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Sonntags-Zumutung

ZACKBUM trifft die SoZ. Aua.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Es gab Zeiten, und die liegen noch nicht so lange zurück, da wäre so ein Cover als schlechter Scherz vom Tisch gefegt worden:

 

Ein für Tamedia-Verhältnisse sexistisches Aufmacherbild zu einem Thema, aus dem das Sommerloch so gross gähnt, dass man als Leser Schiss bekommt, hineingezogen und verschlungen zu werden.

Daneben gleich dem Zielpublikum noch eins in die Fresse: Benzin muss und soll doch teurer werden, verstärkte Beimischung von «Biotreibstoff» ist doch eine gute Sache, bis die Schweiz dann völlig CO2-frei wird.

«So wird der Garten attraktiv für Vögel», eine Wahnsinns-Schlagzeile – für die «Tierwelt». «Heisse Liebe, wie die Sonne unser Verhalten beeinflusst». Tut sie das? Und wieso wussten wir das die vergangenen 30’000 Jahre nicht?

Dann kommt eine Doppelseite nach der Devise: fällt der Redaktion trotz Kopfkratzen gar nichts ein, dann machen wir doch ein paar Statistiken. Die gelingen dann besonders gut, wenn man selbst und willkürlich die Auswertungskriterien festlegt. Dann kommt man auch zu Wunschresultaten:

Zudem weiss die SoZ: «Auf einer Skala von – 10 (links) bis + 10 (rechts) befindet er sich mit einem Wert von 10.0 am äussersten rechten Rand.»

Aber eigentlich hätte ihm die SoZ am liebsten eine + 11 gegeben …

Aber, oh Schreck, es ist immer noch Platz frei im Blatt, was tun?

«Der Sozialpsychologe untersucht»; solche Untersuchungen sind normalerweise der Rettungsanker im Boulevard, wo die absurdesten Korrelationen hergestellt werden. «Glatzenträger haben weniger Sex» oder so. Da will neuerdings die SoZ nicht abseits stehen, dabei ist es erst Anfang Juli. Wie sich das Blatt bis in den August durchhangeln will? Den zahlenden Leser erwartet ein echter Belastungstest.

Hat das Blatt noch etwas ausgelassen? Ja, natürlich, den Beitrag zu «wenn Wünschen helfen würde»:

Das wäre natürlich eine Weltsensation erster Güte. Worin besteht die denn? Wenn Aliens landen und uns neue, ungekannte Energiequellen schenken? Fast. Der GLP-Präsident Jürg Grossen ergreift die Chance beim Schopf, dass in der verzweifelten Suche nach Storys jede Furz-Idee punkten kann. Apropos, gegen seinen Vorschlag war die Furz-Idee von Peter Bodenmann mit den Solarpanels in den Alpen geradezu seriös und konkret.

Nach langfädiger Einleitung im Interview rückt Grossen dann mit seiner Furz-Idee heraus:

«Die sicherste Lösung für Saisonspeicher in der Schweiz ist die sogenannte Power-to-Liquidto-Power-Technologie. Sie funktioniert so: Statt als Gas speichert man den Strom in Flüssigtreibstoffen, die man im Winter wieder verstromen oder für den klimaneutralen Flug- und Schwerverkehr nutzen kann. Die heute bestehenden Tanklager würden reichen, um den für den Winter benötigten Vorrat zu speichern. Diese Treibstoffe sind vergleichsweise einfach zu handhaben.»

Selbst der SoZ fallen dazu aber eine ganze Reihe von Killerargumenten ein: «Diese Technologie steckt aber noch in den Kinderschuhen, ist nicht marktreif und bis jetzt ineffizient: 85 Prozent der Energie gehen verloren.»

Das räumt Grossen auch grossmütig ein: «Ganz so schlimm ist es nicht, aber die Technologie hat heute leider tatsächlich noch einen niedrigen Wirkungsgrad.» Aber: «Ich bin zuversichtlich, dass die Speicherung von Strom als Flüssigtreibstoff in den kommenden Jahren marktreif wird.»

