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Splitter und Balken

Die «Republik» jammert jährlich. Nur nicht über sich selbst.

Im Eigenlob sind die Schnarchnasen im Zürcher Rothaus unschlagbar: «Ohne Journalismus keine Demokratie, mit dieser Überzeugung ist die Republik vor gut sechs Jahren angetreten. Mit Beiträgen, die möglichst im ganzen Land auf Interesse stossen.»

Ob solche aufgezwirbelten Meldungen allerdings auf Interesse stossen? «In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind in der Schweiz rund siebzig Zeitungen verschwunden, die meisten davon im lokalen oder regionalen Bereich – vom «Alttoggenburger» bis zum «Wolhuser Boten», vom «Anzeiger Degersheim» bis zur Kleinbasler Zeitung «Vogel Gryff».»

Was für eine Kollektion. Dass gleichzeitig jede Menge digitale Newsportale entstanden sind, dass an grossen Tageszeitung eigentlich nur «Le Matin» im Print und das «Giornale del Popolo» eingegangen sind, dass von den rund 50 ernstzunehmenden Tageszeitungen in den letzten 20 Jahren 96 Prozent überlebt haben, wieso sollten sich die einschlägig verhaltensauffälligen «Recherchierjournalisten» Philipp Albrecht und Dennis Bühler davon ein Vorurteil kaputtmachen lassen?

Wieso schreibt Bühler nicht mal darüber, dass er wohl das einzige Mitglied im Presserat ist, gegen das eine Beschwerde gutgeheissen wurde? Wieso schreibt er nicht darüber, wie er der Glaubwürdigkeit der «Republik» mit seinen Schmierenstücken gegen Jonas Projer einen weiteren Schlag versetzte? Oder was es mit Demokratieretten zu tun hat, wenn Bühler über die Zustände bei Tamedia ein Stück schreibt, das ausschliesslich aus Behauptungen von anonymen Quellen besteht?

Aber das sind sicherlich die falschen Fragen, denn hier geht es Albrecht und Bühler darum, das angebliche Sterben des Journalismus und damit auch gleich der Demokratie in der Schweiz zu beklagen. Zum vierten Mal veröffentlichen sie eine «Aussteigerliste», die umfasse für 2023 ganze «96 Aussteigerinnen».

Wer sich die Liste genauer anschaut, hat wieder was zu lachen. Als Aussteiger ist beispielsweise Christian Dorer aufgeführt. Der ist aber ausgestiegen worden. Auch Jonas Projer verliess die NZZaS nicht ganz freiwillig. Völlig verständlich scheint auch der Ausstieg von Fabian Sagines; statt bei Tamedia weiter zu leiden, wird er Fussballtrainer auf den Cayman Islands. Wieso die Demokratie stirbt, wenn Nicola Steiner von SRF zur Leitung des Kulturhauses Zürich wechselt oder sich andere schlichtweg selbständig machen oder einen Job in der Kommunikation annehmen (was ja ein Reise- oder Autoredaktor vorher schon ausübte)?

Eigentlich wären die 28’415 A nicht der Rede wert – wenn sie nicht so archetypisch auf kleinstem Raum alles beinhalteten, was an der «Republik» schlecht ist. Thesenjournalismus, der sich von der Wirklichkeit nicht belehren lässt. Grossmäuliges Eigenlob, überrissene Behauptung, der dann nachgerannt werden muss.

Der Lokaljournalismus wird dabei als Hochamt der Demokratieausübung in der Schweiz zelebriert. Kühne Ansage: «Die Flucht aus den Medien geht weiter – auch im Lokal­journalismus. Dort ist sie besonders schädlich, weil niemand mehr der Politik auf die Finger schaut.»

Nirgend sonst ist die Verfilzung klassischer Medien mit Lokalgrössen stärker ausgeprägt. Will sich der Lokalanzeiger wirklich mit dem grossen Bauunternehmer, der bedeutenden Garage, politischen Honoratioren anlegen? Mit Anzeigenkunden und andern Meinungsträgern, die für das Überleben des Blatts nötig sind? Wird hier wirklich der Politik auf die Finger geschaut? Wie viele lokale Skandale wurden in den letzten Jahren von klassischen Lokalmedien aufgedeckt?

