Entschlackt – verkackt
Tamedia überrascht: noch weniger Inhalt, gleicher Preis.
Man weiss, dass der Banker nicht unbedingt eine Relation zwischen seiner Leistung und seinem Einkommen sieht. Ob Gewinn oder Verlust, Hauptsache, der Bonus stimmt.
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Man weiss, dass der Verlagsmanager nicht unbedingt eine Relation zwischen seiner Leistung und seinem Einkommen sieht. Der Banker bemüht sich aber immerhin, seine Kunden mit Produkten zu bedienen, von denen die sogar manchmal profitieren.
Der Verlagsmanager hingegen hat trotz scharfem Nachdenken bis heute nur ein Rezept gefunden, um wegbrechenden Inserateeinnahmen, wegbröckelnden Abonnenten und Gratis-Angeboten im Internet zu begegnen. Es ist keine erfolgversprechende Strategie. Denn sie lautet: weniger Angebot für gleich viel Geld.
Besonders wild treibt es Tamedia. Geschrumpfte Umfänge, Zusammenlegungen, Einheitsbrei, abgefüllt in Zürich und auch in Bern oder Basel ausgegossen, grössere Teile des mageren Contents werden aus München zugeliefert. Immer weniger Redaktoren stellen immer weniger Recherchen an, füllen klickgetrieben per copy/paste ab, schnitzen Meldungen der Nachrichtenagentur SDA zurecht und dürfen sich zum Frustabbau mit Meinungen und Kommentaren austoben.
Jedes Mal, wenn etwas passiert, was zuvor mit heiligen Eiden als ausgeschlossen beschworen wurde, fliegen die gleichen Worthülsen. Als «Der Bund» und die «Berner Zeitung» («keine solchen Pläne») dann doch zusammengelegt wurden, sosste man das mit Synergie, Schlagkraft, verstärkte Lokalredaktion und Blabla zu.
Was früher eigene Zeitungsbünde waren, schrumpft auf eine Seite; wenn es nicht gerade gestohlene Geschäftsunterlagen auszuschlachten gilt, legt das «Recherchedesk» die Hände in den Schoss oder versucht sich an dümmlichen Kommentaren.
Geht da noch einer? Aber immer. Wie Ringier erfreut sich Tamedia an einem superprofitablen Geschäftsjahr, hat über 800 Millionen Franken Gewinn gemacht. Das muss gefeiert werden; sicherlich mit einer Investition in Qualitätsjournalismus. Nicht ganz, es wird mit einer Sonderdividende für die Aktionäre gefeiert. Während das Angebot für den zahlenden Leser weiter geschrumpft wird.
Pardon, das sieht so aus und heisst dann auch ganz anders:
Auf Tom Cruise fliegt der BaZ-Leser.
Kunterbunt treibt’s die «Berner Zeitung».
Diese Karikatur wäre auch als Einspalter nicht wirklich lustig.
Wer da etwas von Einheitsbrei sagt: man beachte, dass die drei Titelseiten doch drei verschiedene Inhalte haben. Drei verschiedene Bilder. Das ist doch wahre Pluralität von freien Qualitätsmedien, so etwas kennt Nordkorea nicht. Der Talk, mit dem das verkauft wird, könnte allerdings aus der Propagandaabteilung einer der letzten überlebenden kommunistischen Parteien stammen. Ausserdem, Zeichen und Wunder, gibt es einen Ausreisser:
Alles so schön bund hier? Oder einfach nicht mitgekriegt?
Aber der Leser kann beruhigt sein: drinnen gibt’s die gleiche Einheitssosse. Und das Aufmacherbild ist auch nicht gerade klein. In diesem Sinne folgt auch «Der Bund» den übrigen Tamedia-Kopfblättern.
Denn Realität ist: statt Inhalt und Buchstaben gibt es nun einfach Riesenbilder. Sei das eine mittelmässige Karikatur, sei das ein Uralt-Foto von Tom Cruise oder sei das eine Kletterhalle.
Corporate Communication schwitzte währenddessen über einem Schönfärbtext und kam damit zu Potte:
«Wir haben testweise die Zahl der Anrisse reduziert, den Aufmachertext neu strukturiert und dem Hauptbild mehr Gewicht gegeben. Damit erhält die Frontseite ein entschlacktes Layout und eine übersichtliche Gliederung.»
Das darf bei der BZ der sogenannte Chefredaktor unterzeichnen, beim Tagi und der BaZ ist’s von der «red.». Der Schönsprech übersetzt auf Deutsch bedeutet: «testweise» – wenn’s zu viel Gebrüll beim Leser gibt, machen wir’s sofort wieder rückgängig.
«Zahl reduziert» – gibt beim runtergesparten Layout weniger Aufwand.
«Aufmachertext neu strukturiert» – gibt nur noch einmal Extra-Arbeit auf der Front.
«Hauptbild mehr Gewicht»: Früher achtete man noch auf über oder unter dem Falz. Heute ist nur noch wichtig: umso grösser das Bild, desto weniger Text braucht’s.
«Entschlacktes Layout»: Inhalt ist Schlacke, weniger Inhalt ist, nun ja, Kacke.
Wir hatten schon das Beispiel, dass die Qualitätsmedien das machen, was auf den Detailhandel übertragen bedeuten würde: neu gibt’s einen halben Liter Milch statt einem ganzen, der Preis bleibt aber. Neu verzichten wir auch noch auf grosse Teile der Beschriftung; «Milch» reicht doch auch. Preis bleibt natürlich gleich.
Kann man alles probieren. Wenn man aber einen weiteren Abbau als «entschlackt» verkaufen will, dann läuft man Gefahr, dass sich der Leser nicht nur als verkauft, sondern auch als verarscht empfindet. Und darauf reagiert der Konsument normalerweise eher unfreundlich – mit Konsumverzicht.