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Brandstifter

Georg Häsler ist wirklich gefährlich.

Animiert von seinem Interview mit einem «Panzermann», einer Art Wiedergänger von Rommel, legt Häsler die Lunte an den möglichen nächsten und höchstwahrscheinlich letzten Weltkrieg, inklusive atomarem Schlagabtausch.

So wie die europäischen Herrscher und Regierungen wie Schlafwandler in den Ersten Weltkrieg stolperten, entwickelt Häsler beängstigende Zukunftsszenarien.

Sein Drehbuch für den nächsten Schritt ins militärische Desaster:

«Polen, Grossbritannien und andere Partner dehnen ihre Luftverteidigung auf den Westen der Ukraine aus. Die ukrainische Armee kann sich bei der Abwehr russischer Lenkwaffen und Drohnen auf die Hauptstadt Kiew und die frontnahen Gebiete konzentrieren. Zudem rücken die Koalitionstruppen unter dem eigenen Luftschirm in die Ukraine ein, um unter anderem im rückwärtigen Raum logistische Aufträge zu übernehmen.»

Dann macht Häsler einen halben Schritt zurück: «Das ist noch nicht die Realität, aber eine Option, die derzeit im Nordosten Europas diskutiert wird.»

Wieder einen Schritt nach vorn, näher an den Abgrund: «Eine ähnliche Vorstellung von einer «Koalition der Willigen» präsentierten vergangeneWoche auch die Aussenminister Polens, Frankreichs, Italiens und Deutschlands bei einem Treffen in Warschau, allerdings weniger konkret.Es sind Zeichen der Resilienz in einer Zeit grösster Verunsicherung.»

Verunsichert ist in erster Linie Häsler, der immer noch am liebsten Panzer in Sandkasten rasseln lassen will und Artilleriegeschosse zählt. Moderne Formen von hybrider, virtueller Kriegsführung, Cyberwar, die Drohnentechnologie, das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag von Kriegsmaterial, das ist ihm alles viel zu modern und abstrakt. Bei ihm muss es richtig krachen.

Realitätsferne gehört zur Grundausstattung solcher Kriegsgurgeln: «Der russische Präsident Wladimir Putin nutzt das Vakuum, um den Krieg zu eskalieren.» Welches Vakuum? Die Entscheidung des Noch-Präsidenten Joe Biden, den Einsatz von amerikanischen Atacms-Lenkwaffen auch auf russisches Gebiet zu autorisieren, ist keine Eskalation? Langsam muss man sich überlegen, ob nicht doch Kanzlerkandidat Olaf Scholz unterstützt werden sollte, der sich tapfer gegen den Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern durch die Ukraine wehrt.

Aber der Iwan, heimtückisch wie er ist, führt natürlich auch propagandistisch Krieg: «Das Narrativ lautet: Wer die Ukraine mit effektiven Waffen unterstützt, riskiert den dritten Weltkrieg. Die Propagandisten formulieren ihre Drohungen zwar im Konjunktiv, radikalisieren aber die Rhetorik. Es ist ihnen nicht entgangen, dass sich in den letzten Wochen in unüberlegte Schlagzeilen westlicher Medien die russische Perspektive eingeschlichen hat.»

Ha, diese nützlichen Idioten in westlichen Medien, machen unüberlegte Schlagzeilen und merken nicht, wie sich da Russisches einschleicht, wie eine Fünfte Kolonne Moskaus, wie man früher gerne sagte. Während Häsler wohlüberlegt zum Kriege ohne Grenzen trommelt.

Dabei schwirrt er aber bedenklich ins Reich der reinen Fantasie ab. Russland wolle Deutschland aus der Nato lösen, was für ein hanebüchener Unsinn. Aber er kann  sich noch steigern: «Nach dem faktischen Kriegseintritt Nordkoreas auf russischer Seite haben sich die Konflikte in Europa und im Fernen Osten miteinander verschmolzen Sagen wir eher so: nach dem faktenfreien Eintritt Nordkoreas … und wenn hier was am Schmürzeln ist, dann Häslers Synapsen.

Und was ist denn nun los mit all den Weicheiern in Europa, für die Militarist Häsler nur Verachtung übrig hat: «uneinig und insbesondere im deutschsprachigen Raum eingeschüchtert – oder im Fall der Schweiz ignorantIgnorant ist nicht schlecht, nur falsch angewendet. Aber Selbstreflexion war noch nie Häslers starke Seite.

