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Ach, NZZaS

Quo vadis, wie der Lateiner im Denkerblatt sagen würde.

Selbst der eher sanftmütige Peter Rothenbühler hat die Nase voll. Das Blatt verlottere zusehends, und Chedredaktor Beat Balzli möge doch bitte, bitte, keine Editorials mehr schreiben, bei denen einem die Füsse und das Hirn einschlafen.
Sagt ZACKBUM schon länger.

Auch die neuste Ausgabe will das – leider – beweisen.

Das Editorial trägt den Titel «Der Dichtestress ist das kleinere Übel als …» Offenbar geht Balzli zu recht davon aus, dass sowieso keiner weiterliest. Wer’s aber dennoch tut, wird mit einer Anekdote aus dem deutschen Trash-TV über Auswanderer bestraft.

Apropos eingeschlafenes Gesicht, das hier soll Kaufreiz auslösen?

Die (gähn) 10-Millionen-Schweiz, Trump und die Nahrungsmittel (schnarch), Machtmissbrauch der UBS (nun auch die NZZaS), «Tödlicher Sex» (huch), und als Duftnote: «Röstis Bruder spritzt Gülle auf geschützte Wiese» (Sippenhaft).

Auch die grafische Gestaltung des Blatts setzt Massstäbe – nach unten:

Sowas wäre selbst Verwendern von CoralDRAW zu peinlich. Apropos, «Rapper vs. Swift», die musikalische Auseinandersetzung im US-Wahlkampf, ein ganz zentraler Aspekt wird hier von Andreas Mink aufgegriffen. Ist halt auch blöd, wenn man sich ständig etwas aus den Fingern saugen muss – statt einfach mal pausieren.

Aber immerhin, kleine Lichtblicke gibt es auch:

Die NZZaS kümmert sich auch um Wichtigeres als eine misslungene Provokation eines Politik-Pin-up, nämlich um das Massaker, die Tragödie, den Menschheitsskandal im Sudan. Wo die Welt zuschaut, wegschaut. Falsche Gegend, falsche Hautfarbe.

Apropos 10-Millionen-Schweiz, ob das subversive Absicht ist?

Grossbritannien sei einstmals Vorbild bei der Integration von Ausländern gewesen (wann?). Aber nun nähmen Muslime immer mehr «Raum in der Gesellschaft ein. Und die Politik tut rein gar nichts», gesteht Bettina Schulz.

Dann bricht wieder das grosse Gähnen aus:

Wenn es ein Thema gibt, über das alle alles gesagt haben, das von oben, unten, links und rechts beäugt wurde, dann das. Deshalb ist ZACKBUM ein Ameti-freier Raum – und wird das auch bleiben.

Wie schön wäre es, wenn die NZZaS eine Patti-Basler-freie Zone würde. Denn wenn die sich über Satire Gedanken macht, dann kann man das nicht einmal als Realsatire nehmen. Hier schlafen nicht die Füsse ein, aber die Zehennägel rollen sich nach oben vor peinlicher Berührtheit.

Dass Peter Hossli, zufällig Leiter der Ringier-Journalistenschule, über die «Journalistenschule als Geschenk für die Schweiz» salbadern darf – die Ergebnisse ihrer hochkarätigen Ausbildung kann man täglich im «Blick» bewundern –, ist selbst als Kollegensolidarität einem ehemaligen Mitarbeiter gegenüber hochnotpeinlich.

Der Aufmacher der «Wirtschaft» zeigt, dass der AD sich weiterhin austoben darf. Rohes Fleisch mit einem Text, der kaum lesbar ist, wieso steht da nicht besser schwarz auf weiss (oder weiss auf schwarz): Überblätter mich!

