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Sakrileg

Von unterschiedlichen Niveaus der Toleranz.

Ein Sakrileg, danke, Wiktionary, ist ein «Vergehen gegen Heiliges, zum Beispiel die Entweihung heiligen Bodens oder Sachen durch Raub, Schändung oder auch Missbrauch, aber auch Angriffe gegen geweihte Personen.»

Nun hat ein 17-järiger Asylbewerber aus Afghanistan im Kloster Einsiedeln eine Attacke auf die Schwarze Madonna verübt. Er ist auf den Altar geklettert, hat sich selbst die Krone aufgesetzt und die Madonna entkleidet.

Vielleicht etwas Wissen, aus der Webseite des Klosters Einsiedeln: «Das jetzt schwarze Antlitz und die schwarzen Hände der Madonna, wie auch das Jesuskind, waren ursprünglich farbig gefasst. Sie wurden durch den Rauch und Russ der vielen Kerzen und Öllampen, welche ständig in der engen und dunklen Heiligen Kapelle brannten, im Laufe der Jahrzehnte dunkel, schliesslich silberschwarz. Schon im 17. Jahrhundert sprach man einfach von der „Schwarzen Madonna von Einsiedeln“.»

Schon seit 1466 steht sie in der Klosterkirche, wurde sogar vor dem unchristlichen Wüten der Truppen der Französischen Revolution in Sicherheit gebracht. «1803 konnte die „Schwarze Madonna“ nach Einsiedeln zurückkehren und steht seither in der neu errichteten Gnadenkapelle.»

Und nun das. Ein geistig Verwirrter, wie Polizei und Medien vermuten? Ein Nachahmer einer mediengeilen Bachelorette der Politik? Oder ein Moslem, der ein Zeichen setzen wollte? Man weiss es nicht, vielleicht wird man es auch nie erfahren.

Die Reaktion des gläubigen Publikums war überschaubar. Ein paar Entsetzenschreie, die Aufforderung, das zu lassen, Rufe nach der Polizei. Das war’s. Im Nachhinein zeigten sich einige Gläubige zutiefst schockiert und brachen in Tränen aus.

Wie sähe das wohl in anderen Religionen aus? Besonders archaisch streng ist die mittelalterliche Religion des Islam. Shirk ist eine Gotteslästerung, sie ist so schlimm wie eine Entweihung des Korans, die schon darin bestehen kann, ihn auf den Boden zu werfen. Natürlich ist die blosse Missachtung heiliger Orte ein Sakrileg, jede Verspottung des Propheten Mohammed ebenfalls, von einem Bildnis Allahs ganz zu schweigen. Mit oder ohne Fatwa begibt man sich damit in Todesgefahr.

Der Buddhismus ist etwas sanfter; Buddha-Statuen unangemessen zu verwenden oder gar zu beschädigen, ist ein Sakrileg, ebenso, Schuhe in Tempeln zu tragen, auch die Lehren Buddhas zu verspotten oder nur absichtlich falsch darzustellen, ist eine schwere Respektlosigkeit.

Ähnlich auch im Hinduismus. Keine Schuhe in Tempeln, keine Verschmutzung heiliger Flüsse, keine Gewalt oder Respektlosigkeit gegen Kühe.

Die Strafen sind durchaus unterschiedlich. Im Christentum wurde im Mittelalter nicht nur durch die Inquisition Gotteslästerung oder Häresie mit dem Tod bestraft. Heutzutage wird Busse verlangt, schlimmstenfalls droht die Exkommunikation.

Im Islam kommt es auf die Beurteilung durch Rechtsgelehrte an, ob ein Sakrileg nur mit Auspeitschen oder Gefängnis bestraft wird – oder gleich mit dem Tod.

Der Buddhismus kennt keine Strafjustiz für Sakrilegien, sie lösen halt schlechtes Karma aus, der Täter kann aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, hat aber die Chance für spirituelle Wiedergutmachung. Ähnlich sieht das auch der Hinduismus. Schlechtes Karma, Ausschluss von religiösen Zeremonien, Busse tun; in Indien gibt es zum Beispiel (wie auch in christlichen Staaten) Geld- oder Gefängnisstrafen gegen die Beleidigung religiöser Gefühle.

