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Im Tagi bärtschiet es überall

So viele Redaktoren ahmen die publizistische Leiter nach unten nach.

CH Media hatte auch einmal eine publizistische Leiter nach unten. Pascal Hollenstein liess sich als Sprachrohr von Jolanda Spiess-Hegglin missbrauchen, beschimpfte seine Leser als Milchkühe – und wurde von einem Tag auf den anderen entsorgt. Wanners war es zu viel geworden.

Seit der letzten Reorganisation hat Tamedia (oder «Tages-Anzeiger», man weiss nicht einmal genau, wie der Haufen aktuell heisst) einen publizistischen Leiter. Simon Bärtschi ergriff die erste grosse Möglichkeit, sich unsterblich zu blamieren, indem er das nächste grosse Rausschmeissen als «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» hochschwurbelte. Seither gibt es die Bärtschi-Skala, mit der Peinlichkeit gemessen wird. Seine eigene Benchmark liegt bei 10 Bärtschis.

Die ganze «Bschiss»-Sause arbeitet sich daran ab und erklimmt neue Höhen; zurzeit liegt sie bei einer 13. Die 12 erreichte sie schon, als sie den «Campaigner» Daniel Graf interviewte, der schwere staatspolitische Bedenken äusserte und über seine Konkurrenz herzog. Was der Qualitäts-Tagi zu erwähnen vergass: auch Graf ist im Geschäft des Unterschriftensammelns unterwegs.

Aber nachdem man diverse Kreisch-Artikel zum Thema brachte, den Fachmann interviewte, sogar hübsch geframt die Stellungnahme der Bundeskanzlei in die Pfanne haute, was bleibt da noch, um die Mähre weiter zu Schanden zu reiten? Natürlich, der Kommentar.

Veredelt zum «Leitartikel» stellt Thomas Knellwolf eine knallharte Forderung auf:

Schon im Lead arbeitet er mit allen Triggerwörtern: «massive Fälschungen», «Skandal», «spielen Ernst der Lage herunter», «dringend Massnahmen».

Nur hat das Getobe ein kleines Problem: es ist beweisfrei. Es ist Vermutungs- und Unterstellungsjournalismus. Der Tagi ist auch nicht aus eigenen Kräften auf diesen angeblichen Skandal gestossen. Er wurde angefüttert mit einer Strafanzeige.

Um die herum schlingt er gewagt Girlanden. Die Bundeskanzlei habe das schon lange gewusst, «aber sie schlug nicht Alarm». Immerhin wird ihr nicht mehr unterstellt, sie habe nichts getan. Dass sie sich erklärte, was soll’s. Umhüllt von tropfender Häme durfte sie mal kurz zu Wort kommen:

«Das Amtsgeheimnis, die Unschuldsvermutung, die laufenden strafrechtlichen Verfahren sowie der Schutz der Abstimmungsfreiheit gebieten es der Bundeskanzlei, die bestehenden Verdachtsfälle diskret zu behandeln.»

Zudem: «Solange die laufenden Strafuntersuchungen nicht abgeschlossen sind, kann die BK (Bundeskanzlei, Red.) keine gesicherten Aussagen machen über das Ausmass mutmasslicher Unterschriftenfälschungen. Doch ihres Erachtens liegen keine belastbaren Indizien vor für die Vermutung, dass über Vorlagen abgestimmt wurde, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind.»

Aber das ist natürlich für den Tagi nur blödes Gedöns, sonst könnte er ja nicht weiter «Skandal» rufen. Während also die Bundeskanzlei «herunterspielt», weiss Knellwolf: «Kontrolleurinnen und Kontrolleure wissen: Es fliegen nur die besonders dreisten oder dummen Fälscherinnen und Fälscher auf.»

Sich einfach an Recht und Gesetz halten, die Unschuldsvermutung gelten lassen, die Ergebnisse von Strafverfahren abwarten – ach was. Damit wäre es doch kein schön knackiger Skandal mehr. Deshalb stellt Knellwolf auch gleich noch ein paar knallharte Forderungen auf, was nun getan werden müsse. Dass sie allesamt untauglich oder illegal sind, was soll’s:

«Damit das Vertrauen in die direktdemokratischen Prozesse erhalten bleibt, müssen die Bögen von Abstimmungen, die anstehen, zumindest stichprobenweise nachkontrolliert werden – und zwar indem die Personen, die angeblich unterschrieben haben, abtelefoniert werden. Sollte es für solche Kontrollen keine rechtliche Grundlage geben, muss diese schnellstens geschaffen werden.
Zudem muss langfristig ein weniger anfälliges System installiert werden. Sicherer gemacht werden kann der bisherige Sammelprozess durch ein Unterschriftenregister bei den Gemeinden oder durch E-Collecting, also elektronisches Sammeln, zum Beispiel über das Handy. Will man das nicht, bleibt nur noch ein Verbot des kommerziellen Sammelns – was ohnehin die einfachste Lösung wäre

E-Collecting, die Lieblingsidee von Graf, mit der er seine beeindruckende Adresskartei noch wertvoller machen könnte, obwohl es hier gewichtige datenschützerische Probleme gibt.

