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Der geheime Aufschrei der Ringier-Frauen

Vergeblich versuchten die Bosse, dieses Dokument zu unterdrücken. Aber nach Tamedia melden sich nun Ringier-Frauen zum Protest.

Die ganze Branche wunderte sich. Im Streichelzoo Tamedia beschweren sich Dutzende von Mitarbeiterinnen über «strukturellen Sexismus», legen Zeugnis ab von unerträglichen Arbeitsbedingungen, von Unterdrückung, Missachtung, Übergriffen, Diskriminierung.

Aber bei Ringier, wo immer noch der Boulevard-Journalismus zu Hause ist? Lautstark erzählte Zoten, Blondinen- und andere Herrenwitze, anzügliche Blicke, Gesten, dumme Sprüche wie «der Rock könnte kürzer sein, aber der Artikel länger» oder gar «willst du mal mit was anderem als einem Bleistift spielen», das ist doch weiter an der Tagesordnung.

Zudem wird die Atmosphäre täglich durch Crime- und Sex-Storys aufgeheizt, über unvorstellbare Perversionen und als Ratgeber verkleidet über hemmungsloses Ausleben der Sexualität geschrieben. Doch mehr als drei Wochen nach dem Protestbrief aus dem Hause Tamedia herrschte an der Dufourstrasse (und an den anderen Standorten des Konzerns) Grabesstille unter den Frauen.

Werden bei Ringier die Frauen wirklich besser behandelt als bei Tamedia?

Könnte es wirklich sein, dass an der Werdstrasse ein testosteronbefeuerter Sündenpfuhl herrscht, während bei Ringier Frauen ausschliesslich mit Respekt, Anstand und Höflichkeit begegnet wird? Frauen zudem die gleichen Aufstiegschancen wie Männer bekommen? Als Gender-Vorbild gilt hier Ladina Heimgartner.

Raketengleich ihr Aufstieg. 2020 an Bord gekommen, als Leiterin Corporate Services. Kaum hatte sie die Kommandobrücke betreten, wurde sie schon nach oben weiterbefördert, CEO der Blick-Gruppe. Dann auch noch «Head of Global Media und Mitglied des Group Executive Board von Ringier». Davon könnten sich die protestierenden Tagi-Frauen eine Scheibe abschneiden.

Umso irritierender, was ZACKBUM hier enthüllt. Es gibt nämlich das Pendant zur Protestnote bei Tamedia. Wie es zum Stil des Hauses passt, ist das Schreiben der Ringier-Frauen durchaus knalliger abgefasst. Hier der Ausriss des Anfangs.

Der Anfang des Protestschreibens bei Ringier. Es folgt eine weitere Seite.

Die Vorwürfe gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Sexistische Sprüche, Machogehabe, Gelächter und Naserümpfen bei sogenannten Frauenthemen, unsägliche Abqualifizierungen wie «geh doch menstruieren, du hysterische Kampflesbe» oder «deine einzige Chance hier wäre, dich hochzuschlafen. Aber dafür bist du viel zu hässlich». Oder: «Dein Artikel liest sich, als hätte ihn ein Hamster geschrieben. Dreht sich und dreht sich, kommt aber nicht voran.»

Laut Briefkopf ist das Schreiben am 8. März verfasst worden, also passend zum internationalen «Tag der Frau». Aber wieso ist es bis heute nicht in Umlauf oder an die Öffentlichkeit gekommen? Auch da offenbaren sich Unterschiede zu Tamedia. Denn bei Ringier gibt es keine Liste von Unterzeichneten. Nur eine einzige Frau wagt es, sich hinzustellen; sie unterzeichnet mit «Im Namen der Mehrheit der Ringier-Mitarbeiterinnen». Und Ihr Name ist –Ladina Heimgartner.

Mutige Frau: Ladina Heimgartner (Foto: Ringier) 

Wir konnten ein kurzes Gespräch mit ihr führen, um mehr über die Hintergründe zu erfahren.

ZACKBUM: Sie haben im Namen von weiteren Frauen bei Ringier unterzeichnet. Wie viele sind es?

Heimgartner: Wie ich schreibe, es ist die Mehrheit der weiblichen Ringier-Angestellten. Die Zahl können Sie aus dem Geschäftsbericht entnehmen.

Befürchten Sie keine Repressionen, keinen Unterbruch Ihrer beeindruckenden Karriere?

