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Keiner stoppt Häsler

Er warnt, mahnt und fordert. Ungehört, aber unermüdlich.

«Georg Häsler ist Oberst der Schweizer Armee, eingeteilt im Heeresstab. Er war zuvor Kommandant einer Festungsminenwerferkompanie und Kommandant Stellvertreter der Artillerieabteilung 10.» Vielleicht trägt er nun nicht nur bei Pressekonferenzen, sondern auch im Berner Stadtrat, in den er gewählt wurde, seine schmucke Uniform. Oder auch an seinem Arbeitsplatz bei der NZZ.

Dass es sich hier um eine demokratische Wahl handelte, würde wohl nicht mal Rabauke Häsler bestreiten. In anderen Regionen Europas sieht er das kritischer:

«In Budapest, in Bratislava und wohl bald auch in Wien regieren erklärte EU-Gegner. Dieser neue Nationalismus nützt Russland. Europa muss von innen heraus resilienter werden

Stoppen und müssen und resilient, so führt man als Oberst – in die sichere Niederlage, wenn diese Wortblasen geplatzt sind. Aber man soll Häslers Bildungsniveau nicht unterschätzen. Diesen Aufruf, diese Befehlsausgabe beginnt er mit einer Kurzzusammenfassung von Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften», der in Kakanien lebt, das Wort für die untergehende k. u. k. Herrlichkeit Österreich-Ungarns.

Aber ach je, das scheint doch das Abladen von überflüssigem Bildungsballast gewesen zu sein: «Natürlich ist die EU nicht Kakanien.» Tja, dann halt nicht.

Welches Wort aus dem kleinen Wörterbuch des Flachdenkens fehlt noch? Genau, die «Belastungsprobe», hier gar die «echte Belastungsprobe», im Unterschied zur unechten. Vor einer solchen steht die österreichische Demokratie. Wieso das? Nun, weil dort demokratisch die FPÖ zur stärksten Partei gewählt wurde. Das ist aber ganz schlimm: «Die Institutionen müssen einen Kanzler aushalten, der Österreich umgestalten will.»

Himmels willen, statt dass ein Kanzler kommt, der einfach so weitermacht wie bisher, was ja toll geklappt hat.

Aber das Unheil ist ja nicht auf die Alpenrepublik beschränkt, Häsler sieht da die grossen Zusammenhänge: «Gemeinsam mit dem ungarischen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen tschechischen Präsidenten Andrej Babis unterschrieb er im Juni 2024 ein «patriotisches Manifest», das vor einem «europäischen Superstaat» warnt und eigentlich einen Rückbau der europäischen Institutionen fordert.»

Wie kann Kickl nur, und höchstwahrscheinlich haben diese drei bösen Buben auch nicht Häsler vorher um Erlaubnis gefragt, ob sie das tun dürfen. Wahrscheinlich nicht mal anständig salutiert, Sauhaufen.

Schlimmer Sauhaufen, denn: «Ein EU-Gegner als österreichischer Kanzler nützt deshalb vor allem Russland. Die gestärkten Schaukelstaaten treiben zunächst einen Keil in die europäische Abwehrfront gegen den Krieg als Mittel der russischen Machtpolitik.» Wussten wir’s doch, alles Diversanten, Saboteure, Fünfte Kolonne, früher hätte man gesagt: Moskau einfach.

Häsler schwant wieder einmal Schlimmes, aber ganz sicher ist er sich doch nicht: «Gegenwärtig fehlt die Basis für ernsthafte Prognosen.» Aber das kann natürlich einen Oberst nicht erschüttern. Wenn es keine Basis für Prognosen gibt, dann gibt es, Moment, wir schlagen im Wörterbuch nach, genau, dann gibt «Szenarien». Gleich ganze drei zaubert Häsler aus seinem Offiziershut. Und lässt sie zackig aufmarschieren. Es handelt sich um das Trio «Stagnation, Konfrontation, Erosion Europas».

Was wird’s denn sein? Da hält sich der Seher bedeckt: «Der geopolitische Blindflug dürfte in den nächsten Monaten anhalten. Kurzfristig könnte die Lage tatsächlich stagnieren ...» Schön, wenn man jemandem beim Backen von heisser Luft zuschauen darf.

Aber natürlich ist die Zukunft kein Ponyhof: «Jede weitere Stärkung des kakanischen Schaukelblocks beschleunigt die gefährlichste Entwicklung: die Erosion Europas, welche zu neuen Konflikten führen könnte.» Kakanien, Leitmotiv, aber hallo.

Doch, dann sind wir aber fast am Ende des Wörterbuchs, was fehlt denn noch? Na, was ist schon wieder bei Krisen? Genau: «Es besteht auch die Chance, dass sich die EU von innen heraus stärkt.» Jede Krise ist eine Chance, dass man das immer wieder sagen muss.

Aber wie stärkt man denn genau? Da gibt der Oberst einen klaren Marschbefehl aus: «Vor allem müssen die neuen Europäer aus dem Nordosten raus zu den Menschen – wohl ganz besonders in der Mitte Europas.» Raus zu den Menschen draussen im Lande, genau, eines der hohlsten Politikerworte aller Zeiten.

Wie endet der begabte Dampfplauderer seine Befehlsausgabe für Europa? Na, natürlich mit einer Klammer, am Schluss zurück zum Anfang. Auch wenn er hier mal wieder, ist so eine Marotte von ihm, recht dunkel in der Bedeutung wird. ZACKBUM zumindest ist zu blöd, um den Sinn dieses Schlussatzes zu begreifen:

«Kakanien, das versunkene Phantasieland, hat eine bessere Erinnerung verdient als den Nationalismus des Untergangs.» Sachdienliche Angaben mit militärischem Rang des Senders bitte an diese Redaktion.

