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Können Sie das lesen?

Bravo. Aber auch verstehen?

Wenn es um die poststrukturalistische Deutung luhmannscher Systeme im Licht der Diskurstheorie von Habermas geht, schnallen die meisten Leser sicher ab. Das ist nicht schlimm.

Allerdings gibt es nach der neusten Pisa-Studie in der Schweiz inzwischen 45 Prozent Jugendliche mit, gelinde ausgedrückt, Leseschwäche. Oder auf gut Bildungsdeutsch: sie sind funktionale Analphabeten. Das bedeutet, sie können zwar einen Buchstaben von dem anderen unterscheiden, müssen auch nicht drei Kreuze bei der Unterschrift machen – aber bereits diesen Satz würden sie wohl nicht oder nur mit Mühe verstehen.

Das ist eine Katastrophe. Allerdings nur eine von einer ganzen Reihe von Katastrophen. Das bedeutet nämlich, dass das Schweizer Schulsystem versagt. Katastrophe zwei: kein Land unter zivilisierten Staaten gibt pro Kopf mehr für Bildung aus als die Schweiz.

Katastrophe drei: kaum wo wurde in den letzten Jahren so viel an den Lehrplänen und -zielen herumgeschraubt wie in der Schweiz. Pädagogische und didaktische Trockenschwimmer erfanden immer absurdere Formen von angeblichen Lernmethoden. Ganzheitlich, integrativ, Blabla. Dabei haben wir die ausführliche Beschäftigung mit völlig überflüssigen Dingen wie dem Genderwahnsinn noch gar nicht erwähnt. Die einzig gute Nachricht: das versteht fast die Hälfte aller Leser sowieso nicht.

Ein einstmals ziemlich gut funktionierendes Ausbildungssystem, dessen Dualität immer noch herausragende Möglichkeiten für Quer-, Um-, Ein- und Aufsteiger bietet, wurde buchstäblich zu Tode reformiert. Im Lande Pestalozzis, eine wirklich traurige Katastrophe.

Aber das ist noch nicht alles. Oder um es allgemein verständlich auszudrücken: tschäksches? Statt dieses fundamentale Versagen der Pädagogik und Didaktik einzuräumen, wird geschwurbelt. An den dramatischen Zahlen lässt sich nichts schönreden. Aber man kann sie in einen Schaumteppich von Verniedlichungen hüllen.

Dabei leisten die Massenmedien mal wieder einen belämmerten Beitrag. Denn wir hätten da Andrea Erzinger, nationale Pisa-Projektleiterin und «Direktorin des Interfaculty Centre for Educational Research» der Universität Bern. Wenn man sich deren Forschungs- und Doktoratsprojekte anschaut, bekommt man schon einen guten Einblick in die Ursachen der Schweizer Bildungsmisere.

Nun tritt Erzinger als Expertin gleich flächendeckend auf. «Der Bund», NZZ, «20 Minuten», watson.ch, sie ist omnipräsent. Auch das wäre noch nicht so schlimm. Wenn Erzinger die dramatischen Ergebnisse nicht dramatisch schönschwätzen würde.

Fakt ist: 25 Prozent aller Schüler können vor Ende der obligatorischen Schulzeit nur ungenügend lesen. Schönsprech Erzinger: «Das heisst nicht, dass diese Kinder Analphabeten sind. Doch sie sind aufgrund ihrer mangelnden Lesekompetenz ungenügend auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet.» Auch bei Tamedia schwafelt sie alles schön. Dramatischer Anstieg der Schüler mit Leseschwäche? «Da würden, denke ich, eben wieder die Elemente durchlässigeres Schulsystem und möglichst frühe Förderung greifen

Das durchlässige Schulsystem und der integrative Ansatz, die Abschaffung von Sonderschulen, weil die angeblich diskriminierend seien, genau das sind zwei grosse Sargnägel im Schweizer Schulsystem.