Ist diese Art von Kontrolle nicht längst ins Digitale abgeschwirrt, in die sozialen Plattformen, auf Blogs, auf Berichte von Einzelmasken, die Staub aufwirbeln?

Es ist doch aberwitzig. Albrecht und Bühler arbeiten selbst für ein neugegründetes, digitales und schweineteures Organ, bei dem nur eines klar ist: stirbt es dann mal, stirbt weder der Journalismus, noch die Demokratie. Beide überstehen auch den Abgang von Journalisten in andere Berufszweige. Der liegt einfach daran, dass die grossen Medienkonzerne in der Schweiz – mit löblicher Ausnahme der NZZ – journalistischen Content schon lange nicht mehr als ihre Haupteinnahmequelle sehen. Sondern zunehmend als störendes Überbleibsel aus anderen Zeiten.

Würden Albrecht und Bühler nicht in einer geschützten Werkstatt arbeiten, in der die dort tätigen Schnarchnasen bei allen Bettelaktionen und Drohungen mit Selbstmord niemals auf die Idee kamen, an ihrem eigenen Einkommen zu sparen, dann wüssten sie, dass dort draussen im Lande, im Lokalen, in der Demokratie ein einfaches marktwirtschaftliches Prinzip herrscht: wenn es Nachfrage gibt, dann gibt’s auch Angebot. Wird das Falsche schlecht angeboten, dann gibt’s keine Nachfrage.

Weder bei Abonnenten, noch bei «Verlegern», noch bei Käufern von Lokalzeitungen im Print.

Vielleicht sollte sich die «Republik» mehr um ihr eigenes, abbröckelndes Publikum kümmern. Laut neustem Cockpit verlassen im April wieder viel mehr «Verleger» das sinkende Schiff als neu an Bord kommen. Sich bei der Zahl von 28’000 zu stabilisieren, davon ist das Organ der guten Denkungsart genau 1650 zahlende Nasen entfernt. Auch vom «strategischen Ziel: «Zu- und Abgänge bei Mitgliedschaften und Abonnements müssen sich dafür über das Jahr die Waage halten.»

Vielleicht könnten sich die Zwei mal darüber Gedanken machen. Aber das würde unternehmerische Grundkenntnisse erfordern.

Strafaufgabe «Republik»

Ein Angebot zur Selbstquälung aus dem Rothaus.

Meistens sind Newsletter der «Republik» erheiternd. Sie schreiben um, schwafeln schön und haben ellenlange PS-Orgien am Schluss. Mit dieser Tradition bricht nun die Co-Chefredaktorin Bettina Hamilton-Irvine. Ihre Endjahr-Bilanz ist kurz (weniger als 3000 A), hat kein PS und fängt auch ganz ungewohnt an: «Guten Tag». Eigentlich hätte man vom zweiten Co-Chefredaktor auch ein Wort erwarten können, aber die schreibende Schmachtlocke ist offenbar indisponiert oder beyond.

Ein guter Tag wird es dennoch nicht, wenn man den Ratschlägen von Hamilton-Irvine folgt. Zunächst übt sie sich im Schönsprech «… auch intern bei der Republik hatten wir ein paar grössere Hürden zu überwinden». Das bietet noch Anlass für einen kurzer Lacher, aber anschliessend wird es knüppelhart. Eingeleitet mit Eigenlob: «Wir machen keinen Newsticker-Journalismus, sondern konzentrieren uns auf die grossen Bögen: Wir legen Zusammenhänge offen und leuchten Hintergründe aus.»

Dafür führt die Co-Chefredaktorin drei Beispiele an. Zunächst ein Stück von Constantin Seibt. Es ist 41’663 A lang. Und wird gekrönt von einer demagogisch-üblen Karikatur in faschistoider Tradition des längst vergessenen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis. Dessen Gesicht verzerrt sich zu einer Teufelsfratze:

Man kann nicht einmal vom abgehärteten ZACKBUM-Redaktor erwarten, dieses Geschwafel eines nach eigenem Bekunden unter ADHS leidenden Menschen mit Sprachdurchfall zu lesen. Allerdings meldete sich der Starschreiber zum letzten Mal am 22. Juli mit der Folge 2 seiner unendlichen Geschichte über «Die Zukunft des Faschismus» zu Wort. Muss man sich Sorgen um Seibts Gegenwart machen?

