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Der perfekte Journalist

ZACKBUM bastelt sich ein Ideal.

Der Homunculus sieht so aus. Man nehme Roger Köppel und kreuze ihn mit Constantin Seibt. Dazu eine Prise Tom Kummer und als Abrundung etwas Urs Gehriger. Vielleicht noch einen Schuss Philipp Loser dazu. Und obendrauf, sonst wäre das Bild sexistisch, brauchen wir noch Raphaela Birrer, Salome Müller und Aleksandra Hiltmann.

Dieses Wunderwerk, diese Verkörperung geballter Kompetenz, Schreibkraft, Redlichkeit, intellektueller Ausstrahlung und des festen Willens, die Realität möglichst nach dem eigenen Wunschdenken zu gestalten – das ist das Zukunftsmodell.

Mit der Hilfe von AI sollte es möglich sein, eine solche Verschmelzung durchzuführen. Widmen wir uns kurz einigen wesentlichen Bestandteilen dieses Homunculus, dieses Golems.

Da hätten wir mal Constantin Seibt. Er ist der fatal Angeschlagene in diesem Bund. Er sieht rabenschwarz: «Bei allen Fehlern waren die USA lange das Licht der Welt. Das wird nun ausgelöscht. Ein Besuch in der tiefen, beängstigenden Dunkelheit.» Denn: «Seien Sie freundlich! Denn der Faschismus ist zurück». Das ist ja furchtbar. Seibt hatte schon mit Zehntausenden von Buchstaben davor gewarnt. Vergeblich. Denn der Faschismus war nie weg. Seibt hat ihn in den USA überall entdeckt. Seit vielen Monaten. Er hat heute nur noch endzeitliche Ratschläge:

«Das wahrscheinlich Klügste, was Sie tun können: Reservieren Sie Zeit für den Menschen an Ihrer Seite, für die Kinder – und wen Sie sonst noch lieben

Der Mann braucht dringend Medikamente, aber er verkörpert perfekt den Doomsday-Journalismus, dem sich so viele hingeben. Allerdings ist er so deprimierend, dumm und falsch, dass wir ihn doch schnell verlassen wollen.

Ganz anders dagegen Roger Köppel. Der ist voll im Saft und nimmt sich selbst zurück: «Draussen ist es dunkel. Ich steige ins Auto. Es klingelt. Rückruf. Am Telefon ist Gerhard Schröder.» So geht das zu in den einsamen Höhen des Ich-Journalismus. Man beachte: Schröder ruft ihn an. Nicht umgekehrt.

Aber Schröder ist fast nur noch eine Randfigur – Köppel hat IHN gesehen. Einem «vierstündigen, beeindruckenden Auftritt» gelauscht. Und seither weiss er: «Wir sind jetzt gegen eine Atommacht Kriegspartei.» Damit meint er nicht unbedingt sich selbst, aber die Schweiz.

Dagegen das: «Zum ersten Mal erlebe ich ihn aus nächster Nähe, während über vier Stunden, hochkonzentriert, differenziert, Vortrag, dann freie Rede, fast in sich gewandt, kein Einpeitscher, der einstudierte Parolen für die Heimatfront abfeuert. Darf man es sagen? Ich bin beeindruckt von diesem Mann.» Der Mann braucht keine Medikamente, aber vielleicht psychologische Betreuung: «Putin, so weit mein Eindruck, ist ein Marathonmann von Substanz und Energie.» Das ist Köppel ja auch, nur: was bringt’s?

Aber eigentlich ist selbst Putin für Köppel nur Staffage, es geht ihm schon mehr um sich: «Sein (Putins, Red.) Vortrag, mit dem er den Abend lanciert, in forschem, vorwärts drängendem Rhythmus geschäftsmässig abgelesen wie der Jahresrückblick eines internationalen Grosskonzerns, erinnert mich an ein Interview, das ich vor vielen Jahren mit Henry Kissinger in dessen Büro in Manhattan führen durfte.»

Das war ja auch ein Kriegsverbrecher, logisch, dass Köppel das einfällt.

