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Bock zum Gärtner

Manchmal spinnt die «Weltwoche».

Tom Kummer ist eine Schande für den Journalismus. Er hat ungehemmt erfunden, gefälscht, mit gefakten Interviews eine Chefredaktion ins Elend gestürzt, Hunderttausende von Lesern beschissen und ist zudem Wiederholungstäter. Wo er eine zweite Chance bekam, machte er einfach so weiter.

Offenbar ein Triebtäter. In der «Weltwoche» hat er seit einiger Zeit eine dritte Chance bekommen, der anfänglich warnende Abbinder, dass seine Storys wahr sein könnten, aber nicht müssten, ist inzwischen verschwunden.

Es gibt also eigentlich auf der ganzen Welt keinen Ungeeigneteren, um über das Thema zu schreiben, «wie echt die Wirklichkeit» in den Bildern der Magnum-Fotografen sei.

Denn bei Kummer muss man sich immer fragen, wie echt denn sein Geschreibsel ist. Dilettiert er über berühmte Fotografen wie Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, James Nachtwey oder René Burri, dann stimmen wenigstens die Namen und der Fakt, dass das alles Magnum-Fotografen waren.

Aber dann hebt Kummer mal wieder ins Reich der Fantasie ab: «Einer der heute bedeutendsten Magnum-Fotografen, Sebastião Salgado, fand schon früh sein Thema, die Armut, und er verfolgte es gnadenloser als andere, jahrzehntelang.»

Einer der bedeutendsten Magnum-Fotografen war er bis 1994. Seit fast 30 Jahren hat Salgado aber seine eigene Agentur Amazonas Images.

Dann behauptet Kummer: «In den 1980er Jahren stiessen Mary Ellen Mark und Susan Meiselas dazu. Mit beiden war ich für das deutsche Magazin Tempo auf Reportage.» Mark wurde 1977 Vollmitglied bei Magnum und verliess die Agentur bereits 1981, ganze 7 Jahre, bevor Kummer mit ihr auf Reportage gewesen sein will. Sie starb 2015, also kann sie diese fragwürdige Behauptung von Kummer nicht bestätigen. Über Meiselas behauptet Münchausen Kummer: «Sie erschien mir absolut furchtlos, als wir im bolivianischen Dschungel geheime Kokainlabors aufspüren sollten.» Davon gibt es aber keine Spuren in ihrem Werk.

Nun kommt sozusagen der Höhepunkt des kummerschen Könnens:

«Mit Mary Ellen Mark produzierte ich 1988 für die Zeitschrift Tempo eine Story über „Ironkids“: Es ging um Kinder, die wettkampfmäßig Triathlon betreiben. Mark nun nervte ihr fotografisches Opfer im Zielbereich ganz bewusst so, dass sie bald bekam, was sie wollte: Ein Bild, das weinende Kinder zeigt, die von ihren überehrgeizigen Eltern – im Namen eines US-Snackherstellers – gequält werden. Das Schwarzweißbild wurde zur Ikone des humanistischen Fotojournalismus und fehlt seither in keiner Retrospektive amerikanischer Fotografie im 20. Jahrhundert. Ich aber sah während der Recherchen etwas ganz anderes: Die Kinder waren über ihre Niederlage enttäuscht, und von Mark extrem genervt. Die Ironkids entpuppten sich in Wahrheit als noch ehrgeiziger als ihre Eltern.»

Schrieb Kummer 2014 in der deutschen Zeitschrift «Freitag». Kopiert Kummer eins zu eins in seinen aktuellen Text in der «Weltwoche». Lediglich ergänzt um das Fazit: «Was den vielleicht schwer erträglichen Schluss zulässt: Die Verbindlichkeit der Fotografie hat nie existiert.»

Das ist nun echt lustig. Wenn Kummer nicht erfindet oder verfälscht, dann kopiert er sich selbst. Nimmt einfach einen Text von 2014 und rezykliert ihn in die «Weltwoche». Irgend eine Verbindlichkeit in seinen Texten hat nie existiert.

Das Blatt spinnt, so jemanden seine Spalten zu öffnen …

Ist das Tom Kummer oder ein Fake?

 

Relotius Reloaded

Beim Fall Fabian Wolff führten die gleichen Mechanismen zum Desaster.

Die Geschichte in Kurz: Der Feuilletonist und gern gesehene Gast bei «Zeit», «Süddeutsche», «Tagesspiegel» oder «Spiegel» Fabian Wolff ist nicht der, für den er sich ausgab. Nämlich als Jude.

