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Mann mit Humor

Ralf Brachat hat einen Applaus verdient.

Man könnte meinen, vom Geschäftsführer von «Swiss Radioworld», einem Werbevermarkter innerhalb der Goldbach Group AG und somit eine Unterschublade von TX, sei kaum Komisches zu erwarten.

Das täuscht aber ungemein. Der Mann weiss besser als mancher Journalist, wie man in einem Interview eine Schlusspointe setzt. Von persoenlich.com gefragt: «Zurück zu Schawinskis Aussage: Wann gibt es nur noch digitales Radio und selbst DAB+ wird Geschichte sein?», haut Brachat diesen Knaller raus:

«Solange es Roger gibt, wird es wahrscheinlich auch UKW geben, denn er hat es ja erfunden (lacht).»

UKW: ohne uns

Jammern, betteln, feuern. Alltagsnews aus den Medien. Dann tut einer was – und Schweigen herrscht.

Der Mann ist 75 und muss in einen Jungbrunnen gesprungen sein. Man mag ihn mögen oder sich an ihm reiben: Energie hat Roger Schawinski für zwei. Nach Abstechern in alle Formen von Multiplikatoren ist er seit einiger Zeit zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und macht das, was er wie kein Zweiter kann: Radio.

In seinem Element: Roger Schawinski.

Gegen «Radio 1» senden die übrigen Privatradios Dudelfunk mit unsäglich flachwelligen Wortbeiträgen. Schawinski hat dagegen das Talk Radio in die Schweiz geholt. Zunächst fünf Mal die Woche, nun noch zwei Mal unterhalten sich Experten, Politiker, Wissenschaftler und jeder, der etwas beitragen will, mit Schawinski über alle Aspekte der Pandemie.

Immer frisch, immer live. Immer mit einem Schawinski, der sich überraschen lässt, wer ihm alles als Gesprächspartner vorgesetzt wird. Auf so eine Idee sind die viel ressourcenstärkeren Blödfunker aus dem Hause Wanner und die übrigen Privat- (sowie Staats-) Radiomacher nicht gekommen.

Einer der Unterschiede, wenn einer von Beruf Sohn, der andere Radiomacher mit Herzblut ist. Der andere Unterschied: wenn Schawinski mit einer Entscheidung nicht einverstanden ist, dann tut er was dagegen.

Man kann, darf und soll unterschreiben.

Ab nächstem Jahr will die Schweiz – notabene als einziges Land in Zentraleuropa, die Radio-Übertragung auf UKW einstellen. Die SRG geht mit schlechtem Beispiel voran, dann folgen alle Privat-Radios. Alle? Nein, eine Ausnahme gibt’s natürlich. Was soll denn das? «Er war der Erste unter den Privaten, und möchte offensichtlich auch der Letzte sein

Die Ersten werden die Letzten sein?

Sagt Florian Wanner, als Bewährungsprobe zum Chef des kunterbunten Wanner-Imperiums an elektronischen Medien eingesetzt. Er selbst sieht überhaupt keinen Bedarf, etwas gegen diese Abschaltung zu unternehmen. Das ist sein gutes Recht. Nun protestiert aber Schawinski nicht nur auf allen Kanälen dagegen, so zuletzt in der NZZaS mit einem Kommentar. Sondern er hat auch eine Petition gestartet, mit (Stand Montag) über 7000 Unterschriften bislang.

Zudem ist Schawinski bereit, ans Bundesverwaltungsgericht zu gelangen, um das Zustandekommen dieser Entscheidung zu kippen. Ebenfalls am Sonntag holte sich Schawinski den wohl erfahrensten Radiotechniker ins Studio für einen «Doppelpunkt». Markus Ruoss hatte damals einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass das Piratenradio von Schawinski vom Pizzo Groppera aus in bester Sendequalität in Zürich empfangen werden konnte.

Inzwischen ist Ruoss vehementer Befürworter von DAB+ und ebenfalls von der Abschaltung der UKW-Übertragung. Also ein spannendes Battle, das nur entsteht, wenn der Besitzer des Mikrophons einem kompetenten Widerpart Gastrecht gibt. Deshalb gibt es vergleichbare Sendungen auch bei, ähm, also bei, na, verflixt, niemandem. Vielleicht noch im «Talk täglich», früher mal, als Markus Gilli hier noch Gas gab. Und wer hat’s erfunden?

Alles Absprache, alles Schiebung?