Dann halt das angeblich «lesenswerte» Stück «Wie die Schweizer Medien auf SVP-Kurs» geraten seien. Es stammt vom gerade vom Presserat gerügten Mitglied des Presserats und «Medienredaktor Dennis Bühler». Die «Republik» hat schon Schlimmeres auf diesem Gebiet verbrochen, erinnert sei nur an die Serie über eine angebliche «Reise ans Ende der Demokratie», in der Daniel Ryser zusammen mit Basil Schöni ein ganzes «Netzwerk aus rechten etablierten Journalistinnen und verschwörungsideologischen Akteuren» enttarnt haben wollte. Kleiner Schönheitsfehler: um sich diese absurde These nicht kaputtmachen zu lassen, sprachen die Recherchierenden mit einem einzigen der vielen denunzierten Netzwerker.

Ähnlich geht auch Recherchiergenie Bühler vor. Er schmiert über 33’000 Anschläge zusammen, um seine steile These zu illustrieren: «Die «SonntagsZeitung» bedient eine rechts­populistische Agenda, auch der «Tages-Anzeiger» zieht zunehmend mit.» Ist die «Republik» oder Bühler immer noch sauer, dass ihnen die SoZ ihrer aufgeplusterten Skandalstory über angebliches Mobbing an der ETH die Luft rausliess?  Die SoZ rechtspopulistisch zu nennen, traut sich Bühler nicht. Aber sie habe eine solche «Agenda». Das Blatt der  Überkorrektheit, das seitenweise Anleitungen über die korrekte Verwendung des Gendersterns und der politisch korrekten Schreibe gibt, soll rechtspopulistisch geworden sein? Das mag in einem Paralleluniversum so sein, in dem böse Mächte, Hexer und gar ein Teufel wie DeSantis regieren. Aber in der Schweizer Wirklichkeit?

Stattdessen klaubt Bühler Beispiele wie die Berichterstattung über eine wissenschaftliche Untersuchung über das Karrieredenken von Studentinnen oder über die Intoleranz der städtischen Linken zusammen. Dass die SoZ dabei einfach Ergebnisse referierte, die auch nicht ins Weltbild des intoleranten Linken Bühler passen, was soll’s. Ein weiterer «Beweis» in seiner verqueren Logik besteht darin, dass der Gottseibeiuns Christoph Blocher die Berichterstattung der SoZ gelobt haben soll.

Man stelle sich vor: käme das Herrgöttli vom Herrliberg auf die Idee, die «Republik» zu loben, wäre die dann auch rechtspopulistisch unterwegs und müsste sich sofort entleiben? Aber bei Artikeln auf diesem bescheidenen Niveau ist diese Gefahr eher gering. Und am Entleiben arbeitet sie sowieso schon.

Auch hier ist für Gelächter gesorgt. Denn Bühler zitiert den SoZ-Chefredaktor: «Linken sei die Ideologie nun mal oft wichtiger als die Fakten, behauptete Chefredaktor Arthur Rutishauser». Wie Bühler beweist, ist das keine Behauptung …

Bühler greift weit in die Vergangenheit zurück und zerrt Kurt Imhof aus dem Grab, der schon 2012 seherisch vor solchen Zuständen gewarnt haben soll. Richtig ein Dorn im Auge ist dem um Objektivität bemühten Bühler der USA-Korrespodent Martin Suter. Der langjährige Kenner der Sachlage scheut sich im Gegensatz zu Bühler nicht, ohne Scheuklappen zu berichten. Suter hat doch tatsächlich zur Kenntnis genommen, dass Donald Trump einmal die Präsidentschaftswahlen gewann, und neulich titelte Suter doch gar: «Amerika stöhnt auf: Joe Biden möchte es noch einmal wissen». Aus der sicheren Schreibstube in der Schweiz weiss Bühler natürlich, dass das nicht stimmt; Amerika jubiliert, dass es die Wahl zwischen einem senilen und einem Amok-Kandidaten hat.

