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Fakten, Fakten …

… und an den Leser denken. War mal ein Erfolgsgarant. Tamedia pfeift drauf.

Ein ganz normaler Freitagmorgen in der Woke-Küche namens Zentralredaktion. Da behauptet die Kolumnistin Nadine Jürgensen unter dem Brachial-Titel «Brechen wir das Schweigen!»: «Jede Frau ist von sexualisierter Gewalt betroffen.»  Und zitiert die Brachial-«Expertin» Agota Lavoyer, die Kreische der angeblich überall vorhandenen «sexualisierten Gewalt», was immer das sein mag. Aber auf jeden Fall geht sie nur von Männern aus.

Das hat Tamedia schon des Langen und Breiten bis zum Überdruss ausgebreitet. Aber Jürgensen scheint gerade das Buch dazu gelesen zu haben. Immerhin relativiert sie: «Nicht alle Männer sind sexuell übergriffig.» Gut, nur sind keineswegs alle Frauen «von sexualisierter Gewalt» betroffen. Nur interessiert diese larmoyante Wiederholung sicherlich die Mehrheit der Tamedia-Leser einen feuchten Dreck.

Der missglückte Online-Auftritt macht mit der Hammer-Meldung auf: «Mein Sohn geht ins Gymi: Es ist der Himmel – und die Hölle». René Hauri weint den Lesern mit seinen höchstpersönlichen Erfahrungen ins Hemd. Aber da die Mehrheit der Tamedia-Leser keinen Sohn haben, der ins Gymi geht, und wenn, dann wohl auch nicht so drunter leiden …

Dann jubelt Paul Munzinger von der «Süddeutschen Zeitung» über die erste Präsidentin Namibias, weil sie eine Frau ist. Grossartig. Dass sie gegen Abtreibung und Homosexualität ist, nun ja, aber he, sie ist eine Frau, und das ist doch super. Versteht der Tamedia-Leser nicht, interessiert ihn auch nicht gross. Wie viele könnten spontan angeben, wo Namibia liegt? Und ist die Geschlechtszugehörigkeit wirklich wichtiger als die politischen Auffassungen?

Dann nahm der Bote des Gottseibeiuns an einem Ministertreffen der OECD teil. Die Rede von Sergei Lawrow fasst der SZ-Mann Matthias Kolb mit aller gebotenen Objektivität zusammen: «Er warnt, die Sache könne «in ein heisses Stadium» übergehen. Es folgen Verdrehungen, Lügen und Phrasen des Kreml inklusive der Behauptung, in der Ukraine regiere ein Naziregime, das Russland bekämpfen müsse.»

Im Titel behauptet Tamedia, dass es einen «Schlagabtausch mit Baerbock» gegeben habe. Allerdings muss die deutsche Aussenministerin, die ansonsten von Fettnapf zu Fettnapf eilt, ins Leere geschlagen haben, denn Lawrow hatte nach seiner Rede den Saal verlassen.

Roger Köppel interviewt Aleksander Vucic, Anlass für kübelweise Häme. Wenn Richard Gere über die durchaus kontroverse Figur des Dalai Lama schwärmt, der sich auch schon mal von einem Knaben die Zunge küssen lässt, verschont ihn Pascal Blum von jeder kritischen Frage, möchte vielmehr leicht schleimig wissen, wie er selbst denn zum Buddhisten werden könnte.

Dann drückt immer wieder die Gutmenschensprache durch, die jeden Liebhaber von gutem Deutsch die Wände hochtreibt: «Mehr Platz für Pendelnde». Die Armen, sie sind keine Pendler, sondern pendeln unablässig, Tag und Nacht.

Will der Tamedia-Leser das über Ronja Fankhauser wissen? «In meiner Krankenakte habe ich drei Diagnosen für meine Psyche, bald kommt eine vierte hinzu.» Will ihre Mutter wirklich so öffentlich vorgeführt werden? «Du, Mama, hältst davon nicht viel. Als Kind wolltest du mich und meine Geschwister nie abklären lassen.» Brr.

Dann darf ja nicht zu viel vorweihnachtliche Stimmung aufkommen:

Soll man, darf man, soll man nicht, gewichtige Fragen, die sicherlich alle Tamedia-Leser brennend interessieren.

