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Flexibilität hat ein neues Mass

Flexibel, überflexibel, strechflexibel. Gemessen in Tobler.

Immerhin, der Mann ist für etwas nutze. Es gibt ja für (fast) alles Messgrössen. Für Gewicht, Geschwindigkeit oder Kraft. Selbst für Schärfe gibt es die Scoville-Skala. Aber obwohl Flexibilität ein gern gebrauchtes Wort ist, fehlte hier bislang eine Angabe, ein Massstab.

Dank Andreas Tobler ist das nun anders. Er selbst ist hier das Mass aller Dinge. So wie es einen absoluten Nullpunkt gibt ( – 273,15 Grad Celsius), gibt es eine absolute Flexibilitätsobergrenze, die nicht überschritten werden kann. Sie lautet «1 Tobler».

Normale Menschen erreichen vielleicht ein Millitobler, also ein Tausendstel Tobler, so wie ein Milligramm 1/1000 Gramm ist. Damit könnte man den inhaltlichen Gehalt von Toblers Schreibstücken messen, aber das wäre ein anderes Thema.

Mit dieser «Analyse» hat Tobler den Massstab gesetzt:

Ein Problem für Naive wie die «Republik» und wie Tobler selbst. Denn der kopierte noch gestern eine entsprechende gelbgrüne Neidmeldung der Übelwoller:

Da schimpfte Tobler noch: «Anders als bei anderen «Izzy»-Projekten ist die Platzierung des Vilter-Logos auch nicht als Werbung deklariert. Und im Unterschied zu anderen Produkten – etwa den Samsung-Handys, für die der Komiker wirbt und die im Enkeltrickbetrüger-Film ebenfalls omnipräsent sind, ist Schild an der Firma Vilter beteiligt, wie er vor bald zwei Jahren in einem Instagram-Video publik gemacht hat.»

Um das herauszufinden, hätte Tobler auch einfach einen Blick ins Handelsregister werfen können, aber der Verweis auf ein zwei Jahre altes Video ist natürlich viel professioneller.

Wenn es jemals eine bessere Illustration für «was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an» gab, dann die einen Tag später erfolgte «Analyse» des gleichen Autors. Da meint er inzwischen:

«Für einen Journalisten ist es ein Tabu, Werbung zu machen. Schleichwerbung erst recht. Doch genau hier wird das Missverständnis der Empörten deutlich: Schild hat zwar eine journalistische Ausbildung absolviert – und er hebt das auch gern hervor. Aber das heisst noch lange nicht, dass er auch so wie ein Journalist arbeitet.»

Das ist nun von einer unerreichten Flexibilität. Dass der Tobler von heute dem von gestern eine reinhaut, lustig. Dass Tobler in einem Medienhaus arbeitet, das keinen Tourismus-, Auto- oder Konsumgadget-Artikel veröffentlicht, der nicht «unterstützt, gesponsert, mit Hilfe von» entstanden ist. Das eine eigene Abteilung beschäftigt, die nichts anderes tut, als Werbeanzeigen so täuschend ähnlich wie redaktionelle Beiträge daherkommen zu lassen, das als «Brandes Content» oder «Paid Content» Inserate erscheinen lässt, bei denen die einzige Absicht ist, dem Leser vorzugaukeln, er lese hier eine redaktionelle Eigenleistung, das ist nun wirklich zum Brüllen komisch.

Während es für eine Journalisten ein Tabu sein soll, Werbung zu machen, macht er mit jedem Artikel über ein Produkt, eine Firma, eine Dienstleistung, ein Bank Werbung dafür; selbst wenn es ein kritischer Artikel ist.

Und schliesslich wird Tobler selbst zum grössten Teil von der Werbung bezahlt, die Tamedia einnimmt, weil sie journalistischen Content herstellt. Weil allerdings dieser Content immer schlapper wird, sprudeln auch die Werbeeinnahmen nicht mehr so üppig und kommt es zu ständigen Sparmassnahmen. Allerdings nicht immer an der richtigen Stelle.

Und in diesem Sumpf erhebt Tobler sein Haupt und spricht von einem Tabu. Das ist Weltrekord an Flexibilität. Man könnte Toblers Kehrtwendung in einem Tag zum anderen als Wendehalsverhalten bezeichnen. Aber das reicht nicht aus, um diesen Grad von Flexibilität in der angeblichen Unterscheidung einer Tabuzone im Tobler-Journalismus und dem Verhalten von Cedric Schild zu beschreiben. Das ist einmalig, ein Tobler eben.

Aber wer unendlich flexibel ist, wird dadurch auch unverständlich. So wie Tobler am Schluss seiner «Analyse», in der nichts analysiert wird:

«Schild war also konsequent – im Unterschied zu all jenen, die ihre eigenen Wünsche in ihn hineinprojizierten oder beim Erreichen der jungen Zielgruppe einfach nur Trittbrettfahrer waren und eigene Prinzipien über Bord warfen.»