Wer zusehen will, wie einer Kolumnistin die Luft und die Themen ausgehen, sollte sich die einstmals grossartige Kolumne «Geld & Geist» reinziehen:

Auch auf die Gefahr hin, wieder als misogyn abgestempelt zu werden: eine Kolumne, die so beginnt, bettelt darum, nicht gelesen zu werden: «Vor kurzem hörte ich einem Gespräch über Emotionen zu.» ZACKBUM ist zu höflich, um die Emotionen zu beschreiben, die den Leser überkommen.

Aber ZACKBUM ist auch furchtlos; wir haben quer weitergelesen. Und sind über diese Perlen gestolpert:

«Fakt ist: Jeder Mensch hat Gefühle … ein Gefühlsvokabular aufbauen … am allerwichtigsten ist jedoch, Gefässe für den Austausch von Gefühlen zu schaffen».

Hier braucht es ein ganz, ganz grosses Gefäss, um Dampf abzulassen, dass man mit solchem Flachsinn belästigt wird. Dass es für diese Geistlosigkeit noch Geld gibt …

Jetzt aber, Männer, aufgepasst, ihr könnt mit dem Geschlechtsakt zu Mördern werden. Ungelogen: «Sex kann Auslöser allergischer Reaktionen sein. Männer übertragen mit ihrem Sperma Stoffe, die sie Stunden zuvor zu sich genommen haben – das Liebesspiel endet so gelegentlich tödlich».

Wahnsinn. Männer, verwendet Kondome. Aber sicherheitshalber auf nüchternen Magen.

Dann kommt Serie, Teil zwei. Nachdem in der letzten NZZaS einige Schweizer Kunstschaffende abserviert wurden, nun die vorhersehbare Fortsetzung: «Jung, unkonventionell und mit Mut zum Risiko». Neue, junge Künstler, hereinspaziert; NZZaS-Autoren zeigen ihre subjektive, nicht wirklich interessante Auswahl.

Schliesslich hat sich Linus Schöpfer das «City Bid Book» besorgt; die Gebrauchsanweisung, wie der ESC zu organisieren sei. Das wurde von der SRG an interessierte Städte verteilt, sollte aber geheim bleiben. «Ätsch, Öffentlichkeitsgesetz» sagte Schöpfer. Nicht schlecht, sozusagen ein leise versöhnlicher Ausklang.

Aber: Jonas Projer wurde von der eigenen Redaktion weggemobbt, weil er zu sehr gegen deren Schrebergärten, Hobbys und Überheblichkeiten anging. Dass sich damit die Redaktion selbst ins Knie schoss und nun zu grössten Teilen der NZZ angeschlossen ist, Künstlerpech.

Balzli lässt alle machen, inklusive ein unterirdisches Layout. Da er selbst nicht mal ein interessantes Editorial hinkriegt, dürfen sich alle Schreiber austoben, wie es ihnen drum ist. Oder anders gesagt: wer ein Aufmacher-Meinungsstück über ein verglühtes Politik-Sternchen zulässt, hat die Kontrolle über sein Blatt verloren.

Wenn Eric Gujer gerade mal nicht mit Weltenlenken beschäftigt ist, wird er etwas unternehmen. Aber wahrscheinlich rettet Balzli vorläufig noch, dass man nicht wieder so ein Schlamassel wie bei der Nachfolge von Projer anrichten möchte. Nur: welches Schlamassel ist letztlich grösser, das im Blatt oder das einer rumpeligen Nachfolge?

 

Schlafmittel, rezeptfrei

Was ist schlimmer als ein aktueller Artikel von Tamedia?

Ganz einfach: ein rezyklierter Artikel:

Wenn’s nach eingeschlafenen Füssen in ungewaschenen Socken mieft, dann ist man beim Tagi.

Richtig mutig ist hingegen Martin Fischer. Er stellt die ketzerische Frage: «Braucht es wirklich 30 Millionen Franken Steuergeld für den ESC

Da wird Philippe Zweifel aber schäumen. Dem schwante schon Fürchterliches, sollte man das in Frage stellen: «Es ist der Anfang vom Ende der Solidargesellschaft, die darauf beruht, dass alle Dinge mitfinanzieren, die sie selbst vielleicht nicht brauchen.»

