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Sie Faschist, Sie!

Das Allerweltsschimpfwort von geistig Armen und Verzweifelten.

Der Kampf gegen die braune Brut war schon immer eine Lieblingsbeschäftigung der Linken. Während bürgerliche Kreise die Mär von den braunen und roten Fäusten erfanden und beides gleichsetzten.

Früher, als noch mehr Leute alle Tassen im Schrank hatten, gab es immer wieder Versuche, geschichtlich Stalin und Hitler gleichzusetzen. Da Hitler als Verlierer abgegangen war, die Sowjetunion aber immerhin so eine Art Nachfolgestaat des Stalinismus war, diente das dazu, den Sozialismus zu diskreditieren. Auch das ist mangels Sowjetunion inzwischen obsolet.

Damals gab es auch noch zumindest rudimentäre Kenntnisse darüber, was Faschismus eigentlich ist. Aber das ist verloren gegangen. Heutzutage ist «Faschist» ein wohlfeiles Schimpfwort. Einfach ein Ersatz für «ein bösartiges und gefährliches Arschloch, das ich nicht ausstehen kann», was man aber so nicht sagen kann oder will.

Ganz Vorsichtige verwenden auch gerne das Wort «faschistoid», wenn sie Angst haben, dass sie beim Gebrauch von «Faschist» juristisch eins über die Rübe kriegten. Aber das ist ein nichtssagender Zwitter wie illegitim. Das verwendet man, wenn etwas völlig legal und keinesfalls illegal ist, man es aber dennoch kritisieren möchte. All die Händler mit Leaks- und Papers-Hehlerware verwendeten es gerne, wenn sie unschuldig ans mediale Kreuz Genagelten irgend etwas Illegales unterstellen wollten.

Aber aktuell ist der Begriff «faschistoid» in den Hintergrund getreten. Denn für viele Flachdenker ist klar: Donald Trump ist ein Faschist. In den USA ist der Faschismus an die Macht gekommen. Drohen faschistische Zustände. Schon bald werden die ersten KZs für illegale Immigranten errichtet. Gemischtrassige Ehen werden verboten, der Begriff Rassenschande wiederbelebt. Und bald einmal gibt es wieder lebensunwertes Leben.

Als nächsten Schritt fängt Trump dann den Dritten Weltkrieg an. Das haben Faschisten so an sich.

Der Begriff findet natürlich nicht nur dort reichlich Verwendung. SVP? Mindestens faschistoid. Blocher? Man würde gerne Faschist sagen, aber traut sich nicht, aus Angst vor juristischen Folgen. AfD: sowas von faschistisch. Corona-Leugner? Eigentlich auch Faschisten. Putin? Irgendwie ein Faschist. Meloni? Ganz sicher Faschistin. Le Pen? Verkleidet, aber klar braun. Und so weiter.

Vor allem der neue alte Gottseibeiuns Donald Trump ist nun ein Faschist. Das weiss Constantin Seibt am besten, der grosse Faschismus-Aufspürer, der alles Braune zehn Meilen gegen den Wind wittert. Auch wenn es nur ein Scheisshaufen ist. Gefolgt von diesem Kläffer von Tamedia und weiteren Dummschimpfern.

Dabei gibt es nur ein kleines Problem. Man darf Trump unterstellen, dass er nicht mal weiss, was Faschismus ist. Schlechte Voraussetzungen, um Faschist zu sein.

Es ist aber noch schlimmer: wissen all diese Faschismus-Kläffer überhaupt, was das ist? Wissen sie, dass sie mit der inflationären Verwendung des Begriffs alle wirklichen Opfer von Faschismus beleidigen, entwürdigen, sie missbrauchen?

Nein, dass wissen diese Tröten nicht. Wissen sie wenigstens selbst, was Faschismus ist? Wie bei Trump sei den meisten unterstellt: die haben doch keine Ahnung. Irgendwie so wie Hitler. Oder Mussolini. Oder so. Ganz schlimm halt. Das dürfte die häufigste Antwort sein.

Selbst eine Künstliche Intelligenz ist schlauer; also zum Mitschreiben (und wieder vergessen) ihre Antwort:

Hier sind die wichtigsten Merkmale des Faschismus in Stichpunkten:

  • Autoritäre Herrschaft: Konzentration von Macht in einer zentralen Führungsfigur oder Partei.
  • Nationalismus: Übersteigerte Betonung der eigenen Nation, oft verbunden mit Überlegenheitsdenken.
  • Antidemokratie: Ablehnung von Demokratie, Parlamentarismus und politischen Pluralismus.
  • Militarismus: Verherrlichung von Krieg und militärischer Stärke.
  • Ideologie der Einheit: Forderung nach nationaler oder sozialer Homogenität, Ablehnung von Diversität.
  • Kollektivismus: Vorrang der Gemeinschaft vor individuellen Rechten und Freiheiten.
  • Propaganda und Manipulation: Kontrolle der Medien, Verbreitung von Ideologien durch Massenkommunikation.
  • Gewaltbereitschaft: Einsatz von Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung politischer Ziele.
  • Feindbilder: Konstruktion von inneren und äußeren Feinden zur Mobilisierung der Gesellschaft.
  • Antikommunismus: Ablehnung marxistischer und sozialistischer Ideologien.
  • Kult der Führerfigur: Personenkult um den Anführer als unfehlbare Autorität.
  • Antiliberalismus: Ablehnung individueller Freiheiten und liberaler Werte.
  • Korporatismus: Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft durch staatlich gelenkte Organisationen.

