Schlagwortarchiv für: Felix E. Müller

Hilfe, mein Papagei onaniert II

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

Man ist versucht, sich nostalgisch an die Zeiten in der Berichterstattung über Corona zu erinnern, wo die grossen Medienkonzerne in der Schweiz mit ihren Zentralredaktionen und Zentralmeinungen noch übereinstimmend Orientierungshilfe gaben.

Da war die Welt noch in Ordnung, dem Leser wurde echt geholfen. Was Bundesrat und Behörden machen, ist gut und richtig. Einzig fehlende Strenge und Konsequenz wurde gelegentlich bemängelt. Immer wieder mussten zu rechthaberischen Kommentatoren mutierte Journalisten eingreifen, zurechtweisen, fordern, um sich greifende Fahrlässig- und Verantwortungslosigkeit bemängeln. Wieder und wieder, wozu auch Papageien neigen.

Das waren die Zeiten, als der Bundesrat den lockeren Spruch wagte: «Wir können Corona.» Wie es sich für eine gepflegte Hofberichterstattung gehört, nahm sich der Gesundheitsminister auch die Zeit, einem unterwürfig buckelnden pensionierten Journalisten ein Interview zu gewähren.

Offensichtlich noch geschädigt von dieser in ein Buch gepressten Schleimspur forderte der gleiche Pensionär dann, dass Journalisten gefälligst weniger Interviews machen sollten; das ergebe nur Styropor und aneinandergereihte Worthülsen, meinte Felix E. Müller, aber natürlich nicht in Bezug auf sein Styropormachwerk.

Aber alles Ausdruck davon, dass die Journaille nun endgültig Halt und Orientierung verloren hat. Wie anders lassen sich diese beiden Schlagzeilen erklären?

Gleiche Realität, gleicher Tag, nur zwei verschiedene Blätter.

«Das Virus ist in der Schweiz und weltweit auf dem Rückzug», jubiliert Tamedia. Aber: «Robert-Koch-Institut rechnet mit Anstieg von Coronafällen», auch Tamedia. «22 Prozent weniger Ansteckungen in 7 Tagen», nimm das, du blödes RKI, meint ebenfalls Tamedia.

Wem’s dabei schwindlig wird, der sollte sich doch einfach an die jüngsten Beschlüsse des Bundesrats halten. Der ist nämlich wieder aus den Ferien zurück, hat am Mittwoch jeweils Sitzung und verkündete anschliessend die neusten wegweisenden Entscheidungen. Allerdings fällt es auch hier Medien wie Lesern immer schwerer, diese Weisheiten zu verstehen und zu akzeptieren.

«Der Bundesrat wagt den Machtkampf», er beweise «Rückgrat», klopft ihm Tamedia auf die Schultern. «Der Bundesrat macht einen gefährlichen Fehler», warnt die NZZ; beide Leitorgane sprechen vom Entscheid, Restaurants geschlossen zu lassen und auch Terrassen zu schliessen.

Der «Blick» hingegen denkt ans Geld: «Corona hat 5 Billionen Dollar vernichtet». Der Vorteil solcher Zahlen: kann sich keiner vorstellen, ist sowieso nur eine grobe Schätzung. Aber macht sich immer gut, genau wie die Behauptung, dass schon Konjunkturprogramme in der Höhe von «14 Billionen Dollar» angekündigt seien. Kann man sich noch weniger vorstellen.

Allerdings zitiert der «Blick» Jan-Egbert Sturm, den «Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF)». Der ist aber der Sturmvogel der verhauenen Prognosen, so musste er unlängst eine doofe Konjunkturprognose um fast 5 Prozent korrigieren. Macht ja nix, hier legt Sturm ein grossartiges Einerseits-Anderseits hin, damit ist er auf der sicheren Seite: «Der Staat soll nicht unnötig Geld ausgeben. Aber die Schweiz kann es sich leisten …» … sinnvoll Geld rauszuhauen. Den schliesslich gäbe es «Teile der Gesellschaft, die das Geld zur Überbrückung brauchen».

Da sieht man mal wieder, wieso sich nicht jeder Papagei dazu eignet, Konjunkturforscher zu werden.

Ex-Press XXV

Blüten aus dem Mediensumpf.