Dagegen stellt Fischer, dass weder der behauptete langfristige Nutzen noch ein Return on Investment auf den Steuerfranken stichhaltige Argumente seien. Schlimmer noch, andere Städte hätten gezeigt, dass man auch weniger grossspurig auftreten kann: «Es ginge auch mit weniger Geld, als Zürich und Bern bereits offeriert haben. Die Städte haben in den Vorjahren deutlich weniger investiert: Malmö nur 2,5 Millionen Franken, Liverpool 4,8 Millionen, Turin 9,6 Millionen.»

Aber zurück zur Abteilung Schlafpille. Christof Gertsch und Mikael Krogerus beginnen wie angekündigt mit ihrem 37-teiligen Podcast über die Canonica-Roshani-Affäre, die sich vor ihren Augen und Ohren abspielte. Als überzeugte Feministen ist es ihnen ein Anliegen, endlich Licht ins Dunkle zu bringen.

Der Tagi-Leser ahnt es schon: alles Fake News. Die beiden beginnen mit einem Podcast über die US-amerikanische Sprinterin Florence Griffith-Joyner. Für unsere jüngeren Leser: die lebte von 1959 bis 1998 und zog sich relativ schnell aus Wettrennen zurück, nachdem sie bis heute gültige Weltrekorde aufgestellt hatte. Wer an akuter Schlaflosigkeit leidet, findet hier rezeptfreie Erlösung.

Für ganz hartnäckige Fälle serviert die USA-Unke Peter Burghardt aus dem Hause «Süddeutsche Zeitung» seine neuste «Analyse». Titel: «In seiner bisher wichtigsten Rede kritisiert J. D. Vance die Medien». Da sind wir aber gespannt, bzw. werden schläfrig, was Burghardt zur Rede einfällt. ««Wow», sagt Vance, als er die Bühne erreicht hat und seine Frau geküsst hat.»

Wow, sagt ZACKBUM und hält mit Streichhölzern die Augenlider oben. Wir sind bereits in der Hälfte der «Analyse», und vernehmen: «Die Mutter sitzt auf der Tribüne, der Sohn preist «alleinerziehende Mütter wie meine, die mit Geld und Sucht zu kämpfen hatten, aber nie aufgegeben haben».» Wow, sagt ZACKBUM und hält sich höflich die Hand vor den Mund beim Gähnen.

Nun kommt Burghardt doch nicht umhin, ein paar Zitatebrocken hinzuwerfen: «Für ihn (Vance, Red.) sind die Wallstreet, China und Einwanderer ohne Papiere schuld an niedrigen Löhnen und teuren Immobilien, dabei wächst die US-Wirtschaft in Wahrheit kräftig. Präsident Biden ist für ihn das Symbol korrupter, abgehobener Politiker in Washington, Trump und er würden wieder das alte Amerika zurückholen

Wow, sagt ZACKBUM, damit dürfte wohl der Inhalt der Rede, schnarch, wiedergegeben sein. Jedenfalls der Teil, den Burghardt für erwähnenswert hält. Aber eine letzte Schlafpille hat sich der Mann noch aufgehoben: «Ein grosser Rhetoriker ist dieser ehemalige Trump-Kritiker und aktuelle Trump-Verehrer nicht, manchmal hebt er den Zeigefinger und scheint fast zu predigen.»

Woran merkt man, wenn einen ein riesengrosses Sommerloch angähnt? An Artikeln wie diesen, die zudem richtig gute Laune versprühen:

Tina Fassbind weiss einleitend: «Zwei Kilogramm Asche. Das bleibt am Ende eines Lebens von einem Menschen, der kremiert wird, im Durchschnitt übrig.»

