es kommt nur auf den Blickwinkel an, ob man das Errichten einer Kommandozentrale unter Wohnhäusern oder in Schulen oder Spitälern für barbarischer hält als deren Bombardierung.

«Ein für alle Mal» sei das todsicheres Rezept für ein Desaster im Nahen Osten, schreibt NZZ-God-Almighty Eric Gujer. Wer das historisch vertieft bewiesen haben möchte, dem sei die Lektüre von «Jerusalem, die Biografie» von Simon Sebago Montefiore empfohlen. 895 Seiten voller Gemetzel, Zerstörung, Wiederaufbau, Intrigen, Machtergreifung, Fanatismus, der sich seit der Gründungszeit Jerusalems bis in die Jetztzeit perpetuiert.

3000 Jahre, von König David bis heute, wo Blutvergiessen häufiger herrschte als friedliche Koexistenz, wo im Meer von Blut nur kleine Inseln des Friedens und Wohlergehens aufragten, auch sie so oft erbaut aus den Gebeinen von Getöteten, Gefolterten, Gekreuzigten, Hingemetzelten.

Was nützt ein solcher Blick, hilft er, das aktuelle Schlamassel, das Gemetzel, das alttestamentarische «Auge um Auge, Zahn um Zahn» besser zu verstehen?

Wer nicht so dumpf und dumm ist, dass er primitive Parteiname («die Israelis sind die Guten») braucht, wer es sich auch nicht so einfach machen will, mit dem Leiden eines Volkes ohne Staat alle Grausamkeiten zu legitimieren, der hat es im wahrsten Sinne des Wortes nicht leicht.

Äussert man Abscheu über die Greueltaten fundamentalistische Wahnsinniger, dann wird einem vorgeworfen, man sei der westlichen Propaganda auf den Leim gekrochen, das sei wenn schon legitime Gegenwehr gegen israelische Barbarei, Landraub und gezielte Tötungen gewesen. Verurteilt man israelische Kriegsverbrechen, dröhnt einem die volle Ladung «Antisemit, Mullah-Freund, bezahltes Sprachrohr» entgegen.

Auf welchem Niveau sich der Diskurs heutzutage abspielt, illustrieren die 190 Kommentare bei IP zum Thema «Die Ermordung von Nasrallah ist ein Kriegsverbrechen». Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen anonymes Erbrechen, wobei selbst Lukas Hässig die schlimmsten Sachen rauskübelt und nicht veröffentlicht. Man kann nur hoffen, dass das kein repräsentativer Querschnitt ist, befürchtet es aber doch.

Den Konflikt im Nahen Osten können sicherlich nicht westliche Intellektuelle mit scharfem Nachdenken lösen. Obwohl einige so vermessen sind zu meinen, das leisten zu wollen. Aber es gibt etwas, wogegen jeder Intellektuelle, der diesen Namen verdient, hierzulande energisch protestieren muss: gegen diese Verrohung, Verprimitivierung, gegen Denkverbote, dumpfe Hetze und brutalen anonymen Hass in der Öffentlichkeit.

Dass das Zürcher Zensur Festival einen russischen Dokumentarfilm aus dem Programm nimmt, die Autorin wieder auslädt, das ist ein Skandal. Dass das aufgrund von unziemlichem Druck der ukrainischen Regierung und widerlicher anonymer Hetze mit Morddrohungen geschah, ist unglaublich. Dass dagegen die offizielle Schweiz, die Regierung der Stadt und des Kantons Zürich, der Bundesrat nicht energisch protestierten, ist feiges Versagen.

Dass nur die kleine «Weltwoche» das Naheliegende tat und der Filmerin in einem Interview Gelegenheit gab, ihre Sicht der Dinge zu schildern, ist eine erbärmliche Niederlage der übrigen Medien.

Dass es Volltrottel gibt, die diese Zensur eines angeblichen Propagandamachwerks begrüssen, das ja von Moskau bezahlt sei (was völliger Schwachsinn ist, wie sich jeder informieren kann), zeigt, wie weit die Verblödung schon fortgeschritten ist.

