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Erschütternd

Ein soziologisches Experiment auf «Inside Paradeplatz».

Die Botschaft des Artikels war glasklar, einfach und leicht verständlich.Wer einen Verbrecher bestrafen will, darf selber keiner sein. Gewalt gegen Gewalt darf nur mit höherer Legitimation angewendet werden. Rechtsstaat bedeutet, dass Regeln ohne Ausnahme gelten. Und ein Bruch des Völkerrechts kann nicht mit einem weiteren Bruch beantwortet werden, wenn moralische Überlegenheit behauptet werden will.

Rechtsstaat ist unser letzter und wichtigster Schutzwall gegen Willkür und Barbarei. Wer Mörder ermorden, Kinderschänder kastrieren, Dieben die Hand abhacken will, fällt zurück auf archaische, dumpf-primitive Verhaltensweisen eines «Auge um Auge, Zahn um Zahn». Inzwischen sind wir auf wenigen Inseln der Aufklärung und der Zivilisation etwas weiter.

Könnte man meinen.

Nun ist es so, dass die meisten Kommentarschreiber bei IP nicht besoffene Stammtischbrüder nach dem zuvielten Bier sind, die im Gestus des ewigen Verlierers und Underdogs die Welt nach primitiven Regeln ordnen wollen und darunter leiden, dass sie niemand ernst nimmt.

Sondern es sind Banker, also Leute, die unser Geld verwalten. Das ist beängstigend, denn feige hinter dem Schutz der Anonymität versteckt, dabei zu blöde, um zu realisieren, dass man sie über ihre IP-Adresse dingfest machen könnte (was ohne weiteres zu einer sinnvollen Sparmassnahmen führen müsste), wird hier gepoltert, gekeift, geholzt, geschimpft, dass es einem Angst und Bange um unser Geld wird.

Wenn man diese Primitivlinge soziologisch etwas unterteilen will, gibt es in ewiger Wiederholungsschleife folgende Haufen, wobei zurzeit 235 Kommentare ein repräsentatives Sample bilden (wobei man der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass es ein paar akzeptable gibt). Wir geben die Rülpser in Originalrechtschreibung wieder:

  1. Der «geh doch nach Moskau»-Idiot:

    «Moskau einfach … Herr Zeyer, sie könnten ja nach Russland auswandern … Warum zieht er nicht zu seinen geliebten Moscoviten? … Warum leben Sie noch hier

  2. Der «bezahlt von Putin»-Dummkopf:

    «Nimm die 50 Silberlinge und schweig einfach» … Sind Putins Stiefel für heute geleckt? … Wie viel Geld bekommt der Herr Zeyer von Putin? … Es wirkt so, als ob Herr Zeyer einen klaren Auftrag bekommen hat … Wieviel bezahlt Moskau Ihnen denn für Ihr trauriges Geschreibsel, Herr Zeyer??? … Wieviel Geld bekommt dieser Pootin Knecht aus Moskau? … Wird Zeyer für solche Artikel bezahlt? Wenn ja dann bitte offenlegen. Sonst erübrigt sich meine Frage

  3. Der persönlich beleidigende Troll:

    «Bitte nicht Alt-Stalinisten und Putin-Fans schreiben lassen … Die Schweinerei liegt bei Ihnen, Herr Zeyer … Schwachsinn, den Sie hier verbreiten … Was für ein abstruser Blödsinn! … Der Typ ist kein Journalist…zudem ist das hier interessant: „Zeyer ist der Sohn eines deutschen Arztes, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Kommunist in der DDR niederliess.“ (Wikipedia). Noch Fragen? Warum lässt Herr Hässig es zu, dass diese schweizerische News-Seite mehr und mehr von abstrusen Figuren aus Deutschland geflutet wird

