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Dumm und dümmer

Provokateur Rimoldi und die Folgen in den Medien.

Nicolas A. Rimoldi twitterte: «Florida erlaubt das verdeckte Tragen von Waffen ohne Lizenz. Bravo! Das Recht auf Selbstverteidigung ist ein Grundrecht. Wann zieht die Schweiz endlich nach?»

Da es kein Grundrecht auf das Erleichtern von Schulmassakern gibt, ist dieser Tweet an Dummheit schwer zu überbieten. Das öffentlich zu zelebrieren, ist allerdings ein Grundrecht. Die Nationalrätin der Grünen Meret Schneider unternahm einen gültigen Versuch und twitterte zurück: «Ach was, in Notwehr erstech ich den Rimoldi auch mit dem Sackmesser.»

Da gab sich Rimoldi plötzlich staatstragend: «Eine mutmassliche Morddrohung hat in einer Demokratie nichts zu suchen. … Die Terroristen vom Schwarzen Block wissen jetzt, was sie zu tun haben.» Und Rimoldi darf nicht einmal eine verdeckte Waffe tragen, allerdings ein Sackmesser. Aber er droht mit Anzeige. Schneider versuchte zuerst, das Ganze als (April)scherz abzutemperieren und verordnete sich dann selbst eine Auszeit auf Twitter.

Beide Tweets zeigen mal wieder, dass diese Plattform bestens geeignet ist, dass sich ansonsten zurechnungsfähige Menschen ins Elend twittern. Davon kann auch Mike «Arschloch» Müller ein Lied singen.

Interessant ist die leicht unterschiedliche Gewichtung in der Wiedergabe in den Mainstream-Medien. «Blick» bleibt weitgehend auf der nüchternen Beschreibungsebene: «Nicolas A. Rimoldi zeigt Meret Schneider wegen Tweet an». «20 Minuten» gibt daraufhin die «Blick»-Meldung beinahe eins zu eins wieder.

Dann widmet sich die Pendlerzeitung den absehbaren Reaktionen aus der Politik. Schneider wird von einer anderen Grünen verteidigt («ironischer Spruch in einem ironischen Zusammenhang»), von der FDP heisst’s, Schneider müsse sich entschuldigen, die Mitte sucht die Mitte: Es sei gut, dass Schneider den Tweet gelöscht habe.

Dann zieht «Blick» auf seine Art nach: «Grünen-Nationalrätin erhält Morddrohungen nach umstrittenem Rimoldi-Tweet». Mit dieser Aussage (ohne Überprüfung) wird sie zitiert, der «Blick» schliesst verteidigend: «In ihrem auf absehbare Zeit letzten Twitter-Post erhält Schneider auch viel Unterstützung. Es wird auf die Verantwortung von Medien verwiesen, wie über solche Drohungen zu berichten. Auch Rimoldi-Anhänger werden in die Pflicht genommen. «Auf seine Fanboys kann sich der Rimoldi verlassen», so ein User. «Was für eine Saubande.»»

Dann steigt «watson» etwas wirr in die Debatte ein. Das Geschehene wird rekapituliert und um einen weiteren Angriff Rimoldis ergänzt, der fordere «die SP Dielsdorf und Juso-Präsident Nicola Siegrist auf, sich von einem Juso-Politiker zu distanzieren, der Schneiders Sackmesser-Aussage weiterzog. Er twitterte: «Also ein Schweizer Sackmesser in seinem Hintern (Rimoldis) sollte keine Ironie sein, sondern Realität.»» Für Leser, die Rimoldi nicht kennen sollten, erklärt «watson»: «Nicolas Rimoldi wurde als Coronamassnahmen-Skeptiker bekannt.» Für  was Meret Schneider bekannt ist, enthüllt das Listical-Magazin allerdings nicht.

nau.ch wiederum beschränkt sich auf eine Rekapitulation des Vorfalls. Dann steigt – Überraschung – auch noch die «Weltwoche» ein, und als vorläufig letzte Drehung meldet «20 Minuten»: «Die grüne Nationalrätin Meret Schneider wird nach einem Tweet mit Drohungen eingedeckt. Nun leitet sie diese der Polizei weiter und überlegt sich eine Reihe von Anzeigen.»