Das ist in Deutschland bis heute ein ganz heikles Gebiet. Vor allem, da Wolff sich unter Berufung auf sein Judentum als israelkritischer («Apartheitsystem») und den Aktivitäten der antiisraelischen BDS-Kampagne sympathisierend gegenüberstehender Jude ausgab. Wer ihn dafür kritisierte, war natürlich «rassistisch» oder «rechts».

Er selbst als Jude könne dagegen per Definition kein Antisemit sein. So seine Erzählung. Bis er selbst einräumte, dass er kein Jude sei; eine beiläufige Bemerkung seiner Mutter habe ihn mit 18 annehmen lassen, einer jüdischen Familie zu entstammen.

Nun wird’s nochmal sehr deutsch: dieses Eingeständnis darf er in einem 70’000 Anschläge langen Text in der «Zeit» machen. Wobei Eingeständnis fast übertrieben ist, es ist ein sich windendes Geschwurbel.

Daraufhin wird’s richtig deutsch. Alle Redaktionen, die auf seine Verkleidung als Kostüm-Jude reingefallen sind, winden sich nun auch. Wie mit seinen in den letzten zehn Jahren veröffentlichten Texten umgehen? Wie mit Wolff umgehen? Ist da zuhanden der Leserschaft eine Entschuldigung fällig? Wenn schon nicht vom Hochstapler selbst, dann von den Redaktionen, die es mal wieder an Hintergrund- und Faktencheck missen liessen?

Oder ist das ein unfairer Vorwurf? Nein, denn eine ehemalige Lebensgefährtin von Wolff war schon vor Jahren auf Ungereimtheiten und Widersprüche in seinen biographischen Angaben gestossen. Nach dem Ende der Beziehung wandte sie sich an diverse Journalisten und Redaktionen. Ohne Reaktion.

Nun tun natürlich alle Verantwortlichen in den Medienhäusern so, als hätten sie nichts davon gewusst, als seien sie wenn schon selbst Opfer, keinesfalls verantwortlich für diesen neuerlichen Skandal. Aber die NZZ schreibt dagegen ganz richtig: «Die Medien wurden nicht getäuscht, sondern haben sich täuschen lassen.» Nur ein in dieser Beziehung unbelastetes Schweizer Organ kann dann den Finger auf die Wunde legen:

«Das grosse Vertrauen und die Nibelungentreue deutscher Medien zum Autor Wolff erklärt sich auch dadurch, dass er mit seinen Gedanken und Texten letztlich antijüdische Ressentiments bedient hat, die in Teilen des deutschen Bürgertums weit verbreitet sind

Womit wir bei der Parallele zum Fall Relotius angelangt wären. Auch dieser Schwindler und Fälscher bediente mit seinen erfundenen Reportagen Klischees und Vorurteile der «Spiegel»-Verantwortlichen. Die hatten sich zum Beispiel ernsthaft vorgenommen, den damaligen US-Präsidenten Trump «wegzuschreiben». Sie sahen in seiner Wahl das «Ende der Welt», zumindest, «wie wir sie kennen». Sie waren fassungslos, dass all ihre angeblichen Kenner und Könner den Wahlsieg Trumps nicht vorhergesagt hatten.

Daher glaubten sie Relotius unbesehen jedes Wort, wenn der sich in die US-Pampa aufmachte, um dort die dumpfen Amis aufzuspüren, die diesen Idioten zum Präsidenten gemacht hatten. Wirklich erholt hat sich der «Spiegel» von diesem Skandal bis heute nicht. Seine kreischige #metoo-Berichterstattung, in der er einer Journalistin die Plattform für einen Rachefeldzug bietet, Prominente reihenweise in die Pfanne haut, trägt auch nicht dazu bei, sein Renommee zu retten.

Nun sind aber auch die ehrwürdige «Zeit» (die sich im Schweizer Split allerdings auch im Roshani-Skandal instrumentalisieren liess), die SZ, der «Tagesspiegel» beteiligt an diesem neuerlichen Skandal.

Relotius hat nicht seine eigene Identität erfunden, sondern einfach Quellen und Zitate und Begebenheiten. Das hat Wolff nicht getan, dafür streifte er sich eine Identität über, die erlogen ist. Beide haben aber Ressentiments der sie betreuenden Redaktionen (und deren Leserschaft) bedient. Ob man es in Deutschland wirklich liebe, «Israel zu hassen», das ist vielleicht eine zu dramatische Schlussfolgerung der NZZ.