Dann liefert Eva Novak ein klassisches Einerseits-Andererseits ab, das dem Leser beim Einordnen unglaublich hilft: «Der Freihandelsdeal Schweiz – Indien kann ein Lottosechser werden. Oder ein Debakel». Um ein Debakel zu verhindern, weiss die praktizierende Wirtschaftskennerin Novak, tue die Wirtschaft «gut daran» sich an ihre Ratschläge zu halten: «Will sie von den unbestrittenen Vorteilen profitieren, muss sie darlegen, wie sie die Milliarden in Indien umweltverträglich und unter Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu investieren gedenkt. Damit sich der vermeintliche Lottosechser nicht als Fehltipp erweist.»

Wie soll sie das, warum soll sie das, reicht es etwa nicht, wenn sich die Wirtschaft an die indischen Gesetze hält? Interessiert «die Wirtschaft» diese Meinung von Novak? Interessiert sie den Leser? Nein.

Ganz zuunterst, nur noch vor den Rätseln und dem Inhalt des «Magazins», hängt immer noch die Kochserie «Elif x Tagi», die keinen interessierte und einer der vielen Flops der inzwischen eingesparten Kerstin Hasseoffen für Neues») ist.

Soviel als Schnelldurchlauf. Mal im Ernst, liebe Tamedia-Redaktion, liebe Leitung: meint ihr wirklich, damit könnt Ihr den Leserschwund aufhalten? Habt Ihr auch schon mal etwas davon gehört, dass der Leser an Fakten interessiert ist, nicht an Meinungen? Denkt irgend einer von Euch beim Schreiben an den Leser? Also anders, als dass er zu erziehen, zu massregeln, mit Betrachtungen des eigenen Bauchnabels zuzumüllen ist?

Besteht eigentlich das Personal von Tamedia nur noch aus Kamikaze-Piloten (generisches Maskulin)? Oder soll das ein Wettkampf mit dem «Blick» sein, wer besser und schneller Leser und Abonnenten vergrault?

Wieso kann man die ganze Webseite durchscrollen, das ganze schwindsüchtige Blatt lesen – ohne irgendwo Lesespass zu empfinden?

Und wieso wird dem meistgelesenen Verkaufs-Titel von Tamedia, der noch einigermassen Niveau hält, die eigene Redaktion weggenommen? Will man denn unbedingt, dass Arthur Rutishauser, der einzige kompetente Macher, auch noch scheitert? Weil er den anderen Nulpen sonst in der Sonne stünde?

Oder arbeitet Pietro Supino schon an seiner Grabrede für den Tagi plus Kopfsalat?

 

Eat the Rich!

Diesem Motto hat sich offenbar Tamedia verschrieben.

Eva Novak ist – wie viele Journalisten – der Auffassung, dass Sachkenntnis nicht unbedingt stört. Aber fehlt sie, kann man sie problemlos durch Ideologie ersetzen, indem man die Narrative der eigenen Gesinnungsblase bedient.

Wunschgemäss schäumt auch der Kommentarschreiber unter ihrem Artikel. Denn es ist natürlich eine Steilvorlage. Bürgerliche Parlamentsmehrheit. Superreiche. Stiftungen. Vermögen weitergeben.

Muss man da noch etwas dazu sagen? Superreiche wollen sicherlich steuerfrei mit ihrem Vermögen machen, was sie wollen. Das ist unverschämt und müsste eigentlich verboten werden. Oder wie holpert ein Kommentarschreiber so schön: «Ich würde eine Eigentums Obergrenze von 10 Millionen sofort unterschreiben.» Es steht zu vermuten, dass er selbst unter dieser Grenze fliegt, wahrscheinlich dürfte der Arme nicht mal eine Million sein eigen nennen.

Aber gut, das ist mehr das Thema «arm im Geist». Diesem Motto frönen auch die ungezählten Kommentatoren, die diese Stiftungsfrage damit verknüpfen, dass nun unbedingt ja zur 13. AHV-Rente gestimmt werden müsse. Nach der Devise: wenn Reiche Stiftungen benützen wollen, dann dürfen wir wenigstens die AHV ruinieren.

Worum geht es eigentlich? Um Superreiche. Da ist der Kartenhausbauer Wunderwuzzi immer ein guter Einstieg: «Der gestrauchelte österreichische Immobilienkönig René Benko hat sein Privatvermögen in einer Familienstiftung parkiert. Mit dem Nebeneffekt, dass es wohl dem Zugriff der Gläubiger entzogen ist. In der Schweiz könnte er das nicht. Hier sind Stiftungen, die der Weitergabe des Familienvermögens dienen, verboten.»

Aha, da sieht man es doch sofort: eine Familienstiftung ist eigentlich immer eine üble Sache. Eine böse Sache. Irgendwie so eine Sache für Reiche, mit der sie irgendwelche Schweinereien machen, die eigentlich verboten gehören.