Und was sagen die anderen grossen Bezahlzeitungen, also «Tages-Anzeiger» samt Kopfblattsalat, CH Media oder die NZZ? Nichts. Keine Meldung, keine Erwähnung, einfach nichts.

Man ist versucht, die Frage zu stellen, ob das im umgekehrten Fall – Rimoldi provoziert Schneider mit einem grenzwertigen Spruch – auch so gewesen wäre …

 

Weltwochenbetrachtung

ZACKBUM legt mal wieder das Zentralorgan der guten Laune auf die Couch.

Es ist schon so: Wo Christoph Mörgeli hinschlägt, wächst so schnell kein Gras mehr. Diesmal erfreut er gleich am Anfang der aktuellen Ausgabe den Leser mit einer gnadenlosen Story: «Irène Kälins Weltreisen». Denn die grüne Nationalpräsidentin hält es nicht so mit dem Vermeiden unnötiger Flugmeilen. So reiste sie in die Ukraine. In den Niger nach Westafrika. Nach Slowenien. Nach Schweden und Finnland. Mit Mann und Kind zum Papst im Vatikan. Alles am liebsten im Bundesratsjet, das hohe Amt verpflichtet. Allerdings: «Genaue Zahlen über die Kosten einzelner Reisen werden nicht publiziert», zitiert Mörgeli genüsslich aus der Antwort des Büros der Nationalratspräsidentin auf eine parlamentarische Anfrage.

Dann kommen wir aber zu einer regelrechten Mogelpackung in Form der Titelgeschichte. «So schützen Sie Ihr Geld», das hört sich mal gut an. Allerdings folgen dann zwei Seiten Bankertalk mit heisser Luft, Wolkenschiebereien und windelweichen Aussagen. Wobei der «ehemalige Chefökonom der Bank Julius Bär» zunächst einmal mehr als eine Seite darauf verschwendet, alle dunklen Wolken am Horizont der Finanzwelt zu beschreiben.

Um dann nach einigem Geeier zur grossartigen Geldschutz-Aussage zu gelangen: «Bei steigender Inflation Aktien und Immobilien, allenfalls Gold … kaufen.» Es ist ziemlich peinlich, eine solche Ansammlung von Allgemeinplätzen, die jeder Bürogummi im Back-Office als Textbausteine aus dem Computer purzeln lassen kann, als Coverstory zu verkaufen. Aber wie meint Roger Köppel in seinem wie immer viel zu langen Interview mit Helmut Markwort (85): «Das Schwierigste ist die Titelstory. Was war da Ihr Konzept? – Das ist jede Woche die schwierigste, fürchterlichste Entscheidung.» Wie wahr.

Der absolute Tiefpunkt dieses Hefts wird aber mal wieder von Urs Gehriger erreicht: «In Florida geht die Sonne auf. Die USA erleben eine Völkerwanderung in den « Sunshine State». Hier ist Amerika noch, was es einmal war.» Das hat man halt davon, wenn er mal wieder in Palm Beach etwas Sonne tanken darf: «Ein paar Golfschläge vom «Breakers» entfernt hat der prominenteste Nachzügler auf Flaglers Spuren, Donald J. Trump, im Märchenschloss Mar-a-Lago sein Hauptquartier bezogen. Während sich der unermüdliche Ex-Präsident kaum in gewöhnliche Kategorien einordnen lässt, …»