Schild sei konsequent, dieser Teil ist noch verständlich. Wer sind nun aber diejenigen, die Wünsche in ihn hineinprojiziert haben sollen und – im Unterschied – also inkonsequent seien? Wer ist Trittbrettfahrer, wer hat eigene Prinzipien über Bord geworfen?

Wer seinen Blickwinkel um 180 Grad (oder um 360 Grad, wie die deutsche Aussenministerin Baerbock sagen würde) ändert, ist ein Wendehals. Wer geradezu rotiert und sich ins Unverständliche verliert, ist megasuperüberflexibel. Ein Tobler halt. Einmalig, unerreicht, der Massstab. Danke.

 

Sparmassnahme? Niemals!

Der «Tages-Anzeiger» wird dünner. Pardon, flexibler.

Es darf mal wieder gelacht werden. Allerdings auf Kosten des Lesers. Oder im Double Speak der Tamedia-Chefredaktion am Dienstagmorgen auf der Front des Tagi:

«Ab sofort bieten wir Ihnen täglich zwei starke Seitenabfolgen in gewohnter Tagi-Qualität – die erste mit einem nachrichtlichen und einem gesellschaftlichen Fokus, die zweite mit regionalen Inhalten und dem Sportteil.»

Oder auf Deutsch: nur noch zwei, statt drei Bünde.

Aber es kommt noch besser für den Leser:

«Darüber hinaus fassen wir Ressorts zusammen: Die bisher mit «Inland» und «Wirtschaft» benannten Seiten erscheinen neu unter dem Seitenkopf «Politik & Wirtschaft». Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass praktisch jede politische Entscheidung wirtschaftliche Implikationen hat und auch wirtschaftliche Vorgänge zuverlässig in der Politik Widerhall finden. Der erste Bund wird neu mit der Strecke «Kultur, Gesellschaft & Wissen» ergänzt

Ja potztausend, dass noch niemand vorher darauf kam, dass Politik und Wirtschaft irgendwie etwas miteinander zu tun haben. Und «neu» ist an der Strecke «Kultur, Gesellschaft & Wissen» gar nichts. Denn dass das mal ganz verschiedene Ressorts waren, das ist schon ein Weilchen her.

Aber damit ist die Leserverarschung, Pardon, die Erklärung der neuen Wertigkeit, noch nicht am Ende:

«Die bisherige kleinteilige Struktur war mit inhaltlichen Einschränkungen verbunden. Mit den Änderungen können wir Ihnen einen stärker auf die Aktualität ausgerichteten «Tages-Anzeiger» bieten, weil wir mehr Flexibilität in der Aufbereitung und bei der Gewichtung der Inhalte haben

Das muss man sich wieder auf der Zunge zergehen lassen. Bisher war die Struktur «kleinteilig», und daher mit «inhaltlichen Einschränkungen verbunden»? Als es noch fünf oder gar sechs Bünde gab, muss das ja furchtbar für den Leser gewesen sein; kein Wunder, dass er damals massenhaft abbestellte, während er heute treu abdrückt.

Aber nun ist der Tagi noch flexibler, obwohl er das doch schon immer war, wenn man nur die Editorials von Raphaela Birrer zum gleichen Thema liest.

Aber der Höhepunkt ist zweifellos «noch stärker auf die Aktualität ausgerichtet». Wahnsinn, wo soll das enden, denn «noch aktueller» ist immer der Schlachtruf, der eine Sparmassnahme begleitet. Also wird der Tagi irgendwann mal so aktuell, dass in ihm schon drinsteht, was erst gleich passieren wird. Das dann allerdings in äusserster Flexibilität nicht mehr in zwei Bünden, auch nicht in einem Bund, sondern auf einem Blatt. Weniger geht dann nicht mehr, aktueller geht’s dann auch nicht. Aber dafür ohne Leser.

Wobei, am Wochenende geht’s dann doch wieder anders: «Samstags erscheint der «Tages-Anzeiger» zwar mit den neuen Seitenköpfen, aber weiterhin mit drei Bünden und bietet zusätzlich vertiefenden Lesestoff fürs Wochenende.»

Ähm, also statt zwei «starken Seitenabfolgen» weiterhin die mühsamen drei, mitsamt «kleinteiliger Struktur» und «inhaltlichen Einschränkungen»? Und wieso soll eigentlich nur am Samstag «vertiefender Lesestoff fürs Wochenende» geboten werden? Wochentags braucht’s den nicht?

Schliesslich kommt einem bei dem letzten Satz noch ein schrecklicher Verdacht. Wenn also der Samstags-Tagi so viel Lesestoff fürs ganze Wochenende bieten soll, wozu braucht’s dann eigentlich noch die «SonntagsZeitung»? Um noch mehr zu vertiefen? Aber dann wäre ja man ja schon fast in Neuseeland angekommen, bei einer solchen Tiefe.

Also keine guten Nachrichten für niemanden. Nicht für die Leser, nicht für Arthur Rutishauser und seine Mannen (und Frauen, natürlich; sowie bi, hybrid, nonbinär, Transmenschen plus Kim).