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Der Schoss ist fruchtbar noch …

Mit Nazi-Vergleichen sollte man aufpassen. Hier ist er angebracht.

Jan Fleischhauer ist ein deutscher Kolumnist, der, nun ja, nicht wirklich in dem woken Mainstream passt. Auch nicht zum «Spiegel», aber immerhin hat er in «Focus» noch ein Plätzchen für seine Kolumne gefunden. Ansonsten gilt er öffentlich in Deutschland immer mehr als «pfui».

Das kann dort ziemlich schnell geschehen, denn es gibt eine deutsche Wesensart, die unbeschädigt die Jahrhunderte, zwei Weltkriege, den Faschismus und den real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden überlebt hat. Ausgerechnet ihre früheren Opfer machen sich nun stark dafür und üben dieses üble Geschäft mit Hingabe aus: das Denunziantentum.

Nichts treibt die Blockwartmentalität aus dem Deutschen, da verzichtet er noch eher auf Bier und Bockwurst. «Verboten, der darf doch nicht, wenn da jeder käme, ich mache Meldung, ich zeige Sie an», das sind Lieblingsvokabeln des Deutschen, auch immer mehr verbreitet in der übelsten Partei Deutschlands, seit dem Verbot der NSDAP.

Nun zieht Fleischhauer recht und richtig vom Leder: «Es lebe der Blockwart! Wie SPD und Grüne das Denunzieren als Dienst an der Demokratie verkaufen». Natürlich masslos übertrieben. Oder etwa nicht? In der Schweiz weiss man wohl nicht, dass es im linksgrünen Berlin, wo man nicht einmal Wahlen auf die Reihe kriegt, ein Online-Melde-Portal «Berliner Register» gibt. Zweck: «Melde Diskriminierung und extrem rechte Aktivitäten an uns.» Richtig, extrem linke Aktivitäten gibt es entweder nicht, oder sie sind nicht meldewürdig. Betrieben wird es von einem Dr. Wofgang Drahs (auch Betreiber der Webseite mein-kind-ist-rechts.de) und Andreas Wächter, der auch als Geschäftsführer bei der Drahs-Firma «pad» tätig ist. Unterstützt werden die beiden von «Berliner Registrierstellen»  wie «Die Falken LV Berlin», «offensiv’91 e.V.» oder «yekmal, Verein der Eltern aus Kurdistan in Deutschland».

Nun haben Henryk M. Broder und Reinhard Mohr in Berlin aus ihrem Buch «Durchs irre Germanistan» vorgelesen, das doch tatsächlich auf der «Spiegel»-Bestsellerliste steht – statt schon längst verboten zu sein.

Denn in der langen Liste an registrierten Vorfällen («LGBTIQ*-feindliche Aufkleber in Adlershof», «Extrem rechte Aufkleber in Plänterwald» oder gar «Missachtung der Privatsphäre in der Unterkunft für Geflüchtete in Tegel») gibt es besonders erschütternde Meldungen: «Strukturelle Benachteiligung bei der Essensausgabe im Ankuftszentrum Tegel». Worin bestand die?

«Die Bewohner*innen der Unterkunft für Geflüchtete auf dem Gelände des ehemaligen Tegeler Flughafens wurden bei der Nahrungsversorgung strukturell benachteiligt. Bei der Essensausgabe wurde ihnen, trotzt wiederholter Nachfrage, keine Zutatenliste ausgehändigt. Sie konnten somit nicht nachvollziehen, ob das Essen Allergene enthielt oder andere Zutaten, die sie nicht essen sollten oder wollten.»

Nein, das kann man nicht erfinden. Aber zurück zur Dichterlesung. Die fand Eingang ins Register unter dem Titel «Antifeministische Veranstaltung in Charlottenburg». Was haben sich denn diese beiden Schweinebacken (Pardon, Broder ist Jude) zuschulden kommen lassen?
Schon der Titel des Buchs «Germanistan» «kann als rassistisch eingeordnet werden, weil arabischen Staaten eine Rückständigkeit zugeschrieben und auf Deutschland übertrag wird». Schlimmer noch: «In der Lesung wurden auf satirische Weise feministische Themen wie sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung und geschlechtergerechte Sprache (Gendern) ins Lächerliche gezogen

Am schlimmsten aber: «Beispielsweise wurde einem Radiomoderator, der einem der Autoren durch seine geschlechtergerechte Ausdrucksweise aufgefallen war, unterstellt, hätte er im Nationalsozialismus gelebt, hätte er auch mit „Heil Hitler“ unterschrieben. Diese Analogie kann zudem als NS-verharmlosend interpretiert werden.»