Dann träumt Häsler wieder wie weiland der irre General Buck in Kubricks Geniestreich «Dr. Seltsam» davon, wie man den Iwan fertigmachen könnte: «Entscheidend für den Erfolg wäre nicht die Zahl der Soldaten, sondern die Schlüsselfähigkeiten im Bereich Aufklärung, Führung und Vernetzung, um überhaupt gemeinsam kämpfen zu können.» Die Fähigkeit, nukleare Verstrahlung zu überleben, hat er allerdings vergessen.

Zum Schluss wird Häsler dann ziemlich wirr und dunkel: «Wer zögert wie Biden oder sich anpasst wie der deutsche Nochbundeskanzler Scholz, animiert den Kreml zum KriegBiden zögert? Scholz gar passt sich an? Dieser Putinversteher, dieser Defätist. Und der Kreml führt keinen Krieg, sondern muss dazu animiert werden? Gaga.

Würde Häsler endlich verstummen,  dann können wir alle ruhiger schlafen. Auf der anderen Seite: wer hört schon auf die kriegerischen Kampfschreie mit Brustgetrommel, die er aufführt.

 

Häsler gurgelt wieder

Der Militärkopf der NZZ  altert deutlich.

Georg Häsler und Jessica Eberhart (Frauen werden hier diskriminiert, sorry) sind ein Dreamteam. Zumindest von Häsler ist bekannt, dass er gerne auch mal im Kampfanzug zu Pressekonferenzen erscheint. Allzeit bereit, nicht wahr.

Nun warnen und mahnen die zwei mal wieder:

Ein Gespenst sei heilsam für den Nordatlantikpakt? Wahrscheinlich haben die beiden die geistige Verdunkelung eingeleitet, um den Gegner zu verwirren. Allerdings den Leser auch. Ein «heilsames Gespenst», auf diese Idee muss man erst mal kommen.

In der Wortwahl ist Häsler sowieso nicht sehr sorgsam. So preist er sich selbst so auf LinkedIn an (wieso nicht im Tarnanzug, ist das Tarnung?):

Und seinen eigenen Artikel so:

«Ein Lügner oder ein Tattergreis als Oberkommandierender US-Streitkräfte. Das ist per se unangenehm. Doch was, wenn Trump gewinnt? Was hiesse das für die NATO

Nun mustern die beiden Kriegskenner mal die Truppen. Und zwar nach diesen Kriterien:

«Um die Grössenordnung des amerikanischen Engagements zu verdeutlichen, werden drei Kennzahlen der drei Landmächte Frankreich, Deutschland und Polen mit den USA verglichen: erstens die militärische Kraft anhand der Anzahl Divisionen für Kampfeinsätze, zweitens die aktiven Kampfpanzer und drittens die Verteidigungsausgaben

Da weiss aber selbst der militärische Laie, dass das hanebüchener Unsinn ist. Eigentlich sollte man Oberst Häsler dafür degradieren, aber so etwas kommt leider viel zu selten vor. Der Unsinn manifestiert sich darin, dass  man militärische Kraft vielleicht im Ersten Weltkrieg noch so gemessen hat. Heutzutage sind wir etwas weiter.

Wer die militärische Stärke bestimmen will, sollte sich an Drohnen, Satelliten, KI, autonome Systeme und Cyberwar halten. Denn, was Häsler offenbar mit seinem eingeengtem Gesichtsfeld unter dem Helm entgeht: der wichtigste Aspekt eines Krieges ist, mit möglichst geringem eigenem Aufwand möglichst grossen Schaden beim Feind anzurichten.

Plus die Fähigkeit, mehr Kriegszeug herzustellen, als vernichtet wird. Plus Training, Ausbildung und Ausrüstung von Kampftruppen mit Hightech-Gerät.

Da spielen Divisionen für Kampfeinsätze, rasselnde Panzer und selbst die Verteidigungsausgaben eher eine untergeordnete Rolle. Bei den Ausgaben kommt erschwerend hinzu, dass jeder – ausser Häsler und Eberhart – weiss, dass dort nie die realen Zahlen angegeben werden, sondern viele Posten in anderen Budgets versteckt sind.

