Die Liste des Grauens
Dagegen wäre der arme Georg Büchner Sturm gelaufen.
Zu seinem Glück im Unglück ist der grosse Dichter aber seit 1837 tot, also muss er nicht mehr miterleben, wie ein Preis in seinem Namen an Unwürdige verliehen wird. An Autoren mit einer Halbwertszeit von vielleicht einem halben Jahr Feuilleton. Die im Wesentlichen die richtige Gesinnung mitbringen; literarische Fähigkeiten oder gar Ähnlichkeiten mit Büchner wären nicht einmal zufällig.
Es ist ein Graus, der grausige aktuelle Preisträger heisst Oswald Egger. Der ist bislang nicht weiter aufgefallen, der wird auch bald wieder in der Versenkung verschwinden, wie seine Vorgänger in den letzten Jahren. Nur eine Ausnahme gibt es da, und die ist ebenfalls grauenerregend.
Dieser bedeutendste Literaturpreis Deutschlands wird von einer Jury vergeben. Deren Namen müssen an einen Schandpfahl genagelt werden.
Zunächst gibt es «je einem Vertreter, einer Vertreterin des/der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Magistrats der Stadt Darmstadt mit beratender Stimme». Das mag ja noch angehen. Nun aber die entscheidende Jury:
Ingo Schulze, Rita Franceschini, Olga Martynova, Lothar Müller, Maja Haderlap, Felicitas Hoppe, Joachim Kalka, Daniela Strigl, Michael Walter.
Fragt da jemand: und wer ist denn das, so muss er sich nicht schämen. Schulze ist Präsident der Deutschen Akademie für Sprache, Autor eines schmalbrüstigen Werks, das zu recht vergessen ist. Franceschini ist eine Schweizer Sprachwissenschaftlerin, Martynova eine russische Lyrikerin und Übersetzerin, Müller ein Literaturkritiker, Haderlap «gilt als bedeutende lyrische Stimme unter den slowenisch schreibenden Österreicherinnen» (Wikipedia), Hoppe ist Schriftstellerin und selber Büchnerpreisträgerin, Kalka Schriftsteller (letztes Werk «Schatten und Schnee»), Strigl ist österreichische Germanistin mit Forschungsschwerpunkt österreichische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Walter schliesslich ein deutscher Übersetzer.
Ach und um das Panoptikum zu ergänzen, einen Namen haben wir bislang verschwiegen, es gibt noch ein weiteres Mitglied dieses erlauchten Kreises: Lukas Bärfuss.
Alle diese Nasen haben mit Büchner ungefähr so viel zu tun wie Nemo. Nämlich schlichtweg nichts. Ausser, dass sie vielleicht sein schmales Werk gelesen haben. Verstanden – das ist schon sehr fraglich, denn ihre Auswahl der Preisträger spricht dagegen.
Büchner war Revolutionär, ein Genie des Wortes, seine Theaterstücke überdauern die Zeiten wie die von Shakespeare, alleine sein Novelle «Lenz» ist ein Werk, zu dem all diese Nullnummern von tief unten hinaufblicken müssten.
Wie würdelos, geschmacklos ist es, einen Preis mit diesem Namen an zeitgeistige Modeschreiber zu verleihen, die den Tiefgang eines Paddelboots mit holpriger Sprachbeherrschung und einem sehr dünn gepackten Bildungsrucksack verbinden.
Wie inzüchtig ist es, ehemalige Preisträger in die Jury zu berufen; hat man schon mal davon gehört, dass Nobelpreisträger im Nobelpreiskomitee sitzen? Mit jeder solchen Verleihung wird der Name Büchners in den Schmutz gezogen.
Glücklicherweise überstrahlt sein Werk dennoch all das. Aber es zeugt doch von einer Unverfrorenheit sondergleichen derjenigen, die diesen Preis vergeben, wie auch derjenigen, die ihn annehmen.
Ihre Schande würde sie überdauern, erinnerte sich in ein, zwei Jahren überhaupt noch jemand an ihre Namen.