Kurz geantwortet: nein. Die längere Version: Natürlich habe ich es mir lange und sorgfältig überlegt, ob ich mich so exponieren will. Aber: wenn nicht ich, wer dann? Ich bin ja sozusagen die ranghöchste Frau im Haus, mal abgesehen von Ellen Ringier natürlich.

Sind denn die Zustände bei Ringier so schlimm?

Sie sind noch schlimmer. Ich wollte es längere Zeit gar nicht glauben, da ich mir vom SRF her einen ganz anderen Umgang gewohnt war. Aber nachdem hier im Hause immer mehr Mitarbeiterinnen Vertrauen fassten und mir unfassbare Geschichten erzählten, teilweise mit identischen Inhalt und mit den gleichen Tätern, musste ich umdenken.

Beschreiben Sie, nennen Sie doch Namen.

Auf keinen Fall. Ich finde es sehr bedauerlich, dass dieses Schreiben nun auch den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Denn es ist völlig klar: ein solcher Protest ist am wirkungsvollsten, wenn er intern erfolgt. So muss niemand das Gesicht verlieren, man kann sich ernsthaft zusammensetzen, um Lösungen zu suchen.

Die Vorwürfe sind deutlich massiver als bei den Kollegen von Tamedia.

Das mag daran liegen, dass wir hier im Hause vielleicht eine andere Art von Journalismus betreiben. Vielleicht sind wir direkter, schneller unterwegs zum Ziel, müssen angesichts der Textlängen möglichst ohne Umwege zum Kern vorstossen. Das beeinflusst sicherlich das verbale Klima.

Reden wir noch über die Forderungen. Was erwarten Sie von der Geschäftsleitung, von der Besitzerfamilie?

Unser Ansprechpartner ist Marc Walder, CEO, Mitbesitzer und Vertrauter der Familie Ringier. Wir können es gut miteinander, er hat sofort Hand zum Dialog geboten.

Leider war es aus Zeitgründen nicht möglich, dieses Interview von Heimgartner autorisieren zu lassen. Aber wir sind uns sicher, dass sie damit einverstanden ist.

 

 

Frauen aller Redaktionen, vereinigt euch!

Satire & Gelächter III

Schon Delacroix wusste: Die Freiheit ist weiblich. Kann aber nur im Kampf errungen werden.

Seit wir hier bei ZACKBUM gemeinsam nochmal «Das Patriarchat» von Ernst Bornemann gelesen haben, wollen wir in diesen Befreiungskampf eingreifen.

Wegen des Profils der Freiheit war das Gemälde lange Zeit verboten.

Für Nachgeborene: Bornemann, googeln, Patriachat, 1975, Wälzer mit über 1000 Seiten. Aber heute kriegt man den Inhalt auch in ein, zwei Tweets rein.

Zurück in die Zukunft der Gegenwart. Vielleicht, wer weiss, wird einmal der 5. März 2021 als Beginn einer Zeitenwende in Geschichtsbüchern abgefeiert. Und wir können – wie 1792 Goethe – sagen: Wir sind dabei gewesen. Bei ihm war’s das Erschrecken darüber, dass die Truppen der Französischen Revolution seine adeligen Freunde Mores lehrten.

Bei uns ist es der Protestbrief von 78 mutigen Frauen aus dem Hause Tamedia, der eine «neue Epoche der Weltgeschichte» einleitete, denn auch hier braucht es ein Goethe-Wort. Glücklicherweise ist das heute noch erlaubt; wenn dann erst mal das Frauenbild von Goethe und überhaupt sein Verhalten zu Frauen genauer unter die weibliche Lupe genommen wird, sind solche Sprüche natürlich obsolet geworden.

Die revolutionäre Kraft in einem einfachen Brief

In diesem Schreiben wird so radikal wie richtig, so wortmächtig wie machtvoll, die Unerträglichkeit des weiblichen Seins beklagt. Ihre ständigen Opfer, die Frauen von Männern auferlegt werden. Selten wurde in solcher Klarheit formuliert: Frauen sind immer Opfer, Männer immer Täter.

Nun gut, vielleicht nicht alle. Aber bei der Französischen Revolution soll es ja auch Adlige gegeben haben, die deren Zielen durchaus neutral oder sogar sympathisierend gegenüberstanden. Das ersparte ihnen aber meistens nicht den Gang auf die Guillotine, Kollateralschäden sind bei fundamentalen Umwälzungen unvermeidlich.