Also schon wieder einer, der die Energieversorgung der Schweiz in einem Wolkenkuckucksheim betrachtet. Aber, sonst wäre es ja nicht die GLP, obwohl er eigentlich gegen AKW ist, hält sich Grossen auch hier alle Optionen offen: «Gegen eine neue Generation von Reaktoren, bei denen das Problem des radioaktiven Abfalls gelöst ist und die kein Sicherheitsrisiko darstellen, würde ich mich nicht wehren

Allerdings verrät er uns nicht, wie denn das Problem des radioaktiven Abfalls gelöst werden könnte.

Wir fassen zusammen: Unter einem Brüller-Titel schrumpft die «sicherere, besserer und günstigere Lösung» auf den Vorschlag zusammen, eine völlig unausgereifte Technologie mit einem Wirkungsverlust von 85 Prozent als Garantie für die zukünftige Stromversorgung der Schweiz anzubieten. Wenn’s als Satire gemeint ist, kann man das so stehenlassen.

Schon kommen wir zum nächsten Brüller:

Das ist tatsächlich ein Skandal. Was Autor Cyrill Pinto aber zu erwähnen vergisst: die SoZ gehörte zuvorderst zu den Organen, die eine allumfassende Maskenpflicht und das sofortige Anlegen von ausreichenden Reserven, von Käufen, koste es, was es wolle, lautstark befürwortete und somit die Hysterie um das Maskentragen ankurbelte. Um dann kleinlaut und kleingedruckt einzuräumen, dass deren Wirkung inzwischen allgemein und selbst von damaligen Befürwortern bezweifelt wird.

Aber auch nur ein maskierter Hauch von Selbstkritik? Niemals.

Selbst für eine Sommerloch-Ausgabe ist dann dieser Artikel schon starker Tobak:

Nichts gegen Tiere, aber: muss sich mit solchen Meldungen der Aufenthalt des SoZ-Redaktors Cyrill Pinto in Cherson amortisieren? Und hat er von dort aus, während er mit einer Hand einem Hund die Ohren kraulte, den Artikel über die Maskenvernichtung geschrieben?

Aber immerhin, das Urgestein Martin Suter löckt noch etwas gegen den Stachel und gegen die Einheitsmeinung, die von der «Süddeutschen» in die Tamedia-Organe schwappt, dass das, was Trump getan habe, dann im Fall noch viel schlimmer sei:

Wie der Skandal um den Präsidentensohn zuerst ignoriert, dann kleingeschrieben wurde und wird, kein weiteres Ruhmesblatt für den einseitigen Blasenjournalismus, auch bei der fremdbestimmten Tamedia.

Im «Fokus» (kaum ein Gefäss ist dermassen auf den Hund gekommen wie dieses) versprüht die SoZ nun etwas Sozialneid:

Da muss es doch der urbanen, grün-woken Leserschaft der SoZ glatt die vegane Butter vom Vollkornbiogipfeli blasen. Okay, der Mediensprecher von «Renovate Switzerland» sieht das vielleicht entspannter und würde sich nie vor einem Ferrari auf die Autobahn kleben. Vor allem, wenn er zuerst damit hingefahren ist.

Einsamer Lichtblick ist wie meist Peter Schneider:

Auch Rico Bandle zeigt keine Scheu vor der Gefährdung seines Arbeitsplatzes, indem er begründet und belegt nachweist, wieso jegliche Behauptung, die SVP sei noch weiter rechts als die AfD, ins Reich der Fantasie gehört, bzw. eine polemische Propagandalüge ist, ein typischer Fall von Fake News.

In der «Wirtschaft» geht’s aber gleich wieder ins Sommerloch:

Eine völlig zeitlose Geschichte, die man gestern, heute oder morgen bringen kann; Newswert null. Dass sich die EU um ein Verbot bemüht, ist ungefähr so spannend wie der Farbe an der Wand beim Trocknen zuzuschauen.

Auch das Sammelgefäss (um es nicht Abfalleimer zu nennen) «Leben & Kultur» wartet mit News auf, ohne die wir problemlos durch den Sonntag kommen:

Meiner Treu, Jeff Bezos von Amazon hat sich für teures Geld scheiden lassen und eine viel jüngere Geliebte. Dass er deswegen muskulöser und breitschultriger als auch schon rumläuft, so what, kann man nur sagen. Aber wenn man auch hier verzweifelt eine ganze Seite füllen muss, was man halt nicht nur mit einem Riesenfoto des neuen Schwarzenegger schafft …

Es bleibt dem Leser auch hier nichts erspart: «8 Tipps für Restaurants mit sommerlichem Flair und lauschigen Freisitzen». Schlimmer ist eigentlich nur, wenn Christian Seiler schnippelfreie Tipps für verantwortungslose vegane Mamis mit Kleinkind im Arm gibt.