Sonntag, Früher Primeur-Tag (weil man am Samstag nur schwer eine superprovisorische Verfügung kriegte), inzwischen Gähn-Tag.

 

Ist Pensionär Müller in der NZZaS zu Selbstkritik fähig?

Felix E. Müller, die schreibende Sparmassnahme bei der Medienkritik der NZZaS, macht in Selbsterkenntnis. «Macht doch weniger Interviews», fordert er nassforsch. Sei doch nur eine Sparmassnahme, schnell gemacht, schnell Seite gefüllt. Vor allem Führungsfiguren würden doch sowieso nur «gedankliches Styropor» absondern, reine «Worthülsen».

Hoch das Glas: Müller als angemieteter Fachreferent auf grosser Fahrt.

Man ist sich sicher: das ist die Einleitung zu einer Selbstkritik. Denn ist Müller nicht selbst Autor des schnarchlangweiligen Buchs «Gespräche mit Alain Berset»? 106 Seiten gedankliches Styropor in Fragen und Antworten, für happige 29 Franken. Ein Weihnachtsgeschenk für den Bundesrat, als ihn noch alle richtig lieb hatten.

Während früher für Müller galt: nichts ist älter als seine Schlagzeile von gestern, hat er sich weiterentwickelt: nichts ist älter als sein Buch von gestern. Nur in einem ist er sich treu geblieben: Selbsterkenntnis, Selbstkritik, selbst wenn sie bei diesem Thema mit beiden Armen winkt? I wo, ach was, Müller doch nicht. Das wäre doch keine Medienkritik, sondern Kritik an einem gedanklich inkontinenten Rentner.

Wir sehen auch das Positive

Aber, wir sehen auch Positives, angesichts des bevorstehenden Prozesses in Frankreich, bei dem es darum geht, ob die 4,5-Milliarden-Euro-Busse gegen die UBS auch von der zweiten Instanz aufrecht erhalten wird, macht die NZZaS endlich mal ein lobendes Porträt von Markus Diethelm.

Und der Haifisch, der hat Zähne: Markus Diethelm.

Das ist der Chief Legal Councel der Grossbank, das dienstälteste Mitglied der Geschäftsleitung. Der mit Abstand cleverste Kopf in der Führungsetage einer Bank. Er machte das Unmöglich möglich und fabrizierte im Steuerstreit einen Vergleich, bei dem die UBS mit 780 Millionen Dollar Busse sehr glimpflich davonkam. Die CS, da sind halt andere Pfeifen am Gerät, kam mit 2,6 Milliarden an die Kasse. Ein Meisterstück. Als Opferanode musste die UBS Kundendaten ausliefern, was der Bundesrat per Notrecht bewilligte. Damit war das Bankgeheimnis Geschichte, aber die UBS gerettet.

«Willst Du es mit dem Geier aufnehmen, musst du das Spiel des Geiers spielen», soll seine Maxime sein, laut NZZaS. Interessant, so überlebt man offensichtlich bei der UBS am längsten. Nächste Bewährungsprobe: die 4,5 Milliarden müssen weg. Da er höchstpersönlich die UBS vertritt: nichts ist unmöglich.

 

Wenn der Papagei onaniert

Dieser Titel hat wirklich Potenzial, in die heilige Halle der ewig besten aufgenommen zu werden: «Hilfe, mein Papagei onaniert!» Erschwerend komme noch hinzu, dass die Vögel dabei mit 110 Phon ihr Wohlbefinden ausdrücken.

Ist das die Nuss danach? Befriedigter Papagei.

Ohne falsche Scham klärt hier die «SonntagsZeitung» über «Geile Vögel und ihre Sextoys» auf. Die Autorin zitiert sogar Fachleute auf diesem Gebiet: «Vor allem im Frühling würden Papageien und Sittiche viel onanieren. «Da sind sie alle ein bisschen verrückt»», weiss die Leiterin der Auffangstation für Papageien und Sittiche (APS) in Matzingen TG.

Aber nicht nur Vögel vögeln mit sich selbst, es gibt auch «horny Hörnchen», Schildkröten (wie die das wohl tun?), Pferde, Delphine und natürlich viele Affenarten, weiss ein britischer Wissenschaftler, der «die erste Datenbank über masturbierende Vögel» bewirtschaftet.