Von der Kremierung ist’s zur Diskremierung nicht weit (kleiner Kalauer zum Wachbleiben):

Hier ist noch ein Muntermacher:

Das ist nun interessant. Wir Kochbanausen dachten immer, eine mastige Pavlova (Baisermasse, Sahne, Früchte) sei das Nationaldessert in Australien und Neuseeland, also ziemlich weit weg. Wieso das nun eine türkische Köchin in Zürich dem Leser näherbringen will? Ist schon Ende Gelände mit Dürrem und Römpömpöm?

Als letztes Schlaflied berichtet der Tagi noch Erstaunliches von der Wetterfront: «Juli zu nass». Bei leisem Geplätscher und Wasserrauschen entschlummert der Leser der staubtrockenen («Dürre in der Schweiz») Berichterstattung.

 

Wumms: Philippe Zweifel

Flughöhe Dieter Bohlen. Das kann nicht gut gehen.

Wenn Zweifel den Pop-Titanen interviewt, begegnen sich zwei Männer auf Augenhöhe. So dümmlich wie die Fragen («Hipster tragen wieder ballonseidene Trainingsanzüge wie Sie damals. Ihr Kommentar dazu?») sind die Antworten.

Aber nun gelüstet es Zweifel nach Höherem, was allerdings in seichter Untiefe endet. Er darf einen Leitartikel bei Tamedia schreiben: «Der kleingeistige Krieg der ESC-Gegner

EDU und SVP sind gegen die Austragung oder zumindest die staatliche Subventionierung des Eurovision Song Contest (ESC), der dank einer sich plötzlich als nonbinär entdeckten Hupfdohle, die einen auf Conchita Wurst macht, in die Schweiz kommen soll.

Dagegen benützen die beiden Parteien das bislang noch nicht verbotene Mittel des Referendums. So wie die Junge SVP in Zürich. Damit hat sie’s aber definitiv bei Zweifel verschissen:

«Womöglich reicht das schon, um den Anlass in Zürich zu verhindern, da die Veranstalter lange vor dem Abstimmungstermin Gewissheit bräuchten. Das demokratische Mittel des Referendums wird so ad absurdum geführt. Ausgerechnet im links regierten Zürich, der Stadt des queeren Pride-Festivals, wo eine Mehrheit der Bevölkerung den ESC wohl gutheisst.»

Wozu braucht es so Unsinn wie Referendum und Abstimmungen, im Zweifel nur Zweifel fragen, der weiss doch, dass eine «Mehrheit der Bevölkerung den ESC wohl gutheisst». Woher er das weiss? Ach, man soll Hellseher wie ihn doch nicht mit so blöden Fragen belästigen.

Und auch nicht mit noch blöderen Gegenargumenten, wieso eigentlich der Steuerzahler für so einen Quatsch aufkommen soll, denn: «Die Argumente der Gegner des grössten Gesangswettbewerbs der Welt reichen von grotesk bis kleingeistig.»

Dazu gehöre auch der Einwand der SVP, dass es bei der letzten Austragung üble antisemitische Vorfälle gab. Daher müsse das Ansehen der Stadt Zürich gewahrt werden. Da trifft sie dann aber der volle Zorn Zweifels:

«Es ist eine Aussage, die von einem totalen Unverständnis gegenüber dem ESC-Geist zeugt. Zwar kam es an der diesjährigen Austragung zu Pfiffen und Demonstrationen gegen die israelische Teilnehmerin. Das ist übel und nicht duldbar. Doch dass Israel als nicht europäisches Land seit 1973 am ESC teilnimmt, ist das viel wichtigere politische Statement: Seht, wir teilen dieselben Werte

Es gab also üble und «nicht duldbare» Vorfälle. Und wie sollte sich zukünftig die mangelnde Duldung ausdrücken? Wackelt Zweifel dann jedesmal vorwurfsvoll mit dem Zeigefinger, runzelt die Stirn und sagt: Ich dulde das nicht? Was für ein kleiner Geist.

