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SoZ: Zusammengekehrtes

Sonntag ist inzwischen Restentag mit Lachbeilagen.

Man hätte gedacht, dass sich Arthur Rutishauser nun energisch dem Titel widmen kann, von wo er seinen Aufstieg zum Oberchefredaktor begann. Denn dort ist er nun wieder angelangt. Aber:

Wir machen mal wieder den «was gibt’s fürs Geld»-Test. Rein physisch: 64 Seiten Papier, plus Beilage «encore!» für Fr. 6.40.  Das sind genau 10 Rappen pro Seite. Wie viele Seiten sind das auch wert?

Auf der Frontseite gibt es immerhin einen Beitrag, der bass erstaunt: «Mann leidet nach Covid-Impfung an Multipler Sklerose». Das im Hoforgan der zweitunterwürfigsten Hofberichterstattung über die kompetente Pandemie-Politik der Regierung, im Blatt, wo Corona-Leugner übel beschimpft wurden, Impfgegner als potenzielle Massenmörder verunglimpft, die man trotz fehlender gesetzlicher Grundlage zwangsimpfen sollte. Nebenwirkungen? Pipifax, dummes Zeug, Geschwurbel von Verschwörungstheoretikern, Aluhutträgern, Verpeilten, die am liebsten rechten Rattenfängern auf den Leim krochen. Und nun das.

Dafür gibt’s mal 10 Rappen, zweifellos.

Für den Rest? Gefährdete Stellen durch Bankenfusion? Gähn. Human Resources mag niemand wirklich? Schnarch. Wobei: «Migrationsforscher warnt vor Benachteiligung von Schweizern». Hoppla, solch potenzielles Schüren von Rassismus wäre vor ein paar Wochen auch nicht gerne gesehen worden. Nochmals 10 Rappen obendrauf.

Inklusive Paid Post geht’s munter weiter; FDP-Bankenfilz, zunehmende Jugendgewalt, nett. Ein erster Absacker dann auf Seite neun: «Reichsbürger sind auch in der Schweiz aktiv». Das ist wieder Abteilung aufgewärmte Socken, erschwerend kommt hinzu, dass der angebliche «Experte für Verschwörungstheorien» Marko Kovic auftritt. Er beobachte «die Szene der Staatsverweigerer «mit grosser Sorge»», lässt er sich zitieren.  Das Problem: trotz aller Schwurbel-Künste des Autors Cyrill Pinto lässt sich keinerlei «Szene» in der Schweiz herbeischreiben, bloss ein paar Verwirrte vermochte er aufzutreiben.

Gegen Schluss und trotz tatkräftiger Hilfe von Kovic, der ja keine Hemmungen kennt, sich lächerlich zu machen, muss Pinto dann einen Polizeisprecher zitieren: «Ob die Gruppe (der «Staatsverweigerer», Red.) grösser wurde, ist schwierig einzuschätzen.» Blöd aber auch, noch blöder: «Doch fedpol relativiert auch: Bisher habe man keine Kenntnis davon, dass aufgrund der Reichsbürgerideologie Gewaltstraftaten von Staatsverweigerern verübt wurden

Dabei begann der Artikel so schön drohend mit den länger zurückliegenden Verhaftungen in Deutschland. Starker Einstieg: «Die Spezialkommandos der Polizei schlugen in zwei Wellen zu.» Hoffentlich hatten sie genügend Rollatoren dabei … Aber nach diesem starken Einstieg dann der sackschwache Ausstieg, bei dem Rutishauser früher gesagt hätte: und wo ist hier die Story? Gespült.

Das gibt mindestens 20 Rappen Abzug.

Der «Fokus» bleibt ein Schatten seiner selbst. Die Polizeiverbandspräsidentin darf auf zwei Seiten um zwei Riesenfotos herum sagen: «Frauen werden nirgends geschont». Schon wieder 20 Rappen Abzug.

Dann eine Doppelseite über die Erinnerungen eines Überlebenden des KZ Bergen-Belsen, das vor 78 Jahren befreit worden war. 40 Rappen.

Dann die Doppelseite «Standpunkte». Sagen wir so: für «die andere Sicht» von Peter Schneider gibt es 10 Rappen, der Rest … Allerdings muss man wieder 10 Rappen für Jacqueline Badrans «Korrigendum» abziehen.  Wieso ihr Arthur noch nicht erklärt hat, was «Credit Default Swaps» sind, dass es die heute noch gibt und es sich um ein – richtig verwendet – durchaus sinnvolles Finanzinstrument handelt, peinlich.