Splitter und Balken

Die «Republik» jammert jährlich. Nur nicht über sich selbst.

Im Eigenlob sind die Schnarchnasen im Zürcher Rothaus unschlagbar: «Ohne Journalismus keine Demokratie, mit dieser Überzeugung ist die Republik vor gut sechs Jahren angetreten. Mit Beiträgen, die möglichst im ganzen Land auf Interesse stossen.»

Ob solche aufgezwirbelten Meldungen allerdings auf Interesse stossen? «In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind in der Schweiz rund siebzig Zeitungen verschwunden, die meisten davon im lokalen oder regionalen Bereich – vom «Alttoggenburger» bis zum «Wolhuser Boten», vom «Anzeiger Degersheim» bis zur Kleinbasler Zeitung «Vogel Gryff».»

Was für eine Kollektion. Dass gleichzeitig jede Menge digitale Newsportale entstanden sind, dass an grossen Tageszeitung eigentlich nur «Le Matin» im Print und das «Giornale del Popolo» eingegangen sind, dass von den rund 50 ernstzunehmenden Tageszeitungen in den letzten 20 Jahren 96 Prozent überlebt haben, wieso sollten sich die einschlägig verhaltensauffälligen «Recherchierjournalisten» Philipp Albrecht und Dennis Bühler davon ein Vorurteil kaputtmachen lassen?

Wieso schreibt Bühler nicht mal darüber, dass er wohl das einzige Mitglied im Presserat ist, gegen das eine Beschwerde gutgeheissen wurde? Wieso schreibt er nicht darüber, wie er der Glaubwürdigkeit der «Republik» mit seinen Schmierenstücken gegen Jonas Projer einen weiteren Schlag versetzte? Oder was es mit Demokratieretten zu tun hat, wenn Bühler über die Zustände bei Tamedia ein Stück schreibt, das ausschliesslich aus Behauptungen von anonymen Quellen besteht?

Aber das sind sicherlich die falschen Fragen, denn hier geht es Albrecht und Bühler darum, das angebliche Sterben des Journalismus und damit auch gleich der Demokratie in der Schweiz zu beklagen. Zum vierten Mal veröffentlichen sie eine «Aussteigerliste», die umfasse für 2023 ganze «96 Aussteigerinnen».

Wer sich die Liste genauer anschaut, hat wieder was zu lachen. Als Aussteiger ist beispielsweise Christian Dorer aufgeführt. Der ist aber ausgestiegen worden. Auch Jonas Projer verliess die NZZaS nicht ganz freiwillig. Völlig verständlich scheint auch der Ausstieg von Fabian Sagines; statt bei Tamedia weiter zu leiden, wird er Fussballtrainer auf den Cayman Islands. Wieso die Demokratie stirbt, wenn Nicola Steiner von SRF zur Leitung des Kulturhauses Zürich wechselt oder sich andere schlichtweg selbständig machen oder einen Job in der Kommunikation annehmen (was ja ein Reise- oder Autoredaktor vorher schon ausübte)?

Eigentlich wären die 28’415 A nicht der Rede wert – wenn sie nicht so archetypisch auf kleinstem Raum alles beinhalteten, was an der «Republik» schlecht ist. Thesenjournalismus, der sich von der Wirklichkeit nicht belehren lässt. Grossmäuliges Eigenlob, überrissene Behauptung, der dann nachgerannt werden muss.

Der Lokaljournalismus wird dabei als Hochamt der Demokratieausübung in der Schweiz zelebriert. Kühne Ansage: «Die Flucht aus den Medien geht weiter – auch im Lokal­journalismus. Dort ist sie besonders schädlich, weil niemand mehr der Politik auf die Finger schaut.»

Nirgend sonst ist die Verfilzung klassischer Medien mit Lokalgrössen stärker ausgeprägt. Will sich der Lokalanzeiger wirklich mit dem grossen Bauunternehmer, der bedeutenden Garage, politischen Honoratioren anlegen? Mit Anzeigenkunden und andern Meinungsträgern, die für das Überleben des Blatts nötig sind? Wird hier wirklich der Politik auf die Finger geschaut? Wie viele lokale Skandale wurden in den letzten Jahren von klassischen Lokalmedien aufgedeckt?

Ist diese Art von Kontrolle nicht längst ins Digitale abgeschwirrt, in die sozialen Plattformen, auf Blogs, auf Berichte von Einzelmasken, die Staub aufwirbeln?

Es ist doch aberwitzig. Albrecht und Bühler arbeiten selbst für ein neugegründetes, digitales und schweineteures Organ, bei dem nur eines klar ist: stirbt es dann mal, stirbt weder der Journalismus, noch die Demokratie. Beide überstehen auch den Abgang von Journalisten in andere Berufszweige. Der liegt einfach daran, dass die grossen Medienkonzerne in der Schweiz – mit löblicher Ausnahme der NZZ – journalistischen Content schon lange nicht mehr als ihre Haupteinnahmequelle sehen. Sondern zunehmend als störendes Überbleibsel aus anderen Zeiten.

Würden Albrecht und Bühler nicht in einer geschützten Werkstatt arbeiten, in der die dort tätigen Schnarchnasen bei allen Bettelaktionen und Drohungen mit Selbstmord niemals auf die Idee kamen, an ihrem eigenen Einkommen zu sparen, dann wüssten sie, dass dort draussen im Lande, im Lokalen, in der Demokratie ein einfaches marktwirtschaftliches Prinzip herrscht: wenn es Nachfrage gibt, dann gibt’s auch Angebot. Wird das Falsche schlecht angeboten, dann gibt’s keine Nachfrage.