Dann lobt Bühler als letzten Mohikaner einen Tamedia-Mitarbeiter, der dermassen unappetitlich ist, dass er hier eigentlich nicht mehr vorkommt: Philipp Loser. Der habe, schon wieder darf gelacht werden, «eine exzellente Schreibe». Exzellente Konzernjournalismus-Schmiere, die auch schon wegen Qualitätsmängeln gelöscht werden musste, das wäre eine realitätsnähere Beschreibung.

Das darf bei einem solchen reinen Behauptungs- und Vermutungsstück nicht fehlen, der Aufschwung ins Allgemeine am Schluss: «Die beiden Tamedia-Publikationen «Sonntags­Zeitung» und «Tages-Anzeiger» sind keine Einzelfälle». Auch dass das linke Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) in einer aktuellen Untersuchung «ein anderes Bild» zeichne, vulgo mit wissenschaftlicher Methode zeigt, dass Bühler Quatsch fantasiert, kann den nicht erschüttern; diese Studie beruhe «auf einem fragwürdigen Politik­verständnis». Besser kann man es nicht zum Ausdruck bringen: passt die Wirklichkeit nicht in Bühlers ideologische Vorstellung von ihr, wird sie halt passend gemacht.

Schliesslich wagt sich Bühler noch auf richtiges Glatteis. Ein ideologisch Verblendeter will in die Zukunft sehen und behauptet, Daniel Fritzsche oder Benedict Neff seien die heissesten Anwärter auf den Chefredaktorposten bei der NZZamSonntag. Aber wenn Bühler was sagt, stimmt das eigentlich nie.

Dass rechte Provokateure – genauso wie linke – Erregungsbewirtschaftung betreiben, um in die Medien zu kommen, welch umwerfend neue Erkenntnis. Dass Bühler die gleiche Art von Gossenjournalismus betreibt wie sein Bruder im Geist Ryser, fällt ihm allerdings nicht mal auf: kein einziger der von ihm namentlich Angepinkelten bekam Gelegenheit zur Stellungnahme. Sollte bei dieser Platzverschwendung eigentlich drinliegen, oder nicht?

Natürlich wurde Bühler, denn wir sind hier nicht bei der «Republik», die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten. Dass scheiterte aber daran, dass er ab Weihnachten bis zum 15. Januar (hoffentlich 2024) nicht arbeite und auch keine Mails beantworte, wie man seiner automatischen Antwort entnehmen kann. Auch die Bitte um Weiterleitung an die von ihm angegebenen Kontaktadressen «in dringenden Fällen» brachte keine Reaktion.

Man soll «Republik»-Mitarbeiter, nicht nur Constantin Seibt, keinesfalls in ihrer schöpferischen Pause stören. Denn geschähe das, passierte Fürchterliches: sie würden aus dem Tiefschlaf erwachen und schreiben. Und schreiben und schreiben und schreiben.

Peinlich

«Republik»- und Presserat Dennis Bühler Ziel einer Beschwerde.

Bühler ist Redaktor bei der Zeitschrift der guten Denkungsart «Republik». Bühler ist auch Mitglied im Presserat, der Kontrollinstanz der Schweizer Medien.

Es ist eher selten und peinlich, dass der Presserat eine Beschwerde gegen ein eigenes Mitglied gutheisst. Wie im Fall Bühler. In einem Artikel hatte der eine ganze Latte von Vorwürfen gegen einen Badi-Pächter referiert und dabei den Namen der Badeanstalt genannt, in der er angestellt worden war. Das sei geschehen, um eine Verwechslungsgefahr mit anderen Badis zu vermeiden, lautete das schwache Verteidigungsargument des damaligen Chefredaktors Oliver Fuchs.