Er selbst duldet auf keinen Fall, dass es Bedenken geben soll, diesen Non-Event mit Steuergeldern zu finanzieren. Das sei nur vorgeschoben in den Referenden: «Diese stehen auch für einen eskalierenden Kulturkampf, der die Gesellschaft mit populistischen Provokationen spaltet. Trachtenfest versus Pride oder Sechseläuten versus ESC. Und was ist denn mit den Subventionen fürs Opernhaus? Oder den Sicherheitskosten für die Fussballspiele

Klassischer Whataboutism; es fehlte nur noch der Hinweis auf die Ukraine und den Hunger in der Welt.  Denn Zweifel geht es nun wirklich ums Grosseganze. Kulturkampf, populistische Provokationen, das Ende naht: «Es ist der Anfang vom Ende der Solidargesellschaft, die darauf beruht, dass alle Dinge mitfinanzieren, die sie selbst vielleicht nicht brauchen.»

Dinge wie Genderprofessuren und ähnlichen Unsinn zu finanzieren, die nun wirklich keiner braucht, ist eine Sache. Dagegen zu sein, dass ein völlig überflüssiger Anlass wie der ESC mit Steuergeldern finanziert wird, ist weder eskalierender Kulturkampf, noch das Ende der Solidargesellschaft.

Es ist lediglich das politische Äussern einer Meinung, die Zweifel nicht passt. Und was ihm nicht passt, ist eine «populistische Provokation».

Das ist mal wieder der typische Ausdruck arroganter Überheblichkeit eines Wohlfühllinken in seiner Gesinnungsblase, der langsam, aber sicher die Luft ausgeht. Daher japst er hörbar und beschimpft mal kurz die Mehrheit der Tagi-Leser. Vermutet ZACKBUM mal.

Die sich auch hier fragen, wieso sie für das rüpelige Gejammer und das keifende Schimpfen Geld ausgeben sollen. Selbst Masochisten kriegen schliesslich genau das, wofür sie bezahlen. Aber hier kriegt der Leser bloss einen Haufen unausgegorenes Geschwafel mit unerträglichem Anspruch.

Zahlen zählen

Messen wir die Bedeutung von News an Zahlen und an Bärfüssen.

Fangen wir mit dem Naheliegenden an. Das Qualitätsorgan Tamedia und der ESC. Aktuell auf der Homepage zählen wir mal 3 Artikel zum ESC-Event in der Schweiz. Plus weitere 8 Artikel zum Nullthema Nemo. Also insgesamt 11. Vorläufiger Rekord.

Wir verleihen einen Bärfuss. Was das ist? Kommt noch.

Als nächstes Grossereignis zählen wir 5 Artikel über den vergangenen Muttertag. Aber ist nicht jeder Tag Muttertag? Wenn man ein «Gesponsert» hinzuzählt, was ja Schönsprech für bezahlte Werbung ist, die wie ein redaktioneller Beitrag daherkommt, käme Köchin Elif sogar auf 6 Auftritte. Wobei der «Eiersalat à la Mama» weiterhin doppelt vertreten ist, damit er dem Leser wirklich zum Hals raushängt. Zusammen auch ein Bärfuss.

Aber das ist noch gar nix. Das Blatt mit dem Regenrohr bringt es auf ganze 14 Artikel über und um den Niemand.  Niemand schlägt «Blick».

Das wären dann locker zwei Bärfüsse.

Allerdings gibt es in der glücklichen, aber schrumpfenden «Blick»-Familie ein Ereignis, das hier gewürdigt werden muss: «Zum vorerst letzten Mal erscheint an dieser Stelle der monatliche Essay von Lukas Bärfuss.» Yippie yeah. Der undichte Dichter beginnt passend zu seinem ewigen Gesichtsausdruck: «Das Schicksal ist unbarmherzig, grausam und ungerecht, und zum ersten Mal schlägt es bei unserer Geburt zu.» Und dann immer wieder, wenn man über einen seiner geholperten Texte stolpert. ZACKBUM gibt zu: diese Nachricht über den schreibenden Nemo zaubert ein verklärtes Lächeln auf unser Gesicht. Das lässt sich nicht in Bärfuss messen.

