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Wumms: Thomas Weyres

So geht modernes Medienmanagement bei Tamedia.

Die Ankündigungen sind immer grandios. Im Januar 2024 verkündete das ungeliebte Stiefkind von TX: «Tamedia engagiert Thomas Weyres als Design Director.»

Dann das übliche Bullshit-Bingo-Blabla: «Tamedia-Titel stärken … neuen Visual Desk leiten … Nutzerfreundlichkeit weiterentwickeln … strategische Prozesse zur Schärfung der visuellen Markenidentität …»

Und natürlich freuten sich alle wie Honigkuchenpferde. Thomas Weyres: «freue mich sehr». Regula Marti, CPO von Tamedia: «Es freut uns sehr …». Und schliesslich Raphaela Birrer, Chefredaktorin des «Tages-Anzeiger»: «Wir freuen uns …»

Aber nach der Vorfreude folgt meistens die Schadenfreude. Denn in den wenigen Monaten seines Wirkens richtete Weyres den Online-Auftritt von Tamedia dermassen zu und hin, dass die Leser im Chor aufjaulten. Bild rechts, Text links, drunter viel Weissraum. Den entscheidenden Platz ganz oben auf der Homepage verschenkt. Rubriken-Wirrwar. Aufdringliche Werbung. Merkwürdige, grau umrahmte Themenboxen. Sich wiederholende Artikel in verschiedenen Rubriken. Manchmal fehlen nicht unwichtige Gefässe wie Wirtschaft. Gut, «Kultur» hat beim Tagi nicht mal mehr die Funktion eines Feigenblatts; hier besteht gigantisches Sparpotenzial bei der Payroll.

Ach, und der neue Visual Desk blieb eine Fata Morgana, die niemand jemals gesehen hat; war halt auch nur so eine Idee von überforderten Managern, die mit hohlem Wortgeklingel intellektuelle Leere ausfüllen möchten.

So, und nachdem Weyres sich etwas ausgetobt hatte, zog er selbst die Reissleine und verduftete schon wieder. In gepflegtem Englisch, das ist man sich als AD (oder schlichtweg «Designer», wie er sich nennt) doch schuldig, verkündete er gerade seinen Abflug:

«Good bye Zurich.» Nachdem er ständig zwischen Berlin und Zürich gependelt sei, habe er «aus persönlichen Gründen» beschlossen, seine Position als Design Director aufzugeben. Vielleicht, weil auf der Redaktion so wenig Leute Englisch beherrschen.

Das nennt man mal einen unheimlich schwachen Abgang. Rund 9 Monate am Gerät, ein Redesign in den Sand gesetzt, sonst nichts Auffälliges geleistet, sicherlich auf Spesen ständig nach Berlin und zurück geflogen (wenn das die Klimaschützer bei Tamedia gewusst hätten), und schon Schnauze voll.

Mikael Krogerus, der ansonsten zu Personellem verkniffen schweigt, wenn er mal Rückgrat zeigen sollte, salbadert als Kommentar: «Man sieht sich immer dreimal im Leben.» Den Vogel schiesst aber mal wieder Kerstin Hasse ab: «Es sind noch lang nicht all unsere Projekte verwirklicht. Und noch lang nicht alle Biere getrunken.» Die denkt auch immer nur ans eine …

Zum Totlachen ist auch die offizielle Reaktion von Tamedia. Schliesslich hat das Unternehmen – logo – einen «Newsroom», wo wichtige Medienmitteilungen platziert werden. Zum Beispiel «Erfolgreicher Start für Swiss Ad Impact». Das will der Journalist natürlich wissen. Aber unter dem Datum 13. November steht nur: «Offenes Rennen bei Autobahnausbau und Efas …», was ja nun auch nicht brennend interessiert. Der Design Director verpisst sich nach kurzer Zeit? Ach, lieber totschweigen.

Was das wieder gekostet hat, so neben allen dringend nötigen Sparmassnahmen. Eigentlich sollten die beiden Weiber, die seinen Zugang bejubelt haben, nun als Strafaufgabe seinen Abgang begründen müssen. Aber Lobhudeleien werden immer gerne raustrompetet, die lange Reihe des eigenen Versagens wird hingegen mit vornehmem Schweigen übergangen.

Hinzu kommt zumindest bei Birrer noch eine Allergie gegen Kritik. Denn dass die Chefredaktion höchstselbst ein Schreibverbot gegen ZACKBUM-Redaktor René Zeyer ausspricht, ist dermassen sackschwach, dass man sich nicht vorstellen mag, wie unterwürfig der Tonfall innerhalb der Redaktion sein muss. Dabei hat die Chefredaktion einen gewichtigen Abgang zu verzeichnen; dermassen erleichtert, könnte sie doch inzwischen souveräner mit Kritik umgehen.

Zum Beispiel mit dieser: was tut eigentlich ein Chief Product Officer so den ganzen Tag, wenn er nicht gerade einen Zugang bejubelt und einen Abgang verschweigt? Was tut eigentlich eine Chefredaktorin den ganzen Tag, wenn der Leser gegen ein verunglücktes neues Online-Design tobt? Einen verunglückten Kommentar im Nachhinein zu den US-Wahlen schreiben, das kann doch nicht abendfüllend sein.

Ein Bravo gebührt allerdings Weyres. Der hat sich völlig zu Recht gesagt: take the money and run. And fly.