  4. Der «die machen das, also dürfen wir auch»-Flachdenker:

    «Sie wissen doch dass Russland der Aggressor ist … wichtiger ist ihm dass man die Russen mit Samthandschuhen behandelt! Ekelhaft … Der, der was zerstört muss für den Wiederaufbau, Wiedergutmachung bezahlen, oder? … Wie wenn sich Russland einen Dreck um das Völkerrecht kümmern würde … Die reichen Russen sind reich weil sie regimetreu sind, d.h sie unterstützen den illegalen Angriffskrieg und müssen bestraft werden wo es weh tut … Russland? Braucht es nicht. Nicht in dieser Form … Oligarchen = Mafia = Kriminelle … Man kann denen gar nicht genug nehmen, und selten war es gerechter als jetzt

  5. Die «im Prinzip Rechtsstaat, aber hier nicht»-Dummschwätzer:

    «Putins Kleptokratentruppe zeigt es ebenso wie man ohne jegliche Moral und ungesetzlich die Russen enteignen kann. Zeyer hätte mal mit russischen Oligarchen Anfang der 90-er Geschäfte machen sollen, dann könnte er heute den Unsinn nicht mehr schreiben, weil er drei Fuß unter der Erde liegen würde … Der Artikel ist voller Lügen. Es werden eben NICHT einfach Konten von Russen beschlagnahmt sondern nur von Pootin-Knechten. Von russischen Milliardären, die Ihr Geld weder legal noch ohne zutun des kriminellen russischen Staates gemacht haben … Die Beschlagnahmung russischen Geldes ist vermutlich eine der effizientesten Mittel, um das kriminelle System Putin, das die gesamte westliche Welt bedroht und sich grundsätzlich an keine Regeln hält, wenigstens etwas in Schranken zu halten … Richtig wäre, nicht nur die Zinsen, sondern das ganze Geld an die Ukraine zu übergeben, das wäre ja nur ein Bruchteil davon, was Russland in der Ukraine zerstört und dafür bezahlen muss

Es ist in jeder Beziehung eine Qual, sich durch diesen Haufen übelreichendes Rausgekotztes zu lesen – umso höher muss man die Leistung von ZACKBUM gewichten.

Keinem dieser ungehobelten Hirnamputierten fällt auf: wenn man den Begriff Oligarch durch Jude ersetzen würde, käme zur Kenntlichkeit, wes Geistes Kind diese Protofaschisten sind.

Erschreckend ist nicht nur, dass das angeblich gut ausgebildete Finanzspezialisten sind. Sondern vor allem, wie dünn der Firnis der Zivilisation ist. Wenn man etwas daran kratzt, ist der Lack ab. Und der Neandertaler kommt zum Vorschein, der nicht argumentiert, sondern keult und Urlaute von sich gibt.

 

Dummköpfe auf der Jagd

Reich, Russe, Geld weg. So dumm kann ein Weltbild sein.

In linken Kreisen ist’s ein ewig beliebtes Narrativ: Die Schweiz als Hort und Hüter grauslicher Gelder vom gesamten Abschaum der Welt. Steuerhinterzieher, Blutdiamantenhändler, Drogen- und Diktatorengelder – und nicht zu vergessen die reichen russischen Oligarchen, die nur zu Wohlstand kamen, weil sie Speichellecker Putins sind.

Beschlagnahmen, wegnehmen, verwerten. Wie meist zuvorderst fabuliert Fabian Molina, der SP-Nationalrat, Fan des Schwarzen Blocks und Vielschwätzer. Er wollte im Parlament erreichen, dass eine «Whistleblower-Hotline zur Aufdeckung russischer Oligarchengelder» eingerichtet wird. Ist der Bundesrat dazu bereit, fragte er schon 2022 inquisitorisch, «Wenn nein, warum nicht

Vielleicht deswegen nicht, weil staatliche Beihilfe zur Denunziation keine gute Idee ist? Wenn die Schweiz aus guten rechtsstaatlichen Gründen der «Oligarchen-Taskforce» nicht beitritt, schimpft Molina, sein Lieblingsgegner FDP betreibe «Politik für die faulen Eier auf dem Finanzplatz».

