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Wer schützt vor Schutzbach?

Eine «Geschlechterforscherin» auf Abwegen.

Ich habe bislang die Fokussierung auf Gender- oder Frauenfragen, Untersuchungen zu «Antifeminismus» oder einer «maskulistischen Szene» für etwas merkwürdig, aber harmlos gehalten.

Schliesslich gibt es auch Menschen, die sich der Erforschung der Sitten der Andamanen, dem Balzverhalten der kleinen Wüstenspringmaus oder der deutschen Lautverschiebung widmen.

Wenn das der Zerstreuung oder der geistigen Erbauung dient, wohlan. Vielleicht ergeben sich sogar Erkenntnisse daraus, die wir alle in unserem Alltag verwenden können.

Schutzbach als Antidemokratin

Franziska Schutzbach fiel das erste Mal öffentlich unangenehm auf, als sie behauptete, dass man sogenannte rechtsnationale Kräfte in Europa, insbesondere die SVP in der Schweiz, nicht auf «formal-demokratischem Weg zurückdrängen» könne. Die Antidemokratin Schutzbach empfahl zivilen Ungehorsam, der sich zum Beispiel so äussern sollte, dass andere Parlamentarier den Nationalrat verlassen, wenn ein gewählter Volksvertreter «der extremen Rechten den Mund aufmacht».

Als das nicht wirklich gut ankam, versuchte sie, ihre Äusserungen als Ironie wieder einzufangen. Es wundert auch nicht, dass sich Schutzbach lebhaft im Twitter-Kanal von Jolanda Spiess-Hegglin äussert. Was sich dort abspielt, ist eine gruppenpsychologisch interessante gegenseitige Rückkoppelung bis zur argumentativen Bewusstlosigkeit.

Wiedereinführung von Inquisition und Gedankenpolizei

Mit merkwürdig, putzig oder harmlos hört es aber doch schnell auf, wenn man ihr Plädoyer für die Wiedereinführung von Inquisition, Gedankenpolizei und präventiver Zensur in der neusten Ausgabe der «WoZ» (Artikel hinter Bezahlschranke) liest.

Hier versteigt sich Schutzbach zur Kenntlichkeit eines voraufklärerischen Verständnisses von einer freien Debatte. Sie behauptet: «Ein Buch über Jolanda-Spiess-Hegglin darf nicht wie geplant erscheinen. Richtig so: Jene, die laut rufen, das sei ein «Angriff auf die Pressefreiheit», verteidigen in Wahrheit misogyne Grundstrukturen.»

Schlimmer noch: «Verteidigt wird der Anspruch, über die Intimsphäre von Frauen zu verfügen.» Eine Frau, die «traditionell männliche Güter» beanspruche, werde «dafür nach wie vor in die Schranken verwiesen». Und schliesslich komme «eine Grundstrategie frauenfeindlicher Agitation zum Einsatz: die Opfer-Täter-Umkehrung. Die Frau wird zur Gefahr stilisiert, hier zur Gefahr für die Pressefreiheit.»

Keine gefährliche Frau, aber gefährlicher Schwachsinn

Aus all diesen Gründen sei Spiess-Hegglin eine «gefährliche Frau», so der Titel dieser Ansammlung von geschütteltem Schwachsinn. Nein, von gefährlichem Schwachsinn. Zunächst, für Leser, die des Griechischen nicht mächtig sind: Misogynie heisst Frauenhass.

Seitdem sich eine Misogynie-Forschung entwickelt hat, unterscheidet man hier eine ganze Pyramide von angeblichen Erscheinungsformen. Von harmloseren wie «fehlende Unterstützung von Frauen» über «Verächtlichmachung von Frauen» bis hin zum «Femizid», also der Tötung von Frauen nur wegen ihres Geschlechts.

Frauenhass haben nicht nur Männer; er ist als «Mittäterschaft» und durch soziologische Prägung auch bei Frauen vorhanden. Und jetzt kommt der Clou: strukturelle Misogynie äussere sich in allem, was Männer tun oder beherrschen. Also eine einseitige, von männlichen Philosophen, Wissenschaftlern und Theoretikern beherrschte Gesellschaft.

Das Geschlecht definiert Täter und Opfer

Sorry, Jungs, das Geschlecht definiert Herrscher und Opfer. Eigentlich wussten wir es ja schon lange: Männer sind Schweine, Väter sind Täter, Misandrie existiert nicht. Wie in jedem voraufklärerischen Theoriegebäude, wo absurde Letztbegründungen für die Richtigkeit von Glaubenssätzen herangezogen werden, sei das das geoffenbarte Wort Gottes, sei das die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht, oder sei das schlicht und einfach das Geschlecht.

Gleichzeitig ermächtigt diese absurde Zuweisung von Wahrheit und Rechthaben, dass der Priester als Meister der Auslegung der Bibel, der Angehörige einer herrschenden Kaste als einzig Vernunftbegabter über das dumme Pleps herrschen oder eben eine Frau durch ihr Frausein angeblichen strukturellen Frauenhass definieren und denunzieren kann.

Zensur unter diesem Banner?

So weit, so absurd. Richtig gefährlich wird es aber, wenn unter diesem Banner das aufrechterhaltene Verbot, über ein frei gewähltes Thema zu recherchieren und zu publizieren, als völlig richtig verteidigt wird.

Man kann nun über das Buchprojekt von Michèle Binswanger durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Man kann sich seiner angeblich potenziell persönlichkeitsverletzenden Macht ganz einfach entziehen: Indem man es nicht liest.

Zu den grösseren Schätzen meiner Bibliothek gehört eine der letzten Ausgaben des «Index librorum prohibitorum». Also das Verzeichnis der verbotenen Bücher, deren Lektüre jedem Katholiken bei Strafe der Exkommunikation oder gar Schlimmerem untersagt war. Dieser Schutz des Seelenheils existierte von 1559 bis 1962.

Rückfall in voraufklärerische Zeiten

Gott sei Dank bewirkte die Aufklärung, dass solche Buch- und Denkverbote weitgehend aufgehoben wurden. Unter welchem Banner auch immer. Rückfälle in voraufklärerische Zeiten mit verbotenen Büchern waren immer die Begleiterscheinung nicht nur einer Diktatur, sondern auch eines Zusammenbruchs des Rechtsstaats und der Zivilisation.

Wer also kräht, all die, die in diesem absurden präventiven und putativen Verbot eines Zuger Richters den massivsten Angriff auf die Schweizer Pressefreiheit seit dem Zweiten Weltkrieg sehen, seien Verteidiger einer Gesellschaftsstruktur, die auf Frauenhass aufgebaut sei, ist ungefähr so bei Trost wie die Inquisitoren, denen es ja auch nur um die Rettung des Seelenheils ging, sei es auch unter Hinnahme unsäglicher Qualen vor der Verbrennung.

Gegen Schutzbach muss das freie Wort verteidigt werden

Schutzbach unterscheidet sich leider von Andamanen-Forschern und anderen leicht verschrobenen Wissenschaftlern dadurch, dass sie zutiefst antidemokratisch ist, am liebsten voraufklärerische Herrschaftsstrukturen wieder einführen möchte und sich dazu aufschwingt, nur legitimiert durch ihr Geschlecht bestimmen zu können, was frauenfeindlich, gar frauenhasserisch sei und was nicht. Was geschrieben oder gedacht werden darf – und was nicht.

 

Dagegen, auch wenn dieser Versuch lächerlich erscheint, müssen die Errungenschaften der Aufklärer verteidigt werden. Von Männern und Frauen. Und auch für Schutzbachs Recht, ihren Unsinn publizieren zu dürfen.