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Liste der Ehre und Schande

Der Friedensnobelpreis wurde Würdigen und Unwürdigen verliehen.

Sicherlich, Henri Dunant, der erste Preisträger im Jahr 1901, hat ihn verdient. An den Mitpreisträger Frédéric Passy hingegen erinnert sich kaum einer mehr. An die folgenden auch nicht, bis Bertha von Suttner. Viele, viele Unbekannte, dann 1935 Carl von Ossietzky, was ihn aber auch nicht davor schützte, von den Nazis ermordet zu werden.

1952 Albert Schweitzer, 1961 postum Dag Hammarskjöld, 1964 Martin Luther King. 1971 Willy Brandt, 1984 Desmond Tutu, dann Gorbatschow, Mandela. Eine Liste der Würdigen.

1973 begann die Liste der Unwürdigen, als Erster erscheint auf ihr der mutmassliche Kriegsverbrecher Henry Kissinger. Sein nordvietnamesischer Verhandlungspartner hatte den Anstand, den Friedensnobelpreis abzulehnen. 1992 bekam ihn Rigoberta Menchú, die ihre ganze Biographie erfunden hat. Ob ihn die Vereinten Nationen (2001) oder Jimmy Carter (2002) verdient haben? Schon präventiv wurde er 2009 Barack Obama verliehen, der etwa so unwürdig ist wie Kissinger, da er wöchentlich eine Kill List abzeichnete, damit die Ermordung von mutmasslichen Terroristen autorisierte. Inklusive Hunderte von «Kollateralschäden», wenn zum Beispiel eine Hochzeitsgesellschaft mit einer Versammlung von Fundamentalisten verwechselt wurde.

Was die Europäische Union dafür getan haben soll, 2012 den Friedensnobelpreis verliehen zu bekommen? Aber eigentlich alle an Unwürdigkeit überstrahlt der äthiopische Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed vom Jahr 2019. Er wurde für seine Friedensbemühungen mit Eritrea geehrt. Aber 2020 fing er einen grausamen Krieg mit der abtrünnigen Provinz Tigray an. Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit starben und sterben hier Hunderttausende, Millionen leiden bis heute Hunger.

Gleichzeitig ist Ahmed offensichtlich grössenwahnsinnig geworden und plant einen neuen Regierungspalast. Auf 503 Hektaren. Das sei «grösser als Windsor, das Weisse Haus, der Kreml und Chinas Verbotene Stadt zusammen», entrüstet sich eine afrikanische Zeitschrift. Laut Abiy soll der Wahnsinn bis zu 10 Milliarden Dollar oder mehr kosten, fast so viel wie das gesamte Staatsbudget.

Der Letzte, der einen solchen Wahnsinnsplan hatte, war der rumänische Diktator Ceausescu. Sein monströser «Parlamentspalast» wurde tatsächlich mehr oder weniger fertig, bevor der Potentat 1989 hingerichtet wurde.

Aber immerhin bekam Ceausescu nicht noch vorher den Nobelpreis. Das lag aber wohl daran, dass er ein kommunistischer Diktator war. Denn 2022 wurde ein belarussischer Menschenrechtsaktivist, die russische Organisation Memorial und das «Center for Civil Liberties» in der Ukraine ausgezeichnet. Das hätte eigentlich alle Hände voll zu tun, denn um die bürgerlichen Freiheiten ist es in der Ukraine nicht viel besser bestellt als in Russland.

Mit jeder Verleihung an einen Unwürdigen, jeder Verleihung aus kurzatmigen politischen Gründen, jeder vorschnellen Verleihung entwertet sich eine der wertvollsten Auszeichnungen der Welt.

Friedensnobelpreisträger, wenn das einen Nelson Mandela, einen Willy Brandt, einen Martin Luther King ziert, dann ist das ehrfurchtgebietend und wohlverdient. Aber leider wird die Liste von Fehlgriffen und fragwürdigen Ausgezeichneten immer länger. Das ist eine Schande. Und dabei sind Persönlichkeiten, die ihn verdient hätten und nicht bekamen, wie Mahatma Gandhi, noch gar nicht erwähnt.