Ach, und dann vergessen die beiden Gurgeln noch einen kleinen, aber nicht unwichtigen Punkt. All dieses Zahlengerassel ist von sekundärer Bedeutung, wenn es sich um Atommächte handelt. Und bei diesen Fehlkalkulationen über Gespenster sind immerhin gleich vier beteiligt: die USA, Russland, England und Frankreich.

Der mögliche Einsatz solcher Weltvernichtungswaffen macht es völlig obsolet, Divisionen, Panzer oder Ausgaben zu zählen.

Folgt man militärischer Logik, muss man sich zwangsläufig fragen, ob die beiden nicht als Diversanten vom Feind eingesetzt werden, um die eigenen Streitkräfte zu verwirren. Als Wehrkraftzersetzer mittels unsinnigen Behauptungen. Gar als Moskaus Fünfte Kolonne?

Oder sagen wir so: die NZZ wäre gut beraten, die beiden endlich ausser Dienst zu stellen. Damit würde der Schweizer Wehrkraft ein grosser Dienst erwiesen. Und die Russen hätten bei der Lektüre der alten Tante weniger zu lachen. Obwohl Häsler vielleicht hofft, dass sie sich totlachen bei der Lektüre seines Schmarrens.

Wumms: Stefan Schmid

Der Reserve-Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt» kümmert sich um Kleines und Grosses.

Als Chef eines Blatts, das früher einmal zum Reich der NZZ gehörte und heute im Wesentlichen die Einheitssauce von CH Media aus Aarau in der Ostschweiz verteilen darf, ist man nicht ganz ausgelastet.

Also kann sich Schmid um das Kleine kümmern:

Da muss Schmid ganz streng werden: «Littering ist eine Form von Rücksichtslosigkeit gegenüber der Gesellschaft, die unter dem Schutz der Anonymität meist folgenlos bleibt.» Nun ist es Schmids Adlerauge nicht entgangen, dass der Kanton Thurgau die Busse für das Wegschmeissen eines Zigarettenstummels auf 300 Franken angehoben hat. Daran stört Schmid: «eine SVP-Mitte-Grüne-EDU-Mehrheit» habe das beschlossen, und da SVP an Bord ist, kann das ja nicht gut sein.

Zudem, schliesst Schmid messerscharf, Bussen gibt es nur, wenn der Übeltäter in flagranti ertappt wird. Und das sei sowieso fast nie der Fall. Schliesslich solle man sich mal in Frankreich oder Italien umschauen, dann merke man: «Wir jammern auf hohem Niveau». Weiser Ratschlag: «Das Littering-Problem sollte nicht grösser gemacht werden, als es tatsächlich ist

Schon am Samstag widmete sich Schmid aber den grossen Fragen:

Allerdings bräuchte es für grosse Fragen auch einen grossen Rucksack an Kenntnissen, sonst entsteht so etwas wie Buchstaben-Littering. Und da reist Schmid mit leichtem Gepäck:

«Die USA verstanden sich als Schutzmacht der freien Welt und waren bereit, diese Ordnung wenn nötig auch mit Gewalt zu verteidigen.»

Das kann man so sagen. Ob dem Vietnam, Afghanistan, Chile, Panama, der Irak, Syrien, Libyen und andere Staaten zustimmen würden, überhaupt alle Opfer von über 400 illegalen US-Einmischungen in fremde Angelegenheiten seit dem Zweiten Weltkrieg?

Das fällt nun auch Schmid auf: «Die westliche Ordnung hat sich angesichts zahlreicher, tatsächlich sehr fragwürdiger militärischer Abenteuer der USA – etwa gegen Saddam Hussein im Irak – schon zuvor bei Teilen der Weltbevölkerung diskreditiert

Aber was interessieren uns Teile der Weltbevölkerung, also zum Beispiel die über 170 Staaten, die keinerlei Sanktionen gegen Russland unterstützen. Hier geht es um das europäische Haus: «Antiamerikanische Gefühle sind freilich auch im westlichen, der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichteten Lager, verbreitet.»

