Schlagwortarchiv für: Fabio Delcò

Es ist eine Sauerei

Hier gäbe es Grund zur Aufregung. Auch ausserhalb der NZZ und der «Weltwoche».

Die USA spielen Weltpolizist. Was früher Kanonenboote und der «Big Stick» waren, sind heute Sanktionslisten und der Besitz der Weltwährung Dollar.

Die NZZ konstatiert trocken: «Wer als Unternehmen oder Einzelperson auf der Sanktionsliste des amerikanischen Finanzministeriums landet, steht vor dem finanziellen Ruin.» Das geht kurzgefasst so: es gibt die US-behörde Ofac. Diese durch nichts als ein uraltes Gesetz legitimierte Dunkelkammer kann auf Anordnung des Präsidenten jede beliebige Firma, jede beliebige Person auf der Welt auf eine Sanktionsliste setzen. Darauf stehen zur Zeit rund 12’000 Personen.

Begründung: eigentlich überflüssig, es wird ein Verstoss gegen die unzähligen Sanktionen vermutet, die die USA unterhalten. In jüngster Zeit natürlich gegen Russland. Beweise, Belege, Gerichtsverfahren, Möglichkeit zur Gegenwehr? Nicht vorhanden.

Oder nur theoretisch. Denn vor einem allfälligen Ergebnis ist der Betroffene ruiniert. Denn wer auf diese Liste kommt, wird von allen Finanzinstituten gemieden, als hätte er eine ansteckende tödliche Krankheit. Konten werden begründungslos gekündigt, Kreditkarten funktionieren nicht mehr, Guthaben werden eingefroren. Denn alle Finanzdienstleister haben Schiss, dass sie sonst auch ins Visier der Amis geraten könnten.

Und die drohen dann einfach damit, die Benützung der Weltwährung Dollar zu verbieten. Können sie, und das ist der Tod innert 24 Stunden für jedes Geldhaus der Welt. Oder in den Worten der NZZ: «Experten sprechen von einer «finanziellen Todesstrafe». Selbst die staatliche Postfinance, die in der Schweiz eigentlich einen Grundversorgungsauftrag hat, bemüht sich darum, solche Kunden loszuwerden

Konkret geht es darum: «Was es bedeutet, als Einzelperson vom Bannstrahl der USA getroffen zu werden, erleben die Anwälte Andres Baumgartner und Fabio Delcò derzeit am eigenen Leib. Es sind ihre Namen, die seit dem 30. Oktober neu auf der Sanktionsliste der USA stehen. Sie betreuen in ihrer Anwaltskanzlei im Zürcher Kreis 1 seit Jahrzehnten vornehmlich Russisch sprechende Kunden.»

Aber im Gegensatz zu vielen anderen, die peinlich berührt schweigen und versuchen, irgendwie davonzukommen, wehren sich die beiden Anwälte: «Es gab gegen uns nie ein Straf- oder Disziplinarverfahren, geschweige denn eine Verurteilung. Weder in der Schweiz noch in den Vereinigten Staaten.»

Die Schweiz führt nur Sanktionen der EU sklavisch aus, keine der USA. Also würde das theoretisch bedeuten, dass dieser Bannfluch des Ofac in der Schweiz keine Wirkung haben dürfte. Sonst wäre das ja ein rechtsimperialistischer Übergriff in die Souveränität des Schweizer Rechtsstaats, der in seinem Wirkungsbereich keine fremden Vögte zulassen sollte.

In der Realität ist’s aber anders, die Schweizer Banken kriechen schon wieder zu Kreuze, wie der Strafrechtsprofessor Marcel Niggli auf den Punkt bringt: «Aus einer Risikoperspektive ist das Vorgehen der Banken daher verständlich, aus einer rechtsstaatlichen Perspektive ist es aber katastrophal.»

Richtig Wischiwaschi wird es, wenn der Rechtsprofessor und Bankenbüttel Peter V. Kunz das Wort ergreift: «Eine Grossmacht wie die USA kann machen, was sie will.»

Genau das ist aber das Problem. Ein Kleinstaat wie die Schweiz kann nur ihre Souveränität behaupten, wenn sie auf der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien beharrt. Denn das ist ihre einzige Waffe im Kampf gegen freche Übergriffe nach der Devise Faustrecht und Macht des Stärkeren.

Was tut also die Schweizer Regierung, um beispielsweise zu verhindern, dass diese beiden Anwälte nach Jahrzehnten unbescholtener Tätigkeit vor dem Ruin und dem Scherbenhaufen ihrer beruflichen Existenz stehen?