Courage

Der Name ist Courage. Zivilcourage. Schon mal davon gehört?

Liebe Gemeinde, heute wollen wir den besinnlichen Sonntagstext dem Begriff Zivilcourage widmen. Damit wird dieser Bürgermut vom Mut auf dem Schlachtfeld abgegrenzt. Angeblich soll ihn der deutsche Kanzler Otto von Bismarck als einer der Ersten verwendet haben:

«Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut, aber Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.»

Woran fehlt es denn auch in der Schweiz ganz achtbaren und auch weniger achtbaren Leuten? Einfach das, was der «Beobachter» schon lange mit seinem «Prix Courage» auszeichnet? Also ganz allgemein Menschen, die bereits sind, ihre Komfortzone zu verlassen, umd sich für eine von ihnen so empfundene gerechte Sache einzusetzen.

Der Handelnde ist bereit, dafür Nachteile in Kauf zu nehmen, die Macht zu Reaktionen zu provozieren, setzt sich für andere ein, kämpft gegen Ungerechtigkeit, für allgemeine Werte, die er in Gefahr sieht.

Von Mut zu Zivilcourage

Der Applaus ist hier nicht so sicher wie bei einem mutigen Passanten, der unter Einsatz des eigenen Lebens ein Kind vor einem herbeibrausenden Lastwagen rettet. Denn wenn der mit Zivilcourage ausgestattete Mitmensch sich für «falsche» Ziele einsetzt, bekommt er kaum Lob, nur Nachteile und meistens auch eine gesunde Portion Häme ab.

Interessant ist zunächst auch, dass in Frankreich – man merkt halt den Unterschied zwischen einer Geschichte mit gelungener Revolution oder ohne – die Bürgertugend entweder als «courage civil» daherkommt, womit der «Mut zum eigenen Urteil» gemeint ist, oder als «courage civique», ganz allgemein staatsbürgerlicher Mut.

Aber schon die Verwendung des Begriffs Tugend zeigt, dass das alles etwas aus der modernen Zeit gefallen ist. Auch hier findet eine Entwertung von Begrifflichkeiten statt. Ein Daumen hoch unter einem beliebigen Aufruf auf Facebook wird schon von vielen als Ausdruck besonderer Zivilcourage empfunden.

Auch Schule schwänzen und sich an sogenannten «Fridays for Future» zu versammeln, weil «Sundays for Survival» nicht so knackig daherkommt und Sonntag sowieso Freizeit ist, gilt bei vielen als ganz starker Ausdruck von Zivilcourage.

Fast schon im Sinne von Gandhi oder Martin Luther King wird gehandelt, wenn man sich mit gesenktem Haupt niederkniet, und als privilegiertes weisses Kid grölt: «Black Lives matter». Um dabei mit dem neusten iPhone ein Selfie für Tiktok zu schiessen, wobei darauf geachtet werden muss, dass die neusten Markensneakers auch scharf im Bild zu sehen sind. Wozu hat man sonst 350 Franken dafür ausgegeben.

Völlig pervertiert ist der Begriff Zivilcourage dann, wenn aus geliehenem Leiden vermeintlich mutige Forderungen abgeleitet werden. Am besten ein Bekenntnis. Ein Bekenntnis zur Verwicklung in die Sklaverei. Ein Bekenntnis gegen den Mohrenkopf. Dabei werden auch gerne Begriffe wie «Zeichen setzen» verwendet. Steigerbar zu «deutliches Zeichen», noch besser: «deutliches Zeichen der Solidarität». Kostet nichts, schadet nichts, nützt nichts, aber der Zeichensetzer fühlt sich deutlich gebessert, geläutert, ist erfüllt von edlen Empfindungen.

Zivilcourage ist immer Schwimmen gegen den Mainstream

Zivilcourage im nicht pervertierten Sinn hat immer etwas damit zu tun, dass man sich nicht auf eigenen Vorteil bedacht für etwas einsetzt. Oft auch für etwas, ohne das man selbst bequem und problemlos leben könnte. Mutig wird Zivilcourage dann, wenn man weiss, dass man gegen den Mainstream rudern wird.

