Schlagwortarchiv für: Fünfte Kolonne

Gemeinsam ins Elend, Teil II

Endlich: Tagi und NZZ Seit´ an Seit´.

Der Qualitätskonzern Tamedia dilettiert im Nahen Osten. Da will die NZZ nicht abseits stehen. Der immer wieder mit klugen Kommentaren aufgefallene Chefredaktor und God Almighty Eric Gujer schielt nun aber in seinem aktuellen «anderen Blick» ganz gewaltig:

Mit diesem «Newsletter» wendet sich Gujer speziell an seine «Leserinnen und Leser in Deutschland». Hier in seiner Eigenschaft als Transatlantiker, Militärstratege und unverzichtbarer Ratgeber von Regierungen. Seine verbalen Marschflugkörper schiesst Gujer insbesondere gegen die deutsche Regierung ab.

Zunächst lässt er Insiderkenntnisse über den Taurus auf den Leser niederregnen: «Der Marschflugkörper weist eine hohe Reichweite und Präzision auf und zerstört gehärtete Ziele wie Bunker zuverlässig. Das hebt ihn von französischen und britischen Cruise-Missiles ab.»

Aber solche einzelnen Waffen seien natürlich nicht kriegsentscheidend, weiss der verhinderte Oberkommandierende: «Viel wichtiger ist es, das gesamte Kriegsgeschehen im Blick zu behalten. Die Ukrainer werden nur Erfolg haben, wenn viele Faktoren zusammenwirken. Notwendig sind etwa frische Einheiten, genügend Artilleriemunition oder eine funktionierende Logistik.»

Ist das immer blöd, dass weder die kriegsführende Ukraine noch ihre Unterstützer solch banale Tatsachen zur Kenntnis nehmen, obwohl sie ihnen von Gujer auf dem Silbertablett (wobei Vorsicht, Feind liest mit) serviert werden.

Deutschland könnte und müsste «endlich» die Munitionsproduktion hochfahren und «in der Zwischenzeit» Artilleriemunition auf dem Weltmarkt aufkaufen. Himmels willen, Scholz, Pretorius, wieso tut ihr das nicht?

Stattdessen muss Gujer nun schneidend streng werden:

«So steht der Kanzler einmal mehr als Hasenfuss da und seine Koalition als ein Käfig voller Narren.»

Da macht Gujer gleich ein bislang unbekanntes, neues Kriegsgebiet aus: «Das Regierungsbündnis ist inzwischen sein eigenes Schlachtfeld. Der Kreml lacht sich ins Fäustchen.»

Warum? Na, deshalb Ihr Dummerchen: «Deutschland macht sich zum nützlichen Idioten Putins.» Das hat vor und nach Hitler Deutschland bislang noch niemand vorgeworfen.

Nun nimmt sich Gujer den deutschen Kanzler zur Brust. Der möchte «sich als Friedenskanzler präsentieren». Immerhin: «Auf den ersten Blick ist der Plan nicht dumm.» Schröder, Irakkrieg, doch, doch. Aber das sei natürlich nicht vergleichbar, schulmeistert dann der NZZ-Chefstratege den eben doch dummen deutschen Kanzler Scholz. denn hier weht wieder einmal der Mantel der Geschichte: «Diesmal jedoch kommt es auf Deutschland an. Es steht im Zentrum einer epochalen geopolitischen Auseinandersetzung.»

Also doch: Germans to the front? Auf jeden Fall bräuchte s wohl mal wieder Schröders Politik der ruhigen Hand. Stattdessen: «Scholz wirkt zunehmend als Getriebener, eingeklemmt zwischen dem blauäugigen Pazifismus der SPD-Fraktion und den Kritikern seiner Politik bei Grünen und FDP. Er laviert und macht es niemandem recht.» In erster Linie Gujer nicht, und das sollte Scholz nun wirklich zu denken geben.

Vor allem, weil es Defätisten noch und nöcher gibt in Deutschland: «Moskau registriert die Unentschlossenheit des Kanzleramtes und den wachsenden Chor derjenigen, die den Krieg um jeden Preis beenden oder «einfrieren» wollen und Kiew damit zur Kapitulation drängen.» Wer vorschlägt, das Gemetzel, das Leiden und die Zerstörungen zu beenden, dränge Kiew zur Kapitulation?

Aber dann gibt es ja noch wie im bewährten Feindbild des Kalten Kriegs die Fünfte Kolonne, sogar die Fünften Kolonnen: «Nicht nur die AfD, auch das Bündnis Sahra Wagenknecht besorgt das Geschäft des Kremls.» das ist nun doppelt unverschämt.