Aber zurück zu Köppel, äh Putin. Den erlebt er hier ganz als Mensch: «Ist Putin ein Autokrat, ja, ein Diktator gar, wie bei uns ebenso unhinterfragt behauptet wird? An diesem Abend wirkt er nicht wie einer. Geduldig, höflich beantwortet er die Fragen.» Na dann, der Beweis: Putin ist kein Autokrat. Er verhält sich nur wie einer, läuft wie einer, herrscht über eine korrupte Oligarchie wie einer, trifft einsame Fehlentscheidungen wie einer, konnte von niemandem davon abgehalten werden, die grösste militärische Fehleinschätzung des 21. Jahrhunderts abzuliefern, was bei Autokraten halt üblich ist. Aber er ist keiner, meint Köppel,

Ergänzen wir den Homunculus noch mit dem Trump-Groupie Urs Gehriger. Der schwärmte schon mal von Melania Trumps wippendem Rock im Palast der absoluten Geschmacklosigkeit Mar-a-Lago. Nicht zuletzt deshalb darf er wieder dabeisein und aus der Kammerdienerperspektive die Mächtigen ehrfürchtig beobachten: «Donald Trump sitzt auf der Veranda seines Schlosses. Er hat eine schneeweisse Maga-Mütze auf, die ihm eine feierliche Aura verleiht. Neben ihm Elon Musk, ganz in Schwarz.»

Aber auch Gehriger geht es eigentlich in erster Linie um sich selbst: «Ich setze mich im Foyer auf einen Rokokostuhl mit Blick auf Palasteingang und Terrasse. … Eric, Donald Trumps Zweitgeborener, geht an mir vorbei, den Blick vergraben in sein Smartphone.» Wow, da wird Geschichte geschrieben, und Gehriger ist dabei.

Er gibt uns tiefe Einblicke, wie sie sonst niemand hat: «Ein Bote tritt an Trump heran. Der Präsident steht auf, breitet den Arm um den Emissär und gibt ihm mit seinem weiten Jackett Deckung wie Batman mit seinem Cape. Es ist einer jener intensiven Momente, die Trump-Vertraute die «New Yorker Minute» nennen.»

Aber auch er selbst wird beachtet: «Robert F. Kennedy Jr. tritt heraus. «Hey there», sagt er zu mir. Wir haben uns an der Wahlgala am Vorabend getroffen. Er reicht die Hand. «How are things?»» Wow, Kennedy spricht mit ihm.

Aber zurück zum Geschichtemachen und Zeuge sein: «Trump spricht am Telefon. Musk schaut ihm zu. Telefoniert er mit Selenskyj? Man hört es nicht.» Wow, Trump telefoniert, Musk hört zu. Der Mantel der Geschichte weht.

Aber auch Gehriger selbst macht Geschichte: ««Urs!», ruft eine vertraute Stimme. Es ist Edward McMullen, Trumps ehemaliger Botschafter in der Schweiz. Er möchte eine Grussbotschaft an die Schweiz richten.» Wow, und wer darf der Botschafter des Botschafters sein? Genau, Gehriger himself.

Er gönnt uns auch eine Blick in die Zukunft: «Trump wird seine Truppe nach dem Kriterium Loyalität zusammenstellen. Dann wird er loslegen, «mit Lichtgeschwindigkeit», wie eine ehemalige Trump-Beraterin erklärt.»

Wow, er hat mit einer ehemaligen Trump-Beraterin geredet. Einfach Wahnsinn, dieses Groupie.

Braucht’s bei diesen drei noch Kummer, Loser und die Frauen? Eigentlich nicht. Schon so angefüllt, wankt der Homunculus bedeutungsschwer vor dem Leser auf und ab – und bricht unter der eigenen Wichtigkeit zusammen, zerbröselt. Experiment der künstlichen Herstellung des idealen Journalisten gescheitert.

Was macht eigentlich …

… die «Schweiz am Wochenende»?

Denn sie verkörpert die Zukunft des Printjournalismus. Nach der Zusammenlegung der Redaktionen (begleitet von den üblichen Sparmassnahmen, vulgo Rausschmeissen), kommt als nächster Schritt die Aufgabe der Printversion am Sonntag. Und/oder die Aufgabe einer Extra-Sonntagsausgabe. Teuer, Distribution ein Alptraum, die Wochenqualität ist sowieso schon durch Tagesqualität ersetzt.