Aber es gibt ja keine gute Nachricht ohne bitteren Beigeschmack. In der WoZ publiziert Bärfuss weiterhin. Dort versucht er sich immerhin in höherem Dadaismus. Was er über Schullektüre zu schreiben hat, verdient ein längeres Zitat. Achtung, anschnallen, es geht los:

«Ein Buch allein zu lesen, ist in zweifacher Hinsicht sinnlos. Erstens: Wer ein einziges Buch liest, eines allein, kann keine Vergleiche anstellen zwischen Stoff und Sprache. Aus Mangel an Zusammenhang, an Kontext wird er oder sie das Buch nicht verstehen. Erst wer ein zweites Buch liest, schafft sich einen Kommentar, eine Kritik, einen Zusammenhang, eine Referenz. Es ist eine Sache, Virginia Woolfs Roman «Miss Dalloway», erschienen 1925, zu lesen, eine andere, diese Lektüre jener von Auguste Escoffiers «Guide culinaire» von 1903 folgen zu lassen. Die romanhafte Darstellung einer Einladung in der Londoner Upperclass nach dem Ersten Weltkrieg und die enzyklopädische Sammlung von Kochrezepten der bürgerlichen Küche Frankreichs enthüllen die Vorstellungen einer bestimmten europäischen Epoche über die Gastfreundschaft.»

Echt jetzt? Dem Trend zum Zweitbuch folgend: man nehme einmal Woolf, einmal Escoffier? Auf diese Idee wäre nicht einmal Christian Seiler gekommen. Jack Reacher und Teresa von Avila, die «International Classification of Diseases» und «Der Alchemist». Damit setzt der Mann mit dem grimmigen Gesichtsausdruck den obersten Massstab.

Drei grosse Bärfüsse, mehr geht nicht. Mehr gibt’s nicht. Das ist wie drei Sterne im Michelin.

Eigentlich kann das nur der Wortschmied selbst erreichen. Wir sind gespannt, ob wir Fundstellen ohne seine Beteiligung identifizieren können. Suchen wir weiter.

CH Media hält es je nach Kopfblatt lokalpatriotisch mit dem ESC. Im St. Galler «Tagblatt» gibt es 7 mal allgemeines Geschwurbel über Nemo. Plus 3 Artikel mit Ostschweizer Akzent (brr). «Der ESC in St. Gallen? Immerhin liegt Nemo die Ostschweiz im Blut». Sozusagen Blut-und-Boden-Ideologie, neu aufgebürstet. Das reicht nicht für zwei Bärfüsse, ist aber mehr als einer.

Also anderthalb, aber Bärfuss ist natürlich unteilbar.

Nun aber zum Leuchtturm der grossen Denke, dem Blatt, das zwar nz, nz, nz im Titel trägt, aber mit lediglich zwei Stücken über Nemo glänzt. Sorry, NZZ, das gibt natürlich zero points, bzw. null Bärfüsse, was aber eine Auszeichnung ist.

Bei «20Minuten» muss man meckern, dass eine News wie «Nemo hat es geschafft! Die Schweiz gewinnt den ESC» am Dienstag nicht mehr brandneu wirkt. Aber immerhin, das ist einer von lediglich zwei Artikeln über der/die/das singende Niemand, bravo und  kein Bärfuss.

Als Absackerchen noch «watson». Allerdings mit 9 Auftritten doch eher biederes Mittelfeld.

Aber das reicht für einen Bärfuss.

 

 

Das «Magazin» spinnt

Es gibt Texte, die sind besorgniserregend.