Gefühle? Ach was: In Ungarn und der Slowakei seien «Regierungen am Ruder, die als Putins fünfte Kolonne agieren, um weiterhin von russischem Gas zu profitieren». Gut, das ist Ausland. Aber wehe, wehe, auch in der Schweiz sollte man wieder den Ruf «Moskau einfach» erschallen lassen.

Denn Schmid sieht Schlimmeres als weggeworfene Zigarettenstummel: «Links- und rechtsaussen werden unter dem Deckmantel einer rigid ausgelegten Neutralität pazifistische Lieder angestimmt, deren Ziel darin besteht, die Schweiz auf Äquidistanz zu den Machtblöcken zu halten. Das ist eine gefährliche, den Interessen eines kleinen, auf die Respektierung des Völkerrechts angewiesenen Landes kaum dienende Grundhaltung.»

Deckmantel, pazifistische Lieder, gefährliche Haltung, der Mann kann Demagogie. Ist aber gerade so schön in Fahrt, dass ein Aspekt nicht fehlen darf. Der intelligente ZACKBUM-Leser ahnt es schon: «Neu ist hingegen die schwammige Haltung der SVP. An deren rechtem Rand kommen im Umfeld von alt Nationalrat Roger Köppel offen prorussische und reaktionäre Anwandlungen an die Oberfläche, die mitunter an der demokratischen Gesinnung zweifeln lassen

Schmid zweifelt an der demokratischen Gesinnung des Umfelds von Köppel, oder gar an dessen eigener? Ziemlich unverschämt von diesem Kläffer aus der geistigen Provinz, aber er steigert sich am Schluss noch zum Diskant:

«Im Nationalrat sind die als Pazifisten und Neutralisten verkleideten Anti-Amerikaner in der Mehrheit. Sie torpedieren die Solidarität mit der Ukraine und verhindern eine längst angezeigte Zusammenarbeit der Schweiz mit der Nato. Beides kann nicht im Interesse eines Kleinstaates sein …»

Aha. Unter dem Deckmäntelchen kommt der Gottseibeiuns, Pardon, der «Anti-Amerikaner» zum Vorschein. Wer nicht mit der Unterstützung des Stellvertreterkriegs auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung einverstanden ist, wer geltende Rüstungsexportgesetze einhalten will, wer als Nicht-NATO-Mitglied nicht mit der NATO militärische Übungen abhalten will, wer gar gegen die rechtsstaatswidrige Enteignung von reichen Russen ist, der ist ein «Anti-Amerikaner»? Der vertritt nicht die Interessen des Kleinstaats Schweiz?

Wie man das richtig macht, weiss nur Kleingeist Schmid? Der vertritt nicht einmal die Interessen des Rechtsstaats Schweiz. Man muss diesem Schreiberling empfehlen, statt Buchstabenlittering zu betreiben, sich um Probleme in der Grösse von weggeworfenen Kippen zu kümmern. Denn im Kleinen liegen vielleicht seine grossen Stärken.

 

Gemeinsam ins Elend, Teil II

Endlich: Tagi und NZZ Seit´ an Seit´.

Der Qualitätskonzern Tamedia dilettiert im Nahen Osten. Da will die NZZ nicht abseits stehen. Der immer wieder mit klugen Kommentaren aufgefallene Chefredaktor und God Almighty Eric Gujer schielt nun aber in seinem aktuellen «anderen Blick» ganz gewaltig:

Mit diesem «Newsletter» wendet sich Gujer speziell an seine «Leserinnen und Leser in Deutschland». Hier in seiner Eigenschaft als Transatlantiker, Militärstratege und unverzichtbarer Ratgeber von Regierungen. Seine verbalen Marschflugkörper schiesst Gujer insbesondere gegen die deutsche Regierung ab.

Zunächst lässt er Insiderkenntnisse über den Taurus auf den Leser niederregnen: «Der Marschflugkörper weist eine hohe Reichweite und Präzision auf und zerstört gehärtete Ziele wie Bunker zuverlässig. Das hebt ihn von französischen und britischen Cruise-Missiles ab.»

Aber solche einzelnen Waffen seien natürlich nicht kriegsentscheidend, weiss der verhinderte Oberkommandierende: «Viel wichtiger ist es, das gesamte Kriegsgeschehen im Blick zu behalten. Die Ukrainer werden nur Erfolg haben, wenn viele Faktoren zusammenwirken. Notwendig sind etwa frische Einheiten, genügend Artilleriemunition oder eine funktionierende Logistik.»