Da geht der Wannerclan mutig voran. Nicht nur beim Rausschmeissen. Schon seit geraumer Zeit gibt es die ehemalige Sonntagszeitung als «Schweiz am Wochenende». Und das fängt bekanntlich am Samstag an und lässt sich daher kostengünstig schon am Freitag herstellen. Als nächstes wird die Montags-Printausgabe dran glauben, denn die muss kostenträchtig am Sonntag hergestellt und gedruckt werden.

Aber konkret, wie sieht denn die Ausgabe vom vergangenen Samstag so aus? Aus dem Cover lässt sich, im Gegensatz zur SoZ, noch wenig schliessen. «300 Jahre Immanuel Kant», das legt das Bildungsniveau schön hoch. «Die Schauspielerin ist in aller Munde», das legt das Sprachniveau schön tief. Dann die Fake News des noch jungen Jahres: «Eine Mehrheit will zukünftig auf das eigene Auto verzichten». In Umfragen vielleicht, im der Realität niemals. Und dass 2024 weltweit anscheinend zwei Milliarden Stimmbürger an die Urnen gerufen werden, hübsch. Aber ist das nicht immer mal wieder so?

Immerhin, mit einem solchen Zusammenschrieb lassen sich fast zwei Seiten füllen, allerdings nur, wenn man ein Riesenfoto von Donald Trump zu Hilfe nimmt. Dann kommt Ausgewogen-Belangloses, bis sich Francesco Benini an Frank A. Meyer abarbeitet. Als wolle er auf ZACKBUMs Spuren wandeln, haut er Ringiers ewigem Machthaber ohne Verantwortlichkeit kräftig eine rein: «Er schmeichelt sich ein bei den Mächtigen», schlimmer noch: «Seine Methoden sind heute in Verruf geraten», so gratuliert ihm Benini zum 80.

Genüsslich reibt er Meyer seine Nähe zu den Mächtigen, seine Rolle als Einflüsterer im Bundesrat, seinen Riesenflop beim damaligen Schweizer Botschafter in Berlin rein. Seinen Aufstieg im Verlag erklärt er so, dass Meyer zwar von Bruder Christoph Ringier in den Verlag geholt worden sei, sich dann aber auf die Seite von Michael geschlagen habe und sein Votum bei Mutter Ringier den Ausschlag gegeben habe: Christoph verliess bekanntlich das Unternehmen, Michael wurde zum Alleinherrscher.

Das «Dîner républicain» in Locarno, Frank-Walter Steinmeier als Preisträger, der sich mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz revanchierte, das Engagement von Gerhard Schröder als Berater, dass sich Meyer zum 80. von seiner eigenen Frau interviewen lässt, die in Auftrag gegebene Biographie von Lohnschreiber René Lüchinger (auf diesem Gebiet immer im Nahkampf mit Karl Lüönd), die zur Schlusspointe taugt, Benini lässt eigentlich nichts aus, um Meyer runterzumachen.

Nun polarisiert der Mann ungemein. Aber eine Würdigung zum 80. müsste auch beinhalten, wie er es eigentlich geschafft hat, sich so viele Jahre, manchmal in der Geschäftsleitung, manchmal ausserhalb, als zweitmächtigster Mann ohne Verantwortungsbereich in einem Milliarden-Medienkonzern zu halten. Und nicht alles, was er geschrieben hat, ist schlecht oder flach. Er arbeitet sich im Weinberg der Sprache ab, sucht nach dem passenden Wort, der treffenden Formulierung. Hat in seinen besten Zeiten eine didaktische Schreibe entwickelt, mit der er die Leser auf seinen Gedankengängen mitnimmt.

Bei all seinen Flops und Eitelkeiten war er immer ein Journalist mit Herzblut, der für Qualitätsjournalismus (so wie er ihn versteht) eintritt. So etwas gibt es weder bei CH Media noch bei Tamedia. Vielleicht sollte man da zu gewissen Gelegenheiten die Häme herunterfahren und versuchen, ein literarisch anspruchsvolles Porträt zu schreiben. Aber versuchen kann man nur, was man kann.