Dummschwätzer Molina hat bis heute nicht kapiert, worum es bei dieser Hetzjagd eigentlich geht. Er ist nicht der Einzige. Es geht einzig und allein um den ewigen Streit zwischen Finanzplätzen. Da hat die kleine Schweiz das Pech, dass sie hier ganz gross ist – und damit ein Dorn im Auge der anderen zwei ganz grossen. England und die USA.

Aberwitzig, aber wahr: einerseits haben in den vergangenen 20 Jahren viele reiche Russen Teile ihres Vermögens in die USA transferiert. Weil sie annahmen, dort sei es sicher und rechtsstaatlich geschützt. Aus dem gleichen Grund taten das reiche Russen in der Schweiz.

Nun wird es absolut absurd. Wie auch die NZZamSonntag einmal mehr aufzeigt, sind die USA bei solchen Finanzfragen schamlos verlogen. So wie sie sich im Steuerstreit als rächende Unschuld gebärdeten, in Wirklichkeit aber die grössten Steueroasen der Welt betreiben und nicht mal dem Informationsaustauschsystem AIA beitraten, tun sie so, als müssten sie andere Finanzplätze – wie die Schweiz – massregeln, dass die zu schlapp gegen russische Gelder vorgingen.

Das Gegenteil ist der Fall. Inzwischen ist es sogar so, dass reiche Russen – so sie noch können – ihre Gelder aus der Schweiz abziehen und in Sicherheit bringen. Wohin? Natürlich in die USA, wo in Delaware, in Texas, South Dakota, Alaska und Nevada weiterhin idyllische Zustände für alle herrschen, die den Zugriff auf ihre Vermögen erschweren oder verunmöglichen wollen. Angabe des Beneficial Owner, also des eigentlichen Besitzers eines Vermögens, das hinter einem Dickicht von Holdings, Trusts und Anwälten versorgen ist? In den USA Fehlanzeige. «Don’t tell, don’t ask», die alte Militärparole gegenüber Schwulen gilt auch hier.

Und während die pflichtbewussten – und treudoofen – Schweizer tapfer bekanntgaben, dass sie bis zu 150 Milliarden «russische» Gelder in der Eidgenossenschaft vermuten, sagen die USA dazu keinen Ton. Kritisieren aber lauthals die Schweiz, dass die «erst» einen einstelligen Betrag eingefroren habe.

Dabei ist die Wirklichkeit eine andere. Kaum noch eine Schweizer Bank – um nicht zu sagen keine – würde heute einen Russen, jemand mit russischen Verbindungen, jemand mit russischen Geschäftsbeziehungen als Neukunden aufnehmen. Compliance viel zu teuer, Risiko, vom Bannstrahl der OFAC getroffen zu werden, viel zu hoch.

Also geht der Russe in die USA, wo er in Delaware zum Beispiel in zehn Minuten einen Trust eröffnen kann. Das grösste Problem dabei: immer wieder einen neuen Namen finden. Sonstige Probleme: keine, and have a nice day.

Gelobt sei das Wort «aber»

Was können wir als unbeteiligte Zuschauer im Nahen Osten tun?

Es gibt grölende Horden, die mit «Free Palestine» oder mit «From the river to the sea» durch die Strassen ziehen. Ihre Geschichtsvergessenheit wird nur noch von ihrer schmerzlichen und oft gewalttätigen Dummheit übertroffen.

Es gibt meistens muslimisch beeinflusste Plattformen oder Einzelmasken, die mehr oder minder verschwurbelt zu erklären, gar zu rechtfertigen versuchen, was nicht zu rechtfertigen ist. Die brutalen Massaker, die fundamentalistische Wahnsinnige der Hamas an der Zivilbevölkerung in Israel verübt haben.

Da es bei Kriegsverbrechen keine Relativierung gibt, muss das, was Israel im Gazastreifen tut, auch als Kriegsverbrechen bezeichnet werden. Widerwärtig sind alle Versuche, jegliche Kritik an Israel als Antisemitismus zu denunzieren, zu disqualifizieren und zum Schweigen zu bringen.