Was Gujer, Meyer, Köppel oder Zeyer zum Nahen Osten meinen, hat keine erkennbare Auswirkung auf das dortige Hauen und Stechen und Morden, das Töten von Zivilisten im Namen einer guten Sache, die halt blöderweise am falschen Ort leben, das ungezielte Abfeuern von Raketen auf israelische Städte.

Dass wer will sich aber offen und öffentlich äussern darf, ohne Repressionen jeglicher Art befürchten zu müssen, ohne Zielschreibe von wutschäumenden Primitivlingen zu werden, die feige unter Pseudonym mutig hetzen, das muss man hingegen einfordern.

Der normale Wäffler, wie er auch bei ZACKBUM in den Kommentarspalten sein Unwesen treibt, der meint, es sei sein Menschenrecht, anonym zu rüpeln und zu rempeln und der furchtbar eingeschnappt ist, wenn man ihn darauf aufmerksam macht, dass er an fremden Tafeln nicht furzen, rülpsen oder gar auf den Tisch kotzen darf – das sind Kollateralschäden dank Internet.

Aber die zunehmende Uniformität der öffentlichen oder besser der veröffentlichten Meinung, das ist beunruhigend. Unabhängig davon, ob sie grossmehrheitlich pro Israel, aber auch vereinzelt pro Palästinenser ist. Was hier fehlt, ist die Bereitschaft zum Dialog, zum Dissens, zur Debatte.

Wer wie Tamedia ein Schreibverbot ausspricht, weil die Führungsnasen keine Kritik vertragen, der ist wohl am unteren Ende der Leiter angelangt. Und hat die Füsse bereits im Seichten, im Sumpf, im Morast der verängstigten Gesinnungsrechthaberei.

Da wäre sogar keine Meinung haben noch ehrenvoller. Hier aber gilt: wer so tief in den Sumpf eintaucht, säuft darin ab. Und keiner hat Mitleid.

Zensurhauptquartier Tagi

Forumszeitung, Pluralismus. Verantwortung. Blabla.

Tamedia ist in vielen Regionen der Deutschschweiz die Monopoltageszeitung. Im Kopfblattsalat wird überall die Einheitssauce aus Zürich abgefüllt; die lokale Redaktion, eingeschrumpft und skelettiert, darf noch ein wenig Lokalkolorit drüberstäuben.

Es gibt immerhin ein Gefäss, wo der Leser mitreden darf. Seine freie Meinung äussern. Das Wort hat. Die Kommentare. Da wäre es besonders wichtig, gegen die grün-woke und genderkorrekte Gesinnungsblase Gegenstimmen zuzulassen.

Natürlich müssen diese Gefässe moderiert werden, denn das Publikationsorgan haftet für den Inhalt von Kommentaren genauso wie der Kommentarschreiber. Deshalb werden auch bei ZACKBUM Äusserungen, die in den strafrechtlichen Bereich ragen, persönliche Beleidigungen oder ruppige Verbalinjurien nicht zugelassen. Aber Kritiken am Inhalt der Artikel – oder am Autor – immer. Das gehört sich nicht nur so, das ist auch Ausdruck des Respekts dem Leser gegenüber.

ZACKBUM hat eine – natürlich nicht-repräsentative – Umfrage unter seinen Lesern durchgeführt, wie deren Erfahrungen mit der Publikation von Kommentaren bei Tamedia sind. Das Resultat ist nicht überraschend, aber erschreckend. Es ist offenkundig, dass selbst unanständige Kommentare, die aber in der Gesinnungsblase des Tagi blubbern, gerne und freizügig publiziert werden. Kritische Äusserungen hingegen werden – mit der immergleichen, fadenscheinigen Begründung – abgelehnt. Meckert der Kommentator, wird er gleich mal gesperrt.

Das sind keine Einzelfälle, es steckt System dahinter.