Im «Doppelpunkt» liess Schawinski wie nebenbei noch eine weitere Bombe platzen. Er sagt, dass Vertreter der Privat-Radios schon 2016 mit der damaligen Bundesrätin Doris Leuthard die UKW-Abschaltung beschlossen hätten. Als Gegenleistung seien die Senderlizenzen stillschweigend von 2018 bis 2024 verlängert worden.

Das darum, weil Radio Energy 2008 kurzfristig die Lizenz abhanden gekommen war. Darin sieht Ruoss nichts Skandalöses, Schawi schon. Ganz abgesehen davon, dass durch eine Umstellung auf DAB+ aus vielen UKW-Radiogeräten Elektroschrott würde. Die Hörer zahlen diese Umstellung, ist eines seiner stärksten Argumente, zudem ist in jedem zweiten Auto nur UKW-Empfang möglich.

Also eine ganze Latte von Argumenten, eine Petition, ein absehbarer Rechtsstreit, ein nicht ganz unwichtiges Thema. Damit sorgt Schawinski sicher für Aufmerksamkeit in den Schweizer Medien, und sei es nur, um ihm einmal mehr eitle Selbstdarstellung von einem, der nicht loslassen kann, vorzuwerfen.

Es geht. Ohne Duplikate finden sich in der smd haargenau 5 Artikel zu diesem Thema. Bei CH Media schaffte es Schawinski immerhin zu einer Meldung in der Sammelrubrik «Paradeplatz». Nur «persoenlich.com» liefert kontinuierliche Berichterstattung. Ringier, NZZ, Tamedia? Schweigen im Walde, tiefes Schweigen. Ausser einem Kurzkläffer im «Blick», der mal wieder zeigen möchte, was nackter und hässlicher Konzernjournalismus ist; Titel: «Unsinnige Lösung eines nicht existierenden Problems». So sähe das auch, Überraschung, das Ringier-Radio Energy.

Man muss halt Prioritäten setzen

Während ein einziges Wort, von Adolf Muschg in der Sendung «Sternstunde Philosophie» geäussert, hohe Wellen schlägt, ist das Thema «wieso sollte die Schweiz als fast einziges Land UKW-Übertragungen abschalten?» keine Notiz wert. Könnte zwar Hunderttausende von UKW-Empfängern interessieren, denen Schwünge am Reck über die erlaubte und verbotene Verwendung des Begriffs Auschwitz schwer an einem bestimmten Körperteil vorbeigehen.

Aber das Thema ist ein Bitzeli komplexer als Auschwitz oder Sophie Scholl. Das macht’s bereits unattraktiv. Und welcher Journalist von CH Media würde sich noch trauen, das Thema überhaupt anzufassen, nachdem sich Sohn Wanner so klar positioniert hat. Oder bei den anderen grossen Medienhäusern, die sich offensichtlich ein Schweigegelöbnis auferlegt haben.

Ein weiterer Grund, wieso die viel beklagte Medienkrise zu guten Stücken selbstgemacht ist.

Packungsbeilage: René Zeyer ist schon diverse Male in Sendungen von Schawinski aufgetreten.

«Radio im Herz»

UKW abschalten, ja, nein? Noch wichtiger ist: Schawinski ja nicht abschalten.

Es ist mal wieder einer gegen alle. Roger Schawinski wehrt sich als einziger Betreiber eines Privatradios dagegen, dass beginnend im nächsten Jahr die Radio-Übertragung per UKW beendet wird.

Nicht nur vom Gebührensender SRG, sondern auch alle Privatradiobetreiber haben sich einverstanden erklärt. Alle? Ausser einem. Der bekommt nun die übliche Portion Häme ab. Im fortgeschrittenen Alter wolle er wohl nochmal zu seinen Anfängen zurück als der Radiopirat, der die Sendelandschaft in der Schweiz umgepflügt hat. Nostalgiker, aus der Zeit gefallen.

Das ist Häme, weil die Gegenargumente gegen seine Position sehr dünn gesät sind. Sandro Benini vom «Tages-Anzeiger» hatte sich die Mühe gemacht, in einem Artikel die Problematik und die widersprechenden Positionen aufzuzeigen. Zudem ist Benini ein bissiger, schneller und argumentativ keine Gefangenen machender Diskussionspartner, wie ich aus eigener Erfahrung weiss.