Dann die Mutprobe; Aufmacher und Schwerpunkt im Bund «Wochenende» ist Immanuel Kant. Angekündigt als der «Maestro des Denkens». Grosses Thema, würde intellektuelle Grosstaten verlangen. Aber Raffael Schuppisser lässt’s bei Kleingeld bewenden. Er interviewt einfach einen Zeitgeist-Philosophen und stellt ihm Primarschülerfragen: «Wo ist Kant nach wie vor verblüffend aktuell», bitte den kategorischen Imperativ erklären (was der Philosoph dann nicht tut), was würde Kant zu Wokeness sagen, die Definition von Aufklärung, sozusagen die «Kleine Nachtmusik» der Philosophie, die Hamas sei «eine Rotte des Bösen», an der durchgeistigten Durchdringung der Aktualität scheitert dann der Philosoph.

Mit der Feier von Jubiläen hat es CH Media ganz allgemein nicht so. Der Beitrag zu «50 Jahre Kassensturz» kommt über eine reine Aufzählung vergangener Taten und Köpfe nicht hinaus.

Das «Lexikon für den gepflegten Smalltalk» ist hingegen ein nettes Zeitgeiststück, das den Leser unterhält.

Fazit? In vielem unaufgeregter als Tamedia. Allerdings scheitert CH Media an Würdigungen, und wenn man sich Kant vornimmt, dann sollte der Redaktor schon eine vertieftere Ahnung von diesem Philosophen haben, damit er im Interview den selbsternannten Nachfolger etwas besser in die Zange nehmen kann, wenn der sich in Flachheiten verliert.

Schmierenstück aus dem Hause NZZ

Die Suche nach bekömmlichen Newsquellen wird immer schwieriger.

Eigentlich stellt der Ringier-Verlag keine ernsthafte Konkurrenz für die alte Tante von der Falkenstrasse dar. Zu unterschiedlich ist das Zielpublikum, zu anders die Ansprache und der Anspruch.

Umso befremdlicher, wenn auch in der NZZ die Schmiere Einzug hält. Besser gesagt kaum verhohlene Häme. Nach der NZZ-üblichen Bedenkzeit rechnet Redaktor Lucien Scherrer mit dem Ringier-Verlag ab. Als Mittel der Wahl dient ihm dafür – Überraschung – der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder. Immerhin 6500 Buchstaben ist es der NZZ wert, das «Liebes-Aus» zu verhöhnen, als wolle sich der Autor bei der «Glückspost» bewerben.

Schröder, Putin-Versteher und sogar Freund, geschäftlich mit Russland verbunden, und dann Berater von Ringier, diese Steilvorlage will sich Scherrer nicht entgehen lassen. «Jahrelange Kumpanei, viele «Exklusiv»-Interviews», so nimmt der Autor Anlauf, um schnell zu ersten Höhepunkten zu gelangen:

«Vorsorgliche Abrechnung mit einem Appeaser, den man jahrelang hofiert, vermarktet und benutzt hat».

Appeaser, echt jetzt? Denn Scherrer hat das kleine Problem, dass sich Ringier ja gerade von seinem Berater Schröder getrennt hat – und ihn schon vorher massiv kritisierte. Das allerdings nur, bleibt Scherrer unerbittlich, weil man den «im allgemeinen Distanzierungseifer schnellstens fallen lässt, um dem moralischen Nullpunkt selber nicht noch näher zu kommen».

Rückgriff in die Vergangenheit

Blicke in die Vergangenheit sind immer gut, um das Munitionslager in der Gegenwart aufzufüllen. Dafür greift Scherrer auf diverse «Exklusiv»-Interviews zurück; besonders angetan hat ihm eins, das «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer 2017 führte, «drei Jahre nach der Krim-Annexion». Frage: «Halten Sie Russland für gefährlich? Könnte es weitere Annexionen geben?» – «Schröders Antwort: «Die Sicherheit dieser Staaten ist durch die Nato garantiert», die Krim hingegen werde kein russischer Präsident je zurückgeben, denn Russland habe sie gar nie abtreten wollen.»

Steilvorlage für einen Schlusspunch: «Die Ukraine lässt Schröder mit seiner Antwort elegant aus dem Spiel, denn sie war und ist nicht «durch die Nato garantiert». Was das heisst, hat sein Freund am 24. Februar gezeigt – und damit nicht nur seine Fans, sondern auch einige Journalisten blamiert.»