Die Begründung ist immer die gleiche, langfädig und aus dem Stehsatz:

«Vielen Dank für Ihren Kommentar. Leider müssen wir Ihnen jedoch mitteilen, dass Ihr Kommentar nicht veröffentlich werden kann.
Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehört die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken. Ebenso persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer sowie Dritte oder auch ein grundsätzlicher Ton «unter der Gürtellinie». Als beleidigend gelten auch Verunstaltungen von Namen, entweder von anderen Diskussionsteilnehmern, aber auch von dritten Personen oder Einrichtungen.»

Hübsch ist auch dieser hier: «Ihr Kommentar wurde abgelehnt. Ihr Username verstösst gegen unsere Kommentarrichtlinien.» Der Username lautete Anders Sanders.

ZACKBUM-Leser haben Dutzende von nicht-publizierten Kommentaren eingereicht, in denen weder polemische, noch beleidigende Ausdrücke vorkommen, auch keine persönlichen Angriffe oder gar ein Ton «unter der Gürtellinie». Was all diese zensierten Kommentare gemeinsam haben: sie widersprechen dem Inhalt des Artikels.

Es gibt sogar Leser, die sich so beklagen:

«Da ich sporadisch schon jahrelang (unter div. Pseudonymen) Artikel im Tagi kommentiere und dies gerne zu den Themen Gesundheit / Geschlechterfragen / Gendern, Politik, Geheimdienste und Islam tue, bemerkte ich, dass für mich ab März 2020 bis am 31.08.22 kein Durchkommen mehr möglich war. Sämtliche Kommentare meinerseits zum Thema Corona wurden geblockt, dies obwohl oder gerade weil ich mich (vorsichtig) als Involvierter geoutet habe. Auch sonst wurden in diesem Zeitraum kaum Kommentare von Pflegefachpersonen zu Corona-Artikeln im Tagi veröffentlicht (was bei zehntausenden Pflegefachkräften in der Deutschschweiz bemerkenswert ist).»

Ein Beispiel unter vielen, wie menschenverachtende Kommentare, die aber ins Weltbild des Tagi passen, publiziert werden: «In Krisensituationen taugen die meisten Männer nichts und verlassen überproportional oft eine alte kranke Ehefrau oder bringen sie gleich um. Gewalt im Alter gegen gesundheitlich beeinträchtigte Frauen ist allgegenwärtig. Kein Wunder blühen die meisten Witwen auf.»

Ein Gegenkommentar wurde dann zensiert …

Eine unvollständige Liste von Beispielen von zensierten Beiträgen:

«Die unklaren Formulierungen in diesem Beitrag entlarven die Voreingenommenheit des Autors: In Ungarn ist es nicht gesetzlich verboten, mit Minderjährigen über Homosexualität zu reden.»

«Grundsätzlich wird bei Hospitalisierungen leider nie erhoben, ob geimpft oder ungeimpft. Das will man offenbar nicht wissen.»