Entweder einen Meinungsmainstream, dann setzt es Shitstorms und sonstige Beschimpfungen ab. Oder aber, man fordert die Macht heraus, kämpft also beispielsweise gegen eine grosse Bank, Big Pharma, eine transnationale Bude, die täglich mehr Geld für Heerscharen von Anwälten und PR-Managern ausgibt, als der bürgermutige Mensch im ganzen Jahr verdient.

Auch bei Zivilcourage ist der Schritt vom Erhabenen ins Lächerliche kurz und klein. Ein gutes Kriterium, ob es mutige oder lächerliche Zivilcourage ist, ist die Konkretheit der Forderung oder des Anliegens. Wer die Welt, das Klima retten will, gegen den Krieg ist, auch etwas gegen den Hunger hat, ist meistens lächerlich.

Wer sich für das Allgemeinwohl um sich herum einsetzt, an seinem Arbeitsplatz kämpft, die soziale Ächtung der Nachbarn in Kauf nimmt, genau weiss, dass er mit Schweigen davonkäme, aber trotzdem aufsteht und seine Meinung öffentlich hören lässt: das sind Beispiele von Zivilcourage, die meistens nicht lächerlich ist.

Ach, und bevor Nora Zukker fragt: Bertolt Brecht hatte die Courage, aus Grimmelshausens «Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche» sein Theaterstück «Mutter Courage und ihre Kinder» zu machen. Trotz des kommunistischen Autors und der darin enthaltenen Kritik am Kapitalismus als Ursache vieler Kriege hatten viele Theaterregisseure den Mut, es aufzuführen.

Heute ist es eher vergessen, von den Spielplänen verschwunden, viele Nachgeborene fragen: Was ist denn das, und wer ist Brecht, und was ist Courage?

Mehr Zivilcourage, bessere Gesellschaft

Verallgemeinernd kann man sagen, dass das Vorhandensein von Zivilcourage in einem direkten Zusammenhang mit dem Wohlergehen einer Gesellschaft steht. Ist Zivilcourage nur schwach ausgeprägt, ist es für Unterdrückerregimes einfacher, sich an der Macht zu halten. Beherrscht Untertanengeist die Menschen, die fraglose Akzeptanz von Autoritäten, dann ist es leichter, Willkür und Ungerechtigkeit herrschen zu lassen.

Viele, die Zivilcourage zeigen, erleben das Urteil der Geschichte, falls man überhaupt von ihnen Notiz nimmt, nicht mehr. Sie können zum abschreckenden Beispiel eines fehlgeleiteten Aufrührers werden, denn man völlig zu Recht sanktionierte, stigmatisierte, vielleicht sogar liquidierte. Oder aber, es ist ein unerschrockener Kämpfer gegen Unrecht entstanden, ein neuer Gandhi, ein Mandela, einer der wenigen Lichtgestalten in der Geschichte, die sich vor allem durch eines auszeichneten: persönlichen Mut und Unbeugsamkeit.

Oder wie sagte Georges Danton so richtig auf die Frage, was denn einen Revolutionär auszeichne: Um zu siegen,

«messieurs, il nous faut de l’audace, encore de l’audace, toujours de l’audace».

(2. September 1792) Mut und Courage.

 

 

Hilfe! Alles Rassisten

Gandhi in Genf: Muss das weg?

Teil eins: Aufgeschäumte Erregungsbewirtschaftung gegen alle

Mehr als 5200 Treffer erzielt man in der SMD, wenn man den Begriff «Black Lives Matter» eingibt. Ungefähr gleich viele mit «Rassismus in der Schweiz». Etwas mehr als 3000 Treffer erzielt «Wirtschaftskrise in der Schweiz». Man muss ja Prioritäten setzen. «Genf stellt sich der Gandhi-Frage», rauschte vor Kurzem durch die Medien. Denn der gewaltfreie und erfolgreiche Kämpfer für Indiens Unabhängig wird in Genf mit einem Denkmal geehrt. Aber er sei Rassist gewesen.