Weder bei Abonnenten, noch bei «Verlegern», noch bei Käufern von Lokalzeitungen im Print.

Vielleicht sollte sich die «Republik» mehr um ihr eigenes, abbröckelndes Publikum kümmern. Laut neustem Cockpit verlassen im April wieder viel mehr «Verleger» das sinkende Schiff als neu an Bord kommen. Sich bei der Zahl von 28’000 zu stabilisieren, davon ist das Organ der guten Denkungsart genau 1650 zahlende Nasen entfernt. Auch vom «strategischen Ziel: «Zu- und Abgänge bei Mitgliedschaften und Abonnements müssen sich dafür über das Jahr die Waage halten.»

Vielleicht könnten sich die Zwei mal darüber Gedanken machen. Aber das würde unternehmerische Grundkenntnisse erfordern.

Wumms: Eric Gujer

Immerhin eine Stimme der Vernunft.

Leider öffnet auch die NZZ immer wieder ihre Spalten für unreflektierte oder gelahrte Kriegsgurgeln. Sie hat sogar selbst einen Sandkastenoberst, der absurde Kriegsspiele fabuliert.

Aber dann gibt es doch noch Eric Gujer, der sich zwar ab und an verzettelt und verrennt, aber immer wieder zu klaren Gedanken und eleganten Formulierungen fähig ist. «Nichts ruiniert das Ansehen der Demokratie so treffsicher wie ihre Verteidigung mit Mitteln, denen jedes Augenmass fehlt.» Das ist so ein Gedanke, der in Endlosschleife wiederholt werden müsste.

Zunächst liefert Gujer vermeintlich Triviales ab. Aber so verkommen sind die Zeiten, dass daran wieder erinnert werden muss. Demokratie sei einfach ein Verfahren «zur Feststellung der Regierungsmehrheit». Wenn sie funktionieren soll, ist sie aber mehr: «eine Selbstversicherung, die hervorhebt, was eine echte Demokratie noch alles umfasst: Menschenrechte, Minderheitenschutz, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung».

Besonders schamlos gehen zurzeit die US-Demokraten vor, indem sie mit juristischen Mitteln versuchen, Donald Trump von der Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen auszuschliessen: «Die Demokratie erleidet doppelten Schaden. Dass Trump eine Todsünde beging, indem er am 6. Januar 2021 die wütende Menge anstachelte, statt zur Ruhe zu mahnen, tritt in den Hintergrund. Dank der unfreiwilligen Schützenhilfe in Colorado und Maine kann er sich als Verteidiger der Verfassungsordnung inszenieren, obwohl er sich mit dem Verhalten für das Amt des Präsidenten disqualifiziert hat

Zu solch ausgewogener Betrachtung sind immer weniger Kommentatoren in der Lage. Entweder, grossmehrheitlich, ist Trump für sie der wiedergeborene Gottseibeiuns. Oder der zu Unrecht geschmähte Heilsbringer. Dabei ist die wohl bevorstehende Wahl zwischen Biden und Trump wirklich wie zwischen Pest und Cholera, ein Armutszeugnis für die US-Demokratie.

Welch zweifelhafte Rolle die von den Demokraten instrumentalisierte Justiz spielt, bringt Gujer auf den Punkt: «Über den Ausschluss Trumps von den Vorwahlen befindet nun das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten. Wie das Gericht auch immer entscheidet, es entscheidet in den Augen der Hälfte der Amerikaner falsch. Die Richter, welche die Verfassung schützen sollen, werden unweigerlich in Misskredit geraten und mit ihnen die Verfassung selbst.»

Auch in Deutschland, angesichts des Erstarken der AfD, sind ähnliche Tendenzen zu erkennen: «Die SPD, die in Sachsen laut einer Umfrage derzeit bei 3 Prozent steht und damit an der 5-Prozent-Hürde scheitern würde, möchte eine Partei verbieten, der knapp 40 Prozent vorhergesagt werden.»

USA, Deutschland, Polen: «Kann man den Rechtsstaat mit rechtsstaatlich fragwürdigen Mitteln wiederherstellen? Lässt sich das Richtige mit falschen Mitteln erreichen?»

Zum Schluss erhebt sich Gujer ins Allgemeine: «Wenn die liberalen Demokraten wie ihre Gegner klingen, dann liegt die Vermutung nahe, dass sie auch ähnlich denken. Genau darin liegt die eigentliche Schwäche des Konzepts. Die liberale Demokratie beansprucht eine moralische Überlegenheit. Am Ende geht es ihren Verfechtern aber genauso um die Macht

Man mag seinen Lösungsvorschlag belächeln, aber es ist wohl der einzige, der bleibt: «Die Polarisierung wächst, Politiker und Journalisten steigern sich in immer schwärzere Dystopien hinein. Irgendwann herrscht geistiger Bürgerkrieg. Auf die naheliegende Idee, der Schwarmintelligenz der Wähler und der Widerstandskraft der Institutionen zu vertrauen, kommen die Mahner und Warner hingegen nicht. Dabei ist das der Kern der Demokratie, ob mit oder ohne Zusatz: Das Volk entscheidet und nicht Gerichte oder Experten.»

Man darf gespannt sein, wie die serbelnden Freisinnigen mit diesen Ratschlägen umgehen, die ja an sie gerichtet sind.

 

Recht und Moral

Wenn Moral Recht fordert, gebiert sie Unrecht. Der Sonntag am Montag.