Er ist mit Roger Schawinski per du, wie ich übrigens auch. Das als Packungsbeilage. Es geht hier aber gar nicht in erster Linie darum. Es geht darum, dass Roger Schwaniski für seinen «Doppelpunkt» letzten Sonntag Benini eingeladen hat. Und zwar nicht, um ihn zu befragen und zu rösten, sondern um sich befragen und kritisieren zu lassen.

Die reine Hörfreude

Daraus entwickelten zwei Dinge. Zum ersten der wohl vergnüglichste Schlagabtausch zweier geübter Rhetoriker der letzten Monate, wenn nicht Jahre. Natürlich hatte Schawinski gewisse Vorteile, was profunde Kenntnisse von Technik und Geschäft betrifft.

Dass Benini Betriebskosten und Verbreitungskosten verwechselte, wurde ihm gnadenlos und mehrfach aufs Brot geschmiert.

Er wehrte sich damit, wieso ihn Schawi dann überhaupt eingeladen hatte, und hackte seinerseits immer wieder auf dem Argument herum, dass doch nicht alle anderen Trottel sein könnten, die mit der Abschaltung von UKW einverstanden seien, während nur Schawinski das Licht der Wahrheit sehe.

Es geht hier auch nicht um eine Darstellung sowie Würdigung der Argumente, die ausgetauscht wurden. Die kann (und sollte und müsste) jeder nachhören, der sich für die Umrüstungskosten, die Vor- und Nachteile von UKW, DAB/DAB+ und Internet interessiert.

Und da 58 Prozent aller Autos in der Schweiz kein DAB haben, zum Beispiel, werden zu diesem Thema sicherlich noch grosse Schlachten geschlagen werden. Schawinski macht den Anfang und hat angekündigt, dass er ohne weiteres zum Bundesverwaltungsgericht nach St. Gallen gehen wird, sollte dieser seiner Meinung nach unsinnige Entscheid nicht korrigiert werden.

Benini hielt tapfer mit seinem Argumentarium dagegen. Das wäre nun selbst für die Medien-Show ZACKBUM.ch höchstens eine Meldung wert. Und Meldungen machen wir nicht. Was es aber erwähnungswert macht: Wo, wo sonst gibt es einen solchen Schlagabtausch? Wo, wo sonst lädt sich der Chef einer Plattform seinen schärfsten Kritiker in eine Live-Sendung ein und lässt sich von ihm befragen und beharken?

Wo sonst können verschiedene Ansichten so spritzig, auch gnadenlos, aber humorvoll aufeinandertreffen? Wo sonst können Zuschauer live mitreden, und zwar ausführlich? Nirgends sonst. In den vielen, vielen Sendegefässen des Gebührenmonstrums SRG nicht. In den inzwischen miteinander verklumpten Privat-Radio- und TV-Stationen auch nicht.

Eine Oase in der Wüste

Seit Markus Gilli krankheitshalber «Talk täglich» und «Sonntalk» abgeben musste, stehen dort nicht nur Plastikwände zwischen den Diskussionsteilnehmern. Sondern das meiste, was dort geschwatzt wird, ist auch Plastik. Die «Arena» ist so zu Tode durchorganisiert worden, dass sie meilenweit von der einfachen Grundidee entfernt vor sich hinröchelt: ein paar Leute stehen um einen runden Tisch und geben sich Saures. Gelegentlich dürfen noch weitere Leute aus einem äusseren Zirkel was reinmopsen. Das war auch nicht immer eine Sternstunde der Rhetorik. Aber doch lebhaft, unterhaltsam.

Also kann man nur sagen: Ob weiterhin auf UKW, DAB/DAB+ und Internet übertragen wird oder nicht, dass ist sicherlich eine Debatte wert. Wenn Schawinski einmal abtritt, und er ist 75, dann ist guter Rat teuer. Denn er hat wirklich das «Radio im Herz», wie er sagt. Im Gegensatz zu den Managern, die die anderen Radiostationen leiten und noch nie eine eigene Sendung gemacht haben.

Die werden’s dann wohl genauso in den Sand setzen wie ihre Kollegen im Gebührensender SRG. Denn letztlich kommt es vor allem bei Radio nicht auf die Qualität des Dudelfunks an. Sondern auf den Wortinhalt. Und auf die Leidenschaft der Macher. Wie überall sonst auch.

Packungsbeilage: René Zeyer ist schon mehrfach in diversen Sendungen von Roger Schawinski aufgetreten.