Auch das kann man nicht erfinden, wobei der anonyme Denunziant vielleicht sogar ein wenig recht hat mit seiner letzten Kritik. Aber item, was kümmert uns eine Denunziationsplattform, auf der sich der Deutsche mit seiner Lieblingsbeschäftigung austoben kann? Nun, dazu Fleischhauer: «Bis zu einer Million Euro erhält das „Berliner Register“ jährlich an Fördergeldern von der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus gibt es Zuwendungen durch eine Reihe von Bezirksämtern. Das stellt die ganze Veranstaltung nicht nur auf eine solide ökonomische Basis.»

Eine solche Klowand, die mit anonymen Denunziationen angepisst wird, bekommt eine Million Euro Steuergelder? Weil Berlin so reich ist?

Aber das ist ja nur der Anfang vom Ende in Deutschland. Es ist auch ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den harmlosen Namen trägt «Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung».

Neben dem starken Geruch nach Orwell, vor allem geht es hier natürlich auch ums Geld. Die deutsche Regierung hat unter dem vielversprechenden Titel «Demokratie leben» im Jahr 2023 satte 182 Millionen Euro Fördergelder ausgeschüttet. 2024, man hat’s ja, sonst gibt’s wieder ein «Sondervermögen», vulgo Notkredit an der Schuldenbremse vorbei, sollen es 200 Millionen werden.

Um Leute wie Broder, Mohr und Fleischhauer, und noch ein paar mehr, zu «Demokratiefeinden» zu erklären? Beziehungsweise die Demokratie gegen ihre Anschläge zu schützen? Oder zumindest, damit jeder Möchtegern-Blockwart sie anonym anschwärzen darf.

In jedem anderen Land der Welt wäre das irgend etwas zwischen lachhaft und Geldverschwendung. In Deutschland und seiner Geschichte ist es brandgefährlich.

 

Grundkurs für Denunzianten

Wie wird man Denunziant? Wie denunziert man richtig? Was gilt es zu beachten? Ein kostenfreier Ratgeber für Anfänger und Fortgeschrittene.

Sicher, der Begriff hat keinen hohen Sympathiewert. Schliesslich ist ein Denunziant (lat. denuntio, Anzeige erstatten) ein Mensch, der aus niedrigen und persönlichen Beweggründen einen anderen Menschen oder eine Institution anschwärzt, verleumdet, negativ darstellt.

Gerne anonym, nicht selten auch zur Erlangung eines persönlichen Vorteils. Als Erster hat wohl Max Kegel (Denunzianten: bitte googeln) diese üble Gattung in einem Lied charakterisiert:

«Verpestet ist ein ganzes Land,

Wo schleicht herum der Denunziant.»

Hoffmann von Fallersleben soll ihn als den «grössten Lumpen im ganzen Land» beschimpft haben. In jeder Diktatur, in jedem Gewaltregime treibt er sein Unwesen, ist Helferhelfer der Herrschenden und am Unglück vieler Mitmenschen, nicht selten auch an deren Tod schuld.

Als Denunziant muss man abgehärtet sein

Aber wer gerne Denunziant werden möchte, muss da drüberstehen. Viele Denunzianten in der Geschichte redeten sich auch ein, dass ihre Tätigkeit nur dem Guten und Besseren diene, indem es die Feinde der Entwicklung dahin demaskiere und ausschalte.

Ein Denunziant, Lektion eins, muss also eine Mission haben. Von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt sein. Das hilft ihm dabei, die gesellschaftliche Ächtung seines Tuns zu ertragen. Da Denunziationen meistens anonym erfolgen, muss er auch keine persönlichen Konsequenzen befürchten. Ausser, er wird enttarnt, aber das ist natürlich ein Kunstfehler, den der angehende Denunziant unbedingt vermeiden muss.