Sie will sich zu «Einzelfällen» nicht äussern, lässt sie durch das Seco ausrichten, legt aber Wert auf die Feststellung, dass US-Sanktionen in der Schweiz «keine Wirkung» hätten.

Das ist eine zynische Behauptung, eine Ablenkung davon, dass die Schweizer Regierung tatenlos zuschaut, wie ihre Rechtssouveränität gevögelt wird. Wie zwei Rechtsanwälte fertiggemacht werden, ohne dass sie jemals eines Vergehens oder gar Verbrechens überführt wurden, ohne dass gegen sie ein Straf- oder Zivilverfahren läuft.

Und das ist schlichtweg eine Sauerei. Eine zweite Sauerei ist, dass ausser der NZZ (und der «Weltwoche», dank ZACKBUM-Redaktor René Zeyer) kein einziges Schweizer Medium auf diesen Skandal aufmerksam macht. Dabei ist dieses Problem ein wenig wichtiger als die Frage, ob man den idiotischen Genderstern verwenden sollte oder nicht.

Sprachrohr Tagi

Zuerst anprangern, dann übers Anprangern schreiben. Sagenhaft.

Zuerst brauchte es gleich drei Nasen, um über einen Vorfall zu berichten. Dafür spannten Mario Stäuble (ehemals Chefredaktor, bzw. Mann am Fenster), Christian Brönnimann (bekannt für Fertigmacherjournalismus wie im Fall Bastos) und Oliver Zihlmann (glückloser Verwurster von Hehlerware, genannt Leaks und Papers) ihre Muskeln an:

Als wäre er their master’s voice, zitieren sie ehrfürchtig den übergriffigen Scott Miller: ««Die Schweiz (…) kann und muss mehr dafür tun, damit ihr Rechtsrahmen nicht für illegale Finanzaktivitäten missbraucht wird», lässt sich der US-Botschafter in Bern in einer Pressemitteilung zitieren.» Das ist dieser schnarrende Befehlston, für den Amis bekannt sind, die meinen, die ganze Welt müsse nach ihrer Pfeife tanzen.

Als Hilfsknüppel haben die USA dafür ihre Sanktionsliste des Ofac. Wer aus welchen Gründen draufkommt, ist der völligen Willkür der US-Behörden überlassen. Gegenwehr ist sinnlos, Rechtsmittel dagegen gibt es nicht. Im Wettlauf, ein sinnloses Sanktionspaket mit dem nächsten zu ergänzen, haben die USA «zwei Schweizer Anwälte mit Büro in Zürich auf ihre schwarze Liste (gesetzt): Andres Baumgartner und Fabio Delcò von der Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner.»

Warum genau, aufgrund welcher Indizien, Belege, Beweise? «Washington wirft den beiden vor, «wichtige Verwalter russischer Vermögenswerte» zu sein. Sie hätten für «viele russische Kunden, darunter sanktionierte russische Privatpersonen», Dienste erbracht. Beide seien Direktoren zahlreicher russischer Unternehmen», zitieren die drei Recherche-Genies von der Werdstrasse. Und geben wieder dem US-Botschafter das Wort, der dafür eigentlich einbestellt und gerügt werden müsste, wenn die Schweizer Regierung Rückgrat zeigen wollte:

«Die Botschaft ist klar: Die Vereinigten Staaten fokussieren darauf, die Umgehung von Sanktionen überall auf der Welt zu bekämpfen. Wir müssen zusammenarbeiten, um die Fähigkeiten des Kremls zu stoppen, seine Kriegsmaschinerie gegen das ukrainische Volk einzusetzen. Und wir müssen auf der richtigen Seite der Geschichte stehen – zur Unterstützung des ukrainischen Volkes, das die demokratischen Werte verteidigt, die wir teilen

Die eigentliche Botschaft ist klarer: die USA pfeifen wieder einmal auf die Rechtssouveränität der Schweiz. Aber das schreiben die drei Tagi-Nachplapperer natürlich nicht. Sondern sie klopfen sich selbst auf die Schultern:

«Die Panama-Papers-Recherche zeigte, dass Roldugins Firmen Einfluss auf Medien und gar auf Rüstungsbetriebe in Russland hatten. Durch Dokumente liess sich minutiös nachzeichnen, wie die Angestellten der Zürcher Kanzlei Befehle aus Russland annahmen und Kontoverbindungen für Roldugin errichteten.» Das ist ein Vertrauter von Präsident Putin, dem vorgeworfen wird, einen Teil von dessen Finanzhaushalt zu regulieren.

Allerdings muss der Tagi einräumen, dass «bis heute keine Massnahmen gegen die Zürcher Anwälte bekannt» seien. Das liege aber am «Schweizer Geldwäschereigesetz», fahren sie fort. Auf Deutsch: offensichtlich geht hier alles mit rechten Dingen zu, aber den Tagi-Journalisten passt dieses Gesetz nicht. Nach der Devise: ist’s nicht illegal, so doch illegitim. Oder einfach: wir finden, es sei illegal.