Nachdem die Medien über das Gutheissen dieser Beschwerde berichtet hatten, vermeldete sie auch die «Republik»: «Presserat: Mutmasslich krimineller Badi-Pächter wurde ungenügend anonymisiert». Ein nettes Nachtreten.

Die Urteile des Presserats sind häufig realitätsfern bis unsinnig. Hier stellt sich aber die Frage, ob ihm wirklich weiterhin ein Mitglied angehören kann, gegen das eine Beschwerde gutgeheissen wurde, das also selbst gegen die Regeln verstossen hat, deren Einhaltung es beaufsichtigen sollte. An Bühlers Schaffen gäbe es auch ohne diese Beschwerde genug zu kritisieren. Mit ungebremster Häme lästert er über ihm nicht genehme Journalisten oder Medienhäuser ab.

Aber all die Skandale und Skandälchen bei der «Republik» (inklusive der Unterdrückung einer grossen Reportage über die Gewerkschaft Unia, deren Mitautor er war), die waren für Bühler nie ein Thema. Ob ein solcher Mistkratzer in fremden Gärten wirklich eine Zier für den Presserat ist, der schon genügend damit zu kämpfen hat, seinen angeschlagenen Ruf zu verteidigen?

Aber vielleicht erledigt sich dieses Problem mitsamt der «Republik» …

Mistkratzer

Dann klappert noch die «Republik» hinterher.

Ist der Mist geführt, legt das Krisen-Organ «Republik» noch eine Schicht drauf:

Fachkraft Dennis Bühler legt einen Kurzstrecken-Sprint von knapp 10’000 Anschlägen hin, um auch noch seinen Senf zum Abgang von Jonas Projer bei der NZZ zu geben. Bühler will wissen, dass dahinter ein veritabler «Richtungsstreit» stecke: «Wie weit rechts sollen sich die beiden wichtigsten Zeitungen des Konzerns – die NZZ und die «NZZ am Sonntag» – positionieren?» Wohl im Gegensatz zu den vielen unwichtigen Zeitungen des Konzerns, wie zum Beispiel, ähm, hüstel, da nehmen wir den Telefonjoker.

Dann ballert Bühler weiter: «Ergibt es Sinn, wenn die NZZ einen rechts­bürgerlichen Kurs ohne Berührungs­ängste gegenüber SVP und AfD fährt». Ergibt es Sinn, wenn der «Republik»-Autor einen Diskurs ohne Kontakt zur Realität fährt?

Dann wird’s schamlos: «Denn Projer war dafür nicht der geeignete Mann, wie die Republik vor einem Jahr in einem Porträt feststellte, für das sie mit zwei Dutzend Personen gesprochen hatte.»

Das damalige Schmierenstück von Philipp Albrecht und Ronja Beck führte sogar zu massiven Protesten in der sonst akklamatorischen Leserschaft der Online-Krise «Republik»:

«Ich persönlich finde den Artikel ziemlich geschmacklos – Haben Sie auch tatsächlich was Relevantes zu berichten über diese Person? Offenbar nicht wirklich. Deshalb die Seichtigkeit – Was soll/will dieser Artikel mir sagen? – Für mich ist das Gossip: Persönliche Recherchen, gespickt mit Zitaten, wo sie grad passen.»

Erstaunt über so viel Aufmüpfigkeit, keifte Albrecht zurück: «Es macht Sinn, solche Menschen zu meiden. Wenn das möglich ist. Aber was, wenn nicht?» Er wollte also eigentlich Projer meiden, sah es dann aber als seine Blasenpflicht an, ihn übel fertigzumachen. Das erwähnt Bühler, ohne rot zu werden. Keinen Anlass sieht er aber, die unwirsche Reaktion von «Verlegern» zu rapportieren: «Ich bin allerdings vor allem enttäuscht, wie auf die kritischen Kommentare reagiert wird. Ich sehe vor allem Rechtfertigungen und Abwehrreaktionen.»

Dann muss sich Bühler einen Satz abquälen, den er sicher mal gerne über die «Republik» schreiben möchte: «Zumindest offiziell scheint die NZZ-Gruppe ökonomisch noch auf soliden Füssen zu stehen.» Das unterscheidet diesen Konzern vom Trümmerhaufen «Republik», der sich von Bettelaktion zu Bettelaktion hangelt und weder offiziell, noch inoffiziell «auf soliden Füssen» steht, weder ökonomisch noch sprachlich.