Wie kann er das? Da kommt ihm die moderne Technologie zustatten. Ganz früher musste sich der Denunziant im Schutze der Nacht irgendwo hinschleichen, um seine Denunziation loszuwerden. Entdeckungsrisiko nicht klein.

Auf und ab mit der Entwicklung der Wissenschaft

Später konnte er das auf schriftlichem Weg erledigen. Mit fortschreitender Technik wurde das aber immer schwieriger. Fingerabdrücke, Aufgabestelle (wenn es nicht besondere Briefkästen für Denunziationsschreiben gab), später dann sogar Speicheltest, wenn jemand so blöd war, das anonyme Schreiben in ein nicht selbstklebendes Couvert zu stecken.

Heutzutage ist es sogar so, dass die meisten Drucker eine nicht sichtbare Signatur hinterlassen, mit der ihre Seriennummer identifiziert werden kann. Üble Sache. Aber, Internet sei Dank, hier kann der Denunziant sich wieder austoben.

Blöd nur, wenn er das von seinem heimischen Computer aus macht, denn da nützt ihm der Absender einerderesgutmeint@gmail.com nicht unbedingt. Da Denunzianten nicht nur Charakterlumpen sind, sondern auch häufig beim IQ nicht ganz vorne dabei, muss man ihnen erklären, dass es so etwas wie eine IP-Adresse gibt. Die Benutzung eines Internet-Cafés oder eines Gratis-WLAN mit einem nur für diesen Zweck verwendeten Smartphone empfehlen sich sehr.

Nun, Lektion drei, muss der hoffnungsfrohe Denunziant nur noch eine letzte Hürde überwinden. Er will ja Wirkung erzielen. Eine anoyme Denunziation, so breit gestreut sie auch sein mag, hat keine guten Karten, ernstgenommen oder publik oder wirksam zu werden.

Wie kann der Denunziant Wirkung erzielen?

Aber auch hier gibt es Abhilfe. Denn dem Redakteur ist nichts zu schwör. Das geht zum Beispiel so. Er bekommt eine anonyme Denunziation zugesteckt. Die möchte er eigentlich sofort löschen, dann fällt ihm auf: he, die könnte ich doch gut für eine Kampagne brauchen, die ich gerade fahre. Und wozu gibt es eigentlich den Quellenschutz?

Er weiss natürlich auch, dass «wie mir ein anonymer Denunziant steckte» keine gute Formulierung ist. Also schreibt er: «Gespräche mit verschiedenen Quellen, die aus Gründen der Sicherheit anonym bleiben wollen, haben übereinstimmend ergeben: hier stinkt’s gewaltig.»

Der seriösere Journalist unterscheidet sich vom ganz unseriösen noch dadurch, dass er mindestens den Versuch unternimmt, die Identität eines oder gar mehrerer Denunzianten zu eruieren.

Ist ein Whistleblower etwas anderes?

Was unterscheidet nun einen Denunzianten von einem Whistleblower, letzte Lektion? Ein Whistleblower möchte auf einen Missstand aufmerksam machen, den er für unerträglich hält. Nachdem er vergeblich alle internen Stellen darüber informiert hat. Als letztes Mittel sieht er den Weg an die Öffentlichkeit, normalerweise vertraut er seinen Namen und nicht selten auch Dokumente einem Journalisten an.

Besonders widerlich, das müssen diese Denunzianten aushalten, sind Anschwärzer, die nicht verifizierbare, weil anonymisierte Anschuldigungen erheben. Seien das die 78 Unterzeichnerinnen eines Protestschreibens, seien das Redaktionen wie die «Republik», die diese Methode immer häufiger anwenden.

Aber leider greift sie immer mehr um sich. In den USA nennt man das ganz offen die Zerstörung eines Charakters. Kann man seinem Feind, seinem Gegner nichts anderes vorwerfen, dann greift man seinen Charakter an. «Illoyal», «unfähig», «nicht teamfähig», «vierte Wahl», «Besserwisser», «hätte gar nicht als Bewerber berücksichtig werden sollen». Also kurz: ein unfähiger Charakterlump.