«Komme ebenfalls auf 142848 Lösungen. Man könnte aber verlangen, dass die Multiplikation mit 2, 3 und 7 jeweils eine Permutation der Ziffern 0..9 ergibt, die nicht auf 0 endet oder mit 0 beginnt. Dann bleibt nur noch 1052748693 übrig.»
Abgelehnt wegen «im Ton vergriffen».
Oder: «Es gibt keine Klimakrise. Nur Klima.»
«Gegen diese Personen ist ein Strafverfahren zu eröffnen. Dessen Resultat interessiert mich.»
«Nicht alle Covid-Impfgegner sind prinzipielle Impfgegner. Ich finde eine Reihe von Impfungen sehr sinnvoll. Dass die Covid-Impfung ein negatives Nutzen-Nebenwirkungsprofil hat, ist aber belegbar. Und Covid-Impfgegner zu sein heisst nicht, zu behaupten, dass es Long Covid nicht gibt, obwohl es auch mit Impfnebenwirkungen zu tun haben kann. Gerade Covid-impfkritische Ärzte, die ich kenne, haben sich zum Teil sehr engagiert wenn es um Hilfe für Long-Covid-Patienten geht
«Russland wird also in Kennnis gesetzt wenn ein hochrangiger Politiker vor Ort ist. Sobald er abgereist ist, darf die Zivilbevölkerung wieder beschossen werden. Mir kommt gerade das Frühstück hoch. Was haben ausländische Politiker in einem Kriegsgebiet zu suchen, welchen Erfolg haben solche Besuche, abgesehen von der kurzzeitigen Waffenruhe?»
«Offenbar ist Ogi bisher der Einzige, der Einsicht öffentlich zeigt?»
«Wer glaubte jemals an die politische Unabhängigkeit der Gerichte???»
«OMG da müssen wir unbedingt auch unsere eigenen Militärausgaben steigern, sonst steht nicht nur Putin plötzlich an der Grenze…»
«Und wer rettet Deutschland? – Und wer die Schweiz? – Und wer ist die wahre Bedrohung? – Rette sich wer kann!»
«Wenn hier bemängelt wird, dass zuwenige «kritische» Fragen gestellt wurden, bzw. der Interviewte nicht ständig à la Schawinski unterbrochen wurde, möchte ich mal die Frage stellen, wie unsere Qualitätsmedien denn das jeweils bei Selenski gehandhabt haben? Ich kann mich jedenfalls an keine einzige kritische Frage and den vom Wertewesten Heiliggesprochene erinnern.»
«Wenn diese Brücke auf russischen Staatsgebiet durch deutsche Waffen mit Hilfe deutscher Generäle und deutscher Experten zerstört wird, kommt es zur Katastrophe. Dazu fällt mir nur noch James Dean ein: «Denn sie wissen nicht, was sie tun.»»
Und so weiter, und so fort. Man könnte die Reihe von Beispielen noch beliebig weiterführen.
Alle diese unterdrückten Kommentare haben zwei Dinge gemeinsam. Sie verstossen in keiner Form gegen irgendwelche Richtlinien bei Tamedia. Aber sie widersprechen den dort geäusserten Ansichten der Redaktion.
Das ist ein Skandal erster Güte. Denn das sind keine Zufälle, dahinter steckt üble Methode. Hier zeigt sich die Kleingeistigkeit, die Verunsicherung und die Rechthaberei der dafür Verantwortlichen.
Zudem kneifen sie vor jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem apodiktischen Wort, dass über solche Entscheidungen keine Korrespondenz geführt werde.
Bleibt noch nachzutragen, dass der Autor dieser Zeilen bei Tamedia Schreibverbot hat. Ausgesprochen wurde es von den beleidigten Leberwürstinnen in der Chefredaktion, angeführt von Raphaela Birrer; sie fühlen sich «wiederholt diffamiert». Ohne aber dafür ein einziges Beispiel anführen zu können. Der Oberboss Pietro Supino kneift auf Anfrage, was er von diesem unsäglichen Gebaren halte. Er habe volles Vertrauen in seine Chefredaktion.
Wenn der Mann sich nicht auch da täuscht …

Pflichtlektüre für TV-Zuschauer

Warum es nötig ist, die «Rundschau» zu sezieren.

Die Lektüre des Dreiteilers von Thomas Baumann kann so lange wie der dort in Scheiben zerlegte Beitrag der «Rundschau» dauern. Wieso sollte man sich das antun?

Zum einen, weil die «Rundschau» regelmässig ein paar Hunderttausend Zuschauer hat. Sie arbeitet zwar daran, ihr Publikum zu verkleinern, aber dennoch: sie ist eine Medienmacht. Was sie ausstrahlt, hat Wirkung. Wen sie kritisiert, der hat ein Problem.

Zum anderen, weil «Rundschau»-Beiträge regelmässig für politische Anliegen verwendet werden, sich in ihnen angebliche und selektiv ausgewählte Experten mit Eigenwerbung profilieren können.

Wer Macht hat, sollte damit sorgsam umgehen. Insbesondere, wenn es sich um Machtausübung in einem Zwangsgebührensender handelt, der zu Ausgewogenheit und Fairness verpflichtet ist.