Ist das immer blöd, dass weder die kriegsführende Ukraine noch ihre Unterstützer solch banale Tatsachen zur Kenntnis nehmen, obwohl sie ihnen von Gujer auf dem Silbertablett (wobei Vorsicht, Feind liest mit) serviert werden.

Deutschland könnte und müsste «endlich» die Munitionsproduktion hochfahren und «in der Zwischenzeit» Artilleriemunition auf dem Weltmarkt aufkaufen. Himmels willen, Scholz, Pretorius, wieso tut ihr das nicht?

Stattdessen muss Gujer nun schneidend streng werden:

«So steht der Kanzler einmal mehr als Hasenfuss da und seine Koalition als ein Käfig voller Narren.»

Da macht Gujer gleich ein bislang unbekanntes, neues Kriegsgebiet aus: «Das Regierungsbündnis ist inzwischen sein eigenes Schlachtfeld. Der Kreml lacht sich ins Fäustchen.»

Warum? Na, deshalb Ihr Dummerchen: «Deutschland macht sich zum nützlichen Idioten Putins.» Das hat vor und nach Hitler Deutschland bislang noch niemand vorgeworfen.

Nun nimmt sich Gujer den deutschen Kanzler zur Brust. Der möchte «sich als Friedenskanzler präsentieren». Immerhin: «Auf den ersten Blick ist der Plan nicht dumm.» Schröder, Irakkrieg, doch, doch. Aber das sei natürlich nicht vergleichbar, schulmeistert dann der NZZ-Chefstratege den eben doch dummen deutschen Kanzler Scholz. denn hier weht wieder einmal der Mantel der Geschichte: «Diesmal jedoch kommt es auf Deutschland an. Es steht im Zentrum einer epochalen geopolitischen Auseinandersetzung.»

Also doch: Germans to the front? Auf jeden Fall bräuchte s wohl mal wieder Schröders Politik der ruhigen Hand. Stattdessen: «Scholz wirkt zunehmend als Getriebener, eingeklemmt zwischen dem blauäugigen Pazifismus der SPD-Fraktion und den Kritikern seiner Politik bei Grünen und FDP. Er laviert und macht es niemandem recht.» In erster Linie Gujer nicht, und das sollte Scholz nun wirklich zu denken geben.

Vor allem, weil es Defätisten noch und nöcher gibt in Deutschland: «Moskau registriert die Unentschlossenheit des Kanzleramtes und den wachsenden Chor derjenigen, die den Krieg um jeden Preis beenden oder «einfrieren» wollen und Kiew damit zur Kapitulation drängen.» Wer vorschlägt, das Gemetzel, das Leiden und die Zerstörungen zu beenden, dränge Kiew zur Kapitulation?

Aber dann gibt es ja noch wie im bewährten Feindbild des Kalten Kriegs die Fünfte Kolonne, sogar die Fünften Kolonnen: «Nicht nur die AfD, auch das Bündnis Sahra Wagenknecht besorgt das Geschäft des Kremls.» das ist nun doppelt unverschämt.

Also, Putin lacht sich in Fäustchen, die deutsche Regierung ist ein Narrenkäfig, angeführt von einem Hasenfuss, Deutschland ist sich mit Frankreich uneins, schlimm und schlimmer. Immerhin, eine dem Geschimpfe beigefügte Tabelle macht mehr klar als der ganze Wortschwall voller Cruise Missiles, Blendgranaten und Flammenwerfer. Deutschland hat der Ukraine seit Kriegsbeginn Militärhilfen in der Höhe von 17,7 Milliarden Euro zugesagt. Dann gehen wir ganz nach unten, hinter Estland, Litauen oder Italien kommt dann Frankreich mit seinem kriegerisch schattenboxenden Präsidenten: 0,6 Milliarden Euro Militärhilfe.

Sonst noch Fragen, könnte man eigentlich sagen. Wir hoffen, dass es bei diesem einmaligen Ausrutscher von Gujer bleibt. Denn wenn sich die NZZ allgemein auf das Niveau von Tamedia hinunterliesse, dann würde es aber aschgrau.

Flatliner

Das bedeutet: nicht messbare Hirnaktivität. Schlimm für einen «Kognitionspsychologen».