Strafrechtsprofessor Marcel Niggli sagt einen Gedanken für die Geschichtsbücher:

«Wir wissen bei Gesetzen genau, woran wir sind. Das Recht unterscheidet – anders als die Moral – klar zwischen weiss und schwarz: Das ist erlaubt, das ist nicht erlaubt. Es gibt keine Grauzonen.»

Eigentlich ist es unglaublich, dass nach rund 2000 Jahren des Versuchs der Verfestigung von Rechtsstaatlichkeit dessen Fundamente so nonchalant von so vielen über Bord geworfen werden. Dazu gehört eine ganze Latte von Journalisten, die gewissenlos, aber moralgedopt sich über fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats hinwegsetzen wollen.

Dazu gehören Politiker, die als Opportunisten, als Windfähnchen oder gar aus Überzeugung fordern, dass sanktionierte Gelder von reichen Russen an die Ukraine ausgehändigt werden sollten. Dazu gehört sogar ein völlig verpeilter Strafrechtsprofessor, der unter gewaltsamem Umbiegen von eigentlich klaren Gesetzesartikeln behauptet, es gäbe sogar rechtliche Grundlagen für einen solchen Diebstahl und für eine solche Fehlverwendung vieler Millionen.

Alleine schon, dass Mark Pieth so etwas sagen kann (was natürlich sein Recht im Rahmen der Meinungsfreiheit ist), ohne dass ihm Titel und Würden abgesprochen werden, ist ein Skandal. Das ist so, wie wenn ein Herzchirurg sagen würde, dass er es für möglich hält, ein krankes Herz durch Gesundbeten zu heilen.

Hingegen muss jeder Staatsbürger die Ansicht von Niggli teilen: der Wunsch nach Einzug russischer Vermögen mittels Gesetzesänderung «würde die Abschaffung der Gesetze bedeuten. Wenn die Schweiz den Rechtsanspruch auf Eigentum aufhebt, würde ich auswandern.»

Schon das (existierende) Sanktionsgesetz ist ein rechtlicher Grenzfall. Es hebt nämlich ein paar fundamentale Prinzipien auf. Zum Beispiel die sonst zwingende Vorschrift, dass niemand seine Unschuld beweisen muss. Wenn aber Eigentum sanktionierter Personen beschlagnahmt wird, geschieht das ohne einen individuellen Schuldnachweis, sondern nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer unscharf definierten Gruppe.

Es muss leider gesagt sein: das letzte Mal wurde in dunklen Zeiten mit Juden so umgesprungen. Wobei wir alle uns einig sind, dass es sich damals um einen Unrechtsstaat handelte und um ein Verbrechen.

Genau gleich verhält es sich mit der Forderung nach Schweizer Waffenlieferungen an die Ukraine. Dass geistige Tiefflieger wie Sanija Ameti die sofortige Lieferung von Schweizer Panzern für die Verlängerung des Krieges dort fordern, ist nicht weiter bedenklich; sie weiss es nicht besser.

Dass diese Forderung aber auch von ansonsten ernst zu nehmenden Politikern bis ins bürgerliche Lager hinein erhoben wird, zeigt ebenfalls ein bedenkliches Verhältnis zum Schweizer Rechtsstaat, dessen Gesetze das eindeutig, glasklar und nicht wegschwurbelbar verbieten.

Das vor allem von Publizisten angemerkt wird, dass doch das Ausland den Kopf über die Schweiz schüttle und deren «Abseitsstehen» verurteile, ist an Dummheit und Arroganz nicht zu überbieten. Das Ausland schüttelt den Kopf darüber, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze hält? Deutschland schüttelt den Kopf, das sich selbst nicht an seine Kriegsmaterialexportgesetze hält?

In welcher Welt leben wir eigentlich? Selbst Franz Josef Strauss, sonst nicht gerade bekannt als unerbittlich gesetzestreuer Bürger, zitierte immer gerne den Satz: pacta sunt servanda. Vereinbarungen sind einzuhalten. Gilt diese Richtschnur unseres Handelns nicht mehr, fallen wir zurück in Barbarei, Faustrecht und Willkür.

Gerade Russland ist ein abschreckendes Beispiel dafür. Abgesehen davon, dass auch innerhalb der Landesgrenzen kein Rechtsstaat herrscht: der Überfall auf die Ukraine war nur möglich, weil sich Russland nicht an eigene Vereinbarungen gehalten hat, nämlich die verbindliche Zusicherung der Respektierung der territorialen Integrität der Ukraine. Abgesehen vom Bruch des Völkerrechts.

Aus solchen Rechtsbrüchen erwächst immer Unheil, Ungutes, Chaos, Leid, Zerstörung, Krieg.

Natürlich werden solche Verbrechen begründet. Russland sagt ja nicht: jawohl, wir sind wortbrüchig geworden und entgegen allen Gesetzen in der Ukraine eingefallen. Russland bemäntelt dieses Verbrechen mit vielen Begründungen. Inklusive dem moralischen Recht, sich gegen ein angeblich faschistisches Regime mit Expansionsgelüsten wehren zu müssen.

Die Parallelen sind noch deutlicher. Die NZZ berichtet: «Wjatscheslaw Wolodin, Sprecher der Staatsduma, schlägt vor, das Eigentum von «Schurken» zu beschlagnahmen, die ins Ausland gegangen sind und den Krieg kritisieren.»