Sport lassen wir mangels Fachkompetenz aus und geben wohlwollend volle Punktzahl; 80 Rappen.

Wirtschaft: Beatrice Bösiger will wissen, was nicht einmal die UBS weiss, von der CS ganz zu schweigen: «Was im Giftschrank der CS steckt». Da hat sie nämlich trotz Panzertüren die Nase reingesteckt und weiss: «Im schlimmsten Fall stehen bis zu 146 Milliarden Franken auf dem Spiel». Darunter zählt sie mal 9,3 Milliarden Level 3 Assets. Das mag noch angehen, denn hier gilt – mangels Markt – die Bewertung «feuchter Finger in der Luft». Das ist nun aber keine Zahl, mit der sich ein Aufmacherartikel begründen lässt. Also nimmt sie schlichtweg die 146 Milliarden, mit denen das Investmentbanking in der Bilanz der CS steht.

Nun ist es denkbar, dass das auf 0 zusammenschnurrt. Nur liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht viel höher als die, dass ein Meteoreinschlag alles Leben auf der Erde vernichtet. 20 Rappen Abzug, mindestens.

Allerdings sieht man hier Arthur Rustishauser wieder in Schreiblaune. Vorne das Editorial, in der Wirtschaft «30’000 Stellen in Gefahr» und «Wie die Finma der Credit Suisse den Todesstoss gab». Plus noch ein Interview mit Christoph Blocher. Der Mann produziert alleine mehr Ausstoss als alle 55 Nasen der «Republik» zusammen.

«Leben & Kultur»? Schön für Ewa Hess, mal wieder nach Hongkong reisen zu dürfen. Schön, dass Sandra Wagner über ihre Grösse (1.88 Meter) nachdenken darf. Schön, dass man auch im Jura genüsslich speisen darf. Schön, dass Jacqueline Krause-Blouin erklären darf, wieso für sie «Kind und Karriere» nicht funktioniert habe und sie deshalb die Chefredaktion der «Annabelle» abgab. Geben wir fürs TV-Programm Extrapunkte.

Ein Lachschlager ist wie meist die Auto-Strecke. Diesmal der «Ferrari Purosangue». Im Nahvergleich mit dem «Bentley Bentayga», dem «Rolls-Royce Cullinan» und dem «EQS SUV von Mercedes». Also genau die Auswahl, die sich der SoZ-Leser überlegt, wenn er sich einen SUV kaufen will. Blöd nur: der Ferrari zum Beispiel kostet zwar nur schlappe 409’000 Franken, aber: «für die nächsten zwei Jahre ist schon jetzt kein Purosangue mehr zu bekommen». Da muss man halt ruhig Blut bewahren.

Für diesen Lachschlager gibt es unverdiente 10 Rappen. Ebenfalls für die Fortsetzung der Serie «sauteure Luxushotels in sozialistischen Staaten». Diesmal Vietnam, Luxushotels der Anantara-Gruppe, die, Zufälle gibt’s, die «Reise unterstützte». Deren «26 Villen rangieren im oberen Preissegment», vermeldet der Autor verschämt. Auf Deutsch: Die «Anantara Beachfront Poolvilla» gibt’s bereits zum Sonderpreis mit Frühstück für bloss 964 Franken pro Zimmer und Nacht. Statt normal 1417 Franken, ein Schnäppchen.

Auch hier geben wir Lachzulage. Vielleicht will die SoZ ihren Lesern Lebenshilfe geben: wieso nicht in einer Beachfront Poolvilla in Vietnam darauf warten, bis der «Ferrari Purosangue» wieder erhältlich ist?

Kassensturz: Wenn man Inserate, Paid Posts und weiteren Schnickschnack abzieht, gelingt es der SoZ nicht vollständig und immer, für 10 Rappen pro Seite entsprechenden Gegenwert zu bieten. Aber: man merkt doch im Blatt, dass Rutishauser entschieden mehr Zeit als früher aufwenden kann. Das gibt Hoffnung.

Geld wert? NZZ

Eine Kurzserie zu unseren Tageszeitungen.