Es ist also so. Würde jemand das Gleiche im Buddhismus oder Hinduismus machen, käme er (oder sie oder everybody beyond) glimpflich davon.

Nur, wer einen Todeswunsch hat, würde aber gegen religiöse Symbole des Islam vorgehen oder gar in einer Moschee irgend etwas mutwillig zerstören. Höchstwahrscheinlich käme der Übeltäter nicht lebendig davon.

Leider ist Religiosität auch im 21. Jahrhundert noch weitverbreitet. Es gibt ungefähr 2,4 Milliarden Anhänger des Christentums, gefolgt von 1,9 Milliarden Moslems, 1,2 Milliarden Anhängern des Hinduismus, 520 Millionen des Buddhismus, weitere rund 500 Millionen von Volks- oder traditionellen Religionen jeglicher Art.

Immerhin rund 1,2 Milliarden Atheisten und Agnostiker halten nichts davon.

Also vertragen insgesamt 5,8 Milliarden Menschen Verstösse gegen den Glauben oder religiöse Symbole recht tolerant. Aber bei 1,9 Milliarden Menschen, vor allem bei solchen, die in fundamentalistischen Wahnsinnsstaaten wie Afghanistan oder dem Iran leben, kann selbst das Nicht-Tragen eines Kopftuchs schwerwiegende Folgen bis hin zur Tötung haben.

Das macht wieder bewusst, wie viele Menschen noch im 21. Jahrhundert im finstersten Mittelalter leben.

 

«Satan auf dem Weg zur Hölle»

 So jubelt die iranische Presse über den Mordanschlag auf den Schriftsteller Salman Rushdie.

Erst kürzlich wurde das Kopfgeld auf ihn erhöht. Unglaublich, diese schiitischen Fanatiker.

Die regierungsnahe Teheraner Zeitung «Kayhan» kriegt sich gar nicht ein: «Die Hand des Mannes, der dem Feind Gottes den Hals umgedreht hat, muss geküsst werden.» Wahnsinn, diese religiösen Fanatiker, die einen feigen Anschlag auf den Menschen, auf die Redefreiheit, auf die Grundwerte aufgeklärter und moderner Gesellschaften nicht nur rechtfertigen, sondern begrüssen. Schön, dass es das in der Schweiz nicht gibt.

Immerhin, der hiesige Islamische Zentralrat «verurteilt die feige Attacke» und «ruft den Iran auf, die Fatwa rückwirkend zu annullieren». Schön, dass sich auch Moslems in der Schweiz so klar äussern. Schön, dass es solche Mordaufrufe in der Schweiz nicht gibt.

«Roger Köppel tötet! Tötet Köppel Roger!»

Im «führenden Strassenmagazin der Schweiz» erschien 2015 dieser Mordaufruf als Inserat. Ein Schweizer Schmierenjournalist verniedlichte das zum «Theatermord» und zeigte viel Verständnis: Dieser «Aufruf zum Mord» könne als eine Reaktion auf Köppels Auftritt in der Talkshow «Menschen bei Maischberger» im deutschen Fernsehen «verstanden werden», wo er sich «in gewohnt pointierter Manier» geäussert habe, erklärte Andreas Tobler im «Tages-Anzeiger». Diese «Künstleraktion» stehe halt in der Tradition von Christoph Schlingensief, merkte der Redaktor noch kunstsinnig an.

Auf Anfrage schwieg Tobler verkniffen, sein damaliger Chefredaktor Res Strehle sprang ihm zur Seite: er sehe in diesem «nachrichtlich und nicht reisserisch aufgemachten Beitrag» keine «journalistische Fehlleistung». Auch der emeritierte Strafrechtsprofessor Peter Aebersold, Präsident des Trägervereins des Strassenmagazins «Suprise», sah «strafrechtlich kaum ein Problem».

Ein Mordaufruf gegen einen Chefredaktor, der 2006 die Mohamed-Karikaturen nachgedruckt hatte, worauf islamische Hetzer auch gegen Köppel einen Mordaufruf lancierten. Ein pakistanischer Student versuchte, mit einem Messer den Worten die Tat folgen zu lassen. Im Fall Köppels glücklicherweise erfolglos.