Geht’s noch blöder? Immer:

DER Schauspieler Pine lief KÜRZLICH nicht irgendwo, sondern in Mailand BARFUSS. Wahnsinns-News. Ob er auch keine Unterhosen trug oder fluchte, als er in einen Hundehaufen trat, ist leider nicht übermittelt. Das sind die Berichte, die wir dringend brauchen, wenn wir uns beim Gähnen den Unterkiefer ausrenken wollen (he, das wäre mal ein Nutzwert-Artikel: «richtig gähnen, wir liefern die Anlässe und die Anleitung»).

Schliesslich noch «Warum manche Menschen ständig zu spät kommen». ZACKBUM hat da eine schlagende Theorie: weil sie beim Lesen der SoZ oder des Tagi weggeschnarcht sind.

Immerhin, die Auto-Seite präsentiert diesmal nicht einen 300’000-Franken-Sportwagen, sondern den Togg. Hä? Na, den «SUV Togg T10X, das erste türkische E-Auto». Immerhin merkt der Autor kritisch an: «Ob man aber bei uns ausgerechnet auf einen türkischen SUV wartet, sei mal dahingestellt.» Das muss er so säuseln, schliesslich füllt er eine Seite damit. ZACKBUM hingegen kann kurz und knapp die richtige Antwort geben: nein.

Der schönste Brüller kommt aber ganz am Schluss; Reisen. Da schimpft zunächst Chris Winteler über durchaus sinnvolle Bestandteile eines Hotelzimmers:

Wieso er zum Beispiel die Bügelvorrichtung weghaben will, erschliesst sich nicht. Entweder kann Winteler auf Spesen seine Kleidung waschen und bügeln lassen, oder er hatte noch nie einen Geschäftstermin, bei dem ein knitterfreier Anzug und ein gebügeltes Hemd durchaus minimale Höflichkeit und Achtung dem Gesprächspartner gegenüber ausdrücken.

Aber das ist noch nicht der Brüller, der kommt vorher (oder nachher, denn als Sparmassnahme wird Reisen ja auf der letzten Seite angeteasert und sollte wohl rückwärts gelesen werden). Die exotische Reiseempfehlung ist diesmal Island. Toller Ökotourismus. Der Flug dorthin dauert auch nur vier Stunden. Flug? Aber ja, das ist doch bekanntlich auch für Klimakleber kein Problem, die fliegen sogar nach Mexiko oder auf die Malediven. Da darf doch der SoZ-Leser wenigstens den Hüpfer nach Island machen. Dauert bloss vier Stunden, ein paar tausend Flugkilometer, das lässt die Gletscher auf Island doch sicher nicht schneller schmelzen.

Wir stellen die Gretchenfrage: Ist das Gebotene Fr. 6.40 wert? Sagen wir mal so: Am 6. Juli 1997 bekam man 104 Seiten für Fr. 2.80. Das war ein Seitenpreis von 2,7 Rappen. Der ist auf aktuell genau 10 Rappen hinaufgeschnellt, der Umfang auf 64 Seiten eingeschrumpft. Ist etwas mehr als die Hälfte den vierfachen Preis wert?

Das würde ja eine Verachtfachung der Qualität, des Inhalts, der komprimierten Fachkompetenz, des Nutzwerts, der Analysequalität bedeuten.

Auch da ist die Antwort einfach und klar: nein.

 

Wumms: Cyrill Pinto

Neutralität, kompetent erklärt.

«Cyrill Pinto ist ausgebildeter Buchhändler und hat einen Master in Kulturpublizistik der Zürcher Hochschule der Künste.»

Nicht nur das befähigt den Tamedia-Mann, uns eine Lektion in Sachen Neutralität zu erteilen: «Die Schweiz muss ihre Neutralität überdenken», dekretiert Pinto in seinem Kommentar. Wer genau? Schwer zu sagen, von einer denkenden Schweiz ist leider nichts bekannt.