Normalerweise, das kennt man von x Wiederholungen bei den Leaks und Papers, wird Tamedia noch ein Weilchen nachjapsen, bis dann alle Qualitätsjournalisten sich trollen (falls sie nicht vorher gefeuert wurden).

Umrahmt wird das mit einem faktenwidrigen Interview mit dem «deutschen Ökonomen Holger Schmiedin», der kühn behauptet: «Leute wie Sahra Wagenknecht liegen völlig falsch», denn der Westen, also Europa, befinde sich keineswegs im Niedergang. Das wird den deutschen Mittelstand aber freuen zu hören. Nur dürfte ihm der rechte Glaube fehlen.

Zwecks Messung an der Bärtschiskala führt ZACKBUM noch die Höchstleistung des «Magazin» an: «Fragebogen zu Liebe, Sex & Partnerschaft». So eine billige Nummer trauen sich selbst Boulevardmedien immer seltener.

Und schliesslich verdreht Daniel Schneebeli mit seinem woken Kommentar «Migranten Stipendien zahlen – und Sozialhilfe sparen» auf absurde Weise die Wirklichkeit, um Stimmung für eine Zürcher Abstimmung zu machen. Auch hier erspart der Tagi dem Leser Verwirrung durch Gegenmeinungen.

Das läppert sich alles zu einer beeindruckenden Zahl von 18 Bärtschis in einer einzigen Ausgabe.

Lieber Tages-Anzeiger, liebe Tages-Anzeigerin, da geht noch was. 20 Bärtschis ist in Reichweite. Gebt nochmal alles, bevor Eure Reihen gelichtet werden. Wobei, mit rund 100 Nasen weniger kommt ihr auch auf 20 Bärtschis. Man muss nur wollen.

 

 

 

Wiederholung, Wiederholung

Es ist gespenstisch. Wir sind in einer Zeitschlaufe gefangen.

Sowohl Politiker wie Medien müssen ins Archiv gestiegen sein und alte Reden und Artikel abgestaubt haben.

«Mitte-Präsident Pfister fordert Umdenken der Bürgerlichen und will Eigenkapitalvorschriften verstärken.»

Wir steigen kurz ins Wurmloch. Am 16. Oktober 2008 wurde verkündet, wie die UBS gerettet wird. «Wir sind jedoch von der Schnelligkeit, mit der sich die Krise verschlechterte, überrascht worden.» Kommt uns dieser Satz bekannt vor? Ja, er wurde ziemlich genau so bei der CS-Rettung gesprochen. Er wurde genau so bei der UBS-Rettung gesprochen.

Danach wurden viele weitere Sätze gesprochen. Die Vorschriften müssen verschärft werden. Banken dürfen nicht mehr voll ins Risiko gehen. Die Boni müssen gedeckelt werden. Überhaupt sollen falsche Anreize ausgeschaltet werden. Die Löhne sind zu begrenzen. Gierbankern muss ein Riegel geschoben werden. Obszöne Gewinne müssen abgeschöpft werden, Dinge wie das High Frequency Trading müssen durch Transaktionssteuern begrenzt werden.

Und vor allem wurde gesagt: so etwas wie die UBS-Rettung darf sich nie mehr wiederholen. Darüber lachten schon damals die Hühner, denn nach dieser Rettung war der Staat, der Steuerzahler in Geiselhaft der Bank geraten. Als die UBS zum zweiten Mal zu Kreuze kriechen musste und Staatshilfe beim Steuerstreit erbettelte, kostete das zwar nicht noch mal Milliarden, aber das Bankgeheimnis. Und ihrem Wunsch musste entsprochen werden, sonst wäre die Bank wieder blank gewesen und das Steuergeld futsch.

Übrigens wurden all diese Massnahmen damals mit Notrecht beschlossen. Auch das sollte nie mehr angewendet werden, daher wurde ein Gesetzeswerk verabschiedet, das die ordentliche Abwicklung einer systemrelevanten Bank ermöglichen sollte. Kranke Teile absprengen, lebensnotwendige Teile wie Zahlungsverkehr, Hypotheken und Kreditvergabe sollten bewahrt bleiben.

Nun sind 14 Jahre vergangen, und geschehen ist genau – nichts. Es ist allerdings noch viel schlimmer. Weil nichts geschehen ist, werden nun wieder die gleichen Forderungen wie damals erhoben. Die Boni sollen gedeckelt, das Eigenkapital hinaufgesetzt … Blabla, Blüblü.

Natürlich gibt es auch wieder Stimmen, die vor zu scharfen Massnahmen warnen, so sollen die Boni für hart arbeitende Mitarbeiter keinesfalls angetastet werden. Und natürlich fordern die Politiker wieder, dass systemrelevante Banken eine Eigenkapitaldecke haben sollten, die sie unsinkbar macht. Meistens wird da die Zahl von 20 Prozent in die Runde geworfen.

Die UBS hat neuerdings eine Bilanzsumme von rund 1600 Milliarden US-Dollar. Das ist in etwa das Doppelte des Schweizer BIP, also der Wert aller in einem Jahr erbrachten Dienstleistungen, Wertschöpfungen und hergestellten Produkten.