Immerhin entschuldigte sich die Redaktion von «Surprise» in einer gewundenen Erklärung. Dagegen gibt es in der Schweiz Verpeilte, die feinsinnig zwischen echten und «künstlerischen» Mordaufrufen unterscheiden wollen. Ist das Ziel eine Hassfigur von ihnen, ist das eine lässliche Sünde. Selbst Strafrechtsprofessoren verlieren völlig den Kompass und die Contenance. Sich nachträglich wenigstens entschuldigen, auch im Licht der aktuellen Schandtat? Niemals, stattdessen hoffen diese Figuren auf das Vergessen. Vergeblich.

Es gibt genügend fundamentalistische Irre auf der Welt, die sich motiviert fühlen, mit Feuer und Schwert Beleidigungen ihrer Gewaltreligion mit Gewalt zu begegnen. Wo Korangläubige an der Macht sind, senkt sich Dunkelheit, mittelalterliche Zivilisationsferne und grausame Willkür übers Land.

Wo sie sogenannte islamische Staaten errichten oder errichten wollen, herrschen Barbarei, Mord und Totschlag und Untergang. Wo sie nicht an der Macht sind, fühlen sie sich zu recht als Modernitätsverlierer, viele von ihnen werden aus Minderwertigkeitskomplexen heraus fanatisch.

Ob in Nizza, auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, ob gegen die Redaktion von «Charlie Hebdo» oder gegen die Mohamed-Karikaturisten: der Islam ist völlig humorlos, überschnell beleidigt und kennt nur ein Urteil gegen jedwelche Form von Kritik, Satire, Polemik: das Todesurteil. Dass das Sicherheitsdispositiv im Fall von Rushdie versagt hat, dass man meinte, nach so vielen Jahren sei das gegen ihn vom Ajatollen Chomeini ausgesprochene Todesurteil vergessen, ist ein Fehler.

Dass die aufgeklärten und toleranten Gesellschaften der Welt, die wenigen, die es gibt, dem Treiben von Islamisten zusehen, Hassprediger mit Samthandschuhen anfassen, zusammenzucken, wenn intolerante Fanatiker sich auf Religionsfreiheit und Toleranz berufen, die sie in ihren Herrschaftsgebieten nicht im Traum gewähren würden, das ist unser Fehler.

Der Islam ist eine unzivilisierte, gewalttätige, Fanatiker am Laufmeter produzierende Ideologie. Überall, wo er herrscht, herrscht Rückschritt, werden Frauen unterdrückt, Andersdenkende verfolgt, werden vormals moderne Gesellschaften unter das Joch einer mittelalterlichen Verblendung gepresst.

Natürlich ist noch nicht erwiesen, dass der Attentäter ein weiterer fundamentalistischer Irrer ist, der gewalttätig wurde. Aber genügend Indizien sprechen dafür, obwohl auch für ihn die Unschuldsvermutung gilt. In unserer Gesellschaft wird er nicht ausgepeitscht, auch nicht gesteinigt, er wird nicht gefoltert und es werden ihm keine Gliedmassen abgehackt.

Aber das ausgerechnet Rushdie nun um sein Leben kämpfen muss, offenbar schwer verletzt wurde, künstlich beatmet werden muss, ein Auge verlieren könnte, nachdem er so viele Jahre untertauchen musste, sich erst in den USA wiederfrei fühlte und ungefährdet, das ist unser aller Versagen.

Es ist unser Versagen, weil wir nicht lautstarker, deutlicher und entschlossener fordern, dass unsere Toleranz dort aufhören muss, wo sie von intoleranten religiösen Fanatikern missbraucht wird. Dafür hat die Aufklärung nicht unter so viel Opfern erkämpft, dass wir uns frei äussern können.

Wer aber diese Freiheit so unsäglich missbraucht wie derjenige, der zu einem «künstlerischen Mord» an Köppel aufrief, wer sie so verächtlich missbraucht wie dieser Schmierenjournalist, der das verniedlicht und verständlich machen will, auch die verdienen unsere ganze Verachtung und Missbilligung.