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Der träge Konsument

Erfrieren oder pleitegehen oder beides im kommenden Winter.

Die Hiobsbotschaften verhallen weitgehend ungehört. So vermeldet das Schweizer Farbfernsehen: «Die an der Börse gehandelten Strompreise gehen momentan durch die Decke. In der Schweiz sind davon über 23’000 Unternehmen betroffen. Eines davon ist das Hotel Storchen in Zürich. «Der Strompreis wird bald elfmal höher sein als das, was wir im Moment noch zahlen», sagt der Hoteldirektor Jörg Arnold.»

Das würde bedeuten, dass der Hoteldirektor den Mehrpreis auf seine Gäste abwälzen müsste. Und zwar in der Höhe von «50 bis 70 Franken». Pro Logiernacht, wohlgemerkt. Nun kann der Normalleser anführen, dass er den Strom nicht auf dem freien Markt kaufe, sondern von seinem lokalen Anbieter beziehe. Zudem logiere er eher selten im Luxushotel «Storchen» wo gerade die «Riverside Junior Suite» schlappe 1198 Franken kostet. Mit Frühstück, aber noch ohne Stromzuschlag, 1241 Fränkli.

Nun mag es sein, dass bei diesen Preisen der «Storchen»-Gast nicht unbedingt aufs Frühstück verzichten muss, wenn er einen Stromzuschlag von bis zu 70 Franken abdrücken sollte. Aber auch der Normalverbraucher kann sich auf happige Preiserhöhungen gefasst machen. Die Rede ist von einer Verdreifachung. Ungefähr.

Wer also 100 Franken pro Monat für Strom bezahlt, kann nächstes Jahr insgesamt 3600 Franken blechen. Das schenkt bei einem Schweizer Durchschnittseinkommen von 6800 Franken ziemlich ein. Aber das ist noch nicht alles. Im Winter ist die Schweiz traditionell Importeur von Elektrizität. Nun kommt noch erschwerend hinzu, dass in Frankreich diverse Atommeiler ausser Betrieb sind, langsam überaltert dort der Maschinenpark. Das kann also bedeuten, im schlimmsten Fall, dass auch dem Privatkunden der Saft abgestellt wird.

Zunächst würden aber mal Saunen, Hallenbäder, Skilifte oder Schneekanonen stillgelegt. Plus natürlich in den Stauseen usw. möglichst grosse Reserven angelegt, die in Strom verwandelt werden können. Aber dennoch droht die Gefahr, dass diesen Winter der Strom nicht immer aus der Steckdose kommt. Ein weiteres Schreckensszenario besteht darin, dass das Einschalten von Hunderttausenden von Elektro-Öfeli das Stromnetz zusammenbrechen liesse.

Denn das hat mit dem zweiten Schreckensszenario zu tun. Könnte es sein, dass der Eidgenosse nicht nur im Dunkeln sitzt, sondern sich dabei auch noch den Allerwertesten abfriert? Denn Haushalte verbrauchen 42 Prozent des Gasvolumens, und 60 Prozent aller 1,5 Millionen Wohngebäude werden mit fossilen Brennstoffen beheizt. 50 Prozent immer noch mit Erdöl, 25 Prozent mit Gas. Über den Daumen gepeilt kann man hier mit mindestens einer Verdoppelung der Heizkosten rechnen, eher wohl auch eine Verdreifachung; bei Gas, das nicht eingelagert wird, sondern kontinuierlich bezogen, können die Preissteigerungen noch massiver sein.

Normalerweise zahlt ein Mieter 200 bis 400 Franken Heizkosten pro Monat Akonto, je nach Grösse der Wohnung und Ausbaustandard des Gebäudes. Wenn man einen Jahresdurchschnitt von 3000 Franken nimmt, könnte sich das bis auf 10’000 Franken steigern – oder mehr. Zudem gilt als Hausnummer, dass eine Erwärmung auf 20 Grad in Wohnräumen ausreicht; in weniger benützten Bereichen wie Gang etc. dürfen es auch 17 Grad sein.

Das sind nun alles nicht nur unerfreuliche, sondern geradezu schockierende News. Portionenweise und immer wieder von den Medien verabreicht.

Und? Nichts und. Der Mensch ist ein träges Gewohnheitstier. Und seine Fähigkeit, in die Zukunft zu denken, endet normalerweise am Monatswechsel. Ferienplanung und Organisation der Weihnachtsfeierlichkeiten ausgenommen. Solange es draussen noch angenehm warm ist, die Sauna beheizt, die Schaufenster beleuchtet, sieht man doch keinen Anlass zur Panik. Aber das wird dann schon noch kommen.