Wir steigen mal ganz oben ein. Zumindest preislich. Für Fr. 5.10 bekommt man 32 Seiten NZZ. Das sind ziemlich genau 16 Rappen pro Seite, ob mit Text (meistens) oder mit Inserat (selten).

Was bietet das Blatt als Kaufanreiz, also oberhalb des Bundes?

NZZ-Konservative schüttelt es schon mal beim nachkolorierten Foto. Kommt halt davon, wenn man von «kein Foto» über «Schwarzweiss, aber klein» zu «volle Dröhnung» fort- oder zurückgeschritten ist.

Aber ist sicher ein Hingucker. Bloss ist die Frage: Hat das die NZZ nötig? Was gibt’s sonst an diesem Montag? In China gehen ein paar Hundert Menschen auf die Strasse. Das ist sicherlich vermeldenswert, aber bei 1,42 Milliarden Einwohnern …

Die titelwürdige Mitteilung hingegen «Winter beeinflusst den Kriegsverlauf», das ist nun eine News, die den Leser überrascht. Verblüfft. Wer hätte das gedacht. Gilt das auch für den Sommer? Wie steht es mit Vollmond? Regen? Starke Winde? Wir erwarten, dass die NZZ dieses Thema weiter vertieft.

Und sonst? Was früher auch undenkbar gewesen wäre, das Zürich-Ressort schafft’s auf die Front, es gab im Kanton ein paar Abstimmungen.

Wir blättern 16 Rappen weiter und bekommen auf der nächsten Doppelseite ein Riesenfoto, einiges an Text und nette Kriegs-Sandkastenkarten gezeigt.

Richtig gewichtet? Bei diesem Panzer sicher nicht.

Auf Seite 4 dann endlich ein guter Grund, die NZZ zu kaufen. «Machtkampf in Pakistan», von Andreas Babst. Zwar in Delhi stationiert, aber das ist ja nur 614 km von der pakistanischen Hauptstadt entfernt. Seit 2020 Südostasien-Korrespondent des Blattes, das früher einmal in so ziemlich jedem Land der Welt wenigstens einen freien Mitarbeiter hatte. Aber gut, besser als nix, also besser als alle anderen Schweizer Tageszeitungen.

Dann «Der erbarmungslose Diktator», diesmal sitzt er in Teheran. Der Autor Michael Schillinger war bis 2020 Chef vom Dienst bei den Nachrichten, zuvor «Aufbau und Leitung des Onlinemagazins daslamm.ch.» Aus dem aktuellen Schaffen dieses Qualitätsorgans:

Dafür kann Schillinger nichts mehr? Nun ja, aber er hat’s aufgebaut und geleitet. Also Vergangenheit und Gegenwart erklären nicht so ganz, wieso er auf einer NZZ-Seite einen Ayatollah kompetent fertigmachen sollte.

Dann eine parteipolitisch völlig unabhängige und neutrale Seite: «Der glücklose Direktor Rösti». Aber scheint’s soll es nicht mehr obligatorisch sein, als NZZ-Redaktor Mitglied bei der FDP zu sein.

Dann Überblättern wir mal rund 4 Franken und kommen zur hübschen Medien-Story, dass der ältesten Zeitung der Welt das Aus drohe. Es geht um die «Wiener Zeitung», 1703 das erste Mal erschienen. Das wunderbare Foto aus dem Kaffee Hawelka tröstet über manches hinweg, auch darüber, dass die Medien-Seite der NZZ schon mal aktueller berichtete.

Schliesslich nimmt sich der Medien-Professor Urs Saxer dem auch nicht gerade taufrischen Thema an, dass die Floskel «es gilt die Unschuldsvermutung» nicht nur im Fall Vincenz zur lachhaften Leerformel verkam. Was noch danach kommt, läuft unter: kann man machen, muss man nicht machen.

Kleines Resümee. Fr. 5.10 verlangt die alte Tante im Einzelverkauf für 32 Seiten. Eine einzelne Stichprobe hat immer etwas Ungerechtes, zugegeben. Und die Sonntagsmannschaft ist traditionell bei Zeitungen nicht das A-Team. Aber: das hat sich nun nicht gelohnt. Zu teuer, zu wenig Gehalt, kaum Alleinstellung, nicht rasend kompetent, teilweise nicht mal Pflichtlektüre. Schade, wir wünschen gute Besserung.

Morgen: «Blick».