Wetten, dass die meisten, die «Faschist» krähen, nicht mal drei Merkmale von diesen 13 aufzählen könnten?

Noch schlimmer wird es aber, wenn man wie der emeritierte Geschichtsprofessor Jakob Tanner eine gelehrte Abhandlung über «Trump und der ständige Faschismus-Vergleich» bei Tamedia veröffentlicht. Und doch tatsächlich Umberto Ecos Pamphlet aus den 90er-Jahren als «bahnbrechenden Artikel über «Ur-Faschismus»» lobhudelt. Das schon unzähligen Deppen dafür diente, jeden beliebigen politischen Gegner als Faschisten zu verunglimpfen. Während die meisten Faschist-Gröler nicht wissen, was sie tun, weiss das Tanner sehr wohl. Und das macht ihn so unredlich wie demagogisch gefährlich.

Auch er malt – ein Bruder im Geist von Seibt – den Faschismus in den USA an die Wand. Und behauptet, dass «die institutionellen Sicherungen der amerikanischen Verfassung nicht genügen» würden, um ihn abzuwehren. «Vielmehr ist auf die Resilienz der Zivilgesellschaft zu bauen.» Ob das in Form von militanten linken Bürgerwehren gewalttätig oder anders zu erfolgen hat, darüber gibt Tanner aber keine Auskunft. Er murmelt nur etwas von Gewerkschaften und so.

So jämmerlich ist der politische Diskurs inzwischen geworden. Dass bei der «Republik» niemand Seibt Einhalt bietet, nun ja. Aber bei Tamedia? Da scheint jeder Anspruch auf Qualität und Niveau mit dem jüngsten Rausschmeissen und der Installation von führenden Flachpfeifen verloren gegangen zu sein.

Wenn es allerdings ein Merkmal des Faschismus ist, dass er Ideologie durch Massenkommunikation verbreitet, könnte es dann etwa sein, dass Tamedia auch …? Oder zumindest faschistoid? Oder allermindestens faschistoide Tendenzen? Ein brauner Oberton vielleicht? Oder auf dem Weg zum Faschismus? Zumindest diese Manie der Denunziation von sexistischen Wörtern und die Vorschriften, wie politisch korrektes Schreiben gehe, das hat etwas eindeutig faschistisch Sprachreinigendes. Heiliger Bimbam, das ist ja furchtbar. Hellsichtig warnte Jürgen Habermas schon bei der Studentenrevolte von 1968 vor linkem Faschismus.

Da gilt wohl auch:

Die grössten Kritiker der Elche waren früher selber welche.

Das ist von F.W. Bernstein, dem Mitherausgeber der «Unabhängigen Zeitung für eine sauberere Welt». Und kann bei Tamedia ergänzt werden mit: und sind es noch.

Die WoZ spinnt

Früher hatte sie mal ein Gefäss «Die Welt spinnt». Das hat sie ersetzt.

Dass die absehbare Wiederwahl von Donald Trump bei vielen Linken zu Schnappatmung und Gehirnvereisung führte, ist bedauerlich und bekannt. Aber richtig traurig ist, dass die sonst durchaus lesbare und zurechnungsfähige WoZ (das erfolgreiche Gegenmodell zur «Republik», zudem wurde noch nie mit Selbstmord gedroht) schäumt und tobt, dass es eine Unart ist.

Da wäre mal der Leid-, Pardon. Leitartikel von Lukas Hermsmeier. Der sieht Armageddon heraufziehen:

«Das Land wird demnach ab Januar von einer faschistoiden Partei kontrolliert, die sich offen gegen demokratische Prinzipien stellt, Gewalt verherrlicht, den Klimawandel leugnet, Minderheiten dämonisiert, politische Gegner:innen kriminalisiert, Überreiche protegiert, Millionen Immigrant:innen abschieben sowie Sozialstandards und die öffentliche Gesundheitsversorgung abbauen will.»

Beim Machtantritt Hitlers hätte er wohl keine stärkeren Worte gefunden. Aber Hermsmeier bejammert nicht nur die Fehlentscheidung der US-Wähler. Er ist auch ganz schwach auf der Brust, wenn es darum ginge zu erklären, wieso denn eine Mehrheit Trump gewählt hat. Sind das also nun auch alles Faschisten? Oder sind sie mindestens faschistoid? Um diese logische Schlussfolgerung seines Gewäffels drückt er sich.