Wir brauchen nun kein Wurmloch, um in die Zukunft zu reisen und zu erfahren, welche dieser Forderungen umgesetzt werden. Das kann man locker im Lehnstuhl prognostizieren: keine.

Ach, und damals wie heute wurde und wird gefordert, dass Verantwortliche benannt und sanktioniert werden sollten. Auch her braucht’s keine Reise in die Zukunft, um mit Sicherheit sagen zu können: kein einziger dieser Versager wird auch nur um einen Rappen geschädigt werden. Der Oberversager Urs Rohner nicht, all die Kleinversager um ihn herum genauso wenig.

Im Gegenteil, es herrscht weiterhin völlige Schamlosigkeit. So liess doch der vorvorletzte CEO verlauten, dass unter seiner Ägide dann noch alles super gelaufen sei. Tidjane Thiam kann nun schlecht rot werden, wenn er solchen  Müll verzapft. Aber seine Äusserung wirft ein Schlaglicht auf die Mentalität, die in der Chefetage herrscht. Persönliche Verantwortung, Eingeständnis von Fehlern, Kenntnisnahme des Fakts, dass die Bank mit den vereinten Kräften all dieser Nulpen gegen die Wand gefahren wurde? I wo.

Es waren auch mal wieder nicht die Umstände, auch nicht der Zusammenbruch zweier Bänkli in den USA, schon gar nicht irgend ein Tweet vom anderen Ende der Welt. Es war auch nicht eine etwas ungeschickte Aussage des Präsidenten einer saudischen Bank.

Es war reine und brüllende Unfähigkeit der Chefetage der Credit Suisse. Der ewige Konkurrent UBS lag nämlich 2008 ziemlich am Boden, während die CS stolz verkündete, keine Staatshilfe zu brauchen. Und in den folgenden Jahren setzten die CS-Führer ein Ding nach dem anderen in den Sand. Es wurden horrende Bussen bezahlt, es sah zeitweise so aus, als ob die CS aus Prinzip an jedem Skandal beteiligt sein wollte, der aufpoppte.

Zusammenarbeit mit Bruchpiloten, mit windigen Geschäftsleuten, die Beteiligung an einem Milliardenkredit an ein bankrottes afrikanisches Land, überall, wo’s übel roch, steckte die CS ihre Nase rein. Überall, wo man sinnlos Geld verrösten konnte, tat das die CS.

Nun gab es auch damals und in den Jahren seither viele Leute, darunter auch Medienschaffende, die immer wieder betonten, dass man das alles ja nicht habe kommen sehen. Damals nicht, heute nicht. Dass das so nicht stimmt, kann ZACKBUM beweisen.

Daher beginnen wir heute mit einer kleinen Serie. Eigene Werke des Redaktors René Zeyer, die vor Jahren erschienen, aber keineswegs an Aktualität eingebüsst haben.

Aus heutiger Perspektive waren das geradezu prophetische Ansagen, die ganz alleine auf weiter Flur dastanden. Und die auch heute gar nicht mehr erscheinen könnten, weil das Organ, in denen sie publiziert wurden, inzwischen zum Tages-Anzeiger-Konzern gehört und die gleiche Langeweile wie die Zürcher Ausgabe verbreitet.

Nicht vergessen …

Was interessiert mich mein dummes Gequatsche von gestern.

Es gibt verschiedene Autoren dieses schönen Satzes, man kann unter anderen zwischen Konrad Adenauer oder Lenin wählen.

Diesem Prinzip haben sich auch viele meinungsstarke Kommentatoren in den Mainstream-Medien verschrieben. ZACKBUM erinnert daran, was von diesen Kriegsgurgeln schon alles gefordert wurde:

• Flugverbotzone über der Ukraine, durchgesetzt von der NATO

• Eingreifen von NATO-Truppen an der Grenze zu oder gar in der Ukraine

• Gratis-Lieferung von Waffen aller Art, inklusive Offensivwaffen wie Raketen

• Kampf bis zur militärischen Niederlage Russlands

• Schwächung Russlands, dass es zukünftig nicht einmal zu lokalen Kriegen in der Lage sein sollte

• kein Einknicken vor der Drohung, dass Russland Atomwaffen einsetzen könnte

• schärfste Sanktionen ohne Rücksicht auf Schäden an den Volkswirtschaften Europas

• Ächtung und Boykott von allem, was mit Russland zu tun hat. Musik, Literatur, Malerei, Künstler. Längst verstorbene Künstler oder zeitgenössische

• Betonung der verschiedenartigen, barbarischen, inhumanen Mentalität der Russen

• Vollständiger Rückzug und Rückgabe der Krim als Voraussetzung für Verhandlungen

• Bedingungslose Unterstützung des ukrainischen Präsidenten und seiner Oligarchen

• Enteignung reicher Russen auf Verdacht, Verwendung ihrer Vermögen als Wiedergutmachung für die Ukraine

• Schädigung der russischen Volkswirtschaft, Schwächung der Währung und Beschlagnahme von Guthaben der russischen Notenbank im Westen

