Staatliche Medienförderung
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Wie haben wir gelacht über die sozialistische Presse. «Prawda», «Neues Deutschland», «Granma» und wie sie alle heissen. Wenn das Modewort vom «Branded Content» wo zutrifft, dann bei diesen Blättern.
Immerhin machten sie aus ihrer Parteilichkeit kein Hehl; tapfer identifizierten sie sich als Zentralorgane der jeweils herrschenden kommunistischen Partei. Also sahen sie sich als staatstragend an, solange der Staat noch von der KP beherrscht wurde.
Das bedeutete, dass am weisen Ratschluss und dem Führungsanspruch der fortschrittlichsten Parteien auf diesem Planeten, unter deren Anleitung ihre Völker direkt ins irdische Paradies schlendern, kein Zweifel aufkommen durfte.
Nachrichten aus der heilen Welt
Pläne waren dazu da, übererfüllt zu werden. Invasionen waren dazu da, Völker vom imperialistischen Joch zu befreien. Aufrüstung war dazu da, die Friedensliebhaber gegen Aggressoren zu beschützen. Ach ja, und sozialistische Wahlen legten alle paar Jahre den Beweis ab, dass nur im Sozialismus eine echte Vertretung der Volksinteressen per Wahl möglich ist.
Das alles funktionierte so wunderprächtig, dass eigentlich immer die Wahlergebnisse schon von Vornherein vorhergesagt werden konnten. Zumindest, was die beiden Stellen vor dem Komma betrifft. Das waren immer alle Neune.
Nur Nordkorea blieb es allerdings bislang vorbehalten, auch Resultate vorweisen zu können, die schlichtweg nicht zu überbieten sind: 100 Prozent Zustimmung. Was will man mehr? Okay, das nächste Mal vielleicht 127,5 Prozent, wenn man wünschen darf.
Das vernichtende Urteil über diese Art Medien
Gegängelt, zensuriert, realitätsfern, gefiltert und voller Lügen, Beschönigungen, Auslassungen. So lautete das vernichtende Urteil über diese Staatsmedien. Prostitution, Korruption, Inkompetenz, Kriminalität, Machmissbrauch? Also bitte, solche üblen Vorkommnisse gibt’s doch nur im Spätkapitalismus kurz vor seinem Ende.
Gut, diese Zeiten sind doch eigentlich vorbei; nicht wahr? Ja, in den meisten Ländern des ehemaligen sozialistischen Lagers schon. Aber wie steht es denn in der Schweiz? Was für eine Frage, hier herrscht Meinungsfreiheit, hier erscheint eine freie Presse.
Ach ja? Es ist tatsächlich so, dass die Zeiten der zumindest parteinahen Zeitungen vorbei ist. Mit der typischen Unfähigkeit, die Genossen als Unternehmer auszeichnet, wurde der AZ-Zeitungsverbund gegen die Wand gefahren. Selbst der «Walliser Bote» würde sich nicht unbedingt als CVP-Zentralorgan verstehen, und bei der NZZ könnte man höchstens noch von einer gewissen FDP-Nähe sprechen.
Will man den grossen Elefanten ignorieren?
So weit, so gut. Aber so zu tun, als ob es keine staatsnahen Medien in der Schweiz gäbe, hiesse, den grossen Elefanten mitten im Raum zu ignorieren. Der trägt den Namen SRF. Lassen wir die Debatte, ob das ein mit Zwangsgebühren finanzierter Staatsfunk ist oder ein gebührenfinanzierter Service publique. Grosse Staatsferne kann man SRF auf jeden Fall nicht vorwerfen.
Bislang ist es SRF auch gelungen, heimische Vollprogramm-Privat-TV-Stationen plattzumachen. Ausser CH Media setzt zurzeit niemand auf ernstgemeinte Versuche, mit TV-Programmen und Lokal-Radios gegen SRF in den Kampf zu ziehen.
Das faktische Monopol von SRF wird auch kaum mehr kritisiert, seitdem auch private Verleger ein paar Brosamen aus dem grossen Gebührentopf bekommen. Alles, was noch vor einigen Jahren als multimediale Multichannel-Lösungen hochgejubelt wurde, ist still und leise zu Grabe getragen. Nur Ringier versucht gerade, mit Internet-TV mit Nachrichten unter dem Brand «Blick» ein Scheibchen vom Kanal bewegtes Bild abzuschneiden.