Ich hätte allerdings eine alternative Verwendung für diesen Titel: Könnte man den nicht über viele Werke der arbeitsplatzsichernden Mainstream-Journalisten schreiben? Vielleicht eröffnen wir hier eine neue Rubrik.

Kandidat für eine neue Rubrik

Als erster Kandidat bietet sich Denis von Burg an, der Politchef der SoZ. Mit Füssen getretene «politische Redlichkeit», «realpolitisch irr», kommt der Haltung der «Corona-Leugner nahe», «skandalös», gar «faktisch ein Putschversuch». Natürlich wird hier mal wieder «an den Grundfesten der Demokratie gerüttelt». Himmels willen, müssen unsere wehrhaften Mannen das Sturmgewehr aus dem Schrank nehmen und in Bern die Demokratie retten? Gegen wen nur, wer wagt solch finsteres Tun?

Weiss immer, wie es ist: Denis von Burg.

Oh, «bürgerliche Parlamentarier», die sich, – vade retro, Satana, schleich dich, Satan – hinter dem Ex-SVP-Präsidenten Albert Rösti scharen, wollen, nomen est omen, dass Gaststätten schon früher wieder öffnen können. Oh, sichern, Munition rausnehmen, Gewehr wieder in den Schrank. Ohne sich in den eigenen Fuss zu schiessen, das erledigt schon von Burg vom Titel abwärts: «Die Bürgerlichen verhalten sich wie in einer Bananenrepublik».

Allerdings gräbt auch die SoZ einen kleinen Streit aus, der durchaus höheren Unterhaltungswert hat. Denn Ex-Task-Force- und Immer-noch-Präsident des Schweizer Nationalfonds tritt dem bekannten Epidemiologen Marcel Tanner öffentlich kräftig in den Hintern.

Wenn zwei Wissenschafter öffentlich catchen

Mit einfachen Mitteln. Matthias Egger stellte ein Bild von Tanner auf Twitter, mit einer Aussage von ihm vom letzten Mai. «Es werde keine zweite Welle geben» hatte Tanner damals prophezeit. Maliziös ergänzt das Egger mit einem Auszug aus wissenschaftlichen Standesregeln: «Vermeiden Sie ungerechtfertigte Gewissheit.» Wunderbar, nur sollte diese Regel für alle Wissenschaftler gelten, die kakophonisch in die Pandemie hineinkrähen.

 

Ende mit kurzem Schrecken

Ach ja, dann soll es noch den «SonntagsBlick» geben. Bevor der zu quengeln beginnt: Das Interview mit dem inzwischen 80-jährigen Tom Jones ist unterhaltsam, aber vor allem wegen Jones. Das Porträt der Corona-Kreische Emma Hodcroft, die etwas unter Aufmerksamkeitsmangel leidet, ist hingegen schnarchlangweilig und überflüssig.

Topseriöse Wissenschaftlerin: Emma Hodcroft.

Und unser neuer Lieblingskolumnist Frank A. Meyer? Schimpft etwas lahm – im Vergleich zum Ausbruch beim Thema Burka – gegen den Ausverkauf der Heimat und Aufenthaltsbewilligungen für ganz Reiche. Aber die Schlusspointe reisst’s dann fast wieder raus:

«In der Schweiz ist Korruption gratis.»

 

CH+ oder CH++

Noch ein Aperçu aus dem «berühmt durch Corona»-Sumpf. Marcel Salathé, inzwischen anderweitig versorgt und der Durchstarter dank Covid19, hat aus anhaltender grosser Sorge mit 15 weiteren «Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft» die «gemeinnützige Organisation CH++» gegründet. Dabei ist all diesen Koryphäen wohl entgangen, dass es bereits die im Handelsregister eingetragene GmbH CH+ gibt. Die zufälligerweise dem Autor gehört. Guter Start; Abmahnung wegen Verwechslungsgefahr ist unterwegs, die Chance, dass CH++ bald ins Minus rutscht, ist gross.

Die NZZaS verblödet zunehmend

Auslandberichterstattung ist leider auch hier immer mehr: Fantasieberichte aus gegendarstellungsfreien Räumen.

