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Hello, Mr. President

«Moskau hatte recht». Seltener Satz in den westlichen Medien.

Gelassen aussprechen tut ihn, Überraschung, die «Weltwoche». Also sie lässt ihn aussprechen. Von Wladimir Kornilow, der das – nächste Überraschung – bei «Russia Today» tat, dem «staatlich finanzierten Online-Portal», wie die WeWo immerhin anmerkt.

Thema ist die Enthüllung der «New York Times», dass die CIA in der Ukraine seit vielen Jahren geheime Basen unterhält: «In einem umfassend recherchierten Artikel berichteten die Journalisten, wie in der Ukraine mindestens zwölf geheime Stützpunkte an der Grenze zu Russland aufgebaut wurden und immer noch betrieben werden, um Spezialoperationen gegen Russland zu führen.»

Da kann sich Kornilow in aller journalistischen Objektivität eines Jubelschreis nicht enthalten: «Und all das fiel mit dem beispiellosen Geheul der westlichen Eliten anlässlich des zweiten Jahrestags des Beginns der russischen Militäroperation zusammen. Kaum war der einstimmige Chor verstummt, der Russland einer «unprovozierten Aggression gegen einen Nachbarstaat» beschuldigte, da bestätigte eine der einflussreichsten Zeitungen der USA all jene Argumente, mit denen Russlands Präsident unsere Aktionen begründete.»

Unsere Aktion? Mit Verlaub, der russische Präsident gab als Ziel der kurzfristigen, mit der schnellen Einnahme Kiews endenden militärischen Spezialoperation an, dass damit die Ukraine «entnazifiziert» werden solle. Aber so ist das halt mit Präsidenten, was geht die nach zwei Jahren verlustreichem und brutalem Krieg ihr dummes Geschwätz von früher an.

Richtig lustig ist aber, dass Kornilow in seinem Triumphgeheul ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail gar nicht auffällt. Ein solcher Artikel wäre in Russland undenkbar. Unmöglich, nicht vorstellbar. Selbst wenn sanftere Kritik geäussert wird oder kleinere Skandale innerhalb der ungeheuerlichen Korruption des Kleptokratenregimes von Putin aufgedeckt werden, bezahlen das russische Journalisten nicht zu selten mit dem Leben.

Aber in diesem Sinne ist es eine gute Idee der WeWo, diesen Propaganda-Schwafler zu dokumentieren. Sein Beitrag zeigt das ganze Elend einer gelenkten, zensierten Presse. Allerdings ist es auch kein Ruhmesblatt der deutschsprachigen Medien, dass sie diese Enthüllung der NYT auf kleinem Feuer kochen, weil sie unangenehm in ihre Gesinnungsblase sticht.

Aber das Grundproblem russischer Propaganda bleibt bestehen. Man kann einen Überfall nicht schönschwätzen. Die USA in Vietnam, im Irak und in Afghanistan. Und an unzähligen weiteren Orten der Welt. Die alten Kolonialmächte Frankreich und England und Belgien und die Niederlande bis heute in Schwarzafrika oder im fernen Osten.

Imperiale Mächte denken imperial und nicht in ihren Landesgrenzen. Aber immerhin gibt es seit den «Pentagon Papers» (das war noch eine Enthüllung) in westlichen Medien eine Tradition, dass die Medien immer mal wieder ihrer Aufgabe nachgehen, den Mächtigen auf die Finger zu klopfen. Ähnliches ist von Organen wie «Neues Deutschland» bis «Prawda» nicht bekannt.

Wumms: Marc Walder

Der Wurmfortsatz des Journalismus schadet, wo er kann.

In der Debatte, ob es richtig sei, reiche Medienclans mit einer Steuermilliarde zu beschenken, liefen deren Medien zu Höchstformen auf. Vierte Gewalt, kritische Instanz, nötiges Kontrollorgan gegenüber staatlichem Handeln.

Das natürlich in völliger Unabhängigkeit; jede Redaktion ist völlig frei in der Meinungsbildung und Auswahl der Themen. Und erst recht, was die Frage von Zustimmung oder Kritik, Wertung und Bewertung betrifft.

Walder hat all diese Behauptungen sozusagen im Alleingang widerlegt. Er berichtete stolz, wie er «seine» Redaktionen zu staatstreuer Haltung verdonnert hatte. Er sagte: «Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.»

Nun enthüllt die «Schweiz am Wochenende», wie eng die Beziehungen zwischen Walder und Alain Berset, zwischen den Ringier-Medien und dem Gesundheitsdepartement, während der Corona-Krise waren. Da schwirrten Mails mit vertraulichen Informationen «sehr vertraulich, unter uns, wenn es Ihnen dient» hin und her.

Der Klassiker von Sauhäfeli, Saudeckeli. «Blick» bekam Primeurs, Berset bekam lobhudelnde Berichterstattung. Berset konnte Ringier als Hebel verwenden, Ringer konnte Hebeln wie es dem hysterisch ängstlichen Virus-Gegner Walder passte.

Ein einziger kritischer Artikel wurde gleich vorab angekündigt, Walder bat dann auch um Audienz bei Berset, um sich zu erklären. Der trat als Dressman und Interviewer in Ringiers Flop-Magazin «Interview» auf; bei der Vernissage sah man die beiden Seit an Seit.

«Inside Paradeplatz» wirft eine weitere heikle Frage im Zusammenhang mit dem «Berset-Walder-Gate» auf: «Rechte Hand von Gesundheits-Minister informierte Ringier-CEO vorab über 100-Mio-Deal mit Biontech-Impfung. Pharma-Aktie schoss hoch.» Waren das kursrelevante Informationen?

Unabhängigkeit, Staatsferne, Kritik, Redaktionsfreiheit, Kontrollinstanz: Abrissbirne Walder zerlegt all diese Behauptungen. Er ist der Wurmfortsatz des Journalismus. Im Körper kann man ihn mitsamt Blinddarm problemlos entfernen – meist ohne die geringsten Nebenwirkungen. Einfach so oder wenn er zum Beispiel durch eine Entzündung schadet.

Auch dem Schweizer Journalismus würde es ohne Walder noch nicht gut, aber entschieden besser gehen. Aber Ringier hat es noch nie geschafft, sich von gut vernetzten schädlichen Kräften rechtzeitig zu trennen.