De Pury, Agassiz? Sklavenhändler oder Rassisten. Alfred Escher gar? War der Gründer der Credit Suisse und Erbauer des Gotthard-Tunnels etwa auch Rassist? Bislang ist das noch nicht entdeckt worden, aber ein Onkel von ihm soll auf Kuba sein Vermögen mit Sklavenhaltung gemacht haben. Dafür kann nun Escher irgendwie nichts, und dass schon sein Vater – erfolgreich – vor Gericht ging, als ihm das ebenfalls unterstellt wurde, was soll’s.

Es wimmelt von Rassisten

Henry Dunant, bekannt als Humanist, auf dessen Ideen die Gründung des Roten Kreuzes zurückgeht, und die Genfer Konvention? Der Friedensnobelpreisträger «war als Kolonialhändler in Tunesien tätig», weiss das Schweizer Zentralorgan des Antirassismus. Obwohl die «Republik» hier «die Fakten» liefern will, sagt sie leider nicht, was daran anrüchig sein soll. Aber so ist es halt bei «Nachhilfe», wenn der Lehrer dümmlich und ungeprüft nachplappert.

Mangelnde historische Kenntnisse bei allen Antirassisten schützen noch nicht enttarnte Übeltäter.

Einer der ältesten in der europäischen Geschichte bekannten Rassisten war zweifellos Bartolomé de Las Casas. Wohl 1485 im spanischen Sevilla geboren, wurde er Dominikanermönch und brach 1502 nach Hispaniola auf, heute Dominikanische Republik und Haiti.

Dort nahm er an Feldzügen gegen die Ureinwohner teil, 1511 an der Seite von Diego Velázquez als Konquistador in Kuba. Nach der Niederwerfung der Indios wurde de Las Casas zum Landbesitzer, das er mit den ihm zugeteilten Indiosklaven bewirtschaftete, die er auch in eine ihm gehörende Mine jagte.

1515 ungefähr begann ein Umdenkprozess im Dominikanermönch, er begann zu bezweifeln, ob das Halten von Sklaven richtig sei. Er gab in diesem Jahr seine Indios an den spanischen Gouverneur Kubas zurück, wie man es mit geliehenen Sachen halt so tut, und verliess die Insel.

Anschliessend bereiste er die Karibik und Südamerika, schliesslich wurde er 1453 zum Bischof von Chiapas in Mexiko ernannt. 1546 kehrte er endgültig nach Spanien zurück und starb 1566 in einem Dominikanerkloster bei Madrid.

Kämpfer für die Rechte der Indios

Er gelangte zu unsterblichem Ruhm durch seine Werke. Vor allem die dreibändige «Historia general de las Indias». Denn es dauerte lange, bis man vom Irrglauben Abstand nahm, der mit Kolumbus begonnen hatte, dass man einen westlichen, bislang unbekannten Teil von Indien entdeckt habe. In diesem Werk schildert de Las Casas die Conquista von 1492 und Kolumbus an, die Eroberung Mittelamerikas und Perus.

Vor allem aber überdauert sein «Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder» die Zeiten. 1552 wurde diese flammende Anklageschrift klandestin im Ausland veröffentlicht, denn in Spanien stand sogar die Todesstrafe darauf, ohne höchste Erlaubnis sich zu den Kolonien zu äussern.

Noch 1660 wurde dieser Bericht in Spanien verboten, er schade dem Ansehen. Als er 1966 von Hans Magnus Enzensberger frisch übersetzt auf Deutsch herauskam, behielt er seine Wirkung wie am ersten Tag. De Las Casas beschreibt eindrücklich und ungeschminkt die Greuel, die die Kolonisatoren, die rücksichtslosen Eroberer der Urbevölkerung antaten, immer auf der Suche nach Eldorado, dem sagenhaften Goldland.

De Las Casas listet all die Gemetzel, die gebrochenen Versprechen, die Versklavung, das schnelle Sterben der Indios in Minen oder wegen den unmenschlichen Arbeitsbedingungen unter den Grossgrundbesitzern, ohne Beschönigung auf. Es ist die Geschichte eines Völkermords. Begangen auch im Namen der christlichen Kirche, was allen Kämpfern gegen Rassismus in der Schweiz wohl entgangen ist.

Dafür durchstöbern sie die Geschichte mit heutigen Massstäben, um überall Rassisten und Sklavenhändler zu enttarnen.

Fortsetzung folgt.