Pinto weiss aber: «Immer wieder wurde das Kriegsmaterialgesetz dafür nachgeschärft und wieder gelockert. Inzwischen ist es auf 20 Seiten angewachsen, die dazugehörende Verordnung ist nochmals 28 Seiten lang.»

Das ist doch für ein Gesetz recht übersichtlich. Aber darum geht es Pinto nicht. Sondern hierum: «Auch wenn es unbequem ist, muss die Schweiz bei einem Krieg, wie dem in der Ukraine, eine klare Haltung einnehmen

Wie wäre es mit der klaren Haltung, dass die Schweiz als neutraler Staat ihre guten Dienste anbietet, obwohl sie mit der Befolgung der EU-Sanktionen bereits eine genügend unklare Haltung einnimmt? Und sich ansonsten an den Wortlaut der 48 Seiten Gesetz plus Verordnungen hält, wie es in einem Rechtsstaat Brauch ist?

Nun wird Pinto etwas wolkig und schwammig, denn  – wie einzelne Tamedia-Kollegen – einen klaren Rechtsbruch möchte er dann doch nicht vorschlagen: «Und am Ende kommt man nicht daran vorbei, eine Position zu beziehen, die auch mit dem internationalen Völkerrecht kompatibel ist. Nur so wird die Schweiz als Partner in der internationalen Staatengemeinschaft ernst genommen.»

Was genau sollte also die Schweiz machen, um endlich mal ernst genommen zu werden? Da ist guter Rat teuer, zu teuer für Pinto. Was genau ist an der aktuellen Position der Schweiz nicht mit dem «internationalen Völkerrecht» kompatibel? Statt diese Postion auch nur ansatzweise zu beschreiben, behauptet er (hoppla, muss er sich offenbar gedacht haben, Platz für Kommentar fast zu Ende): «Doch lieber versteckt sich die Schweiz – allen voran der Bundesrat – hinter einem verstaubten Verständnis von Neutralität. Das ist bequemer und einfacher, als klar Position zu beziehen.»

Vorhang geschlossen, alle Fragen offen. Hinter welchem Verständnis verstecke sich die Schweiz (und der Bundesrat)? Was wäre daran verstaubt, wenn man wüsste, was es ist? Was soll daran bequem sein? Wie würde denn eine «klare Position» aussehen? Zwei Sätze, fünf offene Fragen.

Auch ein Kommentar sollte einigermassen verständlich, folgerichtig und logisch formuliert sein. Wenn sich der Autor stattdessen hinter Gedöns und Geschwurbel versteckt, ohne dass es dem Leser möglich ist, seinen Aussagen oder Forderungen zu folgen, dann handelt es sich einwandfrei um ein Stück aus dem Tamedia-Imperium, in dem die Sonne der Kultur tief steht, Intelligenz und Sprachbeherrschung keine Voraussetzungen für eine Publikation sind – und jeder der noch nicht eingesparten Redaktoren ungehindert, unkontrolliert und unter Unterbietung jeglicher Grundansprüche an Niveau oder Inhalt loslabern darf.

SoZ: Zusammengekehrtes

Sonntag ist inzwischen Restentag mit Lachbeilagen.

Man hätte gedacht, dass sich Arthur Rutishauser nun energisch dem Titel widmen kann, von wo er seinen Aufstieg zum Oberchefredaktor begann. Denn dort ist er nun wieder angelangt. Aber:

Wir machen mal wieder den «was gibt’s fürs Geld»-Test. Rein physisch: 64 Seiten Papier, plus Beilage «encore!» für Fr. 6.40.  Das sind genau 10 Rappen pro Seite. Wie viele Seiten sind das auch wert?

Auf der Frontseite gibt es immerhin einen Beitrag, der bass erstaunt: «Mann leidet nach Covid-Impfung an Multipler Sklerose». Das im Hoforgan der zweitunterwürfigsten Hofberichterstattung über die kompetente Pandemie-Politik der Regierung, im Blatt, wo Corona-Leugner übel beschimpft wurden, Impfgegner als potenzielle Massenmörder verunglimpft, die man trotz fehlender gesetzlicher Grundlage zwangsimpfen sollte. Nebenwirkungen? Pipifax, dummes Zeug, Geschwurbel von Verschwörungstheoretikern, Aluhutträgern, Verpeilten, die am liebsten rechten Rattenfängern auf den Leim krochen. Und nun das.