Vielleicht wird ja der Gestaltungsdrang des unermüdlichen Ex-Präsidenten bald einmal von schwedischen Gardinen gebremst. Aber Gehriger ist nicht zu bremsen, wenn er mal ins Schwärmen gerät: «… Wohlstandstransfer von gigantischem Ausmass, … Das Narbengesicht Montana verpasste den Kubanern einen schlechten Ruf, der ihnen nicht gerecht wird. Die meisten sind rechtschaffen und steuern einen substanziellen Teil zum Erfolg Floridas bei …»

Die Wirklichkeit sieht ein wenig anders aus. Die Infrastruktur Floridas ist verrottet. Bei jedem kleineren Regenguss verwandeln sich die Strassen in Miami in kleine Flüsse. Die Qualität der meisten Hotels ist lausig. Miami Beach mit seinem Ocean Drive ist nur noch ein billiger Schatten seiner selbst. Das finanzielle Wunder Floridas besteht darin, dass hier die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen, in denen traditionell und bis heute die lateinamerikanischen Drogengelder gewaschen werden. Wobei die «rechtschaffenen» Kubaner weiterhin den lokalen Drogenhandel im Griff haben und ihn bislang gegen Angriffe russischer Mafiosi oder brasilianischer Banden verteidigen konnten. Downtown Miami ist wohl mit Abstand das schäbigste Stadtzentrum einer US-Grossstadt.

Der Verkehr kommt regelmässig zum Erliegen, und es ist keine Seltenheit, dass man vom Flughafen bis nach Miami Beach in der Rush Hour locker anderthalb bis zwei Stunden in der Kolonne verbringt. Immer in der Hoffnung, unterwegs nicht ausgeraubt zu werden. Aber von solchen Kleinigkeiten lässt sich ein Reporter doch nicht stören, der den Vollversager Trump mit Henry Flagler vergleicht. Besonderes Lob schüttet er auch über Floridas Gouverneur Ron deSantis aus. Dabei erwähnt er allerdings nicht, dass der gerade in gröbere Schwulitäten verwickelt ist, weil er als misslungenen PR-Stunt ein paar Dutzend Migranten per Flugzeug nach Martha’s Vineyard verfrachten liess, eine der US-Lieblings-Urlaubsinseln der Demokraten.

Immerhin ein gelungener Versuch, sich noch blöder anzustellen als sein grosses Vorbild Trump. Schafft das auch jemand in der «Weltwoche» im Nahvergleich mit Gehriger? Da kann es natürlich nur einen geben. Genau, den Mann, der angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» schreibt. Wenn Tom Kummer titelt: «Federer im Final gegen die Ewigkeit», dann überfallen den Leser spontane Zweifel, ob es Roger Federer eigentlich überhaupt gibt. Oder die Ewigkeit. Oder einen Text über Federer. Oder Tom Kummer. Oder die Fähigkeit, die Schmerzgrenze der Leser nicht immer wieder auszutesten bei Roger Köppel.

Dass dann der in Peru seine Pension geniessende Alex Baur den unfähigsten Präsidenten Brasiliens (und das will in diesem Land etwas heissen) als einen «Pragmatiker» bezeichnet, dessen «Politik vernünftig» sei, ist dann nur noch eine Randnotiz. Dass Jair Bolsonaro bei der Bewältigung der Pandemie krachend versagt hat, von noch mehr Korruptionsskandalen umweht wird als seine Vorgänger, so schlecht regiert, dass sogar das abgehalfterte Schlachtross Lula da Silva gute Chancen hat, ihn bei den nächsten Wahlen zu besiegen, das blendet Baur altersmilde aus.

Ach, und dann auch noch David Klein, das Elend nimmt in dieser WeWo kein Ende. Schwedendemokraten, Gérald Darmanin, Giorgia Meloni, das ganze Panoptikum wird aufgefahren. Allerdings: Vielleicht liegt ein Fluch auf der WeWo, denn meistens schmieren von ihr hochgelobte Politiker (Trump, Putin) oder Firmen (UBS, CS) grausam ab, kaum konnten sie sich im Glanz eines wohlwollenden WeWo-Artikels sonnen.