Wer Macht hat, sollte zur Selbstkritik fähig sein, Fehlerkultur betreiben, sich auch mal für Fehlleistungen entschuldigen. All das trifft auf die «Rundschau» nicht zu. Sie lässt sogar auf harmlose Fragen die Medienstelle mit einer Null-Aussage antworten. Wie viele Redaktionsmitglieder eine Ergebenheitsadresse an ihren Chef unterzeichnet hätten, das könne nicht gesagt werden, «Persönlichkeitsschutz». Lachhaft.

Überhaupt nicht zum Lachen ist, was Baumann in seiner minutiösen Recherche (moderndeutsch Kontextualisierung) herausgefunden hat. Der Beitrag der «Rundschau» über die Prügelattacke in Schaffhausen erfüllt alle Kriterien. Leider nicht von professionellem, seriösem, anständigem Journalismus. Sondern er ist voll von Thesen- und Gesinnungsdemagogie. Er unterstellt, insinuiert, verknüpft filmisch (oder im gesprochenen Subtext) Ereignisse mit Vermutungen, stellt eine Pseudorealität her.

Es ist tatsächlich eine Kunst, in wenigen Minuten eine komplexe Story zusammenzufassen; dafür Dokumentarbilder zu finden, Protagonisten zu interviewen und längliche Ermittlungsergebnisse knapp in Bild und Ton zu übertragen. Überall muss selektioniert, herausgeschnitten, neu zusammengefügt werden, der Zuschauer muss an der Hand genommen und durch eine komplexe Realität geführt werden.

Das ist keine Hexenkunst, sondern banales Handwerk. Wie man das macht, zeigt (fast) jede angelsächsische Dokumentarsendung. Natürlich hat auch schon der Leuchtturm «60 Minutes» schwache Stunden gehabt. Aber hier herrscht im Allgemeinen kühle Professionalität, Faktencheck, wird hinterfragt und lieber zu Tode recherchiert als Unsinn publiziert.

Die Autopsie dieses einen Berichts der «Rundschau» ist nötig (und seine Lektüre auch), weil man danach der Forderung von Kurt W. Zimmermann in der «Weltwoche» zustimmen muss: eine solche «Rundschau» sollte eingestellt, abgeschafft werden. Weil sie nicht reformierbar ist. Was falsch ist, aber nicht besser und anders werden kann, bleibt falsch. Wäre die «Rundschau» so wenig wirkmächtig wie die Randrandgruppenorgane «Republik» oder «Nebelspalter», die zudem nicht von Zwangsgebühren finanziert werden, könnte man die Macher sich weiterhin in ihrer unter Luftabschluss verfaulenden Gesinnungsblase suhlen lassen.

Aber eine Sendung von SRF? Das geht nicht. Das kann nicht weg, das muss weg.

Schrei, schrei, Schreibverbot

ZACKBUM watet durch die Feucht- und Sumpfgebiete von Tamedia.

Täglich überprüfen hier Scharen von Redaktoren (generisches Maskulin) das Einhalten von Benimmregeln. In der Schweiz und weltweit. Unablässig geben sie Ratschläge und erklären den Weltenlenkern, was die alles falsch und gelegentlich auch richtig machen.

Besonderes Augenmerk richten sie auf ihre eigene Befindlichkeit, so kritisch sie in die Welt schauen, so angelegentlich beschreiben sie den Zustand des eigenen Bauchnabels. Gerne auch ihr Unwohlsein, ihre Betroffenheit, ihre Verdauung und Auffälligkeiten im Stuhlgang oder bei der Menstruation.

Zudem widmen sie sich mit höchster Energie Genderfragen, räumen dem dritten, vierten und x-ten Geschlecht grossen Raum ein, kümmern sich um die Belange der LBGTQ-Community, ohne Rücksicht darauf, dass das die Leser in Scharen in die Flucht treibt, genauso wie das besserwisserische Bestehen auf Sprachvergewaltigungen im Genderwahn-Stil mit Stachelstern und Binnen-I. Zumindest der Missbrauch des Partizips Präsens und die den Lesefluss hemmende Verwendung von weiblichen und männlichen Formen aller Personengruppen (Bedenkenträger und Bedenkenträgerinnen).