Das wahrhaft Revolutionäre in diesem Protestschreiben besteht nicht in der ergreifenden Schilderung der Spiessrutenläufe (Pardon für dieses Sprachbild), dem Tamedia-Mitarbeiterinnen tagtäglich ausgesetzt sind.

Nein, mit diesem Satz wird die Zeitenwende eingeleitet:

«Wir sind nicht bereit, diesen Zustand länger hinzunehmen.»

Ein Hammersatz. Die Einleitung zu wohlerwogenen Forderungen; in einer Stringenz, wie sie damals für die Zukunft des Dritten Standes in Frankreich formuliert wurde: «Was ist der Dritte Stand? Alles und mehr.» Was ist er in der Politik? «Nichts». Obwohl ihm 98 Prozent der damaligen französischen Bevölkerung angehörten. «Was verlangt er? Etwas zu sein.»

So formulierte es damals der Abbé Sieyès, der erstaunlicherweise die Revolution überlebte. Nun machen Frauen nicht 98 Prozent der modernen Gesellschaft aus, das ist wahr. Aber sie sind in der Mehrheit, auch wenn man die diversen weiteren sexuellen Ausrichtungen gar nicht differenziert.

Vorrevolutionäre Zustände

Nun sind die Zustände heutzutage allerdings noch so wie am Vorabend des 14. Juli 1789. Es gärt, es gibt Protest, es gibt beruhigende Geräusche aus den Chefetagen der Macht. Aber: Es fehlen noch ein paar wichtige Dinge, damit der Revolutionsfunke zum Flächenbrand wird. Che Guevara nannte das seine Fokus-Theorie, aber der war ein Mann und scheiterte zudem.

Die aktuelle Rebellion spielt sich immerhin schon mal dort ab, wo sie nicht unterdrückt werden kann und guten Zugriff auf die alles entscheidende öffentliche Meinung hat. In einem Medienkonzern. Aber: Che hin, Fidel her, es braucht Führungspersonen. Revolution ist nichts Anonymes, sie braucht ein Gesicht.

Spontan fällt uns da Salome Müller ein. Seit sie ihre Haare offen trägt, hat sie sich damit ein unverwechselbares Image geschaffen, wie damals die «barbudos», die bärtigen Guerilleros. Fidel (und auch Che) rasierten sich bekanntlich bis ans Lebensende nie mehr.

Wie wird der Funke zum Flächenbrand?

Wenn man sich als Mann weiter einmischen darf (denn ob es mir wie Abbé Sieyès ergehen wird, wage ich zu bezweifeln): bislang wurde der Funken erst in einem Medienhaus entfacht. Nun gilt es, die Fackel des Aufruhrs weiterzutragen. In die anderen Redaktionen.

Ihr Frauen bei Ringier, ihr Frauen bei CH Media, ihr Frauen bei der NZZ, reiht Euch in die Bewegung ein, weil ihr doch auch Frauen seid. Wenn euer starker Arm es will, stehen alle Druckmaschinen still.

Das wäre der nächste, notwendige Schritt. Dann, das ist am Anfang leider so, müssen möglichst breite Bündnisse geschlossen werden. Mit bewegten Männern. Mit solidarischen Menschen jeden Alters, Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung. Natürlich auch mit allen Formen der Frauenbewegung:

Wirklich mit allen, das ist unverzichtbar.

Ist der Kampf dann gewonnen, kann man immer noch aussortieren, wer noch etwas Sinnvolles zur neuen Gesellschaft beitragen kann – und wer nicht. Dafür steht dann das übliche Instrumentarium zur Verfügung. Umerziehung, Marginalisierung, Vertreibung, Arbeitslager, unerklärliche Häufungen von Infarkten und anderen natürlichen Todesursachen. Männer sind ja nicht nur Schweine, sondern auch Weichlinge.

Ist das alles vollbracht, fängt endlich die weibliche, die frauliche, die schwesterliche, die mütterliche Zeitepoche an. Wie es da zu und hergehen wird, entzieht sich leider unserem männlichen Vorstellungsvermögen. Wir wünschen aber von Herzen alles Gute dabei.

Übrigens, selbstverständlich sind wir schon heute für die Gratisabgabe von allem Material, das zur Bewältigung der Menstruation benötigt wird. Hier, heute und jetzt.

Es gibt übrigens auch Alternativen …