Wumms: Markus Somm
Wie ein Verzweifelnder zum Zyniker wird.
Markus Somm hat schwer zu tragen. Er wurde von Christoph Blocher himself als Chefredaktor und Mitbeteiligter an der «Basler Zeitung» eiskalt abserviert, obwohl er eine hymnische Biographie über ihn geschrieben hatte.
Dennoch sieht er sich als Unternehmer und Medienmanager. Und kaufte den «Nebelspalter», eine der aberwitzigsten Entscheidungen im jüngeren Schweizer Journalismus. Anschliessend machte er so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Eine unvollständige, weil sich ständig erweiternde Liste seiner Fehler kommt auf über 30 Positionen. Wozu sie wiederholen.
Der «Nebelspalter» geht den Weg alles Irdischen. Viel Geld verröstet, die Redaktion aufgebläht (inklusive «Assistentin der Chefredaktion»), dann brutal kleingeholzt. Wie man Leute entlässt, das ist immer ein Grandmesser für Anstand. Wie der Chefredaktor des Print-«Nebelspalter» entlassen wurde, ist ein abschreckendes Beispiel für fehlenden Anstand.
Dann hat Somm noch ein tieferreichendes Problem. Er ist Renegat. Er war mal links, sympathisierte mit dem Trotzkismus, solidarisierte sich mit der GSoA, die eine Abschaffung der Schweizer Armee forderte – und einen Achtungserfolg an der Urne erzielte.
Aber statt darauf stolz zu sein, muss er bis heute Abbitte leisten, bereuen, so stramm wie kein anderer Position beziehen. Besonders unappetitlich wird das im Fall Israels. Da ist ihm nichts zu dümmlich, um das Vorgehen der israelischen Regierung und Armee zu verteidigen. Das seien einfach «die Guten», entblödet er sich nicht zu schreiben.
Das kann man noch als intellektuelle Bankrotterklärung stehenlassen. Aber in seinem jüngsten «Memo» übertrifft er sich selbst, und das ist gar nicht so einfach.
Der Propaganda-Chef der israelischen Armee könnte das nicht besser: «Die Israelis haben inzwischen rund 950’000 Palästinenser aus Rafah evakuiert», behauptet er, also Somm. Das ist nett von den IDF. Muss man sich mal vorstellen: Panzer bilden ein Spalier, Militärpolizisten lenken den Verkehr, Soldaten verteilen Erfrischungen, Pioniere bauen währenddessen Zelte auf, installieren Latrinen und Küchen. Armeesanitäter bereiten alles für die medizinische Versorgung von 950’000 Palästinensern vor. Die sehen grosszügig darüber hinweg, dass ihnen noch vor Kurzem der Südwesten des Gazastreifens als sicheres Fluchtgebiet vorgegaukelt worden war. Was gestern noch Zuflucht war, ist heute halt Kriegszone.
Auch dahin waren sie bekanntlich von der israelischen Armee «evakuiert» worden. Nach der Devise: sorry, verpisst euch, wir müssen nun leider alles in Grund und Boden bombardieren, wo ihr gelebt habt. Denn darunter, tief im Boden, haust die Hamas, und die wollen wir vernichten.
Wenn in den neuen Evakuierungsgebieten nicht alles so klappt, wie es soll, gibt es natürlich nur einen Schuldigen: «Die Versorgung ist jedoch prekär – zumal Hamas, eine Terrororganisation und Virtuosin des angewandten Zynismus, alles dafür tut, dass kaum Hilfsgüter in Gaza eintreffen.» Es ist aber auch zum Verzweifeln. Statt auf Besserwisser Somm an seinem Zürcher Schreibtisch zu hören, behaupten doch verschiedene UNO-Organisationen und NGOs vor Ort, dass sich Israel des Kriegsverbrechens schuldig mache, die Bevölkerung auszuhungern. Wie können die sich alle nur so irren.
Überhaupt sind die Bösen an allem schuld, weil die Guten ja an nichts schuld sein können: «Wenn heute Montag bekannt wurde, dass die Israelis ein Zeltlager in der humanitären Zone bombardiert haben, dann liegt das an diesem widerrechtlichen, kaltblütigen Verhalten der Hamas.»
Wenn es nicht so widerwärtig wäre, wäre es fast lustig: selbst der israelische Ministerpräsident bezeichnet die Bombardierung eines Flüchtlingslagers mit Dutzenden von Toten inzwischen als «tragisches Missgeschick», das er bedauert. Hört denn etwa auch der nicht auf Somm, der keinerlei Anlass für solche Weichheit sieht?
Was für den einen ein schreckliches Missgeschick ist, ist für den anderen halt ein «Kollateralschaden», denn wem sollte man glauben, fragt Somm rhetorisch, «den Terroristen, also ausgewiesenen Massenmördern, die bereits mehrfach der Lüge überführt worden sind?»
«Oder einem demokratischen Rechtsstaat, der sich im Übrigen der Kritik der ganzen Welt stellen muss» wie die Hamas auch und der ebenfalls schon mehrfach der Lüge überführt wurde? Nein, den zweiten Teil hat Somm nicht über die Lippen gebracht, denn «die Guten» können doch nicht lügen. Aber:
«Gewiss, für die Flüchtlinge, die als «Kollateralschaden» ihr Leben verloren haben, ist das kein Trost, zumal er sie nie mehr erreichen kann. Krieg ist schrecklich. Gerade weil ständig Unschuldige sterben – das können auch Tausende von Warnungen und Flugblättern nicht ändern.
Umso mehr kommt es darauf an, nicht zu vergessen, wer diesen Krieg ausgelöst hat.»
Ja, Krieg ist eine schlimme Sache. Und immer diese Zivilisten, die der guten Sache im Weg stehen. Und ohne Trost sterben müssen. Aber vielleicht hilft es diesen Unschuldigen posthum, dass sie für das Gute gestorben sind, das halt über Leichen gehen muss, um das Böse zu vernichten.
Was ist denn mit den 300’000 Zivilisten, die trotz allen humanistischen Anstrengungen der Israelis immer noch im Gebiet blöd rumstehen, das ihnen von den Israelis als sicherer Zuflucht angepriesen wurde, jetzt aber auch laut Somm «Kriegsgebiet» ist?
«Keiner von ihnen hat es verdient zu sterben. Hoffentlich nehmen sie die vielen Warnungen und Angebote der Israelis endlich ernst.»
Das ist nun der Gipfel an Zynismus. Sie sollen die Warnungen ernst nehmen und sich in ein neues «humanitäres Gebiet» flüchten. Damit sie dann dort bombardiert werden, so wie sie im vorherigen «humanitären Gebiet» abgemurkst werden.
Und das alles, weil sie dem absurden Kriegsziel im Weg stehen, die Hamas vollständig zu vernichten. Laut Schätzungen sind bislang vielleicht ein Drittel ihrer Kämpfer getötet worden. Sobald Israel sich zurückzieht, werden ihnen Heerscharen von Freiwilligen zuströmen. Aus den Ruinen, aus der völlig zerstörten Infrastruktur des Gazastreifens. Wo nur noch Hass und Rachedurst wachsen, wo Tausende von Eltern ihre Kinder begraben mussten, und Tausende von Kindern ihre Eltern.
Damit stellt ZACKBUM die Berichterstattung über Somm endgültig ein. Es gibt Grenzen für alles. Ausser für ihn.