Eine gewisse Einäugigkeit kann man ihnen dabei nicht absprechen. Fällt das Wort SVP, gar AfD, von Trump und Köppel ganz zu schweigen, reagieren sie als perfekte Beispiele des Pavlowschen Reflexes. Sie beginnen sofort zu geifern und zu belfern.

Gegenüber Obrigkeiten, solange links, woke, fortschrittlich oder nonbinär, schmeicheln sie sich hingegen ein. Die Bildstrecke über den Birkenstock, das hätte die nordkoreanische Parteizeitung auch nicht besser hingekriegt, wenn Kim der Dickere mal wieder was angeglotzt hat.

Nur wenige Ausnahmen bestätigen dieses Dumpfen in der Gesinnungsblase. Aber würden wir hier Namen dieser Damen und Herren nennen, wäre es mit dem Kuschelkurs in der Redaktion schnell vorbei, denn Gutmenschen können ganz hässlich rabiat werden, wenn sie das personifizierte Böse vor sich sehen. Und wer von ZACKBUM lobend erwähnt wird, muss böse sein.

Das könnte man nun belustigt als Äusserungen der Mitglieder einer Therapie- und Spielgruppe zwecks Verbesserung des seelischen Gleichgewichts und Erreichen der inneren Mitte abtun, wenn dieses Gelaber nicht über eine Million Leser beschallen würde. In vielen Gebieten ist Tamedia mit seinem Kopfblattsalat, angerichtet mit Zürcher Einheitssauce, zudem Monopolist im Tageszeitungsbereich.

Doppelmoral, Heuchelei, belehrende Kolumnen mit erhobenem Zeigefinger, geschrieben mit dem flackernden Blick eines Fanatikers, der den richtigen Weg zum allgemeinen Seelenheil weiss, aber daran verzweifelt, dass ihm viel zu wenige zuhören oder gar folgen.

Es gibt den guten Satz, dass man Sektierer nicht daran erkennt, dass sie klein sind, sondern dass sie klein bleiben wollen. Die Redaktion von Tamedia scheint den Vorsatz gefasst zu haben, sowohl sich selbst wie auch ihre Leserzahl zu schrumpfen. Denn hier gilt: nach der Sparrunde ist vor der Sparrunde. Und mit verzweifelten Aufrufen werden Abonnenten gesucht, die für angeblichen «Qualitätsjournalismus» etwas zu zahlen bereit wären.

Das Missverständnis: natürlich gibt es diese Zielgruppe. Nur müsste die auch Qualitätsjournalismus bekommen. Das ist ungefähr so, wie wenn ein gehobenes Restaurant trockenes Fast Food serviert, das aber zu saftigen Preisen – und sich dann wundert, wieso dieses Geschäftsmodell nicht funktioniert. Was fällt ihm als Rettung ein? Kleinere Portionen, zu höheren Preisen.

Bevor der Leser fragt: ist das eine Reaktion auf das Schreibverbot, das die Chefredaktion der Forumszeitung Tamedia dem ZACKBUM-Redaktor René Zeyer wegen angeblicher «wiederholter persönlicher Diffamierung» erteilt hat? Nicht direkt; es ist eher eine Reaktion darauf, dass weder der oberste Chef Pietro Supino, noch die Chefredaktorin Raphaela Birrer geruhten, auf journalistische Anfragen um Erläuterung dieser Verleumdung zu reagieren.

Wo soll der medienkritische Blog ZACKBUM die Chefredaktion nicht nur kritisiert haben (wie es seine Aufgabe ist), sondern «persönlich diffamiert», was ein ruppiger Vorwurf ist? Wenn ZACKBUM etwas behauptet, dann unterfüttern wir das jeweils mit Belegen und Argumenten. Sonst würde man uns zu recht nicht ernst nehmen. Oder unablässig zu Tode klagen.