Womit wir mitten im verbalen Kugelhagel im deutschen Sprachraum wären. Der Gastredner an der Frankfurter Buchmesse Slavoj Žižek hat einen unbestreitbar richtigen Satz gesagt: «In dem Moment, in dem man die Notwendigkeit erwähnt, den komplexen Hintergrund der Situation zu analysieren, wird man gewöhnlich beschuldigt, den Terrorismus der Hamas zu billigen oder zu unterstützen.» Fast noch besser ist seine Bemerkung, dass das Wort Aber den Beginn eines Dialogs markiere.

Wer gerade in Deutschland (aber auch in der Schweiz) an Demonstrationen teilnimmt, bei denen das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird und antisemitische Parolen geschrien werden, ist ein verantwortungsloser Vollidiot. Wer als Politiker wie Fabian Molina die Verbrechen der Hamas zuerst schönredet, unreflektiertes Mitglied der Freundschaftsgesellschaft Schweiz – Palästina ist, deren früherer Präsident Geri Müller heute noch der Auffassung ist, dass man die Hamas nicht als Terrororganisation sehen solle, der ist disqualifiziert. Wer wie Molina nach erstem Gegenwind schneller als ein Wendehals umschaltet und von einer korrupten Terrororganisation schwadroniert, hat sich als Opportunist doppelt disqualifiziert.

Das alles sind Auswüchse im Unterholz, im Gebiet des Kleingeistigen, der Heuchelei, der Unfähigkeit, auf eine komplexe Situation mit Reflexion zu reagieren.

Es gibt die Oberflächenpolierer, die Überbaudachdecker, aber auch die Propagandisten einer angeblich unfehlbar richtigen Weltsicht. Die Meinungen dieser Dummköpfe sind vernachlässigter.

Wie meistens in solchen Auseinandersetzungen spielt die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die veröffentlichte eine wichtige Rolle. Da haben es die Anhänger Israels leichter als die Freunde der Palästinenser. Jene können gnadenlos die Keule Antisemitismus schwingen, diese leiden unter dem Handicap, dass ein aufgeklärter westlicher Mensch nicht im Ernst die Position von fundamentalistischen Wahnsinnigen unterstützen kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein vernünftiger Mensch keine Sympathie für eine Terrororganisation haben kann, die in ihrer Charta die Vernichtung Israels als Zielsetzung fordert. Einer Organisation, die einen verblendeten, irrationalen Todeskult betreibt, indem sie ihren Gläubigen vormacht, der Tod als Märtyrer würde auf direktem Weg ins Paradies und in die Arme von 72 Jungfrauen führen.

Den bisherigen Gipfel der Perversion erreichte wohl der Iran, der Kinder mit einem Plastikschlüssel zum Himmelreich in der Hand in irakische Minenfelder jagte.

Was die Palästinenser (und ihre Unterstützer) in den letzten 70 Jahren angestellt haben, hat sie ihrem Traum von einem eigenen Staat nicht wirklich näher gebracht. Aber was die Israelis (und ihre Unterstützer) in den letzten 70 Jahren angestellt haben, hat das Palästinenserproblem auch nicht gelöst.

Und schon wären wir bei einem Aber. Wo eigentlich eine sinnvolle Debatte unter unbeteiligten Beobachtern anfangen könnte und sollte. Aber genauso, wie Israelis und Palästinenser bei der Lösung dieses Problems versagen (klar, daran sind nur die Palästinenser schuld, nein, daran sind nur die Israelis schuld), versagen die meisten Intellektuellen, Publizisten Journalisten, die Beeinflusser der öffentlichen Meinung.

Vorausgesetzt, die Anhänger der Hamas sind keine menschlichen Tiere, wie das der israelische Verteidigungsminister sieht, fängt die Möglichkeit einer Lösung eines Problems mit tabulosem Nachdenken an. Mit dem freien Austausch von Gedanken, Meinungen, Analysen, Vorschlägen. Nur begrenzt durch Gesetz und eine allgemeine Vorstellung von Anstand.

