Sein Blues war so gültig, dass wir gar nicht dachten, dass er verstummen könnte.
Wer sich den Künstlernamen Endo Anaconda gibt, kann mit der Sprache spielen wie mit einer Geliebten.
Er hat nichts ausgelassen. Den Schmerz, die Drogen, das verpfuschte Leben, das erfüllte Leben, das pralle Leben.
Er konnte seine Musik reduzieren, weil er selbst so ein barocker Mensch war. Seine Begleitband spielte das Einfache, das so verdammt schwer zu spielen ist.
Er brauchte kein Gehabe und kein Gehampel. Er sang nicht, er lebte seine Lieder.
Er ist gar nicht weg. Sicher nicht. Wir wissen doch, wo er jetzt ist. Natürlich, in Wallisellen. Denn wer es schafft, diesem Unort Seele und Schmerz zu geben, der ist gar nicht weg. Der ist auch nicht in elysischen Gefilden, und schon gar nicht in der Hölle.
Man muss nur darauf achten, wenn man durch Wallisellen fährt. Im Augenwinkel, als Schatten, als übergrosse Gestalt steht da einer, trägt einen Hut, wie ihn sonst nur Leonard Cohen mit Würde anhatte.
Ist gepflegt schlampig angezogen, macht aus jedem Ton ein kleines Kunstwerk, macht aus Asphalt Poesie, aus Asche ein Feuer, aus betoniertem Grauen ein Gedicht. Aus einem Gedicht ein Lied, und das bleibt. Aus Momenten kleine Ewigkeiten machen, aus Vergänglichem Gültiges, das können nur wenige Künstler. So wie er.
Seine Stimme bleibt. Sein Leid, seine Leidenschaft. Weil er nicht sang, sondern sich in seine Lieder hineinwarf. Mit allem, was er hatte. Und damit sein Publikum eroberte. Aber nicht besiegte, sondern bereicherte.
Selbst ein Walliseller wusste nach einem Konzert von Endo, dass Leben Leidenschaft ist. Sehnsucht, scheitern, besser scheitern. Traurig-komisch scheitern, aber damit über sich hinauswachsen. In die Höhen, wo Poesie auf den Schwingen des Liedes fliegt.
Er hat uns alle erhoben, dafür sind wir zutiefst dankbar und bleiben berührt.
6. September 1955, † 1. Februar 2022.