Dann will Bühler das Gras wachsen hören: «Vergangene Woche kam es zum Eklat, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte und den Verwaltungsrat dazu bewog, am Montag­vormittag Projers Entlassung zu beschliessen.» Um dann ziemlich abrupt (kä Luscht mehr?) mit dem Abgang der Redaktorin Jacquemart zu enden.

Natürlich sind Häme und Schadenfreude menschliche Eigenschaften, die manche ausleben möchten. Ob es sich allerdings für Bühler geziemt? Er behauptet, dass Projer die Publikation von Artikeln verhindert habe. Dabei ist er selbst Mitautor einer grossen Reportage über die Gewerkschaft Unia, die nie in der «Republik» erschien. Wie übrigens auch Albrecht, der zudem für den Riesenflop des angeblichen Skandals bei «Globe Garden» verantwortlich zeichnet.

Aber abgesehen vom Werfen mit Steinen im Glashaus: wieso schreibt Bühler (oder Albrecht) nicht mal einen Artikel darüber, wie die Chefredaktoren bei der «Republik» abgesägt werden? Wieso der VR-Präsident, kaum im Amt, bereits wieder das Weite suchte? Wie die Entlassung von 8 Mitarbeitern genau abgegangen ist? Wer die Verantwortung für den Steuerskandal trägt? Wer die Verantwortung dafür trägt, dass die «Republik» schon wieder finanziell am Japsen ist? Was von der harschen Kritik der «Stabsstelle Chefredaktion» zu halten ist?

Aber dazu sind Bühler, Albrecht und auch Beck schlichtweg zu feige. Dass sie sich aber völlig unglaubwürdig machen, wenn sie Sottisen über unliebsame Konkurrenten schreiben, das Schlamassel im eigenen Haus aber stillschweigend übergehen, das zeugt von einer fatalen Ähnlichkeit mit einigen Schmierfinken bei Tamedia, die das auch machen.

Apropos, Konzernjournalist Andreas Tobler arbeitet sich nochmals an Projer ab. Der Mann kennt nun keine Skrupel, nachdem er schon das zweitschlimmste Porträt über den Ex-Chefredaktor abgeliefert und ihn bereits vor Amtsantritt als untauglich abqualifiziert hatte. Neben vielen unbestätigten Gerüchten auf Klatschebene kommt Tobler nochmals zu einem vernichtenden Fazit: «Projer ist nicht der journalistische Überflieger, den man sich gewünscht hatte, sondern lediglich ein begabter TV-Moderator, dem man darüber hinaus viel zu viel zugetraut hat.» Das kann Tobler sicher nicht passieren.

Was heutzutage bei Tamedia als «Analyse» bezeichnet werden darf … Wieso traut sich Tobler eigentlich nicht, mit gleicher Schärfe über sein eigenes Glashaus zu schreiben? Zu berichten gäbe es genug, aber alleine, es fehlt der rechte Mut.

Eine billige Nummer

Der neuste «Schweizer Journalist» ist eine Enttäuschung. Versinkt er bald in der Bedeutungslosigkeit?

Stolz kann David Sieber auf seine neuste Ausgabe des «Schweizer Journalisten» leider nicht sein. Die Hälfte seines Heftes hat er mit Texten ohne Bezug zur Schweiz gefüllt. Dazu ein nicht repräsentatives Ranking unkritisch hochstilisiert. Ein bisschen wenig für 15 Franken Einzelverkaufspreis. Doch der Reihe nach.