Also, Putin lacht sich in Fäustchen, die deutsche Regierung ist ein Narrenkäfig, angeführt von einem Hasenfuss, Deutschland ist sich mit Frankreich uneins, schlimm und schlimmer. Immerhin, eine dem Geschimpfe beigefügte Tabelle macht mehr klar als der ganze Wortschwall voller Cruise Missiles, Blendgranaten und Flammenwerfer. Deutschland hat der Ukraine seit Kriegsbeginn Militärhilfen in der Höhe von 17,7 Milliarden Euro zugesagt. Dann gehen wir ganz nach unten, hinter Estland, Litauen oder Italien kommt dann Frankreich mit seinem kriegerisch schattenboxenden Präsidenten: 0,6 Milliarden Euro Militärhilfe.

Sonst noch Fragen, könnte man eigentlich sagen. Wir hoffen, dass es bei diesem einmaligen Ausrutscher von Gujer bleibt. Denn wenn sich die NZZ allgemein auf das Niveau von Tamedia hinunterliesse, dann würde es aber aschgrau.

Flatliner

Das bedeutet: nicht messbare Hirnaktivität. Schlimm für einen «Kognitionspsychologen».

Professor Christian Stöcker ist «Spiegel»-Kolumnist. Die Studenten der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, wo er leert, sind zu bedauern. Denn von Lehren kann keine Rede sein.

In seiner jüngsten Kolumne beklagt er: «So schafften es Putins Lügen bis in den Bundestag». Denn: «Russland investiert Hunderte Millionen Dollar, um Politik zu beeinflussen – auch in Europa, auch in Deutschland

Mit Kognition bezeichnet man die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Von wo hat der Professor denn seine Informationen aufgenommen? Aus unabhängiger und vertrauenswürdiger Quelle: «Mindestens 300 Millionen US-Dollar hat Russland seit 2014 in anderen Ländern »investiert«, Hunderte weitere Millionen seien geplant, meldete unter anderem die «New York Times»unter Berufung auf US-Geheimdiensterkenntnisse.»

Würde einer seiner Studenten das als Basis für eine Seminararbeit nehmen, der Professor würde ihn hoffentlich aus dem Hörsaal jagen. Eine Sekundärquelle, die sich auf angebliche, anonyme «Geheimdiensterkenntnisse» bezieht. Das ist schon mal ziemlich flatlining. Oder an Lächerlichkeit schwer zu überbieten.

Dann macht Stöcker auf unbeeindruckt: «Mich persönlich hat diese Meldung kein bisschen überrascht, im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass die 300 Millionen nur ein kleiner Teil des Geldes sind, das Wladimir Putins Regime seit vielen Jahren und an vielen Stellen investiert, um westliche Demokratien und andere Länder zu destabilisieren.»

Es gibt interessante kognitive Studien, wieso der Mensch Informationen viel lieber und unkritischer aufnimmt, die seiner vorgefassten Meinung entsprechen – als ihr widersprechende. Auch wenn die ihm genehmen Informationen offenkundig falsch, unbelegt, dünn oder absurd sind. So ist der Mensch halt, so ist auch ein «Kognitionspsychologe».

Nun kann man natürlich mit Sicherheit davon ausgehen, dass Russland Geld einsetzt zur Landschaftspflege, wie das in Deutschland hiess, als der Flick-Konzern das halbe politische Personal auf seiner Payroll hatte. Sich mit Geld positive Nachrichten zu erkaufen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Gerüchte, Verschwörungstheorien und Lügen in die Welt zu setzen, das gegnerische Lager zu verwirren, das gehört zur Staatspolitik, seit es Grossmächte gibt.

Die CIA ist darin der unbestrittene Meister, was – im Gegensatz zu diesen «Geheimdiensterkenntnissen» schon x mal dokumentiert und aufgearbeitet wurde, Hier ist ein schöner Überblick. Es hat doch gewisse Vorteile, dass es im Westen eine einigermassen freie Presse gibt, bei allen Einschränkungen.

Beschränkt ist hingegen, wer sein Augenmerk so voreingenommen und mit Tunnelblick auf die subversiven Tätigkeiten Russlands richtet. Und dabei nicht einmal die Massenvernichtungswaffen-Lüge erwähnt, der wohl grösste Propaganda-Stunt der letzten Jahrzehnte. Eine brandschwarze Lüge, die die USA verbreiteten, um ihren völkerrechtswidrigen Einmarsch in den Irak zu rechtfertigen.

Aber zurück zu Russland. Und der kognitiven Dissonanz bei Stöcker: «Die US-Regierung vermutete schon 2015, dass Putin außerdem Jobbik in Ungarn und die Lega Nord in Italien finanziell unterstützte, aber auch Italiens Fünf-Sterne-Bewegung, Griechenlands Syriza und, das wurde damals aber als Vermutung der USA formuliert, eventuell auch die Linke in Deutschland.»