Wie sehr blamiert sich allerdings Scherrer selbst, wenn er aus einem Interview, das 12’500 Buchstaben umfasst, alle damaligen Themen abfragt, Merkel, Flüchtlingskrise, neugewählter Präsident Macron, die Schweiz, die Türkei, der Brexit, Präsident Trump, sich auf ganze drei Fragen fokussiert, die zu Russland und der Krim gestellt wurden?

Wie lautete der kurze Abschnitt im Original?

«Halten Sie Russland für gefährlich? Könnte es weitere Annexionen geben?
Die Sicherheit dieser Staaten ist durch die Nato garantiert. Bei der Krim aber prophezeie ich Ihnen: Es wird keinen russischen Präsidenten geben, der die Krim wieder zurückgibt. Dieser Realität muss man ins Auge schauen, ob man es akzeptieren mag oder nicht.

Warum ist das so?
Wenn Chruschtschow 1954 nicht geglaubt hätte, der Sowjetkommunismus werde so alt wie die katholische Kirche, dann hätte er die Krim niemals an die Ukraine übergeben. Es bestand ja kein Grund dafür. Die Russen haben in Sewastopol einen Militärhafen. Wenn die Ukraine Teil der Nato gewesen wäre, und das war der Plan, dann hätte dieser Hafen mitten im Nato-Gebiet gelegen. Eine groteske Vorstellung. Es gibt auch unterlassene Sensibilitäten des Westens gegenüber Russland. Von der Politik der Amerikaner ganz zu schweigen.

Ist es derzeit schwierig, mit Russlands Präsident Putin befreundet zu sein?
Ich bin ein freier Mensch. Und gerade in schwierigen Zeiten ist es doch wichtig, miteinander zu reden.»

Wenn nicht polemischer Wille alle Qualitätsansprüche überfährt: ist das wirklich einer NZZ würdig, hier von einem «Liebes-Aus» zu schwafeln? Zwar zähneknirschend einzuräumen, dass Ringier das Mandatsverhältnis per sofort beendete, Schröder auch zuvor kräftig kritisierte, dann aber süffisant aus uralten Interviews Bruchstücke zu zitieren – ist das nachdenklich-ausgewogener Journalismus?

Wiederholungstäter Scherrer

Auch die NZZ muss beachten: einen guten Ruf erwirbt man sich über Jahre und mit viel Arbeit. Verspielen kann man ihn schnell und fahrlässig. In letzter Zeit wurde viel darüber geschnödet – zu Recht –, dass es um die Qualitätskontrolle bei Tamedia nicht gerade zum besten bestellt sei. Allerdings beweisen Mitarbeiter wie Rafaela Roth oder Lucien Scherrer, dass auch im Hause NZZ dieses Problem existiert. Denn gäbe es eine funktionierende Kontrolle, hätten diverse Artikel nicht erscheinen dürfen. Darunter auch dieses niveaulose Bashing eines Konkurrenten am untauglichen Beispiel.

Während Roth mehr mit Dubletten-Interviews und Backfisch-Jubel auffällt, hat Scherrer schon mal kräftig ins Klo gegriffen, als er belegfrei behauptete: «Gemäss Informationen der NZZ gibt es Pläne, die Printausgabe von «20 Minuten» im nächsten Jahr einzustellen.» Das nächste Jahr wäre 2021 gewesen. Und ein energisches Dementi des Verlags wird zwar kurz erwähnt, aber was soll’s, etwas hängen bleibt doch immer, sagte sich Scherrer damals. Schmiere halt.

 

 

 

 

 

 

 

Wumms: Gerhard Schröder

Für den deutschen Ex-Kanzler kommt’s knüppeldick.

Zurzeit ist es keine gute Idee, in irgendeiner Form Beziehungen zu Russland zu haben. Gerhard Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler mit Wladimir Putin in einer Art Männerfreundschaft verbunden. Seither läuft ihm sein Satz nach, dass es sich bei Präsident Putin um einen «lupenreinen Demokraten» handle.

Ex-Kanzler als Wachsfigur, von der alles abperlt.

Für diese unverbrüchliche Unterstützung wurde Schröder belohnt. Diverse Verwaltungsratsposten in russischen Staatsfirmen, darunter Nord Stream 1 und Nord Stream 2. Die zweite Firma mit Sitz in Zug scheint pleite zu sein.