Aber: es gibt Feinde Israels, es gibt Feinde der Palästinenser. Schlimm sind aber auch die Feinde eines offenen Diskurses. Alle diejenigen, die meinen, Vorbedingungen stellen zu dürfen, Tabuzonen zu errichten; all diejenigen, die keulen und Totschlagargumente verwenden, all diejenigen, die auf der primitiven Sprechblasenebene «Antisemit, Faschist, Rechtspopulist, Hamasfreund, Judenfreund, Terrorunterstützer» arbeiten.

Natürlich gibt es Antisemiten, Judenhasser und Sympathisanten der Hamas, Befürworter von Kriegsverbrechen. Sie, aber nur sie disqualifizieren sich für jede Form der intellektuellen Auseinandersetzung. Das kann man im Übrigen, will man nicht einfach keulen, relativ problemlos identifizieren.

Aber eigentlich noch mehr disqualifizieren sich all diejenigen, die diese Totschlagargumente mangels Gegenargumenten auf eine dissidente Position verwenden. Denn weder innerhalb noch ausserhalb des Islam, innerhalb oder ausserhalb jeder Religion haben Denkverbote jemals etwas Positives hervorgebracht.

Das dümmliche Niveau der Stammtischrechthaberei existierte schon immer. Nur fliegt es uns dank den asozialen Plattformen direkt ins Gesicht. Woraus sich immerhin ein sinnvoller Ratschlag für alle ergibt: Abstinenz von Twitter (oder X), Instagram, TikTok, Telegram, Facebook YouTube, WhatsApp, Pinterest, Snapchat, Vimeo oder Tumblr.

Dadurch wird das Leben leichter. Was heutzutage auch schon etwas wert ist.

 

Quo vadis, NZZaS?

Journalisten sind intrigant. Aber dumm.

Jonas Projer hatte von Anfang an einen schweren Stand. Von der Konkurrenz wurde er schon vor Amtsantritt niedergeschrieben. Tamedia-Konzernjournalist Andreas Tobler wusste sofort, dass er für das Amt nicht geeignet sei. Die «Republik» veröffentlichte ein dermassen hämisches Porträt, dass sogar die eigene Leserschaft in Kommentaren lautstark gegen so viel niveaulose Polemik protestierte.

Auch intern murmelten viele: Der TV-Mann kann doch gar nicht schreiben. Abgesehen davon, dass auch einige NZZaS-Redaktoren ihre liebe Mühe damit haben: muss ein Chefredaktor auch nicht können.

Dann tropften immer wieder Interna aus dem Redaktionsleben heraus, durchgestochen von intriganten Mitarbeitern. Dieser und jener habe wegen Projer gekündigt, keiner wolle mit ihm wirklich zusammenarbeiten, er habe aus unerfindlichen Gründen Storys gekippt. Wie es wirklich war, konnte Projer natürlich nicht richtigstellen, Redaktionsgeheimnis, Fürsorgepflicht für Untergebene.

Zudem musste er einige Beleidigte massregeln, die sich selbst Chancen auf den Posten ausgerechnet hatten, dazu Querschläger aus der leitenden Etage entsorgen. In diesen Brummton hinein sollte er zudem dafür besorgt sein, den digitalen Auftritt zu verbessern, neue Themengebiete zu erobern.

Eigentlich eine Mission impossible. Bei nüchterner Betrachtung hätte Projer das Angebot wohl ablehnen sollen, es war die Chronik eines angekündigten Todes. Aber bei «Blick»-TV ging es auch nicht richtig voran; das lag nicht an Projer, sondern war halt typisch Ringier. ZACKBUM könnte Namen nennen, müsste dann aber wohl ein Crowdfunding für Prozesskosten machen.