Ehrenpreis für einen legendären Sprecher

Ehre wem Ehre gebührt: Das hat sich Chefredaktor David Sieber gedacht, als er die Würdigung von Polizeisprecher Marco Cortesi ins Blatt rückte. «Kurzfristig haben wir den Preis für das Lebenswerk ins Leben gerufen», schreibt Sieber mit salbungsvollen Worten. Diesen Ehrenpreis bekommt Zürichs legendärer Polizeisprecher Cortesi, weil «wir gehört haben, dass er nächsten Februar in Pension geht». Da ist Sieber nicht allein. Die halbe Journalistenschweiz weiss seit Monaten, dass Marco Cortesi bald pensioniert wird. Und dass Cortesi Würdigungen, Nachrufe etc. erst im Dezember möchte. Für den «Schweizer Journalisten» gilt die Ausnahme, dass das PR-Ranking nur einmal im Jahr rauskommt.

Nach der Lektüre des Sieber-Artikels («Kommunikationsprofi mit Herz») über Cortesi muss man es sagen: Von einem Chefredaktor eines Branchenmagazin hätte man mehr erwartet. Natürlich ist Cortesi der Bündner Charme-Bolzen. Und er hat eine Würdigung auch voll verdient. Aber so unkritisch und ohne jegliche Vertiefung? Denn Cortesi kann auch anders. Der Schreibende erinnert sich an eine eigene Recherche, als er der Polizei nachweisen konnte, dass sie eine Art «Pfefferspray-Kärcher» gegen Kurdische Demonstranten einsetzte. Da wurde Cortesi richtig sauer und die Auskünfte waren ganz, ganz kurz und sehr, sehr unvollständig.

Harry Rosenbaum hin und weg

Damit zum Aufhänger des Heftes, zum Ranking «Unternehmenssprecherin des Jahres». «Die neue Überfliegerin» heisst es auf dem Titelblatt ein bisschen platt. Denn man nimmt Bezug auf Flughafensprecherin Manuela Staub, die «an die Spitze gestürmt» ist. Das mag man ihr und ihren drei Kolleginnen von Herzen gönnen. Auch das Tribut «Fab Four», das ihnen Autor Harry Rosenbaum verliehen hat. «Fab Four» (berühmte, fabelhafte Vier) nannte man zwar die Beatles und das ist länger her. Aber egal.

Ein bisschen weit hinten, erst auf Seite 68, folgt dann das Portrait der Siegerinnen. Lustig: Auch Harry Rosenbaum scheint viel mit der Flughafenmedienstelle zu tun zu haben. «Die Unternehmenskommunikation der FZAG macht eine super Arbeit, die sehr nachhaltig wirkt», schreibt der Journalist aus St. Gallen. Doch er hakt nach. Gibt es für den Sieg mehr Ferien, mehr Lohn oder eine grosse Party? «Der CEO meinte, über einen zusätzlichen Ferientag liesse sich verhandeln. Und natürlich haben wir angestossen, sagen die Frauen von der Flughafen-Medienstelle spontan.» So weichgespült ist leider der ganze Artikel.

Peter Minder ganz hinten

Hinter den Flughafen-Frauen folgen auf dem Podest Pro Natura und die Schweizerische Post. Das Schlusslicht bilden als 131. Peter Minder, Medienchef von Ueli Maurer und als 132. die Medienstelle der Politpartei BDP.

Mehr als zwei Drittel ungenügend

Wie lief das Ranking eigentlich ab? Laut Reglement des «Schweizer Journalisten» war die Bewertung vom 3. August bis 6. September online. Die Benotung passierte nach dem Schweizer Schulnotensystem. Die Flughafen-Damen gewannen den Wettbewerb mit der Note 4,52. Das bedeutet «genügend bis gut». Was für einen Sieger auf eine durchaus schlechte Beurteilung der Branche durch die Journalisten schliessen lässt. So hat die Coop-Mediensprecherin Rebecca Veiga (+ Team) als 33. nur die Note 3,95 erreicht. «Ungenügend». Fazit: Mehr als zwei Drittel der benoteten Sprecher und Firmen sind durchgefallen. Peter Minder etwa holte eine 2,85. «Sehr schwach bis schwach», heisst es im Schweizerischen Notenschlüssel dazu.