• Erstellen von Sanktionslisten inklusive Einreiseverbote, ein russischer Nachnahme und die Erwähnung in einer Reichen-Liste genügt

• Strafen für russische Kriegsverbrecher, Präsident Putin sollte vor ein internationales Gericht gestellt werden

• Ächtung aller Medien und Meldungen, die nicht dem Narrativ des Mainstreams entsprechen

• Zensur von prorussischen Medienplattformen

• Putin muss als Verursacher einer weltweit drohenden Hungersnot gebrandmarkt werden

• Verunglimpfung aller abweichenden Meinungen; 300’000 Unterzeichner eines offenen Briefs an den deutschen Bundeskanzler sind Putin-Versteher und Weicheier

• Durchsetzung der Ansicht, dass es sich nicht um einen lokal begrenzten Krieg handle, sondern um einen Kampf zwischen Gut und Böse, Freiheit und Diktatur, moralische Werte und Unmenschentum.

Die Liste ist keineswegs vollständig. Während sich viele Kommentatoren (wir werden dann mal Namen nennen) in der Schweiz und auch in Deutschland mit Forderungen überbieten, möglichst massiv und lange den Krieg fortzuführen, nur einen Sieg der Ukraine als mögliches Ende akzeptieren wollen, werden Stimmen, die eine Verhandlungslösung als einzig sinnvolle Alternative zum Leiden der Zivilbevölkerung und der Zerstörung der Infrastruktur der Ukraine sehen, abgekanzelt.

Und nun das:

«Frieden ist möglich. Die Frage ist nur: Welchen Preis sind (die Ukrainer) bereit, für den Frieden zu zahlen? Wie viel Territorium, wie viel Unabhängigkeit, wie viel Souveränität sind sie bereit, für den Frieden zu opfern?»

Welcher verpeilte Putin-Versteher, welcher Defätist, welcher Kompromissler, welches Weichei säuselt denn so etwas? Wer ist da auf die russische Propaganda hereingefallen, hat gar eine Gehirnwäsche hinter sich?

Es ist besorgniserregend, denn der Autor dieses Zitats ist – Jens Stoltenberg. Das ist immerhin der NATO-Generalsekretär und damit der oberste politische Verantwortliche für das westliche Militärbündnis.

Seine Befugnisse und Aufgaben sind zentral:

«Der Generalsekretär ist der höchste internationale Beamte der Allianz. Er ist verantwortlich für die Steuerung der Beratungen und die Entscheidungsfindung in der Allianz und stellt sicher, dass getroffene Entscheidungen auch umgesetzt werden. Der Generalsekretär vertritt die NATO auch in der Öffentlichkeit und leitet den Internationalen Stab der Organisation, der den nationalen Vertretungen im NATO-Hauptquartier Beratung, Orientierung und administrative Unterstützung bietet.»

Wenn also dieser Generalsekretär völlig richtig zur Einsicht kommt, dass selbstverständlich nur durch Verhandlungen das Elend und Leiden in der Ukraine beendet werden kann, wie steht es dann um die Forderungen aller Kriegsgurgeln, inklusive des Präsidenten der Ukraine, dass nur ein vollständiger Rückzug der russischen Truppen die Voraussetzung für Verhandlungen schaffe?

Dass niemals auch nur ein Quadratmeter der Ukraine weiterhin von Russland okkupiert bleiben dürfe? Dass es keinerlei Konzessionen auf diesem Gebiet gebe? Dass die Ukraine siegen müsse?

Wieso wird in den Massenmedien die Illusion befeuert, dass eine Kriegspartei ihre Maximalforderungen durchsetzen werde, die andere den schmählichen Rückzug anzutreten habe, und dass nur dieses Ergebnis ein Ende des Gemetzels bewirke?

Nicht einmal mehr Präsident Putin selbst behauptet noch seine ursprünglichen Kriegsziele. Absetzung der angeblich faschistischen ukrainischen Regierung, Eroberung der Hauptstadt in einem Enthauptungsschlag, anschliessend Säuberung der ganzen Ukraine von faschistischen Elementen. Obwohl er häufig als von der Realität abgekoppelter Wahnsinniger beschrieben wird, ist es ihm offensichtlich klar, dass allerhöchstens die Krim, die Neutralität der Ukraine für einige Zeit und die vorläufige Besetzung des Donbass ein realistisches Verhandlungsziel sein kann.

Dagegen sind die meisten westlichen Kommentatoren von der Realität ziemlich abgekoppelt.

Weltmeisterschaft der Heuchler

Es sollte eine olympische Disziplin werden. Pflicht, Kür, Medaille im Heuchel-Wettkampf. Verliehen wird ein Tartuffe in Gold, Silber oder Bronze.

Ich sage Afghanistan. Was sagst du? Die Flüchtlingsorganisation der UNO sagt: «UNHCR ruft aufgrund der humanitären Krise in Afghanistan zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung im Interesse des afghanischen Volkes auf.»