Dass es ein deutsches Problem sei, das trifft solange nicht zu, als ein Tom Kummer in der Schweiz weiterhin sein Unwesen treiben darf. Hier handelt es sich um die Marotte eines Chefredaktors, in Deutschland geht das Problem tatsächlich tiefer.

Denn dass eine Redaktion keinen in die Intimsphäre eingreifenden Faktencheck über die jüdische Herkunft eines Autors macht, ist noch verständlich, obwohl Wolff nicht der erste Fall eines solchen Betrugs in Deutschland ist. Dass aber deutliche Indizien, ein ganzes Dossier der ehemaligen Lebensgefährtin keine Beachtung fand, sondern wohl als Rache einer verschmähten Geliebten abgetan wurde, das ist bedenklich.

Einerseits veröffentlicht der «Spiegel» Behauptungen einer rachsüchtigen, gefeuerten Schweizer Redaktorin, die sich bei genauerer Betrachtung fast vollständig als nicht haltbar herausstellen. Andererseits ignorieren diverse Redaktionen in Deutschland ein ihnen vorliegendes Dossier mit belegten Anschuldigungen. Was ist der Unterschied? Das eine entspricht dem Narrativ von #metoo, das andere widerspricht diesem Framing. Obwohl in beiden Fällen eine Frau einen Mann anschuldigt.

Ungeprüft oder nicht überprüft, zweifaches Versagen.

 

Wumms: Max Küng

Alle haben was zu Rammstein gesagt. Nein, einer fehlte noch.

Zäh ist er, das muss man ihm lassen. Seit 1999 verziert Max Küng die Seiten des «Magazin». So ziemlich alles hat er überstanden. Selbst die Zweitverwertung eines Werbetextes für einen Möbelhersteller. Das verzieh ihm Finn Canonica grosszügig.

Jede Woche eine Kolumne über irgendwas, elegant geschriebener Quark. Tiefes Schweigen aber zum Roshani-Skandal. Natürlich, seine gesammelten Werke erscheinen bei Kein & Aber. Das wäre aber auch kein Grund, auf Anstand und Zivilcourage zu verzichten. Doch Feigheit ist natürlich arbeitsplatzsichernd.

Dafür meint Küng, auch er müsse noch sein Scherflein zum Rammstein-Bashing beitragen. Spät kommt er. Andere Organe wie der «Blick» befinden sich bereits auf dem ungeordneten Rückzug und löschen die ersten Schmierenartikel, weil sie dazu gezwungen werden.

Jetzt hat’s auch Küng gerafft: «Unser Kolumnist fand die deutsche Band schon immer doof.» Schön, dass wir das nun wissen. Aber immerhin, zuerst gibt’s ein Lob. Dieses Zitat von Tom Kummer ausgraben, das ist eine Trouvaille: «Die ‹Weltwoche›, wo sich Kolumnisten ohne Scham, Konvertiten ohne Gedächtnis und Belehrer ohne Grenzen besonders gut verbreiten.» Der Berufsfälscher hatte eben schon immer zu allem eine Meinung, problemlos auch ihr Gegenteil.

Was unterscheidet Küng von Kummer? Der erste Buchstabe des Nachnamens nicht. Ansonsten gilt: Kummer fälscht, Küng kopiert.

Dann muss ZACKBUM aber die Formulierung «elegant» zurücknehmen, denn das hier ist eine sprachliche Geröllhalde: «Die Sympathien zur deutschen Band bröckeln, es ist ein Rammsteinschlag à la Brienz im Gange.» Aua.

Dann zitiert Küng ein paar ausgewählt flache Strophen von Rammstein, um zu belegen, dass die Band ganz doof sei. Nur hat der Lyriker Lindemann auch anderes vorgelegt, was in der NZZ auf einem ganz anderen Niveau gewürdigt wurde.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, wusste schon Gorbatschow. Aber das «Magazin» ist dermassen aus allem gefallen, aus der Zeit, aus jedem Anspruch, aus jedem Qualitätslevel, dass es auf einen Quatschtext mehr oder weniger auch nicht ankommt.

Nach schnippelfreien Rezepten für verantwortungslose vegane Mamis, was kann man da noch erwarten? Vielleicht den Ratgeber «wie betätige ich einen Lichtschalter richtig», oder «selber atmen, die zehn besten Tipps». Oder «wie man alle 164 Gender sprachlich richtig inkludiert». Oder «desavouiert, feige, unanständig, heuchlerisch, aber nie um einen besserwisserischen Ratschlag verlegen – na und

Allerdings ist Küng erst 54 Jahre alt. Mindestens zehn Jahre muss er noch durchhalten. Aber ob das der Leser aushält?