Daher zitieren sie nochmals den Befehlshaber in seiner Botschaft in Bern: «Andres Baumgartner und Fabio Libero Delcò ermöglichten den illegalen Geldfluss und umgingen dabei die Aufsicht aufgrund einer Gesetzeslücke im Schweizer Recht», heisst es in der Mitteilung. «Botschafter Miller hat die Schweiz öffentlich und privat vor den Reputationsrisiken gewarnt, die mit dieser Gesetzeslücke verbunden sind.»

Schon einen Tag später wird zurückgerudert. Diesmal sind Thomas Knellwolf (nicht ganz ausgelastet mit dem promoten seines neusten Buchs) und wieder Oliver Zihlmann am Gerät:

«Angeprangerte Anwälte», schreiben sie neutral im Titel, als hätte nicht der Tagi selbst die beiden angeprangert, als Sprachrohr des US-Botschafters in Bern. Zunächst wiederholen die beiden Redaktoren die gleiche Leier wie im ersten Artikel. Um dann nochmals einzuräumen:

«Baumgartner und Delcò (die beiden neu auf die US-Sanktionsliste genommenen Anwälte) hingegen blieben in der Schweiz bislang – nach allem, was bekannt ist – unbehelligt. Darauf lässt insbesondere eine Stellungnahme schliessen, welche die beiden am Tag nach Bekanntwerden ihrer Sanktionierung durch die USA an die Medien verschickten.»

Offensichtlich haben die Rechtsanwälte beim Tagi Druck gemacht, der daher diesmal als Windfahne deren Position referiert:

«Während unserer über 30-jährigen Anwaltstätigkeit wurden wir weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich jemals zur Verantwortung gezogen.»

Natürlich japst der Tagi nach: «Dies würde auch bedeuten, dass weder eine Selbstregulierungsorganisation noch die Anwaltsaufsicht ein- bzw. durchgegriffen haben. Unabhängig überprüfen lässt sich dies allerdings nicht, weil allfällige Verfahren dieser Organisationen nicht öffentlich sind.» Womit er den beiden Rechtsanwälten unterstellt, möglicherweise die Unwahrheit gesagt zu haben, eine gelinde Unverschämtheit.

Dass die beiden Juristen mehr Durchblick haben als die geballte Fachkraft des Tagi, beweisen sie mit ihrer Stellungnahme, die das Blatt sicherlich nicht ganz freiwillig publiziert:

«Baumgartner und Delcò bestreiten jegliches Fehlverhalten: «Geschäfte zur Umgehung von Sanktionen wurden durch uns weder vorgenommen, noch haben wir diesbezüglich irgendjemanden beraten.» Anderslautende Verlautbarungen der US-Behörden seien «falsch und rufschädigende Unterstellungen». Die amerikanischen Sanktionen zielten darauf ab, «die europäischen Länder im geopolitischen Streit mit Russland hinter sich zu scharen». Die Vereinigten Staaten wollten «internationale Finanzplätze wie die Schweiz unter ihren totalen Einfluss und ihre umfassende Kontrolle bringen»

Auch das können die Journis natürlich nicht unwidersprochen stehen lassen und geben nochmals dem US-Botschafter das Wort, der «wehrt sich gegen den Vorwurf der unzulässigen Einmischung». Was ein vom Tagi unkommentierter Witz ist, denn natürlich mischt er sich massiv und völlig unzulässig in die Rechtshoheit der Schweiz ein. Und wie wehrt sich der Diplomat? Indem er auf die nachrichtenlosen Vermögen verweist und «auf die Raubkunstdebatte». Zwei absurde Vergleiche.

Aber er kann noch einen draufstehen: ««Meine Hoffnung ist es», sagt Miller mit Blick auf die aktuelle Diskussion, «dass die Schweiz dies nicht als eine Attacke auf ihre Souveränität und die Demokratie sieht.»»

Ja was sonst soll das denn sein, müssten Stäuble, Brönnimann, Knellwolf und Zihlmann zumindest fragen. Aber selbst zu viert fällt ihnen das nicht ein, weil sie in ihrer Gesinnungsblase solche offensichtlichen Realitäten nicht sehen wollen.

Dass der Tagi auch noch zum Sprachrohr und Mitteilungsorgan der US-Botschaft in Bern denaturiert, das lässt sich selbst mit der Bärtschi-Peinlichkeitsskala nur schwer fassen.

Es ist überhaupt nicht zu fassen.