Zustimmend fährt Novak fort:

«Eine linke Minderheit geisselte das «massgeschneiderte Instrument für einige sehr wenige Familien, die Reichtümer in einer Höhe konzentrieren, wie es sie in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat». Angeführt vom Genfer Sozialdemokraten Christian Dandrès wehrte sie sich gegen die Wiederauferstehung des «Steueroptimierungsvehikels aus dem Ancien Régime», wie sie es nannte.»

Nun ist hier schon mal ein Wort verräterisch: Steueroptimierung. Dandrès ist offenbar der Auffassung, dass jeder Staatsbürger, der nicht so viele Steuern wie möglich zahlt, sondern legale Möglichkeiten ausnützt, weniger zu zahlen, irgendwie eine Schweinebacke sei. Selbst dem ehemaligen Bundesrat Schneider-Ammann wurde ja um die Ohren geschlagen, dass sein Firmenkonglomerat nicht etwa so viel Steuern wie nur überhaupt möglich zahlt, sondern legale Möglichkeiten benutzt, das nicht zu tun.

Wie das alle Firmen machen, bei denen der CFO noch alle Tassen im Schrank hat – und nicht wegen Unfähigkeit entlassen werden will. Denn eine Firma, die nicht wie alle anderen Steuern spart, wo’s geht und legal ist, produziert teurer als die Konkurrenz – und ist dann mal weg vom Fenster. Worauf wieder der Verlust vieler Arbeitsplätze beklagt wird.

Eine Stiftung ist, wie ein Bankkonto, ein Trust, eine Holding, eine AG, eine GmbH, einfach mal ein juristisches Gefäß, das es erlaubt, gewisse Bedürfnisse in einem legalen Rahmen abzuhandeln. Dazu gehören beispielsweise komplexe Familienverhältnisse mit verschiedenen Ansprüchen und Mitgliedern, die in verschiedenen Jurisdiktionen unter verschiedenen Steuerregimes leben. Eine Stiftung ist ein Instrument, mit dem der Stifter über seinen Tod hinaus festlegen kann, was mit seinem Vermögen und dessen Erträgen geschehen soll.

Schon die Weiterführung einer KMU ist manchmal eine kitzlige Sache, wenn die Erben nicht über Sachverstand verfügen. Auch da kann eine Stiftung hilfreich sein, um beispielsweise Arbeitsplätze zu retten. Aber damit verlassen wir natürlich das Narrativ von Dandrès und Novak.

Wie jedes Finanzkonstrukt kann auch eine Stiftung missbraucht werden. Für die Leser, die es immer noch nicht kapiert haben sollten, wiederholt Novak: Seitdem 1907 solche «Unterhaltsstiftungen» in der Schweiz verboten wurden, «müssen reiche Familien, die ihren Angehörigen über eine Stiftung den Lebensunterhalt finanzieren und gleichzeitig die Steuern optimieren wollen, ins Ausland ausweichen – namentlich nach Liechtenstein.»

Das ist im Prinzip richtig, wobei Steueroptimierung immer noch nichts Schlechtes ist. Steuerhinterziehung via Stiftung im Ländle hat sich aber spätestens mit dem AIA, dem Automatischen Informationsaustausch, erledigt, daher ist die Zahl solcher Stiftungen im Ländle auch dramatisch geschrumpft.

Dass jemand, der Vermögen besitzt, darüber verfügen möchte, ist für die Gefolgsleute von Dandrès hingegen ein ««zutiefst reaktionäres Konzept». Eine Familienstiftung diene dazu, den nachfolgenden Generationen die Wünsche des Gründerpatriarchen aufzuzwingen.» So eine Unverschämtheit aber auch.

Nun hat aber das Parlament zum Ingrimm von Dandrès und auch Novak die Motion des FDP-Parteipräsidenten Thierry Burkart angenommen, der Bundesrat muss ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten.

Vielleicht sollte sich Novak mal vorsichtig erkundigen, wie viele Mitglieder des Coninx-Clans eine Stiftung in Liechtenstein unterhalten – aber dazu reicht der Mut dann doch nicht.

Es wäre doch wunderbar, wenn das Haus der Qualitätsmedien zunächst einmal banale Tatsachen darstellen würde, um dann anschliessend  nach Lust und Laune zu kommentieren. Aber das würde statt Meinung Sachkenntnis voraussetzen. An Meinung ist bei Tamedia kein Mangel …