Dabei ist der Elefant im Raum noch gar nicht angesprochen. Wie soll Lesekompetenz in Klassen vermittelt werden, in denen der Ausländeranteil über 50 Prozent liegt, gelegentlich sogar bei 80? Viele Schüler nicht nur aus bildungsfernen Familien stammen, gar kein Interesse haben, überhaupt Deutsch zu lernen, sondern auch die vermittelten Inhalte als nicht kompatibel mit ihren fundamentalistischen Auffassungen ablehnen.

Viele Salonlinke wissen schon, warum sie ihre Kinder inzwischen lieber auf eine private und nicht in eine öffentliche Schule schicken. Denn selbst einige von ihnen ist das Gedöns von «überfachlichen Kompetenzen», «Kooperationsfähigkeit», «Geschlechterrollen», «Umgang mit Vielfalt» oder gar «selbstorganisiertes Lernen» zu blöd geworden. Nur die Lehrer können sich dem nicht entziehen und verzweifeln daran, diesen Quatsch umsetzen zu müssen.

Wenn die Schweiz in  zwei von drei getesteten Disziplinen schon wieder deutlich schlechter abschneidet als zuvor, dann ist das eine helle Katastrophe. Wenn die Reaktion darauf ein «weiter so» ist, dann wird’s zum Desaster. Begleitet von Schalmeienklängen in den Medien. Unfassbar.

Schwafel gegen Newsjournalismus

Die NZZaS brauchte anderthalb Seiten. Danach war alles unklar.

Wir erinnern uns: Die angeblich beste Krimiautorin der Schweiz verwirrte mit blutrotem Geschreibe den Leser am Sonntag. Daraus entstand ein holpriger Kriminaltango mit fast 15’000 Buchstaben.

Wie es konzis, verständlich und klar geht, beweist das vielgeschmähte Gratis-Blatt «20 Minuten». 1685 Anschläge, vom Titel bis zum Schluss ein Paradebeispiel für «Short and Sweet»:

«Wurde sie erstickt, vergiftet, oder war es ein Herztod?» Es bitzeli besser als «Der Tod der alten Dame» oder gar der die Unschuldsvermutung verhöhnende Titel auf der Front: «Tod auf Bestellung».

Der Lauftext erklärt dann alles knapp und gut:

«Der Staatsanwalt wirft einer Frau und ihrem damaligen Freund vor, eine wohlhabende Ärztin aus Küsnacht getötet zu haben. Die 48-Jährige soll 2016 ihren Freund gefragt haben, ob er bereit wäre, für 300000 Franken ihre Mutter zu töten. Dies, weil die Tochter mit einem Millionenerbe rechnete. Am gestrigen Prozess verweigerte der 39-jährige Hauptbeschuldigte jegliche Aussage. Er hat dem Obergericht einen Brief geschickt, in dem er schrieb, dass er die Tat nicht begangen habe. Die Tochter wollte sich an nichts mehr erinnern und gab sich unschuldig.

Der Anwalt des Ex-Freundes verlangte für seinen Mandanten einen Freispruch. Er stützte sich dabei auf das Gutachten des renommierten Gerichtsmediziners Klaus Püschel aus Hamburg. Die Todesursache sei ungeklärt, es gebe keine Anhaltspunkte für ein Ersticken, ein plötzlicher Herztod sei die wahrscheinlichste Todesursache. Die Zürcher Rechtsmediziner hätten es versäumt, die Tote sofort zu obduzieren. «Es kann nicht sein, dass durch die Versäumnisse des IRM eine Person zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wird», sagt der Anwalt.

Der Staatsanwalt klagt den 39-Jährigen des Raubmordes an und verlangt eine Freiheitsstrafe von 19,5 Jahren. Seine DNA-Spuren seien am Körper der Toten und an der Klarsichtfolie gefunden worden, mit welcher die 73-Jährige erstickt wurde. Auf seinem Handy waren Fotos des Deliktsguts und er hat mit den Kreditkarten der Toten 30 000 Franken bezogen. Die Tochter habe ihn dazu angestiftet und ihm den Schlüssel des Hauses ausgehändigt. Dem widersprach ihr Anwalt und verlangte die Bestätigung des Freispruchs des Bezirksgerichts Meilen. Der Prozess am Obergericht Zürich wird morgen weitergeführt.»

So macht man das, liebe NZZaS.