Im Gegensatz zur Redaktion des «Magazin», die bis heute zu feige ist, sich zum Roshani-Skandal zu äussern, soll dann eine Fraktion der NZZaS-Redaktion mit einem Schreiben an den VR der NZZ gelangt sein, in dem sie ihr Unwohlsein über Projer ausdrückte.

Wohlwissend, dass der VR-Präsident, der federführend Projer zur NZZ geholt hatte, nicht mehr im Amt war. Das Ende war absehbar.

Journalisten sind intrigant, beschäftigen sich am liebsten mit sich selbst und finden eigentlich alle anderen – ausser sich selbst natürlich – recht unbeholfen bis unfähig. Neben recherchieren und schreiben gehört zu ihrer Lieblingsbeschäftigung das Meckern und Müllern über andere, vor allem über Vorgesetzte, in erster Linie über den Chef.

Nun haben sie’s nach zwei Jahren Pickeln geschafft: Projer ist weg. Den wenigen Intelligenteren dürfte aber schon beim Schlürfen des ersten Prosecco die klamme Idee den Hals hoch gekrochen sein: und jetzt? Was nun?

Natürlich träumen einige Traumtänzer von der zweiten Chance, nun selbst auf den Chefsessel klettern zu dürfen. Die werden sie vielleicht sogar kriegen, denn ein Quartett zuoberst kann ja keine Dauerlösung sein, sondern nur ein Signal, dass es keiner von denen werden wird.

Woran aber alle, die Projer unbedingt weghaben wollten, nicht dachten: er war die Brandmauer gegen das Mutterhaus. Gegen den Big Boss. Gegen God Almighty. Gegen Eric Gujer. Denn der hatte vor der Installation Projers – Projekt «Seeblick» – einen ernsthaften Anlauf genommen, das kleine gallische Dorf NZZaS völlig seinem Einflussbereich anzugliedern.

Damals stiess er auf Widerstand – und dann auf Projer. Daher war völlig klar: solange Projer auf dem Chefsessel der NZZaS sitzt, bleibt die Redaktion weitgehend autonom (ausser dem Sport, aber was soll’s). Damit wurde die NZZaS zunehmend zum Exoten, nachdem Tamedia und Ringier die ebenfalls zuvor unabhängigen Sonntags-Redaktionen eingemeindet und in den gemeinsamen Newsroom gepfercht hatten.

Das alles wurde wie immer als Synergie und Stärkung und Blabla verkauft, war aber nichts anderes als eine weitere Sparmassnahme. Und genau das blüht nun auch der Redaktion der NZZaS. Womit es dann heissen würde: Schlacht gewonnen, Krieg verloren.

All die Wichtigtuer, Ressortleiter, Autoren, die vor Bedeutung kaum geradeaus laufen können, werden dann zu kleineren Würstchen degradiert, die noch rationierten Senf verteilen dürfen. Keine lustigen Spesenrechnungen mehr, keine wichtigen «bin da an einer grossen Recherche, bitte die nächsten Wochen nicht stören» mehr, keine Lustreisen mehr, kein bayerisches «mir san mir»-Gefühl mehr.

Statt einem neuen Chefredaktor wird es noch einen «Redaktionsleiter» geben, der Mann am Fenster fürs Administrative – wie bei den unzähligen Kopfblättern von CH Media und Tamedia, nur dürfen die dort noch den Namen «Chefredaktor» entwürdigen.

Von Gujer ist bekannt, dass er nicht viel von Kuscheln und Sich-lieb-Haben als Führungsprinzipien hält. Und auch ziemlich klare Vorstellungen hat, wie man die Welt sehen sollte, was wichtige Themen sind – und was vernachlässigt werden kann. Die Pflege von Hobbys und Gärtchen ist ihm auch ein Greuel, sogar ein Gräuel.

Womit nun die kurz triumphierenden Mobber in der NZZaS bereits wie die begossenen Pudel dastehen. Zumindest die intelligenteren, die sich natürlich wie meist in der Minderheit befinden.