Fällt den moralinübersäuerten Schweizer Brandstiftern nicht auf, dass sie genau das Gleiche tun? Sie behaupten, aus angeblich übergeordneten moralischen Gründen gebe es sozusagen einen übergesetzlichen Notstand. Der Laie holzt sich einfach eine Begründung zu recht; «wer nicht die Ukraine unterstützt, unterstützt Putin», behauptet ein abgehalfterter Dummschwätzer.

Krude, krumme und fatale Gedanken wälzt auch der Parteichef der «Mitte». Nachdem Gerhard Pfister lange geschwiegen hat, ist er sich inzwischen sicher, woher der Wind weht und rhabarbert vor sich hin:

«Die Schweiz kennt die bewaffnete Neutralität. Sie muss sich angemessen verteidigen können. Die Schweiz und ihre Werte werden jetzt in der Ukraine mitverteidigt. Es liegt darum im Landesinteresse der Schweiz, die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen. Darum ist das für mich ein Verteidigungsfall.»

Schweizer Werte werden in der Ukraine verteidigt? Also unter anderem Korruption, gekaufte Wahlen, Zensur, Aushebelung parlamentarischer Demokratie, Unterdrückung jeglicher Opposition? Der Letzte, der einen solchen Unsinn verzapfte, war der damalige deutsche Verteidigungsminister Struck: «Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird heute auch am Hindukusch verteidigt.» Nachdem Afghanistan für den Westen verloren ist, müsste nach dieser Logik Deutschlands Sicherheit flöten gegangen sein.

Noch fataler wird es, wenn sogar Rechtsgelehrte sich auf diesen Pfad ins Verderben begeben. Immerhin gab Tamedia Prof. Niggli Gelegenheit (wohl unseren Spuren folgend, denn wir haben ihn zuerst zu diesem Thema befragt), den absurden Behauptungen von Pieth entgegenzutreten.

Aber wir wissen aus Erfahrung, wie eine solche Umbiegung klarer Gesetzes funktioniert. Zunächst steht das Gesetz klar, eindeutig und unbeschädigt da. Dann kommen die ersten Rechtsverdreher und fummeln dran rum. Begleitet von Politikern, die mal dies oder das sagen. Dann wacht die Meute von journalistischen Lemmingen auf, die sich mit Moralin bis unter die Nase aufgepumpt und verantwortungslos fatale Forderungen aufstellen.

Dann kommen besonnene Worte, man müsse vielleicht zuerst das Gesetz ändern, dann ginge schon, was vorher eindeutig verboten war. Und am Schluss steht ein zuvor gut bekleideter Rechtsstaat in Lumpenfetzen gehüllt da. Und keiner dieser Idioten denkt über seine Nasenspitze hinaus, oder hört auf das, was Professor Niggli völlig richtig sagt:

«Heute geht es um ein paar Russen, aber morgen geht es vielleicht um Sie und mich. Denn die Politik sagt damit: Was Ihnen gehört, gehört Ihnen nur, solange es uns passt. Und sonst nehmen wir es Ihnen weg. Das ist eine beunruhigende Perspektive.»

Auch er zieht einen Vergleich, der in diesem Zusammenhang leider auf der Hand liegt:

«Die Enteignungsforderungen gegenüber den Russen bringen eine grosse Skepsis gegenüber dem Recht zum Ausdruck. Das erinnert mich an die Weimarer Republik in den 1930er-Jahren: Man schiebt die Paragrafen nonchalant zur Seite zugunsten von dem, was man für das politisch oder moralisch Richtige hält. Genau so wurde damals in Deutschland die Demokratie zerrieben und letztlich ausgehöhlt.»

Wer sich so an den Fundamenten des Rechtsstaats zu schaffen macht, unterhöhlt tatsächlich nicht einfach ein paar Paragraphen. Sondern die Demokratie, die Gesellschaft, das zivilisierte Zusammenleben.

Hier gibt es nur – wie damals – zwei Möglichkeiten: auswanden oder mit aller Kraft Widerstand leisten.

Wumms: Fabian Hock

Der «Co-Leiter Ausland» zeigt, wo’s langgeht.

CH Media, der Wanner-Konzern mit den meisten Kopfblättern in der Schweiz, verfügt über eine gut bestückte Auslandredaktion. Sie wird von zwei Leitern geleitet. Die leiten sich allerdings nur selbst, denn sie sind die gesamte Auslandredaktion. Wahrscheinlich haben sie die Welt untereinander aufgeteilt. Ich die obere Hälfte, du die untere. Oder so.

Zu Fabian Hock weltumspannenden Gebiet gehört offenbar Taiwan. Oder aber, sein Co-Leiter ist gerade in den wohlverdienten Ferien, und auf den Schultern von Hock lastet die ganze Welt. Das lässt er den Leser spüren, denn Hock spricht über «die bedrohten Demokratien in der Ukraine und Taiwan». Er fordert uns alle, wie wir im Westen leben, dunkel, aber ultimativ im Titel auf: «Diese Frage muss der Westen nun beantworten».

Also gut, hier spricht der Westen und antwortet. Auf welche Frage schon wieder? Da lässt Hock den Westen ganz schön lange zappeln, bis er endlich die Frage stellt, die beantwortet werden muss:

«Haben die kleinen, bedrohten Demokratien genug moderne Waffen, um sich selbst zu verteidigen?»

Nun, wenn wir da mal die Schweiz als Beispiel nehmen: eher nein. Aber Hock meint natürlich das ferne Ausland: «Das ist derzeit die entscheidende Frage im Konflikt zwischen Demokratie und Autoritarismus. Es ist am Westen, sie zu beantworten.»