Was sagt die UNICEF, die Kinderhilfsorganisation der UNO? «Wir fordern die Taliban und andere Parteien auf, dafür zu sorgen, dass UNICEF und unsere humanitären Partner sicheren, rechtzeitigen und ungehinderten Zugang haben, um Kinder in Not zu erreichen, wo immer sie sind. Darüber hinaus müssen alle humanitären Akteure die Möglichkeit haben, nach den humanitären Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu handeln.»

Was sagt CH Media? «Deutscher Afghanistan-Veteran: «Die Menschen fürchten die Rache der Taliban – sie haben Todesängste»»

Was meldet der «Tages-Anzeiger»? «James Dobbins war der erste US-Botschafter in Afghanistan nach der Invasion von 2001 und Berater von Bush und Obama. Er sagt unter Tränen: Ich trage eine Verantwortung.»»

Was sagen die USA über das Schicksal der bereits Ausgeflogenen, die in Doha zwischengelagert werden? «Man sei sich der «schrecklichen hygienischen Zustände in Katar» bewusst, die dort geherrscht hätten, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Man habe bereits daran gearbeitet, sie zu verbessern», berichtet «20 Minuten».

Die St. Galler Stadträtin Sonja Lüthi:

«Ich bin persönlich – wie auch der gesamte Stadtrat – tief betroffen von den erschütternden Bildern, die uns aus Afghanistanerreichen.»

Auch Balthasar Glättli, Präsident der «Grünen», ist aufgewacht und will das Feld nicht Afghanistan-Kreische Fabian Molina und seiner SP überlassen: «Der Bundesrat zeigt sein kaltes Herz: 230 Personen aufzunehmen, während Millionen Menschen in Gefahr sind, ist ein Hohn. Wir GRÜNE fordern die Aufnahme von mindestens 10’000 Menschen, die besonders bedroht sind.»

Hauptsache gut im Bild: Balthasar Glättli.

Das sieht die Schweizerische Flüchtlingshilfe auch so:

«Afghanistan: Die Schweiz muss mehr leisten für den Schutz der Flüchtlinge»

Neben diesem Maulheldentum, was passiert denn konkret? In Deutschland versucht ein EU-Abgeordneter der Grünen, einen Charterflug nach Kabul zu organisieren und sammelt dafür Spenden ein. Leider hatte der gleiche Erik Marquardt schon rund 300’000 Euro für das Chartern eines Bootes zur Seenotrettung im Mittelmeer gesammelt. Zu einem Einsatz des Schiffes kam es nicht

Aber Marquardt unterscheidet sich von den fordernden Heuchlern immerhin dadurch, dass er etwas Konkretes auf die Beine stellen will. Er antwortet allerdings nicht auf journalistische Anfragen; man sei zu sehr mit der Organisation des Charterflugs beschäftigt. Mangels anderer Nachrichten ist es wohl eher ausgeschlossen, dass der vor dem 31. August noch stattfinden wird.

Reine Heuchelei, absurde Forderungen

Alles Betroffenheitsgesülze ist reine Heuchelei. Konkrete Hilfe ist gar nicht so einfach. Vielleicht sind da alle unter talibanartigen Zuständen bei Tamedia leidende Frauen konsequent, wenn sie zum Thema Afghanistan und Frauen einfach schweigen. Betrifft ja nicht ihren eigenen Bauchnabel, und der interessiert sie halt schon am meisten.

Es ist schwierig, konkret etwas zu tun. Angesichts all dieser hohlen Forderungen, Solidaritätsadressen, dem mehr oder minder lyrischen Ausdruck der Erschütterung kann man nur festhalten: das ist alles so widerlich, dass es eine neue Wettkampfdisziplin geben sollte. Wir schlagen den Namen «Radfahrer-Dreisprung» vor. Gemessen werden die Sprungweite, die Haltung dabei und die Eleganz der Landung.

Dabei gibt es eine Pflicht- und ein Kürnote. Pflicht bewertet die obligatorischen Sprünge, Kür besondere Einlagen dabei.

Gehupft wie gesprungen: leiden und fordern.

Der erste Sprung besteht in der möglichst eindrücklichen Darstellung der eigenen Betroffenheit. Der zweite ist das Anprangern des allgemeinen Versagens, ausgenommen das eigene. Der dritte Sprung besteht schliesslich aus einem Forderungskatalog.

Kürnoten gibt es für Zusatzsaltos, Schrauben und besonders beeindruckende Luftblasen beim Springen. In der Schweiz sind zurzeit Cédric Wermuth, Fabian Molina und neu Balthasar Glättli in den Medaillenrängen. Aber eine endgültige Bewertung steht noch aus; alle Sprünge bis zum 31. August zählen für die Wertung.

Von links nach links: Wermuth und Molina sowie Molina.

Der Wettbewerb steht auch für Frauen, Transgender oder Non-Binäre offen, obwohl wir hier noch keine beeindruckenden Leistungen gesehen haben; vielleicht mit Ausnahme von Sibel Arslan oder Tamara Funiciello. Aber beide haben noch keinen gültigen Versuch hingelegt, nur unkoordinierte Kurzsprünge.

Wenn du für alle kämpfst, kämpfst du für niemanden …

Nur meckern und polemisieren?