«Beim ESC vertritt Nemo die Schweiz. Das Lied zertrümmert das Dogma der Zweigeschlechtlichkeit und ist schon jetzt ein Gewinn. Für uns alle.»

Einen solchen Lead muss man wirklich abschmecken, bevor man ihn angewidert ausspuckt. Der erste Satz mag noch knapp angehen, obwohl es doch die Frage ist, ob dieser Sänger einfach «die Schweiz» vertritt. Der Sänger trällert nun bei der wohl seichtesten Musikveranstaltung Europas (und es gibt inzwischen ein grosses Feld ernsthafter Konkurrenten, aber der ESC schlägt nach wie vor alle). «The Code» ist voll hohlem Pathos, mit dem schon Conchita Wurst (wo ist die Wurst eigentlich geblieben?) triumphierte, plus ein Mix von diesem und jenem, was gerade musikmodisch angesagt ist, wobei da und dort vielleicht ernste Copyrightprobleme auftauchen könnten.

Dabei ist Nemo sozusagen ein singender Kim de l’Horizon, was beweist: schlimmer geht immer. Da kann das «Magazin» nun aber locker noch einen draufsetzen.

Christof Gertsch ist ein feiger Mensch. Als er bei der Preisverleihung vom «Schweizer Journalist» die Möglichkeit bekam, endlich mal ein klärendes Wort zur Roshani-Affäre beim «Magazin» zu sagen, druckste er nur herum. Dabei stand im Raum, dass er laut der gefeuerten Mobberin Ohren- und Augenzeuge gewesen sein soll, wie der damalige Chefredaktor die Redaktorin vor versammelter Mannschaft übel angegangen sei.

Er und Michael Krogerus, auch so ein Westentaschenheld, hätten hier einmal die Möglichkeit gehabt, ein wenig Zivilcourage zu beweisen und sich zu einem klaren Statement durchzuringen. Aber nein, mutig sind die nur auf Papier oder vor dem Bildschirm; in der Realität sieht’s ganz anders aus.

Dieser Gertsch behauptet nun also, dass der Schlagersänger Nemo mit seinem Liedlein «das Dogma der Zweigeschlechtlichkeit» zertrümmere. Was soll daran dogmatisch sein, dass es schlichtweg zwei biologische Geschlechter gibt? Weiss Gertsch überhaupt, was ein Dogma ist? Vielleicht macht er sich mit einem Blick auf Wikipedia kundig.

Und wieso soll ein seichter Schlager diese biologische Tatsache «zertrümmern»? Meint Gertsch damit, dass nach diesem Gesang die Zweigeschlechtlichkeit in Trümmern zu unseren Füssen läge?

Fast 35’000 A lang, das traut sich sogar die «Republik» nicht immer, labert sich Gertsch einen ab. Philosophiert über einen Banal-Schlager, als gäbe es hier einen neuen Hölderlin zu entdecken. Dabei gelingen ihm Stilblüten wie:

«Nemo kämpft für das Recht, uneindeutig zu sein in einer Welt, die Eindeutigkeit liebt.»

Der Schlagersänger kämpft für ein Recht? Wie kämpft er denn, abgesehen davon, dass er einen Schlager trällert?

Aber Gertsch ist ja noch nicht fertig mit seiner eindeutigen Lobhudelei am untauglichen Objekt. Diese angebliche Zertrümmerung eines Dogmas sei zudem ein Gewinn. Was wird da eigentlich gewonnen? Nemos Kampf um sein Recht auf Uneindeutigkeit? Meine Güte, David Bowie hat mit Uneindeutigkeiten gespielt, war androgyn, geschminkt, ein Zwitterwesen, aber dennoch auch Mann. Und fantastische Musik hat er erst noch gemacht. Aber wenn man ihn gefragt hätte, ob er das Dogma der Zweigeschlechtlichkeit habe zertrümmern wollen, dann hätte er als höflicher Engländer nur gesagt: I beg your pardon?