La réalité dépasse la fiction

Hoppla, alle diese Anschuldigungen werden gegen Jonas Projer erhoben, den ehemaligen Leiter von «Blick»-TV und neuen Chefredaktor der NZZaS. Allesamt natürlich anonym, versteht sich. Anonyme Mitarbeiter, anonyme Redaktoren, anonyme Headhunter, anonyme wilde Behauptungen wie die, dass Projer erst angefragt wurde, als alle auf der A-Liste abgewinkt hatten.

Wie nennt man solchen Journalismus, denn wenigstens der Autor ist (meistens) nicht anonym? Genau, das nennt man Kampagnen- oder Fertigmacherjournalismus. Aus eigenen, niederen Beweggründen oder ferngesteuert. Und was kann man zum Charakter dieser Journalisten sagen? Leider nichts, was keine möglichen strafrechtlichen Konsequenzen hätte. Allerdings, he, wie wäre es mit einer anonymen Denunziation? Wäre doch kein Problem; etwas Fantasie, dazu die bewährten Quellen unter Quellenschutz, der verbirgt, dass sie gar nicht existieren, oder zumindest nicht im Plural. Dann die üblichen, nicht verifizierbaren Beschuldigungen (unerträglich, konfliktiv, unfähig, Kontrollfreak, führt ein Terrorregime), et voilà.

Reicht noch nicht? Ach, Bonus-Lektion: dann muss man halt noch nachlegen. Wie? Na, Dummerchen, mit dieser Frage wirst du nie ein guter Denunziant. Was bleibt noch nach dem Beruflichen? Richtig, das Private. Wieder ein weites Feld. Als Quellen dienen hier «aus der Nachbarschaft», «ehemalige Weggefährten», gerne auch «abgelegte Lebensgefährtinnen».

Dazu noch ein paar Spritzer aus offen als «Gerüchte» bezeichneten Schlammkübeln («es wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt»): Drogenkonsum? Bisexuell? Vorliebe für minderjährige Stricher? Benimmt sich genauso cholerisch  zu Hause? Nachbarn wollen Schmerzensschreie gehört haben? Weggefährten erinnern sich, seine Frau öfter mit einer grossen, dunklen Sonnenbrille gesehen zu haben, die sie partout nicht ausziehen wollte?

Und, immer bewährt als Atombombe, Väter sind Täter: Aus Kreisen von Betreuerinnen heisst es, dass seine Kinder Verhaltensauffälligkeiten zeigen, die normalerweise nur, aber wir wollen ja nichts gesagt haben.

Fertig ist der Rufmord, die Vernichtungskampagne. Allerdings leidet unter solchen Schweinereien immer auch der Ruf der Journalisten, die sie verbreiten. Künstlerpech.

Ganz neue Möglichkeiten für Denunzianten, Pardon, Opfer

Ganz andere, neue Wege geht übrigens die Verteilerin des Protestbriefs der Tamedia-Frauen. Sie ist via «netzcourage» nicht nur bei einem allgemeinen Denunzier-Quickie dabei, sondern sie hat neu einen «Anzeigengenerator» gebastelt.

Das wäre dann etwas für die Meisterklasse, hier nur: schon der Name ist geschmackvoll gewählt: netzpigcock.ch. Wer des Englischen nicht so mächtig ist wie Spiess-Hegglin auch, sonst hätte sie «net» geschrieben: das heisst Netzschweineschwanz. Gemeint sind natürlich nicht die Borstentiere mit ihren niedlichen Ringelschwänzchen. Sondern Männer als Schweine.

Kampf den Schweineschwänzen im Netz.

Was tun die? «Hast du ungefragt ein Penisfoto erhalten?» Schluck, anstatt darauf gar nicht oder mit dem Satz «ich lach ja gar nicht, weil er so klein und hässlich ist» zu reagieren, wird man auf dieser Webseite in einfachen Schritten zum Erstellen einer Strafanzeige geführt, «sogar das Porto übernehmen wir per Vorfrankierung».

Ich bin da leider draussen. Mir hat noch keiner, erst recht nicht ungefragt, ein Foto seines Gemächts geschickt. Ich selber habe das auch nicht getan, ich bin doch nicht der ehemalige Stadtammann von Baden.