Natürlich ist die Frage erlaubt: Was macht dann ZACKBUM eigentlich? Wir haben gespendet, obwohl wir nicht sehr optimistisch sind. Wir setzen uns zudem für den in die Schweiz geflüchteten ehemaligen BBC-Bürochef in Kabul ein, der verzweifelt versucht, seine Familie aus Afghanistan herauszukriegen. Es ist bekannt, dass die fundamentalistischen Irren hinter ihrer freundlichen Fassade für blöde westliche Medien schon längst dabei sind, Listen abzuarbeiten, auf denen auch kritische Journalisten oder deren Familienangehörige stehen.

Dafür halten wir uns mit Betroffenheitsgesülze zurück, stellen keine absurden Forderungen auf und schimpfen auch nicht über das Versagen des Westens in Afghanistan, nachdem wir jahrelang nichts zu diesem Thema sagten. Uns hält das, im Gegensatz zu den Berufsheuchlern, etwas von Verurteilungen ab.

 

 

 

 

 

Tamedia: selber schuld, ihr Machoschweine!

Die toleranten Frauenversteher im Haus der politischen Korrektheit haben nun das Geschenk. Ein Protestschreiben von 78 Mitarbeiterinnen mit absurden Forderungen und Weinerlichkeiten.

Erst als ein paar der unterzeichnenden Frauen und Oberchefredaktor Arthur Rutishauser gegenüber ZACKBUM bestätigten, dass dieses Schreiben authentisch ist, konnten wir es glauben.

Denn wir hatten im Hinterkopf, dass ein begabter Imitator diesen vierseitigen «Protestbrief» nebst «Forderungen» verfasst haben könnte. Denn den Inhalt trauten wir nicht mal den 78 Unterzeichnerinnen zu.

Der uns vorliegende Brief hebt damit an, dass «erneut mehrere talentierte, erfahrene Frauen gekündigt» hätten. Aus «Resignation und Frust darüber», dass sich die Situation der Frauen in den Tamedia-Redaktionen nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert hätte. «Trotz anderslautender Statements.»

Dagegen teilte die Geschäftsleitung ebenfalls Freitagnachmittag den Zwischenstand bei der Arbeitsgruppe «Diversity» unter Leitung von Priska Amstutz, Unter-Co-Chefredaktorin beim «Tages-Anzeiger», mit. Hier wird unter anderem festgehalten, dass in der Geschäftsleitung von Tamedia das Verhältnis Männlein Weiblein «relativ ausgeglichen» sei. Noch besser: «Die Lohngleichheit wird regelmässig mittels Lohnanalysen überprüft. Diese zeigen, dass es keine Hinweise auf systematische Unterschiede gibt.»

Das Schreiben in seiner vollen Pracht: Schreiben_GL

Zustände bei Tamedia wie in Saudi-Arabien?

Aber laut dem Protestschreiben müssen in Wirklichkeit Zustände auf den Tamedia-Redaktionen herrschen, an denen Fundamentalisten, Burka-Befürworter und religiöse Irre ihre helle Freude hätten. Denn fast wie in Saudi-Arabien würden Frauen «ausgebremst, zurechtgewiesen oder eingeschüchtert». Schlimmer noch: «Sie werden in Sitzungen abgeklemmt, kommen weniger zu Wort, ihre Vorschläge werden nicht ernst genommen oder lächerlich gemacht.»

Kein Wunder, dass die Tamedia-Frauen so daran gehindert werden, ihre Arbeit «motiviert, hartnäckig, leidenschaftlich» zu machen. Also arbeiten sie offenbar demotiviert, kurzatmig und leidenschaftslos. Der Umgangston sei «harsch», oft auch beleidigend. Da soll doch «ein Mitglied der Chefredaktion» einer Redaktorin gesagt haben, «sie sei überhaupt nicht belastbar».

Da sämtliche Täter, Opfer, Gegangene oder noch Leidende nur anonym im schlechtesten «Republik»-Stil vorkommen, lässt es sich leider nicht eruieren, ob die Redaktorin nach dieser sexistischen, ungeheuerlichen Beleidigung notfallmässig ins Spital eingeliefert werden musste, sich seither in einer Burn-out-Klinik gesund pflegen lässt oder unter schweren Medikamenten arbeitsunfähig geschrieben wurde.

Das Problem bei Tamedia ist – «strukturell»

Auf jeden Fall, das Wort kennen wir aus allen Formen der Diskriminierung, die Probleme seien «strukturell». Aber, so wie «Black lives matter» vor allem in der Schweiz das unerträgliche Schicksal der Schwarzen deutlich verbessert hat, auch hier gibt man, Pardon, frau, sich kämpferisch: «Wir sind nicht bereit, diesen Zustand länger hinzunehmen.»

Nehmt das, ihr Macho-Männer an den Schalthebeln, hier kommen die Frauen und fordern. Selbstverständliches («wir erwarten, mit Anstand und Respekt behandelt zu werden»), natürlich eine «anonymisierte Umfrage», wo frau ungehemmt losschimpfen kann. Ein Kessel Buntes zusammen mit Absurditäten. Es soll und muss mehr Frauen in «Führungspositionen» geben, «neue strategisch wichtige Teams» sollen «von Anfang an mit mindestens einem Drittel Frauen besetzt werden». Dann natürlich das Übliche, Frauenförderung und eine Diversity-Beauftragte (oder ein -beauftragter, immerhin).