Aber er scheut sich immerhin nicht, Handlungsanweisungen für die Zukunft zu geben: «Die Herausforderung für alle linken Kräfte wird darin liegen, Basisarbeit fortzuführen und gerade in den ersten Trump-Monaten antifaschistisch parat zu stehen

Hm, Basisarbeit ist immer gut, auch wenn es gar keine Basis gibt. Aber was heisst «antifaschistisch parat stehen»? Soll das eine verklausulierte Aufforderung zu Protest, Widerstand, Gewalt sein? Oder ist es einfach eine leere Quatschansage?

Dann hätten wir noch die altgediente Lotta (eigentlich Lieselotte) Suter aus Vermont: «Seit Jahrzehnten bin ich für die WOZ mit dabei, wenn die Resultate der Präsidentschaftswahl in den US-Medien live präsentiert und kommentiert werden.»

Auch sie muss Hilfe bei der Psychologie suchen und rhabarbert um den Begriff Doublebind herum, ohne ihn wirklich zu verstehen. Aber macht ja nix, ihr geht es mehr darum: «Beschäftigen wir uns als Wählende oder Medienleute mit traditionellen politischen Themen wie Ökonomie, Migration, Umweltschutz oder dem Recht der Frauen auf den eigenen Bauch, vernachlässigen wir womöglich die faschistische Bedrohung durch Donald Trump und die ihm hörige republikanische Partei.»

Sie ist eine echte Dialektikerin: «Richten wir das Augenmerk auf die immer kruderen rassistischen und sexistischen Gewaltfantasien der Maga-Bewegung, verlieren wir die real existierende Gewalt in den USA, in der Ukraine und im Nahen Osten aus dem Blick.»

Auch sie muss grimmig eingestehen: «Lieber ein weisser Macho als eine erste und erst noch Schwarze Madam President.»

Aber immerhin, im Gegensatz zum Leitartikler versucht Suter wenigstens, eine Erklärung herbeizuzerren, wieso denn so verdammt viele dumme Amis Trump gewählt haben:

«2024 ist aber nicht zuletzt auch eine Hasswahl. Donald Trump hat Millionen von US-Bürger:innen mit fremdenfeindlicher, rassistischer und sexistischer Missinformation so aufgehetzt, dass ihnen mit der Zeit wichtiger war, wie hart die verleumdeten «anderen» (Menschen mit Migrationshintergrund, erfolgreiche Frauen, trans Personen …) bestraft werden, als was ihr eigenes Leben besser macht. Donald Trumps erfolgreichster Slogan war: «I am your retribution» (Ich bin eure Rache und Vergeltung).»

Also muss man mildernde Umstände gelten lassen. Die Trump-Wähler sind einfach so aufgehetzt, dass sie im Delirium Trump gewählt haben. In einem normalen Geisteszustand wäre ihnen das nie passiert.

Aber da Suter überhaupt nicht aufgehetzt ist, hat sie den klaren Durchblick. Oder doch nicht: «Erschreckend ist die Wahl 2024 aber nicht bloss, weil nun ein Möchtegernautokrat an die Macht kommt, sondern auch dessentwegen, was wir dabei über den Zustand der US-amerikanischen Gesellschaft in diesem Moment gelernt haben. Mehr als die Hälfte der Menschen haben Trumps düstere Prophezeiungen akzeptiert und auf den starken Mann als Retter gesetzt.»

Also, ein faschistoider Möchtegernautokrat. Geht da noch einer? Aber klar, dafür sorgen noch Kaspar Surber und Lukas Tobler. Auch sie lassen schon im ersten Satz keinen Zweifel an ihrer Haltung: «Grössenwahn war schon immer Teil seines Programms.»

Aber dagegen stellen sie mutig, denn auch sie können pfeifen im Wald, «einige linke Erfolge». Wow, das muss irgendwie untergegangen sein. Worin bestehen denn die? «Bernie Sanders, der sozialistische Senator aus Vermont, sicherte sich eine vierte Amtszeit. Im Repräsentantenhaus konnten alle vier Mitglieder der sogenannten Squad, der Linksaussen-Splittergruppe der Demokrat:innen, ihre Sitze problemlos verteidigen

Als wären das nicht der Triumphe genug; nun sitzen doch erstmals zwei schwarze Frauen gleichzeitig im Senat. Und noch besser: «Mit Sarah McBride zieht die erste trans Frau ins Repräsentantenhaus ein.»

Also eigentlich sind die USA noch nicht ganz verloren. Aber diese Vierertruppe wird genau verfolgen, ob und wann der Umschlag ins autokratisch Faschistische erfolgt.

Und dann «antifaschistisch parat stehen». Mit der Tastatur in der gereckten antifaschistische Faust.