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Papagei Tamedia

Leser als Masochisten? Sie zahlen, um gequält zu werden.

Beim Thema Ukraine gibt es deutsche Blickwinkel und Schweizer. Die unterscheiden sich überraschenderweise deutlich.

Es gibt auch innerhalb Deutschlands verschiedene Meinungen zur Frage, wie massiv oder gar militärisch sich Deutschland dort engagieren soll. Nicht nur aus historischen Gründen, sondern auch wegen wirtschaftlichen Verflechtungen, Stichwort Gaspipeline Nordstream 2.

Womit wir beim ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder wären. Der wechselte vom Kanzleramt recht nahtlos in den Aufsichtsrat der russischen Nord Stream AG. Und nun wurde bekannt, dass er dieses Mandat um eine gleiche Position bei Gazprom erweitern wird.

Das ist der grösste russische Konzern, zudem nicht gerade staatsfern. Zu all dem hat die «Süddeutsche Zeitung» eine klare Meinung. Mit dem Zitat «Unangenehm und geschmacklos» überschreiben die beiden Berlin-Korrespondenten der SZ ihren Artikel vom 4. Februar.

Am 6. Februar dürfen die Abonnenten der Tamedia-Blätter lesen: «Gerhard Schröder hat leider Halt und Anstand verloren». Das ist der haargenau gleiche Artikel der gleichen Autoren, lediglich das Zitat bei der SZ wurde durch das Zitat des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ersetzt.

Worin bestand sonst noch die Arbeit der Tamedia-Auslandredaktion? Anderes Schröder-Bild genommen, Lead leicht angepasst, im Lauftext zwei, drei allzu innerdeutsche Keifereien gestrichen. Natürlich nicht das Kurzitat von Schröder, dass er Forderungen nach deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine als «Säbelrasseln» kritisierte.

Was man alles kann, wenn man deutsche Leser in Deutschland füttert

Man kann den Bundeskanzler der ruhigen Hand, der sich immerhin einer deutschen Teilnahme am Irak-Desaster der USA verweigerte, nun als geldgierigen und skrupellosen Altpolitiker anrempeln. Man kann auch der Leserschaft ausführlich referieren, was politische Opponenten der SPD und Gegner des Ex-Kanzlers alles so erzählen.

Man kann auch folgenden historischen Exkurs machen:

«Schaut man genauer hin, dann ist die Lage für Scholz und seine SPD heute sogar schlimmer als 2005. Damals war Schröders Wechsel vom Kanzler zum Lobbyisten vor allem ein innersozialdemokratisches, vielleicht auch ein innerdeutsches Problem. Diesmal schaut die ganze Welt zu, wie die neue deutsche Regierung sich gibt.»

Man stellt fest, dass der Deutsche es bis heute liebt, sich im Gefühl zu sonnen, dass die «ganze Welt» zuschaue, wenn im Berliner Provinztheater auf der Bühne etwas geholzt wird.

Aber es stellt sich anhand dieses Beispiels mal wieder verschärft die Frage, wozu eigentlich ein Abonnent des «Tages-Anzeigers» (oder eines der vielen Kopfblätter) Geld dafür ausgeben soll, um mit innerdeutschen Meinungen über innerdeutsche Konflikte behelligt zu werden. Der Schnarch-Verlag Ringier hält sich aus dieser Debatte wohlweisslich heraus, weil dort Schröder immer noch als «Berater» auf der Payroll steht.

CH Media hingegen leistet sich zwar nur zwei Auslandredaktoren, dafür aber noch ein paar Korrespondenten. Daher berichtet Christoph Reichmuth aus Berlin und eher aus Schweizer Perspektive. Währenddessen kümmert sich der Berliner Korrespondent von Tamedia, Dominique Eigenmann, gezwungenermassen um den Polizistenmord, der nun aber, bei aller Tragik, ebenfalls ein sehr deutsches Thema ist.

Wenn die Sauce in die Sauce schwappt

Die Sauce der Süddeutschen schwappt ja in der Einheitssauce von Tamedia inzwischen auch in andere Bereiche wie Gesellschaft oder Kultur. Lediglich Nationales oder Schweizerisches wird noch aus eigenen Kräften bestrahlt. Allerdings nicht immer mit glücklicher Hand, wie die Entschuldigungsorgie wegen eines verunglückten Politikerporträts beweist.

Rund zwei Stutz pro Tag kostet die Zudröhnung mit allem, was Tamedia zu bieten hat. Ist nicht alle Welt, läppert sich aber doch.

Daraus entsteht dann ein putziges Problem, wie der Deutsche sagen würde. Weil Tamedia seine Leser zunehmend quält  und nicht allzu viele bekennende Masochisten sind – nimmt die Zahl der Zahlungswilligen kontinuierlich ab. Dadurch nimmt die Qualität des Gebotenen kontinuierlich ab.

Wobei dann eins zum anderen führt. Es gäbe nun zwei Auswege, eigentlich drei.

  1. Das Produkt mangels kostendeckender Nachfrage einstellen
  2. Das Produkt attraktiver machen, um die Nachfrage zu steigern
  3. Staatshilfe erbetteln

Variante eins wäre der Weg der Textil- und Schwerindustrie in der Schweiz. Konnte man sich in der Ostschweiz, in Winterthur und Zürich nicht vorstellen. Inzwischen erinnert sich kaum noch einer dran, dass in Maschinenhallen mal etwas anderes existierte als schicke Kultur- und Gastronomieangebote.

Variante zwei wäre das, was die wenigen Überlebenden der damaligen Zeitenwende taten. Das bedeutete aber, den Finger aus gewissen Körperöffnungen zu nehmen, Guzzi zu geben und innovativ zu werden.

Variante drei wurde damals auch versucht, allerdings glücklicherweise erfolglos.