Aber was sind schon Forderungen ohne Ultimatum: «Wir erwarten bis zum 1. Mai 2021 konkrete Vorschläge zur Umsetzung unserer Forderungen.» Unterschrieben ist das Ganze von Salome Müller, der Meisterin des non-binären Gendersternchens, bis Andrea Fischer, altgediente, aber unauffällige Tamedia-Redaktorin seit über 21 Jahren. Allerdings: Was ist schon ein Ultimatum ohne Drohung? Wenn nicht, dann verstopfen wir mit Tampons das Männerklo? Da müsste doch etwas kommen.

Die Auflistung des täglichen sexistischen Grauens

In einem «Anhang» wird dann auf siebeneinhalb Seiten das unerträgliche Höllenfeuer mit Beispielen lodern gelassen, dem sich Tamedia-Redaktorinnen ausgesetzt sehen. Erniedrigungen, anzügliche Bemerkungen, sexistische Schweinereien, gar Schlimmeres erwartet hier der erschütterte oder voyeuristische Leser, je nachdem.

Beide werden bitter enttäuscht. Es ist eine peinliche, entlarvende, erbärmliche Auflistung von mehr oder minder dümmlichen Sprüchen, die in jedem grösseren Unternehmen gesammelt werden könnten. Jede wirklich unter männlicher Unterdrückung und primitiver Anmache leidende Frau würde sich darüber totlachen. Ein paar Müsterchen? «Du bist hübsch, du bringst es sicher noch zu was.»

«Als jemand das Thema Gendersternchen vorschlug, hiess es erst, es sei schon genug «Klamauk» zum Thema gemacht worden. Das richtete sich nicht per se gegen eine Frau, aber gegen die Art des gendergerechten, integrierenden Schreibens.»

«Bei einem Text, der ausschliesslich von der Perspektive junger Frauen handelte, sagte der ältere Vorgesetzte: «Es ist falsch, was du schreibst.»

«An Sitzungen wiederholen Männer oft die Ideen, die in den ersten 5 Minuten von Frauen des Meetings vorgebracht wurden. Die Männer ergänzen die Idee nicht, sondern sagen einfach dasselbe, ohne zu erwähnen, dass die Idee von Kollegin xy stammt.»

«Aber ihr seid doch mitgemeint, wenn man das generische Maskulinum benutzt.» – «Nein, ich fühle mich nicht mitgemeint. Du weisst nicht, wie ich mich fühle.» – «Ihr seid mitgemeint. Das ist historisch so.»

«Es wird uns Journalistinnen nicht zugetraut, entsprechend unseres journalistischen Instinkts und unserer Expertise Themen zu erkennen und journalistisch umzusetzen.»

«In einer Blattkritik wurde der Einstieg eines Textes über den historischen Frauenstreik kritisiert: «Wir sollten ob unserer Begeisterung nicht unser Urteilsvermögen aufgeben.»»

«Ich: «Verdienen Männer hier denn mehr als Frauen, wie ist es so mit der Lohngleichheit?» Antwort, schreiend: «Du musst den Vertrag ja nicht unterschreiben.»»

Habe ich das erfunden? Nein, unmöglich. Ist das ernstgemeint? Nun ja, das ist zu befürchten. Warum ist das so? Das kommt davon, wenn sich die beiden verzwergten Co-Unter-Chefredaktoren in feministischer Kampfschreibe überbieten wollen. Das kommt davon, wenn die Führung des Ladens jedes Mal zusammenzuckt, wenn eine weder des Schreibens noch der deutschen Rechtschreibung mächtige Redaktorin Schwachsinn wie die allgemeine Einführung des Gender-Sternchens, den Kampf gegen die Unterdrückung der Frau innerhalb und ausserhalb der Redaktion einfordert.

Wer noch nicht genug hat: Brief an CR_GL von 78 Tamedia-Frauen 05.03.2021

Wenn fehlgeleitete Verbal-Radikal-Feministinnen das Unterdrückungssymbol Verschleierung zum Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung in der Kleiderwahl umlügen, dabei sogar noch von führenden, männlichen Opportunisten unterstützt werden, wenn jede verbale Attacke zum sexistischen Übergriff umgedeutet wird, dann kommt es zu solchen Metastasen der abgehobenen Idiotie.

Dieses Bedürfnis nach usurpiertem Phantomleiden

Es ist diese Haltung des geliehenen Opferstatus, des Leidens an Phantomschmerzen, dieser Stellvertreterkrieg mangels echten Schlachten und Opfern, die Umdeutung von Nichtigkeiten zu Gewalttätigkeiten, die unglaublich nervt. Weil Redaktorinnen in der geschützten Werkstatt Tamedia auch gerne mal so richtig als fürchterlich unterdrückte, ausgegrenzte, misshandelte, sexistisch angegangene, ständig von Männergewalt, Vergewaltigungsversuchen und brutalster Unterdrückung leidende Frauen gesehen werden möchten.