Die privaten Verleger kauen auf den Zückerchen
Ansonsten wurden die Privatverleger mit Zückerchen bei der Frühzustellung bei Laune gehalten, ausserdem waren sie – Stichwort Admeira – auch intensiv mit sich selbst beschäftigt. Aber dann war Pandemie, und das übliche Wehklagen schwoll zum lautstarken Gejammer an. Nun sei staatliche Unterstützung aber dringend geboten.
Rechtzeitig wurden wieder die salbungsvollen Worte von Vierter Gewalt, unabdingbar in einer funktionierenden, direkten Demokratie, Wächteramt, usw. abgestaubt und ins Schaufenster gestellt. Und es sieht ganz danach aus, als ob der Staat ein Einsehen hätte und das Füllhorn milder Gaben umfangreicher über Privat-Medien ausschütten wird.
Wie sich das dann mit kritischer Distanz zur Hand, die die Medien füttert, entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Dass ständig kräftig reingebissen wird, ist eher nicht anzunehmen. Die völlig unkritische Distanz zu den drakonischen COVID-19-Massnahmen der Regierung lässt nichts Gutes ahnen.
Und übersehen dabei, wohin der Elefant sich bewegt
Verblüffend ist aber eine ganz andere Entwicklung. Seit es online gibt, haben alle privaten Medienkonzerne erbittert darum gekämpft, dass SRF mit seinem Internet-Auftritt ja nicht die anderen News-Anbieter konkurrenzieren dürfe. 1000 Zeichen pro Beitrag maximal, ja keine Webauftritt, der gratis anbietet, woran die Verlage verdienen wollen. Das war der Schlachtruf über lange Zeit; jeder zaghafte Versuch von SRF, online zu punkten, wurde mit so lautem Geschrei kritisiert, dass man sogar vibrierende Halszäpfchen sah.
Aber, Wunder über Wunder, gerade hat die neue SRF-Direktorin – neben Einsparungen – angekündigt, dass der neue Schlachtruf «Digital first» heisse. Sieht man irgendwo ein Halszäpfchen? Nein.
Auch SRF müsse sich nach der Decke strecken, meint Nathalie Wappler, die neue eiserne Lady des Schweizer Farbfernsehens. Daher müsse man, geradezu machiavelistisch argumentiert, den Konsumenten dort abholen, wo er sei, um den Auftrag eines Service publique erfüllen zu können.
Und der Konsument ist heutzutage halt online, der Zuschauer mit der Fernbedienung in der Hand und der Zuhörer draussen im Lande vor dem Radioapparat, die Sendungen dann über sich ergehen lassen, wenn sie ausgestrahlt werden, dieses Publikum stirbt langsam aus.
Alles digital, was will man machen
Heute ist eben alles digital. Natürlich nicht nur Ton und Bewegtbild. Gerade im Nachrichtenteil muss der Konsument auch mit Buchstaben auf dem Laufenden gehalten werden. Also genau damit, womit die Medienkonzerne weiterhin verzweifelt Geld zu verdienen versuchen. Deshalb haben sie sicherlich schon die Pferde gesattelt, schwingen Morgensterne und Hellebarden, um gegen diesen neuen Versuch, ihnen das Wasser abzugraben, anzukämpfen.
Nein, verblüffenderweise ist Ruhe. Vielleicht werden alle Kräfte absorbiert, um den eigenen Verlag in eine möglichst günstige Position zu manövrieren, wenn es dann Subentions-Guetzli regnet. Dass so der Staat mit einer Hand gibt, mit der anderen wegnimmt, das zu kapieren übersteigt offenbar das Erkenntnisvermögen der Verlagsmanager.
Statt sich um Strategien in die Zukunft zu kümmern, verkünden sie lieber eine Sparrunde nach der anderen. Um die Forderungen nach Subventionen zu unterfüttern. Und ich dachte immer, führende Banker seien einzigartig in ihrer Unfähigkeit.