In Deutschland wird Schröder zunehmend geprügelt; seine Partei empfindet ihn als Belastung. Seit 2006 ist Schröder zudem für das Verlagshaus Ringier als Berater tätig. Noch vor Kurzem sah Ringier keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Aber nun hat’s bum gemacht; knapper kann eine Medienmitteilung nicht ausfallen:

Sistieren ist ein interessantes Verb. Es bedeutet unterbrechen, einstellen oder auch aufheben. Also ist die Tätigkeit Schröders bis auf Weiteres eingestellt. Oder aufgehoben. Oder beendet. Oder unterbrochen. Oder was auch immer. Es gibt auf jeden Fall nur sehr wenige Augenzeugen, die Schröder jemals in dem ihm zur Verfügung stehenden Büro an der Dufourstrasse in Zürich gesehen haben wollen.

Nun laufen ihm anscheinend auch noch seine Mitarbeiter in Deutschland davon. Auch das noch. Und die Frage, ob seine Haarfarbe echt ist oder nicht, die darf weiterhin nicht gestellt werden.

Der Deutsche im Krieg

Zurückschiessen kann er zurzeit nicht wirklich. Ausser mit Worten.

Aus dieser trüben Quelle bezieht Tamedia einen grossen Teil seiner Berichterstattung, vor allem aus dem Ausland:

Der Leiter der Wirtschaftsredaktion der «Süddeutschen Zeitung» will keine Gefangenen machen:

Raus mit den Russen, sonst rollen deren Panzer bis zum Sieg; äh, also über die nächste Grenze.

SWIFT ist ein internationales Zahlungssystem, über das mehr als 11’000 Banken weltweit Geldtransfers abwickeln. Die «Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication» ist eine privatrechtlich organisierte Genossenschaft mit Sitz in Belgien.

Sollte Russland von diesem reinen Hilfsmittel zur Standardisierung ausgeschlossen werden, wären humanitärer, persönlicher und geschäftlicher Zahlungsverkehr nach Russland erschwert. So könnte Russland sich darauf berufen, geschuldete Zahlungen an westliche Firmen leider zurzeit nicht ausführen zu können.

Reiche Oligarchen, Mitglieder des Regimes hingegen hätten keinerlei Probleme, weiterhin auf anderen Wegen ihren Finanzhaushalt zu regulieren. Also eine schlecht durchdachte Forderung, die die Falschen träfe und keinen einzigen russischen Panzer stilllegen würde.

Glücklicherweise gibt es bislang – und ausserhalb von Tamedia – in der Schweiz nicht diesen markigen Kasernenhofton, den sowohl liberale wie konsverative deutsche Zeitungen inzwischen wieder anschlagen:

Auch die FAZ prügelt auf den deutschen Ex-Kanzler ein, der Deutschland immerhin aus dem Irak-Desaster heraushielt.

 

Papagei Tamedia

Leser als Masochisten? Sie zahlen, um gequält zu werden.

Beim Thema Ukraine gibt es deutsche Blickwinkel und Schweizer. Die unterscheiden sich überraschenderweise deutlich.

Es gibt auch innerhalb Deutschlands verschiedene Meinungen zur Frage, wie massiv oder gar militärisch sich Deutschland dort engagieren soll. Nicht nur aus historischen Gründen, sondern auch wegen wirtschaftlichen Verflechtungen, Stichwort Gaspipeline Nordstream 2.

Womit wir beim ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder wären. Der wechselte vom Kanzleramt recht nahtlos in den Aufsichtsrat der russischen Nord Stream AG. Und nun wurde bekannt, dass er dieses Mandat um eine gleiche Position bei Gazprom erweitern wird.

Das ist der grösste russische Konzern, zudem nicht gerade staatsfern. Zu all dem hat die «Süddeutsche Zeitung» eine klare Meinung. Mit dem Zitat «Unangenehm und geschmacklos» überschreiben die beiden Berlin-Korrespondenten der SZ ihren Artikel vom 4. Februar.

Am 6. Februar dürfen die Abonnenten der Tamedia-Blätter lesen: «Gerhard Schröder hat leider Halt und Anstand verloren». Das ist der haargenau gleiche Artikel der gleichen Autoren, lediglich das Zitat bei der SZ wurde durch das Zitat des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ersetzt.