Also gut, stellvertretend für den Westen sagt ZACKBUM: nein, haben sie nicht. Damit wäre die Frage beantwortet und wir könnten uns wieder wichtigeren Dingen zuwenden. Der Inflation. Der Altersversorgung. Der 10-Millionen-Schweiz. Dem Niedergang unseres wichtigen Handelspartners Euro-Zone. Aber zuvor müssen wir Hock noch eine Frage stellen: Welche Demokratien meint er genau?

Ach, die Demokratien Ukraine und Taiwan. Ist die Ukraine wirklich eine Demokratie? Ist ihr Präsident Selenskij ein lupenreiner Demokrat? Oder ist er nicht vielmehr ein autoritärer Herrscher in einem Land, in dem eine genauso rigide Medienzensur herrscht wie in Russland. In einem Land, das männliche Einwohner nicht verlassen dürfen. In einem Land, in dem das Parlament keine Rolle mehr spielt. Er ist als Marionette eines ukrainischen Oligarchen an die Macht gekommen, der so seine kleinen Probleme mit dem Verschwinden von über einer Milliarde Dollar regeln wollte. Dieses klitzekleine Problem hatte den Oligarchen nämlich ins ausländische Exil getrieben, und er wollte gerne wieder zurück. Also kaufte er Selenskij die Präsidentschaft, Problem gelöst.

Und Taiwan? Dort herrschte von 1949 bis zu seinem Tode im Jahr 1975 der Militär und Diktator Chiang Kai-Sheck, der niemals seinen Anspruch auf die Herrschaft über ganz China aufgab. Bis 1992 wurde Taiwan mittels Einparteiendiktatur geführt, völlig wesensähnlich mit Festlandchina. Verfolgungen, Umerziehungslager, willkürliche Verhaftungen, Todesurteile. Taiwan glich lange Jahre politisch Festlandchina wie ein Ei dem anderen. Erst 1996 wurde das erste Mal ein Präsident gewählt. Zweither wechseln sich zwei Parteien an der Macht ab; die Vergangenheit ist bis heute nicht aufgearbeitet.

Ist also Taiwan eine Demokratie? Nach rund 25 Jahren kann man vielleicht von einem Land sprechen, das unterwegs ist in Richtung Demokratie. Zum Vergleich: Deutschland hat seit 1949 eine parlamentarische Demokratie, die seit 1990 fürs gesamte, wiedervereinigte Land gilt. Man kann sie kaum als so gefestigt wie beispielsweise die schweizerische, englische oder US-amerikanische bezeichnen.

Wenn also Hock ungehemmte Waffenlieferungen an die Ukraine und Taiwan fordert und das damit begründet, dass Demokratien gefährdet seien, liegt er falsch. Ausser ein paar kleinen Inseln, Haiti und dem Vatikan bestreitet kein einziger Staat der Welt den Alleinvertretungsanspruch von Festlandchina über ganz China, inklusive Taiwan. Obwohl die Insel erst seit ein paar Jahren davon Abstand genommen hat, ihrerseits einen Alleinvertretungsanspruch über ganz China zu erheben. Obwohl Taiwan viele Jahre lang die Basis für subversive Aktionen gegen Rotchina im Kalten Krieg war.

Wer für Waffenlieferungen an Taiwan eintritt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes gröblich einzumischen. Wer Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet, unterstützt damit die Gegenwehr eines überfallenen Landes. Aber sicherlich keine Demokratie.

Hort von Freiheit und Demokratie

Seit der Ukraine scharen sich die Medien wieder hinter den USA.

Der Endkampf zwischen Gut und Böse ist mal wieder ausgerufen. Zum mittelalterlichen Vergleich fehlt nur noch die Endzeit und das drohende Jüngste Gericht.

Das Böse ist klar definiert: Russland. Da braucht es das Gute, so oberhalb der Ukraine. Das können dann nur die USA sein, logo.

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die USA unermüdlich daran, Frieden, Freiheit und Demokratie in die Welt zu bringen. Wenn nötig, allerdings auch mit Gewalt:

 

Merken Sie schon was?

Demokratie, Meinungsfreiheit, Medienkontrolle. Schon gefährdet?

Soweit man die etwas merkwürdige Kampagne der Befürworter der Medienmilliarde verstehen konnte, wäre im Fall einer Ablehnung zumindest die Meinungsfreiheit, sicherlich die regionale Berichterstattung, auf jeden Fall die pünktlich am Morgen eingelieferte Papierzeitung in Gefahr.

Eigentlich auch der Meinungspluralismus, qualitativ hochstehender und unabhängiger Journalismus, wohl gleich die gesamte Demokratie. Da eigentlich nur die «Republik» sich aufs Banner geschrieben hat, die Demokratie zu retten, ist das Online-Organ mit 50 Nasen speziell gefordert.

Nun schlägt wohl Wilhelm Tell nicht mehr mit einer gerollten Tageszeitung auf eine stilisierte Mauer ein, auf der «Fake News» steht. Könnte das zur Folge haben, dass wir von solchen Fake News überrollt, beziehungsweise eingemauert werden?

Dann war es ja auch so, dass zumindest die Geschäftsleitung von Tamedia und CH Media, auch die Boss-Etage, gross Klage geführt hat, was alles passieren wird, sollte das Medienpaket abgelehnt werden.

Besonders beeindruckend war für ZACKBUM der traurige Gesichtsausdruck von Peter Wanner, als der gestand, dass ohne die Zusatzkohle sein ganzer Konzern dann mal rote Zahlen schreiben werde. So in ein paar Jahren allerdings erst.