Also die US-Regierung vermutet, was im Fall der Linken in Deutschland nochmal als Vermutung formuliert wird, also sozusagen eine doppelte Mutmassung. Damit will sich Stöcker vor potenziellem Ärger bewahren, denn solche Behauptungen sind einwandfrei rufschädigend für eine legale politische Partei. Die Bezeichnung Dummschwätzer könnte man auch übel nehmen, aber die hat er sich hier redlich verdient.

Nun macht Stöcker das, was auch der «Republik» in der Schweiz lieb ist: namentliche denunzieren: «Jürgen Elsässer, früher Links- nun schon lange Rechtsextremist und Chefredakteur des »gesichert extremistischen« Magazins »Compact«; Leute, die mit Verschwörungscontent Geld verdienen wie Ken Jebsen und Heiko Schrang. Und auch Eva Hermann wird erwähnt

Solche Rüpeleien sind immer dann besonders toll, wenn man den Angerempelten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Nachdem er so einige ihm missliebige Gestalten verleumdet hat, widmet er sich einem russischen Propaganda-Thema: «Russland hat in den vergangenen Jahren diversen seiner Nachbarstaaten US-finanzierte Biowaffenlabore angedichtet, zum Beispiel Kasachstan, Georgien, Aserbaidschan und eben der Ukraine

Es ist richtig, dass die Existenz dieser «Biowaffenlabore» ungefähr so schlüssig nachgewiesen ist wie der Besitz von biologischen Massenvernichtungswaffen von weiland Saddam Hussein. Nun kämpft sich Stöcker aber einen Schritt weiter: «Anfang März behauptet dann auch »Fox News«-Propagandist Tucker Carlson in seiner Show, in der Ukraine gebe es geheime US-Biowaffenlabore. Carlson bezeichnet das Dementi des eigenen Außenministeriums als »Lüge«

Nun kommt Stöcker zum Höhepunkt, der Passage, in der sein Kolumnen-Titel gestützt wird: «Am 25. März 2022 hat es die alte Geschichte dann im neuen Gewand auch in den Bundestag geschafft: Am Pult des deutschen Parlaments steht an diesem Tag Steffen Kotré von der AfD und sagt: »Wir müssen auch über die Biowaffenlabore in der Ukraine reden, die gegen Russland gerichtet sind.«»

Kotré ist nun tatsächlich nicht das hellste Licht auf der Torte der AfD. Aber dass ein Abgeordneter im Bundestag Unsinn verzapft ist nun ein Phänomen, das sich nicht unbedingt auf die AfD beschränkt. Aber Stöcker schwant dahinter ganz Übles:

«Wir haben es – und zwar mit absoluter Sicherheit nicht nur bei der »Biolabs«-Verschwörungserzählung – mit einer konzertierten, gründlich geplanten und koordinierten Aktion zu tun. Unterstützt zum Teil durch freiwillige Hilfe aus der Szene der Verschwörungsfans und derer, die mit Verschwörungscontent Geld verdienen

Da ist wieder die Sprache des Kalten Kriegs, wo Kalte Krieger im Westen ständig Angst davor hatten, dass die Roten, die Moskau-Hörigen unsere freie Meinungsäusserung dazu missbrauchen, mit koordinierten Aktionen den Westen zu destabilisieren. In der Schweiz erreichte die Hysterie mit der Fichierung von Zehntausenden von Staatsbürgern ihren Höhepunkt. Angesichts dieser Paranoia des «Koginitionspsychologen» ist zu befürchten, dass er auch Akten über Kollegen und Studenten angelegt hat, die er als Teilnehmer an dieser «koordinierten Aktion» vermutet. «Freiwillig» als nützlicher Idiot oder eiskalt planend.

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer:

«Hoffentlich ist die eingangs zitierte Veröffentlichung des US-Außenministeriums der Einstieg in eine international konzertierte Aktion, die Putins Propagandisten in der Öffentlichkeit, den sozialen Medien und der Politik endlich auf den Präsentierteller stellt. »Die Vereinigten Staaten werden offizielle Kanäle nutzen, um die betroffenen Länder mit als geheim eingestuften Informationen über russische Operationen zu informieren, die auf ihre politische Sphäre zielen«, heißt es in dem eingangs zitierten Dokument. Es wird höchste Zeit. Wir haben Putins Propagandisten viel zu lange gewähren lassen.»

Es ist ein alter Scherz, aber hier leider wieder angebracht. Die meisten beratenden Psychologen brauchen selbst psychologische Beratung. Wenn jemand dann ausgerechnet auf dem Feld der Kognition forscht und lehrt, dabei einen solchen dissonanten Diskurs führt, wird’s aschgrau. Dass der «Spiegel» diesen Stuss veröffentlicht, verwundert hingegen nicht.