Die NZZ legte mit einem Schwachsinns-Artikel über Sansibar und Tansania, geschrieben am Schreibtisch in Zürich, das Niveau vor. Das unterbietet sofort eine Sandra Weiss aus Mexiko: «Kubanische Ärzte versklavt». Ferndiagnose aus Mexiko City.  Dazu ist sie als «freie Korrespondentin» und Allzweckwaffe sicher kompetent. Immerhin schreibt sie für einmal nicht über Trump, China, Nordkorea oder andere Gegenden der Welt, von denen sie auch keine Ahnung hat.

Diesmal also Kuba, dieser Unrechtsstaat, diese Diktatur, wo das Regime Ärzte als Sklaven hält und in aller Welt vermietet. Es muss wohl seine Gründe haben, dass Weiss schon lange Einreiseverbot nach Kuba hat. Als langjähriger NZZ-Korrespondent dort weiss ich, dass man als ausländischer Journalist so ziemlich alles schreiben kann – ausser verlogenen Gesinnungsjournalismus und schlichtweg falsche Tatsachenbehauptungen.

In diesem Stil stellt Weiss ein paar absurde Behauptungen auf. Nach der üblichen Devise: kann doch keiner nachkontrollieren. Laut ihr leisten kubanische Ärzte seit Jahrzehnten Gesundheitsmissionen rund um die Welt. Das stimmt sogar, und es ist belegbare Tatsache, dass bei Naturkatastrophen, wo auch immer, ein Flugzeug mit vielen kubanischen Ärzten und eher wenig Ausrüstung gleichzeitig mit einem US-Flieger landet, mit nicht so vielen Ärzten aber Material satt. Und beide Teams arbeiten dann Hand in Hand, ohne ideologische Schranken.

Ausbildung von 10’000 Ärzten aus der Dritten Welt

Es ist auch eine belegbare Tatsache, dass Kuba den USA ernstgemeint humanitäre Hilfe anbot, als die Weltmacht nach einem Hurricane in New Orleans desaströs versagte. Zwei Flieger stünden abflugbereit auf dem Flughafen, sagte der damals noch lebende Fidel Castro, sobald sie eine Landeerlaubnis erhielten, würden sie sofort starten. Die USA schluckten schwer, waren 48 Stunden lang sprachlos und lehnten das Angebot dann entrüstet ab.

Durch Katrina starben in den USA alleine in New Orleans bis zu 1800 Menschen; die genaue Zahl ist heute noch nicht bekannt. Desaströs auch die Schneise der Verwüstung mit vielen Toten auf den grossen Antillen. Ausser auf der grössten Insel: Da starben haargenau 4 Menschen, und jeder einzelne Fall wurde von den kubanischen Behörden minutiös erklärt.

Es ist ebenfalls eine belegbare Tatsache, dass Kuba, durch alle Schwierigkeiten hindurch, jedes Jahr 10’000 Ärzte aus der Dritten Welt ausbildet. Gratis. Mit der Vorgabe, dass sie bitte in ihre Länder zurückkehren und nicht einfach woanders viel mehr Geld verdienen.

Das Gesundheitssystem auf Kuba hängt in den Seilen – ist aber gratis

Schliesslich ist es eine Tatsache, dass Kuba auch Ärzte vermietet. An Regierungen, die nicht so blöd sind, auf unnütze Entwicklungshilfe oder leere Versprechungen einer besseren medizinischen Versorgung in der Zukunft zu hören. Es ist ebenfalls richtig, dass diese Ärzte meistens in den abgelegensten Gebieten tätig sind, ohne Infrastruktur, ohne nichts. Aber als gute Notfallmediziner wissen sie sich auch ohne Tomografen oder High-Tech-Medizin zu helfen.

Zudem ist es eine Tatsache, dass auf der Insel selbst – zwar immer bettlägeriger – krampfhaft daran festgehalten wird, dass medizinische Versorgung gratis ist. Für alle. Ich selbst habe das kubanische Gesundheitssystem in Anspruch genommen, als Ausländer natürlich gegen Bezahlung. Man könnte vielleicht an der Ausstattung mäkeln, aber die Ärzte waren sowohl menschlich wie fachlich alleroberste Qualität.