Die sieben Zwerge der «Blick»-Chefredaktion äusserten sich gemeinsam

Ringier hingegen sandte gemischte Signale aus. Der CEO Marc Walder betätigte sich als Helfershelfer des Referendumskomitees. Sein Verleger und immer noch Besitzer Michael Ringier  betätigte sich als Walder-Verteidiger. Die «Blick»-CEO und Global Head of irgendwas führte vor, dass es mit der Trennung zwischen Verlag und Redaktion nicht weit her ist. Vielleicht wollte sie auch mal gerne ihr Konterfei im «Blick» sehen, anders ist Ladina Heimgartners viel zu späte und viel zu lachhafte Intervention nicht zu erklären.

Die sieben Zwerge aus der Chefredaktion der «Blick»-Gruppe behaupteten in einer gemeinsamen Mitteilung, dass sie niemals nicht sich ihre Ausrichtung, Artikel oder Meinungen von oben befehlen liessen. Während Walder das Gegenteil bewies und Heimgartner ebenfalls die Mauer zwischen Verlag und Publikationsorgan einriss, als hätte sie das von Willi Tell gelernt.

Leider gelang es dem Verlegerverband nur unzureichend, genügend Kleinverlage mit Dackelblick aufzubieten, die von ihrer regionalen Wichtigkeit schwärmten und den Gefahren warnten, sollten sie nicht ein paar Krümel von der Milliarde abkriegen.

Es ist vielleicht noch etwas früh, aber ZACKBUM meint: es kann Entwarnung gegeben werden. Die Medienlandschaft der Schweiz ist auch nach der Abstimmung haargenau die gleiche wie zuvor. Das ist allerdings nicht unbedingt eine gute Nachricht

Und er schreibt doch

Pascal Hollenstein ist im Jahr 2022 angekommen. Auch das noch.

Vielleicht als Reaktion auf unsere besorgte Frage, ob er sich für 2022 vorgenommen habe, sein voluminöses Gehalt bei CH Media schweigend zu verzehren, hat sich die Leiter nach unten zu Wort gemeldet.

Zum Thema – Überraschung – «neues Mediengesetz». Dazu ist Hollenstein Köstliches eingefallen: «Demokratie ist kostbar – und darf uns etwas kosten». Pluralis majestatis nennt das der Lateiner. «Uns» ist hier der Steuerzahler; dass auch Hollenstein zwar zahlen würde, gleichzeitig aber kassieren, das wäre dann wohl zu komplex für die Darstellung.

Schon, aber auch Hollenstein?

Besonders am Herzen liegt Hollenstein das Regionale. Da geht er zunächst in die Weiten der USA, wo zeitungslose Regionen «news deserts» hiessen, Nachrichtenwüsten. Das löse dann so etwas aus:

«Der versuchte Sturm des Kapitols hat gezeigt, wohin das führen kann.»

Ein etwas kühner Zusammenhang. Aber die USA sind bekanntlich weit und weit weg. Zurück in die Schweiz: «Wie sollen Bürgerinnen und Bürger an der Urne entscheiden, wenn sie über ihren Kanton oder ihre Gemeinde nur noch Bruckstückhaftes erfahren? Oder gar absichtlich mit Fake News in die Irre geleitet werden?»

«Bruckstückhaftes»? Es ist halt so: holprige Gedanken äussern sich häufig in holpriger Sprache. Hollenstein kann auch Entwarnung geben: «Noch ist es nicht soweit. Zumindest in der Deutschschweiz gibt es noch in jedem Kanton eine oder gar mehrere Tageszeitungen

Genau; in der Ostschweiz gibt es zum Beispiel das «Tagblatt». Und das «Tagblatt», und die Kopfblätter des Tagblatts. Die alle die in Aarau angerührte Einheitssauce aus dem Hause CH Media servieren. Ganz lokal, versteht sich.

Weil die das so toll machen, hat die Alternative «Die Ostschweiz»* das «Tagblatt» online bereits abgetrocknet. Nur: CH Media würde satt an der Zusatzmilliarde abkassieren, sollte das Medienpaket am 13. Februar angenommen werden. «Die Ostschweiz» bekäme keinen Rappen.

Dennoch fragt Hollenstein rhetorisch: «Wie viel ist uns die unabhängige Versorgung mit Information im ganzen Land wert?» Dann macht er noch ein Junktim der speziellen Art: «Was sind wir bereit, für unsere direkte Demokratie zu bezahlen

Echt jetzt? Die Medienmilliarde diene der unabhängigen Infoversorgung? Sie müsse so gesehen werden, dass es eine Zahlung für die direkte Demokratie sei? Das sagt der Gleiche, der schon mal Printtitel als Milchkühe abqualifizierte, die noch gemolken werden müssten, bevor man sie zur Schlachtbank führe.

Das sagt der zweitoberste Vertreter eines Verlags, der wohl Bahnbrechendes dabei geleistet hat, die Regionalberichterstattung auszuhungern, wegzusparen, zu marginalisieren, einen Exodus von Lokaljournalisten zu provozieren.

Man kann versuchen, den schwindenden zahlenden Lesern jeden Bären aufzubinden, auf den man lustig ist. Aber den Konsumenten dafür zahlen zu lassen, dass er verscheissert wird, das kann als Geschäftsmodell auf Dauer nicht gutgehen.

In Wirklichkeit ist’s ganz einfach. Es gibt ein Bedürfnis nach Qualitätsberichterstattung, gerade im Lokalen. Wer das erfüllt, also die Nachfrage mit einem adäquaten Angebot deckt, hat Erfolg und besteht auch ohne Staatshilfe. Wer das nicht tut, ist zum Untergang verurteilt. Auch mit Staatshilfe.