Professor Christian Stöcker ist «Spiegel»-Kolumnist. Die Studenten der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, wo er leert, sind zu bedauern. Denn von Lehren kann keine Rede sein.

In seiner jüngsten Kolumne beklagt er: «So schafften es Putins Lügen bis in den Bundestag». Denn: «Russland investiert Hunderte Millionen Dollar, um Politik zu beeinflussen – auch in Europa, auch in Deutschland

Mit Kognition bezeichnet man die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Von wo hat der Professor denn seine Informationen aufgenommen? Aus unabhängiger und vertrauenswürdiger Quelle: «Mindestens 300 Millionen US-Dollar hat Russland seit 2014 in anderen Ländern »investiert«, Hunderte weitere Millionen seien geplant, meldete unter anderem die «New York Times»unter Berufung auf US-Geheimdiensterkenntnisse.»

Würde einer seiner Studenten das als Basis für eine Seminararbeit nehmen, der Professor würde ihn hoffentlich aus dem Hörsaal jagen. Eine Sekundärquelle, die sich auf angebliche, anonyme «Geheimdiensterkenntnisse» bezieht. Das ist schon mal ziemlich flatlining. Oder an Lächerlichkeit schwer zu überbieten.

Dann macht Stöcker auf unbeeindruckt: «Mich persönlich hat diese Meldung kein bisschen überrascht, im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass die 300 Millionen nur ein kleiner Teil des Geldes sind, das Wladimir Putins Regime seit vielen Jahren und an vielen Stellen investiert, um westliche Demokratien und andere Länder zu destabilisieren.»

Es gibt interessante kognitive Studien, wieso der Mensch Informationen viel lieber und unkritischer aufnimmt, die seiner vorgefassten Meinung entsprechen – als ihr widersprechende. Auch wenn die ihm genehmen Informationen offenkundig falsch, unbelegt, dünn oder absurd sind. So ist der Mensch halt, so ist auch ein «Kognitionspsychologe».

Nun kann man natürlich mit Sicherheit davon ausgehen, dass Russland Geld einsetzt zur Landschaftspflege, wie das in Deutschland hiess, als der Flick-Konzern das halbe politische Personal auf seiner Payroll hatte. Sich mit Geld positive Nachrichten zu erkaufen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Gerüchte, Verschwörungstheorien und Lügen in die Welt zu setzen, das gegnerische Lager zu verwirren, das gehört zur Staatspolitik, seit es Grossmächte gibt.

Die CIA ist darin der unbestrittene Meister, was – im Gegensatz zu diesen «Geheimdiensterkenntnissen» schon x mal dokumentiert und aufgearbeitet wurde, Hier ist ein schöner Überblick. Es hat doch gewisse Vorteile, dass es im Westen eine einigermassen freie Presse gibt, bei allen Einschränkungen.

Beschränkt ist hingegen, wer sein Augenmerk so voreingenommen und mit Tunnelblick auf die subversiven Tätigkeiten Russlands richtet. Und dabei nicht einmal die Massenvernichtungswaffen-Lüge erwähnt, der wohl grösste Propaganda-Stunt der letzten Jahrzehnte. Eine brandschwarze Lüge, die die USA verbreiteten, um ihren völkerrechtswidrigen Einmarsch in den Irak zu rechtfertigen.

Aber zurück zu Russland. Und der kognitiven Dissonanz bei Stöcker: «Die US-Regierung vermutete schon 2015, dass Putin außerdem Jobbik in Ungarn und die Lega Nord in Italien finanziell unterstützte, aber auch Italiens Fünf-Sterne-Bewegung, Griechenlands Syriza und, das wurde damals aber als Vermutung der USA formuliert, eventuell auch die Linke in Deutschland.»

Also die US-Regierung vermutet, was im Fall der Linken in Deutschland nochmal als Vermutung formuliert wird, also sozusagen eine doppelte Mutmassung. Damit will sich Stöcker vor potenziellem Ärger bewahren, denn solche Behauptungen sind einwandfrei rufschädigend für eine legale politische Partei. Die Bezeichnung Dummschwätzer könnte man auch übel nehmen, aber die hat er sich hier redlich verdient.