Nun ist es tatsächlich so, dass Kuba den grösseren Teil der Bezahlung einbehält. Wie absurd der Vorwurf der Sklaverei ist, lässt sich leicht beweisen: diese Einsätze sind freiwillig. Es gibt immer mehr Gesuchsteller als Plätze. Ganz einfach deswegen, weil schlichtweg die Verdienstmöglichkeiten und vor allem die Chance, dringend benötigte Dinge (und auf Kuba wird so ziemlich alles benötigt) kaufen zu können und bei den regelmässigen Heimreisen mitzunehmen, einen solchen Einsatz begehrenswert macht. Und nicht zu wenige Ärzte mehr als einmal teilnehmen.

Aber natürlich gibt es unter den Zehntausenden von Ärzten auch solche, die den Auslandaufenthalt zur Desertion benützen. Und dann überraschenderweise nur schlimme Dinge über das Land sagen, das ihnen immerhin diese Ausbildung (natürlich auch gratis) und diesen Auslandeinsatz ermöglicht hat.

Realität? Ach was, niedermachen ist viel besser

Aus all dem könnte man den üblichen, mit der Realität höchstens zufällig Kontakt aufnehmenden Kuba-Artikel basteln. In der peinlichen Tradition seit 1990, dass immer mal wieder die letzten Wochen, Tage, Stunden, Minuten des Regimes heruntergezählt wurden. Unbekümmert darum, dass man über die Castros, ihre Revolution und den heutigen Zustand Kubas ganz verschiedener Meinung sein kann. Aber ein wenig mit der Realität sollte sie schon zu tun haben. Zum Beispiel damit, dass das Regime, ob es einem passt oder nicht, bis heute problemlos überlebt hat.

Nun zitiert Weiss die Behauptung von «Ökonomen», dass Kuba damit pro Jahr «zwischen sechs und elf Milliarden Dollar» einnehme. Wenn das wirklich Ökonomen sind, sollte man ihnen den Titel wegnehmen und dafür einen Taschenrechner schenken.

Wer kann rechnen? Dissidenten sicher nicht

Nehmen wir die von Vorzeige-Dissidentinnen wie Yoani Sanchez verbreitete Zahl von 30’000 Kubanern, die als medizinisches Personal in mehr als 60 Ländern arbeiten. Davon, was Sanchez natürlich nicht erwähnt, in 22 Ländern gratis.

Während sich neu an die Macht gekommene rechte Regierungen – so in Bolivien oder Brasilien – über die angeblich schlechte Ausbildung der kubanischen Ärzte beschweren, unterschlagen sie, dass es sich auch um medizinisches Personal handelt, und ein Pfleger oder eine Krankenschwester ist tatsächlich nicht so wie ein Arzt ausgebildet.

Abgesehen davon, dass in einigen Landesteilen Brasiliens die medizinische Versorgung mehr oder minder zusammenbrach, nachdem Präsident Bolsonaro – so verantwortlich handelnd wie sein Freund und Kollege Trump – auf einen Schlag alle kubanischen Helfer des Landes verwies: stimmt denn diese Zahl?

Nehmen wir die niedrigere Zahl, das versteht sicher auch eine NZZ-Korrespondentin. 6 Milliarden Dollar ist die Ansage. Bei einem – sagen wir grosszügig – Durchschnittsverdienst von 3000 Dollar im Monat, also 36’000 im Jahr, von denen nun unbestritten das Salär, Flüge usw. abgehen, also sprechen wir von gerundet 30’000, wären das – Moment, mein Rechner glüht – nicht mal eine Milliarde im Jahr.

Statt 6 bis 11 Milliarden sind es bloss 500 Millionen

Ziehen wir noch alle Gratis-Einsätze ab und nehmen wir ein realistisches Staatseinkommen bei medizinischem Fachpersonal von 20’000 Dollar im Jahr, ziehen wir noch konservativ 5000 ab, die Gratis-Einsätze leisten, sind wir bei 500 Millionen.

Da scheinen die Dissidenten, die «Ökonomen» und die jeden Quatsch abschreibende Korrespondentin eine Null – mindestens – dazugedichtet zu haben. Nicht das erste Mal in der NZZ; ich machte sie schon bei anderer Gelegenheit darauf aufmerksam. Man schrieb mir höflich zurück, dass ich recht habe und das nicht mehr vorkommen werde. Na ja.