Nur 160 machten mit bei der Abstimmung

Doch es kommt noch schlimmer. Die Aussagen sind darum relativ, weil nur rund 160 News- und Fachjournalisten mitgemacht haben. 160 Leute. Aktuelle Statistiken gehen von gut 13’000 erwerbstätigen Journalisten und Redakteuren aus (verifizierte Zahlen von 2018: 14’500). Somit haben also lediglich etwas über 1 Prozent der Journis am Ranking mitgemacht. Für ein Fachblatt eine schwache Leistung.

Repräsentativ ist anders. Ja, eigentlich müsste die Headline lauten: Schlechte Noten für die Medienstellen. Bei den Journalisten herrscht grosse Unzufriedenheit.

«Zu wenig Ostdeutsche in den Redaktionen»

Und nun zur Gesamtbeurteilung des Heftes. Der erste Eindruck: Erinnerungen an die Südostschweiz am Wochenende kommen auf. Und zwar darum, weil 70 Prozent jener Zeitung nichts aber auch gar nichts mit Graubünden zu tun haben. Es kommt alles aus der Zentralredaktion in Aarau. Genau so beim «Schweizer Journalisten». Zu vieles ist von den Schwesterblättern (Der Österreichische Journalist, mediummagazin.de, Der Wirtschaftsjournalist) reinkopiert. Drei Seiten über «Bundesverkehrsminister Scheuer», drei Seiten über die TV-Serie «Piefke-Saga». Drei Seiten Analyse «Zu wenig Ostdeutsche in den Redaktionen». Dazu irritierenderweise auch lokale Inserate und Verlagshinweise. Eine Seite «30 unter 30. Die jungen PR Talente Deutschlands». Oder: «22. Österreichischer Journalistinnenkongress. Am 4. November in Wien».

Je länger man sich mit dem Heft beschäftigt, desto mehr kommt man ins Grübeln. Ist da gerade ein Branchenmagazin am Abserbeln?

Aber stopp. Die  drei Seiten über «Geld vom Staat – wofür?» sind ganz ok. Zu Wort kommt etwa der Deutsche Zeitungsverleger-Präsident Mathias Döpfner. Der Schweiz-bezogene Teil aber ist eine merkwürdige Doublette des Artikels von Dennis Bühler, einige Seiten vorher («Die Hälfte für die Kleinen, die Hälfte für die Grossen»). Dort immerhin erfährt man, dass der Bund bei der geplanten Onlineförderung dem Stadtzürcher Online-Portal tsüri.ch 84’000 Franken jährlich zahlen möchte. Das Online-Magazin «Republik» bekäme gar 1,34 Millionen Franken. Geschrieben hat dieser Artikel übrigens Dennis Bühler, selber Redaktor bei der «Republik».

Ein Lichtblick, der Sportjournalistenverband

Gibt es denn nichts Spannendes, Erfreuliches zu berichten nach der Heftlektüre? Doch. Der Artikel von Andreas W. Schmid über die Unruhe im Sportjournalistenverband ist ein Stück, das man gerne liest in einem Branchenmagazin. Viel Swissness, viel Neues. Etwa, wenn man vom Krach der ehemaligen SRF-Journalistin Jeanine Geigele mit dem internationalen Sportjournalistenverband erfährt. Geigele berichtet, dass es dort kaum um Inhalte, dafür umso mehr um teures Essen und repräsentative Hotels geht. Und dass der internationale Sportjournalisten-Kongress 2019 in Lausanne schlussendlich vom Katarischen Verband mitorganisiert und bezahlt wurde. Der Schweizer Verband weigerte sich, dieses korrupte System zu unterstützen. Warum gab’s nicht mehr solche Artikel?

Bald ein «Jubiläum»

Der nächste Schweizer Journalist erscheint schon am 4. November. Sonderthema: «Jubiläumsausgabe: 15 Jahre Schweizer Journalist». 15 Jahre ist nicht gerade eine runde Zahl. Aber man muss die Feste feiern, solange man noch lebt.

 

P.S. Im Editorial geht David Sieber mit keinem Wort auf die wirtschaftliche Situation des eigenen Blattes ein. Etwa, dass wegen der internen schlechten Finanzlage so viele Artikel übernommen werden mussten von Österreich und Deutschland und es hoffentlich wieder besser werde.