Worin bestand sonst noch die Arbeit der Tamedia-Auslandredaktion? Anderes Schröder-Bild genommen, Lead leicht angepasst, im Lauftext zwei, drei allzu innerdeutsche Keifereien gestrichen. Natürlich nicht das Kurzitat von Schröder, dass er Forderungen nach deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine als «Säbelrasseln» kritisierte.

Was man alles kann, wenn man deutsche Leser in Deutschland füttert

Man kann den Bundeskanzler der ruhigen Hand, der sich immerhin einer deutschen Teilnahme am Irak-Desaster der USA verweigerte, nun als geldgierigen und skrupellosen Altpolitiker anrempeln. Man kann auch der Leserschaft ausführlich referieren, was politische Opponenten der SPD und Gegner des Ex-Kanzlers alles so erzählen.

Man kann auch folgenden historischen Exkurs machen:

«Schaut man genauer hin, dann ist die Lage für Scholz und seine SPD heute sogar schlimmer als 2005. Damals war Schröders Wechsel vom Kanzler zum Lobbyisten vor allem ein innersozialdemokratisches, vielleicht auch ein innerdeutsches Problem. Diesmal schaut die ganze Welt zu, wie die neue deutsche Regierung sich gibt.»

Man stellt fest, dass der Deutsche es bis heute liebt, sich im Gefühl zu sonnen, dass die «ganze Welt» zuschaue, wenn im Berliner Provinztheater auf der Bühne etwas geholzt wird.

Aber es stellt sich anhand dieses Beispiels mal wieder verschärft die Frage, wozu eigentlich ein Abonnent des «Tages-Anzeigers» (oder eines der vielen Kopfblätter) Geld dafür ausgeben soll, um mit innerdeutschen Meinungen über innerdeutsche Konflikte behelligt zu werden. Der Schnarch-Verlag Ringier hält sich aus dieser Debatte wohlweisslich heraus, weil dort Schröder immer noch als «Berater» auf der Payroll steht.

CH Media hingegen leistet sich zwar nur zwei Auslandredaktoren, dafür aber noch ein paar Korrespondenten. Daher berichtet Christoph Reichmuth aus Berlin und eher aus Schweizer Perspektive. Währenddessen kümmert sich der Berliner Korrespondent von Tamedia, Dominique Eigenmann, gezwungenermassen um den Polizistenmord, der nun aber, bei aller Tragik, ebenfalls ein sehr deutsches Thema ist.

Wenn die Sauce in die Sauce schwappt

Die Sauce der Süddeutschen schwappt ja in der Einheitssauce von Tamedia inzwischen auch in andere Bereiche wie Gesellschaft oder Kultur. Lediglich Nationales oder Schweizerisches wird noch aus eigenen Kräften bestrahlt. Allerdings nicht immer mit glücklicher Hand, wie die Entschuldigungsorgie wegen eines verunglückten Politikerporträts beweist.

Rund zwei Stutz pro Tag kostet die Zudröhnung mit allem, was Tamedia zu bieten hat. Ist nicht alle Welt, läppert sich aber doch.

Daraus entsteht dann ein putziges Problem, wie der Deutsche sagen würde. Weil Tamedia seine Leser zunehmend quält  und nicht allzu viele bekennende Masochisten sind – nimmt die Zahl der Zahlungswilligen kontinuierlich ab. Dadurch nimmt die Qualität des Gebotenen kontinuierlich ab.

Wobei dann eins zum anderen führt. Es gäbe nun zwei Auswege, eigentlich drei.

  1. Das Produkt mangels kostendeckender Nachfrage einstellen
  2. Das Produkt attraktiver machen, um die Nachfrage zu steigern
  3. Staatshilfe erbetteln

Variante eins wäre der Weg der Textil- und Schwerindustrie in der Schweiz. Konnte man sich in der Ostschweiz, in Winterthur und Zürich nicht vorstellen. Inzwischen erinnert sich kaum noch einer dran, dass in Maschinenhallen mal etwas anderes existierte als schicke Kultur- und Gastronomieangebote.

Variante zwei wäre das, was die wenigen Überlebenden der damaligen Zeitenwende taten. Das bedeutete aber, den Finger aus gewissen Körperöffnungen zu nehmen, Guzzi zu geben und innovativ zu werden.

Variante drei wurde damals auch versucht, allerdings glücklicherweise erfolglos.