Inzwischen hat noch die neue bolivianische Regierung ein paar Zahlen auf den Tisch gelegt. Ihr Vorgänger Morales habe für jeden in Bolivien eingesetzten Kubaner etwas mehr als 1000 Dollar bezahlt. Da diese rechte Regierung Morales überall eine reinwürgen will, wo sie nur kann, dürfte das stimmen. Dann sind es also nicht mal 3000 Dollar im Monat. Sondern eher 500, die beim kubanischen Staat hängen bleiben. Das wären dann noch; Moment ich frage bei den Ökonomen der NZZ nach, das wären dann noch 180 Millionen Dollar im Jahr.

Also liegt diese Schätzung nicht mal im erweiterten Streubereich der Wahrheit.

Verdient ein Arzt auf Kuba 60 Dollar im Monat?

Leider, verständlich, ist Weiss zwar in der Lage, ohne Kenntnisse der Zusammenhänge von Reuters abzuschreiben (die im Internet erhältliche kubanische Staatspresse ist ihr offenbar auch nicht zugänglich), dass es mal wieder «Wirtschaftsreformen» gebe. Wäre ein eigenes Thema. Aber, zu diesem Thema gehören noch zwei Dinge.

Ein Arzt auf Kuba verdiene umgerechnet 60 Dollar, behauptet Weiss. Offenbar ist ihr im fernen Mexico entgangen, dass es – ist ja auch erst anderthalb Monate her, eine Währungsreform auf Kuba gab. Die Binnenwährung CUC wurde offiziell abgeschafft, dafür die Saläre und Pensionen kräftig angehoben. So verdiente vorher tatsächlich ein Arzt auf Kuba um 1500 Pesos, was 60 Dollar entsprach. Inzwischen verdient er als Anfänger 7000 Pesos, was sich in den fünfstelligen Bereich steigert, wenn er an Erfahrung und Verantwortung zulegt.

Und wenn Weiss in den letzten Jahren mal Gelegenheit gehabt hätte, sich in Kuba etwas umzuhören (und nicht nur mit drei Dissidenten zu reden), dann wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass es tatsächlich immer noch Ärzte gibt, und nicht zu wenige, die im Prinzip die gleiche, wahre Geschichte erzählen: Mein Vater war Analphabet, Zuckerrohrschläger. Und als ich ihm sagte, dass ich Arzt werde, meinte er ernsthaft, ob ich verrückt geworden sei, Menschen wie wir werden niemals Ärzte.

Menschen, die vorher niemals eine Chance hatten, Ärzte zu werden

Und diese Ärzte fahren dann fort: Ich sehe ja auch, dass diese Revolution viele, allzu viele ihrer Versprechen nicht eingelöst hat. Aber ich kann doch nicht einfach abspringen, flüchten, Taxi fahren. Schliesslich schulde ich dieser Revolution etwas. Oder wie das der scharfe kubanische Witz zusammenfasst: Hast du gehört, der Genosse Chefarzt ist wahnsinnig geworden. – Nein, wie äussert sich das denn? – Er schwatzt die ganze Zeit davon, dass er bald als Portier in einem Touristenhotel arbeiten wird.

Wie viel die Revolution oder das aktuelle Regime dafür verlangt, dass gratis Zehntausende von Ärzten ausgebildet wurden, ist die eine Sache. Dass laut offiziellen Angaben seit 1963 mehr als 400’000 Kubaner als Ärzte, als medizinisches Personal im Ausland arbeiteten, dort bezahlt oder gratis, darauf ist Kuba zu Recht stolz. Und die überwältigende Mehrheit dieser Ärzte würden es sich verbitten, von einer durch Gesinnung verblendeten, selbst den Grundrechenarten nicht mächtigen Journalistin als «Sklaven» abqualifiziert zu werden.

Denn sklavenartige Arbeitsverhältnisse auf Kuba endeten erst 1959. Und so ist es bis heute. Dass damit leider Rassismus nicht verschwand, ist ein anderes Kapitel. Aber so widersprüchlich ist Kuba, so sollte es auch dargestellt werden. Dann verschaukelt man nicht den Leser, der den Schwachsinn glaubt, der in der leider schwer nachlassenden NZZaS steht.

Das gilt übrigens auch für einen Dumpfsinnskommentar von Felix E. Müller. Dem ehemaligen Chefredaktor und aktuellem Bundesratstreichler.