Dass sich Tamedia selbst ins Elend schreibt, das ist eine Sache. Dass der schmaler werdende Platz mit schmalbrüstigem Blasenjournalismus gefüllt wird, die andere. Dass aber jegliche Souveränität fehlt, mit Kritik umzugehen, das ist erbärmlich.

Ohne uns vergleichen zu wollen: der Letzte, der beim damaligen «Tages-Anzeiger» Schreibverbot kriegte, war Niklaus Meienberg. Aber unser Streitgenosse selig hatte den Liechtensteiner Fürsten mit einer Glosse erzürnt, worauf Otto Coninx höchstpersönlich einen Bannstrahl niederfahren liess. Wogegen sich damals die Redaktion lautstark, aber vergeblich wehrte. Und heute? Zwei Mimosinnen in der Chefredaktion fühlen sich auf den nicht vorhandenen Schlips getreten und sind sogar zu feige, das Schreibverbot selbst auszusprechen oder auf Anfrage zu begründen. Und ihr oberster Boss schaut ungerührt zu.

Gibt es ein hässlicheres und treffenderes Bild für den Niedergang?

 

AZ kriecht zu Kreuze

Ein Glanzstück des Recherchierjournalismus. Und nun dieser Kotau.

In zwei Teilen hat die Winz-Zeitung Schaffhauser AZ das vollbracht, an dem die grossen Medienhäuser der Schweiz gescheitert sind. Sie hat die Hintergründe des brutalen Prügel-Videos recherchiert, das die «Rundschau» mehr als zwei Jahre nach den Ereignissen an die Öffentlichkeit brachte.

Dabei sind der SRF-Sendung möglicherweise gravierende handwerkliche Fehler unterlaufen. Auf jeden Fall stapeln sich bei der Ombudsfrau die Beschwerden. Der Bericht sei tendenziös gewesen, habe grobe Fehler enthalten und sei überhaupt einem Narrativ gefolgt, das das Opfer vorgab. Wie die «Rundschau» so lange nach der Tatnacht in Besitz dieses Videos kam, ist ungeklärt.

Die übrigen Medien beschränkten sich darauf, diese skandalöse Story nachzuerzählen. Nicht so die Schaffhauser AZ. Ihr Co-Redaktionsleiter Marlon Rusch zeigte seinen Kollegen, was recherchieren bedeutet. Und grub viele Fakten aus, die ernsthafte Zweifel an der Darstellung der «Rundschau» auslösen.

Seine Schlussfolgerung: «Das Gesamtbild, das durch die verschiedenen Beweismittel entsteht, lässt die brutale Prügelorgie in einem anderen Licht erscheinen: nicht als Resultat eines kühl geplanten Hinterhalts – sondern als albtraumhaften Höhepunkt eines Rauschabends, der plötzlich völlig ausser Kontrolle geriet.»

Eine Woche darauf erschien Teil zwei, der die Arbeit der staatlichen Behörden unter die Lupe nahm, ebenfalls viel genauer und informierter als die übrigen Medien.

Also eine rundum gelungene Leistung, die Lob und Auszeichnung verdiente. Wenn wir nicht in woken und wahnhaften Zeiten leben würden. Denn faktentreue Recherche kam bei vielen Lesern (und Leserinnen und everybody beyond) überhaupt nicht gut an. Die unterstellten dem doch eher linken Blatt, es habe eine Täter-Opfer-Umkehr begangen, das Leiden der Frau vernachlässigt, die Prügelei relativiert, ihr gar eine Mitschuld unterstellt. Nichts davon trifft zu.