Was also an diesem Song von Nemo ein Gewinn sein soll (ausser, auf seinem Bankkonto), das bleibt schleierhaft. Aber Gertsch ist ja noch nicht fertig. Das Zertrümmern sei nicht nur ein Gewinn, sondern einer «für uns alle». Also wenn ZACKBUM auch «uns alle» ist: nein, sorry, wir sehen da keinen Gewinn.

Höchstens einen Verlust. An Lebenszeit. Am Glauben, dass das «Magazin» noch in der Lage ist, aus eigenen Kräften einen sinnvollen Text abzusondern. Was hier in Trümmern liegt, ist ein einstmals anspruchsvolles Organ, das durchaus ab und an nennenswerte und hochstehende Stücke veröffentlichte.

Inzwischen dampft es konsequent 20’000 Meilen unter dem Meer der Mittelmässigkeit, quält den Leser und ist zur Spielwiese von selbstverliebten Autoren verkommen, die sich furchtbar wichtig vorkommen, wenn sie absoluten Unsinn absondern, das aber mit ernster Miene.

Wäre ihre Meinung wirklich mal gefragt, schweigen sie hingegen feige. Alles kleine Nemos, kleine Niemande.

Schlechte Nachrichten für Israel

Denken Journalisten auch mal über den Tellerrand hinaus?

Wer nicht vorhersagte, dass die Ukraine den Eurovision Song Contest gewinnen wird, lebt auf einer Insel – oder ist Journalist. Welche Entschuldigung der «Komiker» Karpi und die «Literaturchefin Tamedia» Nora Zukker wohl für ihre selten peinlichen Kommentare haben? Karpi: «Und so geht die Schweiz heute ins Bett: enttäuscht ungeliebt, alleine.» Zukker (unter dem Pseudonym Zukki): «Schweden ist schwanger.»

Aber zu Wichtigem. Nach der vollständigen Pressezensur verbietet die Ukraine nun auch alle politischen Bewegungen, die Kontakte mit Russland haben sollen. Der ukrainische Aussenminister bekräftigte: «Es gibt nichts Schlechtes an einem Waffenstillstand, wenn er der erste Schritt hin zu einer Lösung wäre, wo das ukrainische Staatsgebiet befreit wird. Wir werden uns aber nicht damit abfinden, dass es eine Teil-Abtrennung von Territorium gibt.» Verhandlungen, Waffenstillstand? Aber Putin will doch angeblich nicht, die Ukraine schon.

Noch spannender: Beim Treffen der G7 in Deutschland wurde erklärt, dass man niemals mit Gewalt verschobene Grenzen anerkennen werde. Natürlich ist damit die Ukraine gemeint.

Es wäre aber eine interessante journalistische Frage, ob das auch für das NATO-Mitglied Türkei gilt, das Teile Syriens annektiert hat. Oder gar für Israel, das zurzeit im Zusammenhang mit der Ermordung einer palästinensischen Journalistin im (kleinen) Kreuzfeuer der Kritik steht. Laut Videoaufnahmen und Zeugenaussagen hatten israelische Scharfschützen eine deutlich gekennzeichnete Gruppe von Journalisten unter Feuer genommen; es gab mehrere Verwundete und eine Tote.

Zudem hat Israel seine Landesgrenzen auch nicht ganz friedlich erweitert. Schliesslich könnte der über seine Nasenspitze hinausschauende Journalist mal die Frage in den Raum stellen, wieso der vom Westen unterstützte, verbrecherische, seit Jahren andauernde und schon über 300’000 Tote verschuldende Stellvertreterkrieg im Jemen kein Thema der G7 ist. Dabei kann Saudi-Arabien diesen schmutzigen Krieg nur führen, weil es für Multimilliarden mit westlichen Rüstungsgütern beliefert wird.

Aber das sind wohl alles Fragen, die sich an Redaktionskonferenzen niemand zu stellen traut. Arbeitsplatzsicherung geht vor.