Begleitet er seinen Untergang noch mit Heuchelei, beschleunigt er ihn nur.

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig bei «Die Ostschweiz».

 

 

 

 

Tag der Albernheit

Heraus zum, erkämpft das Menschenrecht, alle Räder stehen still. 1. Mai. Und?

Heute Abend wird man Genaueres wissen. Wie ist der Internationale Kampftag der Arbeiterklasse über die Bühne gegangen? Auch hier muss sich die Arbeiterbewegung von vielen liebgewonnenen Traditionen trennen.

Grosse Manifestation mit anschliessendem 1.-Mai-Redner? Nein, leider verboten. Der schwarze Block tänzelt um die Polizei herum, bis er dann furchtbar eins in die Fresse kriegt? Wurde schon vor Jahren abgestellt.

Und dann in Zürich das grosse Volksfest auf dem Kasernen-Areal? Wo zu überteuerten Preisen schlechtes, aber authentisches Essen und Trinken aus aller Welt feilgeboten wurde? Fällt aus.

Genauso wie die Weltrevolution. Auch daran ist ein Virus schuld, der ist sogar stärker als die Arbeiterbewegung. Die aber sowieso schon sehr geschwächt ist. Mangels Arbeitern.

Aber vielleicht wäre der 1. Mai Anlass, mal über den Zustand der Freiheitsrechte nachzudenken. Also genau das zu tun, was die Schweizer Journaille wieder flächendeckend verweigert.

Wie geht’s unseren grundlegenden Freiheitsrechten?

Denn Versammlungs- und Demonstrationsrecht gehört zu unseren Grundfreiheiten. Genau wie Bewegungsfreiheit und Gewerbefreiheit. Genau wie das Recht, unzensiert seine Meinung so öffentlich wie möglich äussern zu können. Genauso wie das Recht, über fundamentale, uns alle betreffende neue Vorschriften abzustimmen.

Genauso wie das Recht, dass der, der die Zeche zahlen wird, über ihre Herstellung ernsthaft mitreden darf. Das wäre der Idealfall – in einer Demokratie der mündigen Staatsbürger.

Im «Tages-Anzeiger» regt sich einer darüber auf, dass die GV der Credit Suisse nur virtuell stattgefunden habe, keine Fragen, keine Diskussion möglich war. Die normalerweise persönlich anwesenden Aktionäre verkörperten zwar nur einen minimen Prozentsatz der Aktienstimmen, das schon. Aber es sei dennoch ein Akt der Aktionärsdemokratie, ein Minimum an freier Aussprache, der Zwang der Führungsclique, hier zuhören zu müssen. Und daher sei es sehr bedauerlich, dass das nicht stattfinden konnte.

Diskussionslos über Widersprüche hinwegschreiben

Nun muss ein Kopfzeitungsblatt, der eine Teil eines Duopols, das die ganze Deutschweiz mit Tageszeitungen versorgt, nicht unbedingt in sich selbst widerspruchsfrei sein. Aber zumindest die Fähigkeit, bei diesen Aussagen einen schreienden Widerspruch zur übrigen Blattlinie zu sehen, die sollte doch vorhanden sein.

Denn die übrige Blattlinie ist, dass solche realen demokratischen Wortmeldungen aufs schärfste verurteilt werden. Wenn sich in Rapperswil und anderswo Staatsbürger zum Protest versammeln, dann fordert Tamedia, dass das mit Polizeigewalt aufgelöst werden müsse. Das nicht zu tun, sende ein ganz fatales Signal aus.

In dem Kommentar über die GV der CS wird auch wirkungsloser Protest als unverzichtbares Element einer funktionierenden demokratischen Mitbestimmung gelobt. Nun ist die Credit Suisse – glücklicherweise – nicht die Schweiz. Sollten ihr allerdings die Folgen ihrer eigenen Unfähigkeit über den Kopf wachsen, dann ist sie too big to fail. Das bedeutet, dass der Steuerzahler zur Kasse kommt. Ungefragt. Sicher kein befriedigender Zustand.

Nun betreffen die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie tatsächlich die ganze Schweiz. Und hier sprechen wir bereits nicht mehr im Konjunktiv. Es ist bislang, viele Aspekte auf der Seite lassend, ein wirtschaftlicher Schaden von über 150 Milliarden Franken entstanden. Man kann über die genaue Höhe diskutieren, aber nicht über den Fakt.

Man kann über das Verhältnis zwischen Geld und Leben diskutieren, aber nicht darüber, dass dieser Schaden wieder aufgeräumt werden muss. Ebenfalls von den Steuerzahlern, von wem denn sonst.

Tötet das Virus die Demokratie?

Also ist nicht genügend Anlass, auch mit untauglichen Mitteln darauf hinzuweisen, dass angesichts solcher Beträge – von allen weiteren Auswirkungen ganz zu schweigen – eine aktivere Mitbestimmung derjenigen, die diese Suppe auslöffeln müssen, dringend geboten wäre?

Aber diese Meinung liest man in der am Staatstropf hängenden Mainstreampresse nicht. Es wird nur die Verantwortungslosigkeit des unerlaubten Zusammenkommens von Demonstranten scharf kritisiert. Es wird nur – völlig belegfrei – behauptet, dass das eine ernsthafte Gefährdung der Gesundheit nicht nur der Teilnehmer, sondern von allen an diesem Ort darstelle.

Und heute wird eigentlich nur darauf gewartet, ob irgend wer aus welchem Grund auch immer Anlass dafür geben wird, dass die Polizei durchgreifen müsse. Was schon im Vorherein mit Applaus bedacht wird. Wie ärmlich ist das denn?