Dafür gibt’s mal 10 Rappen, zweifellos.

Für den Rest? Gefährdete Stellen durch Bankenfusion? Gähn. Human Resources mag niemand wirklich? Schnarch. Wobei: «Migrationsforscher warnt vor Benachteiligung von Schweizern». Hoppla, solch potenzielles Schüren von Rassismus wäre vor ein paar Wochen auch nicht gerne gesehen worden. Nochmals 10 Rappen obendrauf.

Inklusive Paid Post geht’s munter weiter; FDP-Bankenfilz, zunehmende Jugendgewalt, nett. Ein erster Absacker dann auf Seite neun: «Reichsbürger sind auch in der Schweiz aktiv». Das ist wieder Abteilung aufgewärmte Socken, erschwerend kommt hinzu, dass der angebliche «Experte für Verschwörungstheorien» Marko Kovic auftritt. Er beobachte «die Szene der Staatsverweigerer «mit grosser Sorge»», lässt er sich zitieren.  Das Problem: trotz aller Schwurbel-Künste des Autors Cyrill Pinto lässt sich keinerlei «Szene» in der Schweiz herbeischreiben, bloss ein paar Verwirrte vermochte er aufzutreiben.

Gegen Schluss und trotz tatkräftiger Hilfe von Kovic, der ja keine Hemmungen kennt, sich lächerlich zu machen, muss Pinto dann einen Polizeisprecher zitieren: «Ob die Gruppe (der «Staatsverweigerer», Red.) grösser wurde, ist schwierig einzuschätzen.» Blöd aber auch, noch blöder: «Doch fedpol relativiert auch: Bisher habe man keine Kenntnis davon, dass aufgrund der Reichsbürgerideologie Gewaltstraftaten von Staatsverweigerern verübt wurden

Dabei begann der Artikel so schön drohend mit den länger zurückliegenden Verhaftungen in Deutschland. Starker Einstieg: «Die Spezialkommandos der Polizei schlugen in zwei Wellen zu.» Hoffentlich hatten sie genügend Rollatoren dabei … Aber nach diesem starken Einstieg dann der sackschwache Ausstieg, bei dem Rutishauser früher gesagt hätte: und wo ist hier die Story? Gespült.

Das gibt mindestens 20 Rappen Abzug.

Der «Fokus» bleibt ein Schatten seiner selbst. Die Polizeiverbandspräsidentin darf auf zwei Seiten um zwei Riesenfotos herum sagen: «Frauen werden nirgends geschont». Schon wieder 20 Rappen Abzug.

Dann eine Doppelseite über die Erinnerungen eines Überlebenden des KZ Bergen-Belsen, das vor 78 Jahren befreit worden war. 40 Rappen.

Dann die Doppelseite «Standpunkte». Sagen wir so: für «die andere Sicht» von Peter Schneider gibt es 10 Rappen, der Rest … Allerdings muss man wieder 10 Rappen für Jacqueline Badrans «Korrigendum» abziehen.  Wieso ihr Arthur noch nicht erklärt hat, was «Credit Default Swaps» sind, dass es die heute noch gibt und es sich um ein – richtig verwendet – durchaus sinnvolles Finanzinstrument handelt, peinlich.

Sport lassen wir mangels Fachkompetenz aus und geben wohlwollend volle Punktzahl; 80 Rappen.

Wirtschaft: Beatrice Bösiger will wissen, was nicht einmal die UBS weiss, von der CS ganz zu schweigen: «Was im Giftschrank der CS steckt». Da hat sie nämlich trotz Panzertüren die Nase reingesteckt und weiss: «Im schlimmsten Fall stehen bis zu 146 Milliarden Franken auf dem Spiel». Darunter zählt sie mal 9,3 Milliarden Level 3 Assets. Das mag noch angehen, denn hier gilt – mangels Markt – die Bewertung «feuchter Finger in der Luft». Das ist nun aber keine Zahl, mit der sich ein Aufmacherartikel begründen lässt. Also nimmt sie schlichtweg die 146 Milliarden, mit denen das Investmentbanking in der Bilanz der CS steht.