Aber weil niemand sie so sieht, weil es nicht so ist, weil bei Tamedia jeder Vorgesetzte weiss, dass er ein Riesenproblem hat, wenn eine Mitarbeiterin die Kritik an ihrem völlig gescheiterten Text flugs als Ausdruck männlicher Unterdrückung von fraulichen Perspektiven umdeutet, wird dem Wahnsinn Tür und Tor geöffnet.

Wo zu viel Verständnis vorhanden ist – oder geheuchelt wird –, wächst das Unverständliche in den Himmel.

Wunderlich ist nur: Von allen Chefchefs abwärts bis zu Pygmäen-Chefs wie Mario Stäuble und anderen wird wortreich, erschütternd die vielfältige Unterdrückung, der Missbrauch der Frau, gerade in der Schweiz, angeprangert. Aber wenn es so schlimm ist, wie diese 78 Redaktorinnen behaupten, wenn es bei Tamedia täglich schlimmer wird, wieso haben denn all diese Frauenversteher, diese Kämpfer für Gleichberechtigung, diese unerschrockenen Kommentarschreiber gegen jede Form von männlichem Sexismus, das denn nicht in ihrem nächsten Umfeld bemerkt?

Wieso merkt das denn keiner der männlichen Kampffeministen bei Tamedia?

Da kann es nur drei Erklärungen geben. Die unterzeichnenden Redaktorinnen haben in ihrer Gesinnungsblase völlig den Bezug zur Realität verloren. Oder aber, sie wollen nun vereint jede Kritik an ihrem professionellen Ungenügen von vornherein verunmöglichen. Oder, alle männlichen Wortführer für die Sache der Frau sind in Wirklichkeit abgrundtiefe Heuchler.

Die Wahrheit dürfte aus all diesen drei Teilen bestehen. Selber schuld, aber wer möchte denn jetzt gerade ein männlicher Vorgesetzter sein, der einer weiblichen Untergebenen näherbringen muss, dass ihr Text schlichtweg Schrott, unbrauchbar, nicht zu retten, schwachsinnig, fehlerhaft, unlogisch, nicht durch Fakten abgestützt ist? Zudem Ausdruck einer mehr als schlampigen Recherche? Das arme Schwein sitzt fünf Minuten später – von einer Fristlosen bedroht – bei Human Resources und muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, er habe die Redaktorin als Schlampe tituliert.

Wobei sie das atomare Argument über ihm explodieren lassen darf: «Wie auch immer, ich habe das aber so empfunden.» Und wer, ausser wir bei ZACKBUM, würde sich trauen, dieses 12-seitige Schreiben als Bankrotterklärung aller Anliegen, für die sich die Frauenbewegung zu Recht in den letzten hundert Jahren eingesetzt hat, zu bezeichnen?

Wer den Wahnsinn wuchern lässt, wird von ihm verschlungen

Denn es war, ist und bleibt klar: Es gibt gute Texte, mittelmässige Texte und Schrott. Dafür gibt es keine objektiven Kriterien, aber doch vorhandene. Keines dieser Kriterien hat mit dem echten oder eingebildeten Geschlecht des Autors zu tun. Lässt Tamedia diesen selbst gezüchteten Unsinn wirklich ausarten, dann wird das Haus bald einmal auch Fragen wie in Holland diskutieren müssen. Wer denn überhaupt legitimiert ist, über welche Themen wie zu schreiben. So wie dort ernsthaft debattiert wird, wer das pubertäre Gedicht von Amanda Gorman übersetzen darf. Wohl nicht eine weisse Frau mit ganz anderem kulturellem Hintergrund als die hinaufgejubelte schwarze Gebrauchslyrikerin aus den USA.

Die Tamedianerinnen wärmen einfach einen der urältesten demagogischen Kniffe auf diesem Gebiet auf. «Diese Arbeit ist unterirdisch schlecht.» – «Das sagst du nur, weil ich eine Frau bin.» – «Nein, das sage ich, weil die Arbeit ein Pfusch ist.» – «Du als Mann kannst das doch gar nicht beurteilen.» – «Doch, auch als weisser, heterosexueller, privilegierter alter Mann kann ich beurteilen, wie die Arbeit einer schwarzen, lesbischen, unterprivilegierten jungen Frau ausgefallen ist.»

Alle Apologeten eines Glaubens, einer Ideologie, einer Diktatur behaupten, dass es bestimmte Voraussetzungen braucht, um etwas beurteilen zu können. Sei das das Tragen eines Kopfschmucks, das richtige Verstehen eines heiligen Buchs, die dialektisch-materialistische Analyse der objektiven Klassenverhältnisse, die einem nur nach tiefen Studium der Werke von Marx/Engels zusteht – oder das Vorhandensein oder die Abwesenheit bestimmter Geschlechtsorgane oder Hautpigmente. All das ist immer wieder der gleiche Schwachsinn, der immer wieder besiegt werden muss.

Denn merke: Wenn man dem Wahnsinn nicht rechtzeitig und energisch Einhalt gebietet, dann will er die Herrschaft ergreifen. Oder die Frauschaft.