Aber heutzutage kann es sich kein Medium leisten, auf solch lautstark und faktenfrei vorgetragene Kritik anders als mit einem Kotau zu reagieren. Obwohl sie selbstentlarvend dumm ist:

«Ich bin fassungslos. Und so wütend … Was in eurem Artikel fehlt, ist eine dringende Einordnung! … Schlagartig wurde mir aber klar, wie absurd und falsch diese suggerierten Gedanken waren und wie ich dem Fehler verfiel, die strukturelle Gewalt an Frauen selbst zu verharmlosen … Als linke Wochenzeitung hättet ihr die Möglichkeit nutzen können, über die perfiden patriarchalen Mechanismen zu schreiben … Durch die journalistische Arbeit wird jedoch manipuliert, agitiert und polarisiert: Täter werden zu Opfern, Opfer werden zu Tätern, alles dreht sich im Kreis und mir ist schwindlig davon

Kann man solches schwindlige Geschwurbel wirklich ernst nehmen?

Statt mannhaft darauf zu bestehen, dass der Versuch, möglichst nahe an der Wirklichkeit zu bleiben und darzustellen, was sich sorgfältig rekonstruieren liess, zieht die AZ den Schwanz ein: «Der Artikel hat viele Menschen empört, enttäuscht und verletzt. Das ist die Folge einer Reihe von Fehlern, auf die wir im Folgenden eingehen.»

Menschen, die sich über den Artikel empörten oder gar verletzt fühlten, vertragen klassischen Journalismus nicht und möchten lieber in ihrer Gesinnungsblase unter Luftabschluss ruhen. Aber das traut sich die AZ natürlich nicht zu schreiben.

Sondern sie macht – in alter Tradition – eine Selbstkritik. Die zwar mit gebeugtem Haupt den Shitstorm abwettern, will, aber mit dem Inhalt des Zweiteilers wenig bis nichts zu tun hat.

«• Wir haben im Bericht ein Bild des Opfers Fabienne W. erschaffen, das geeignet ist, die Gewalt zu relativieren, die ihr angetan wurde.
• Mit der protokollhaften Chronologie der Nacht haben wir versucht, «Objektivität» herzustellen. Das war eine fehlgeleitete Idee.
• Ein Fehler war auch die Verwendung des Wortes «angeblich» im Bezug auf die mutmassliche Vergewaltigung zwölf Tage vor der Nacht in der Anwaltswohnung.
• In der Sendung «Easy Riser» auf Radio Rasa sprach unser Autor Marlon Rusch kurz nach Erscheinen des Artikels live über unsere Geschichte. Dabei machte er die Aussage, niemand sei zu hundert Prozent ein Opfer und niemand zu hundert Prozent ein Täter. Diese Aussage war unüberlegt und komplett falsch.»

Mit Verlaub, liebe Redaktion: was für ein Bullshit. Das Wort «angeblich» ist bei einer behaupteten Vergewaltigung, bei der die Staatsanwaltschaft bereits die Untersuchung einstellte, wogegen sich das mutmassliche Opfer wehrt, genau richtig und angebracht, ein Weglassen wäre vorverurteilend falsch.

Hingegen ist die Aussage völlig richtig, dass niemand zu 100 Prozent Opfer oder Täter ist. Seit Truman Capotes «Kaltblütig» versucht der Journalismus, selbst hinter brutalsten Taten die Motive der Täter, ihre Geisteshaltung, ihr Menschsein darzustellen – ohne damit ihre Taten in irgend einer Form zu relativieren oder gar zu entschuldigen. Es ist zu befürchten, dass Capote heute mit seinem Meisterwerk einen Shitstorm über sich ergehen lassen müsste, unter dem er vollständig begraben würde.

«Wir bitten alle, die unser Text verletzt oder sogar retraumatisiert hat, um Entschuldigung.»

Aber wenn nicht mehr nach der Wahrhaftigkeit geforscht werden darf, wenn mit Rücksicht auf sich durch geliehenes Leiden angeblich «verletzt» oder gar «retraumatisiert» fühlende Leser so eine Recherche nicht mehr publiziert werden darf, dann sollten doch alle Beteiligten eine Spielgruppe mit Ringelreihen, Anfassen und Bäumeumarmen aufmachen, angeleitet von Empfindlichkeitsspezialisten und Schneeflockentherapeuten, deren Lieblingswort ist: «ich fühle mich dabei unwohl».

ZACKBUM wartet auf den Hashtag #ichbinFabienneW.