Nun ist es denkbar, dass das auf 0 zusammenschnurrt. Nur liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht viel höher als die, dass ein Meteoreinschlag alles Leben auf der Erde vernichtet. 20 Rappen Abzug, mindestens.

Allerdings sieht man hier Arthur Rustishauser wieder in Schreiblaune. Vorne das Editorial, in der Wirtschaft «30’000 Stellen in Gefahr» und «Wie die Finma der Credit Suisse den Todesstoss gab». Plus noch ein Interview mit Christoph Blocher. Der Mann produziert alleine mehr Ausstoss als alle 55 Nasen der «Republik» zusammen.

«Leben & Kultur»? Schön für Ewa Hess, mal wieder nach Hongkong reisen zu dürfen. Schön, dass Sandra Wagner über ihre Grösse (1.88 Meter) nachdenken darf. Schön, dass man auch im Jura genüsslich speisen darf. Schön, dass Jacqueline Krause-Blouin erklären darf, wieso für sie «Kind und Karriere» nicht funktioniert habe und sie deshalb die Chefredaktion der «Annabelle» abgab. Geben wir fürs TV-Programm Extrapunkte.

Ein Lachschlager ist wie meist die Auto-Strecke. Diesmal der «Ferrari Purosangue». Im Nahvergleich mit dem «Bentley Bentayga», dem «Rolls-Royce Cullinan» und dem «EQS SUV von Mercedes». Also genau die Auswahl, die sich der SoZ-Leser überlegt, wenn er sich einen SUV kaufen will. Blöd nur: der Ferrari zum Beispiel kostet zwar nur schlappe 409’000 Franken, aber: «für die nächsten zwei Jahre ist schon jetzt kein Purosangue mehr zu bekommen». Da muss man halt ruhig Blut bewahren.

Für diesen Lachschlager gibt es unverdiente 10 Rappen. Ebenfalls für die Fortsetzung der Serie «sauteure Luxushotels in sozialistischen Staaten». Diesmal Vietnam, Luxushotels der Anantara-Gruppe, die, Zufälle gibt’s, die «Reise unterstützte». Deren «26 Villen rangieren im oberen Preissegment», vermeldet der Autor verschämt. Auf Deutsch: Die «Anantara Beachfront Poolvilla» gibt’s bereits zum Sonderpreis mit Frühstück für bloss 964 Franken pro Zimmer und Nacht. Statt normal 1417 Franken, ein Schnäppchen.

Auch hier geben wir Lachzulage. Vielleicht will die SoZ ihren Lesern Lebenshilfe geben: wieso nicht in einer Beachfront Poolvilla in Vietnam darauf warten, bis der «Ferrari Purosangue» wieder erhältlich ist?

Kassensturz: Wenn man Inserate, Paid Posts und weiteren Schnickschnack abzieht, gelingt es der SoZ nicht vollständig und immer, für 10 Rappen pro Seite entsprechenden Gegenwert zu bieten. Aber: man merkt doch im Blatt, dass Rutishauser entschieden mehr Zeit als früher aufwenden kann. Das gibt Hoffnung.

Nachtreten wie im Kindergarten

Wenn das die ersten Signale der neuen Chefredaktorin sind …

ZACKBUM ist es gelungen, mit versteckter Kamera eine Aufnahme von einer Redaktionskonferenz im «Tages-Anzeiger» zu machen. Wir waren perplex …

«Dafür bedankt er sich für die Geduld des Reporters, der seine Tirade bis zum Schluss ausgehalten hat.» So beendet Cyrill Pinto seine Berichterstattung über einen Vortrag des «Weltwoche»-Chefs Roger Köppel. Wie bei seiner grossen Vordenkerin mit kleinem Besteck, wie bei Raphaela Birrer, kann man Pinto als mildernden Umstand zubilligen, dass er wahrscheinlich gar nicht weiss, was das Fremdwort Tirade bedeutet.