Nun macht Stöcker das, was auch der «Republik» in der Schweiz lieb ist: namentliche denunzieren: «Jürgen Elsässer, früher Links- nun schon lange Rechtsextremist und Chefredakteur des »gesichert extremistischen« Magazins »Compact«; Leute, die mit Verschwörungscontent Geld verdienen wie Ken Jebsen und Heiko Schrang. Und auch Eva Hermann wird erwähnt

Solche Rüpeleien sind immer dann besonders toll, wenn man den Angerempelten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Nachdem er so einige ihm missliebige Gestalten verleumdet hat, widmet er sich einem russischen Propaganda-Thema: «Russland hat in den vergangenen Jahren diversen seiner Nachbarstaaten US-finanzierte Biowaffenlabore angedichtet, zum Beispiel Kasachstan, Georgien, Aserbaidschan und eben der Ukraine

Es ist richtig, dass die Existenz dieser «Biowaffenlabore» ungefähr so schlüssig nachgewiesen ist wie der Besitz von biologischen Massenvernichtungswaffen von weiland Saddam Hussein. Nun kämpft sich Stöcker aber einen Schritt weiter: «Anfang März behauptet dann auch »Fox News«-Propagandist Tucker Carlson in seiner Show, in der Ukraine gebe es geheime US-Biowaffenlabore. Carlson bezeichnet das Dementi des eigenen Außenministeriums als »Lüge«

Nun kommt Stöcker zum Höhepunkt, der Passage, in der sein Kolumnen-Titel gestützt wird: «Am 25. März 2022 hat es die alte Geschichte dann im neuen Gewand auch in den Bundestag geschafft: Am Pult des deutschen Parlaments steht an diesem Tag Steffen Kotré von der AfD und sagt: »Wir müssen auch über die Biowaffenlabore in der Ukraine reden, die gegen Russland gerichtet sind.«»

Kotré ist nun tatsächlich nicht das hellste Licht auf der Torte der AfD. Aber dass ein Abgeordneter im Bundestag Unsinn verzapft ist nun ein Phänomen, das sich nicht unbedingt auf die AfD beschränkt. Aber Stöcker schwant dahinter ganz Übles:

«Wir haben es – und zwar mit absoluter Sicherheit nicht nur bei der »Biolabs«-Verschwörungserzählung – mit einer konzertierten, gründlich geplanten und koordinierten Aktion zu tun. Unterstützt zum Teil durch freiwillige Hilfe aus der Szene der Verschwörungsfans und derer, die mit Verschwörungscontent Geld verdienen

Da ist wieder die Sprache des Kalten Kriegs, wo Kalte Krieger im Westen ständig Angst davor hatten, dass die Roten, die Moskau-Hörigen unsere freie Meinungsäusserung dazu missbrauchen, mit koordinierten Aktionen den Westen zu destabilisieren. In der Schweiz erreichte die Hysterie mit der Fichierung von Zehntausenden von Staatsbürgern ihren Höhepunkt. Angesichts dieser Paranoia des «Koginitionspsychologen» ist zu befürchten, dass er auch Akten über Kollegen und Studenten angelegt hat, die er als Teilnehmer an dieser «koordinierten Aktion» vermutet. «Freiwillig» als nützlicher Idiot oder eiskalt planend.

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer:

«Hoffentlich ist die eingangs zitierte Veröffentlichung des US-Außenministeriums der Einstieg in eine international konzertierte Aktion, die Putins Propagandisten in der Öffentlichkeit, den sozialen Medien und der Politik endlich auf den Präsentierteller stellt. »Die Vereinigten Staaten werden offizielle Kanäle nutzen, um die betroffenen Länder mit als geheim eingestuften Informationen über russische Operationen zu informieren, die auf ihre politische Sphäre zielen«, heißt es in dem eingangs zitierten Dokument. Es wird höchste Zeit. Wir haben Putins Propagandisten viel zu lange gewähren lassen.»

Es ist ein alter Scherz, aber hier leider wieder angebracht. Die meisten beratenden Psychologen brauchen selbst psychologische Beratung. Wenn jemand dann ausgerechnet auf dem Feld der Kognition forscht und lehrt, dabei einen solchen dissonanten Diskurs führt, wird’s aschgrau. Dass der «Spiegel» diesen Stuss veröffentlicht, verwundert hingegen nicht.