Keine mildernden Umstände gibt’s aber für dieses Nachtreten von Tamedia. Als Köppel bekanntgab, dass er bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten wird, titelte das ehemalige Qualitätsorgan: «Roger Köppel will nicht mehr. Oder darf er nicht mehr

Begleitet wurde diese haltlose Spekulation von einem geschmacklosen Kommentar der designierten neuen Überchefredaktorin des Konzerns. Als ob die SVP bestrebt wäre, den mit dem besten Resultat aller Zeiten gewählten Nationalrat eine neuerliche Kandidatur zu verwehren. Absurd, aber hier ist kein Untergriff zu abwegig.

Eigentlich wollte Köppel einen Vortrag über «Krieg und Frieden» halten, leitete den aber mit einer offenbar einstündigen Philippika über die Berichterstattung der «Mainstream-Medien» zu seiner Ankündigung ein.

Zunächst gibt der «Reporter» etwas O-Ton wieder: «Köppel störte sich auch daran, dass SVP-Parteimitglieder anonym zitiert wurden, wonach man ihm den Rücktritt wegen seiner Haltung zum Krieg in der Ukraine nahegelegt habe. Das sei «frei erfunden», hielt Köppel zuvor auch auf Twitter fest.»

Dann macht Pinto das, was Schmierenjournalismus immer mehr auszeichnet. Er tritt nach, weil er als Autor natürlich das letzte Wort behalten kann: «Tatsächlich hatten ihn Parteischwergewichte wie der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker für seine Haltung zum Krieg in der Ukraine kritisiert. An der Delegiertenversammlung im April 2022 kanzelte Stocker die «Putin-Versteher» öffentlich ab.»

Das ist nun voller dummer Perfidie. Denn tatsächlich hatte Stocker diesen Ausdruck verwendet und Köppel wohl mitgemeint. Aber weder Stocker noch andere SVP-Exponenten hatten Köppel den Rücktritt nahegelegt, und darüber regt sich der WeWo-Chef auf.

Dann geht Pinto – sicherlich unbeabsichtigt – zu einer Realsatire über: «In seiner Tirade gegen die «Mainstreammedien» – zu denen er offenbar alle ausser der eigenen «Weltwoche» zählt – zeichnete er das Bild von Redaktionen, in denen nicht diskutiert werde und abweichende Meinungen abgekanzelt würden.»

Nochmal Tirade? Zeichnet er? Das ist nun echt lustig, denn wer wüsste es besser als Pinto, dass es auf seiner Redaktion genau so zu und her geht. Abweichende Meinungen, Pro und Contra, wenigstens eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Zielen der Friedensdemo am nächsten Samstag in Bern? Verständnis für Corona-Massnahmenkritiker, so neben der ewigen Kreische Marc Brupbacher? Bei Tamedia? Niemals.

Eine Stellungnahme der Redaktion zur Affäre Roshani? Grabesstille. Sämtliche Zeugen, inklusive Roshani, stehen im Schweizer Telefonbuch. Da hätte das sogenannte Investigativ Desk für einmal nicht von anderen gestohlene Geschäftsunterlagen ausschlachten müssen, sondern hätte zeigen können, dass es die Grundlagen des Journalismus beherrscht. Ein Konflikt findet vor der Haustüre statt. Eine ehemalige Redaktorin erhebt schwerste Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Chefredaktor. Wie war’s wirklich? Telefonhörer in die Hand nehmen, anrufen, fragen, Indizien sammeln, den Untersuchungsbericht behändigen, banal.

Worin besteht die Berichterstattung über diese Affäre? Werden hier die neuen, skandalösen Entwicklungen wenigstens referiert? Schliesslich entwickelt sich die Anklage eines angeblichen weiblichen Opfers immer mehr zum Rohrkrepierer. Aber der grosse Qualitätskonzern Tamedia hat es im Monat seit dem Platzen der Affäre bei einem einzigen Artikel bewenden lassen: «In eigener Sache. Stellungnahme zum «Spiegel»-Artikel». Gezeichnet von der «Chefredaktion». Da hätte man nun doch vielleicht drüber diskutieren können. Aber da’s bei Tamedia so ist, wie es Köppel beschreibt …

Schlimmer noch: bei Tamedia ist das Handwerk nicht mehr vorhanden. Nicht mal banale Handgriffe werden ausgeführt. Dafür herrscht Banalität im Denken und Schreiben. Aschgrau.