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Obszön

Die UBS rülpst beim Verdauen der Credit Suisse.

Ein Quartalsgewinn von 29 Milliarden Franken. Mit allen Rechenkünsten liess es sich nicht verhindern, dass bei der Präsentation der Quartalszahlen offenkundig wurde: die Übernahme der Credit Suisse ist das profitabelste Geschäft aller Zeiten im Schweizer Banking.

Im ersten Quartal 2023 betrug der Vorsteuergewinn der UBS vergleichsweise läppische 2,35 Milliarden, weniger als ein Zehntel. Wie kann das sein, haben die Bankgesellen plötzlich einen Goldesel im Keller stehen? Midas wiederbelebt? Doch herausgefunden, wie man aus dem Nichts Geld machen kann?

Nichts von alledem. Das Einzige, was die UBS für diesen obszönen Quartalsgewinn brauchte, war ein völlig überforderter Bundesrat, ein Beamtenheer in Bern (alleine im Finanzdepartement arbeiten fast 9000 Sesselfurzer), das mal wieder vor einer Situation krachend versagte, in der es Tatkraft und Sachverstand gebraucht hätte. Dazu eine Bankenaufsicht, die einmal mehr unter Beweis stellte, dass sie aufgelöst werden könnte, ohne dass das gross auffiele. Und schliesslich eine Nationalbank, die zwar von einem korrekten Menschen geleitet wird, aber sich nur als Erfüllungsgehilfe der Politik sah und insgesamt 259 Milliarden Liquidität ins Feuer stellte.

Das Einverleiben der CS wäre schon aus vielen Gründen ein Supergeschäft gewesen, wenn die UBS einen adäquaten Preis (also alles zwischen 7 bis 12 Milliarden Franken) bezahlt hätte. Der Hauptkonkurrent im In- und Ausland weg. Monopolstellung im Auslandgeschäft. Too too too big to fail, kriegt die UBS jetzt einen Schnupfen, kommt die Staatsfeuerwehr, die Ambulanz, die Rega, ein Heer von besorgten Regierenden, die salben, Pflästerchen auflegen, heissen Tee servieren und fragen wohin sie denn den Puderzucker blasen sollen, und ob’s schon etwas besser gehe.

Aber das ist ja noch nicht alles. Mit dem brutalen Runterschnetzeln des Aktienkurses auf weniger als die Hälfte des schon lächerlichen Tiefststandes zwei Tage vor dem Notverkauf hat sich die Eidgenossenschaft weltweit Kaskaden von Prozessen eingehandelt, deren Ausgang völlig ungewiss ist. Wobei aber einzig jetzt schon klar ist: das wird Multimillionen kosten, alleine schon für die Rechtshändel.

Aber auch das ist nicht alles. Der Abschreiber von CS-Obligationen im Buchwert von 16 Milliarden Franken auf null ohne genügende Rechtsgrundlage wird die Schweiz Milliarden kosten.

Aber auch das ist nicht alles. Damit hat die Schweiz ein Signal ausgesendet, dass auch wir ein Rechtsstaat von Fall zu Fall sind, die Eigentumsgarantie nicht nur bei reichen Russen keine Garantie mehr ist, sondern dass auch angeblich sichere Investitionen in Obligationen einer Schweizer Traditionsbank per Federstrich in Luft aufgelöst werden können. Was überlegt sich da ein zukünftiger Investor wohl, wenn es darum geht, dass er viel Geld hierzulande anlegen könnte?

Wird das alles in den Medien thematisiert? Ach, ein paar fuchtelnde Zeigefinger, die üblichen «man sollte, man muss jetzt, es ist nötig, die Politik ist gefordert, in Zukunft kann nicht mehr länger» und Blabla und Blüblü. Und wie ist das Wetter morgen, stimmen die Temperaturprognosen, wo fehlt noch ein Genderstern, wie geht’s dem Gletscherschwund, braucht der Flughafen Zürich wirklich einen längere Piste, und wieso haben wir von Kim de l’Horizon schon lange nichts mehr gehört, wird Trump endlich verknackt?

16 Milliarden. das sind 16’000 Millionen. Das ist mehr als ein Fünftel aller Steuereinnahmen des Bundes. 160’000 krampfende Schweizer, die damit eine Wertschöpfung von 100’000 Franken pro Nase stemmen, wären dafür nötig. Wollen sie daneben noch von was leben, wären es wohl eher 300’000.

Auf Geheiss des Bundesrats mit einem Federstrich weggeschmissen, um als Forderungen wieder zurückzukommen. Braucht es mehr, um vorzuführen, wie hilflos ein mediokres politische Personal, unterstützt von genauso mediokren Beamtenheeren Volksvermögen verschleudert, sich von cleveren Bankern vorführen lässt?

Aber auch für die Medien ist ein Gebastel von Zwangswandelanleihen zu kompliziert, als dass das dort einer wirklich verstehen würde. Also hat das Volk nicht nur die Regierung, sondern auch die Medien, die es verdient. Und sollte sich nicht beschweren.

Mediales Trauerspiel UBS/CS

Es geht um insgesamt 275 Milliarden Franken. Steuer- und Staatsgelder.

Das wären schon ein paar Gründe, mehr Artikel über den Aufkauf der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis zu schreiben – als über Unterleibsgeschichten eines deutschen Sängers.

In den letzten 7 Tagen sind 1001 Artikel über die CS erschienen – und 756 über Rammstein. Bei der deutschen Krawallband geht es um die Behauptungen von anonymen Groupies, sie seien gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen worden.

Bei der Zwangsfusion zwischen CS und UBS, angestossen und faktisch erzwungen durch den Bundesrat, stehen immerhin insgesamt 275 Milliarden im Feuer. 250 Milliarden Liquiditätsgarantie durch die SNB. 9 Milliarden Risikoübernahmegarantie durch den Bund. 16 Milliarden AT1-Bonds, die mit einem Federstrich von der Bankenaufsicht FINMA ausgelöscht wurden – Staatshaftung.

Da könnte man erwarten, dass in den Schweizer Medien entschieden mehr Artikel zu diesem gigantischen Risiko erscheinen – vom Risiko einer Dinosaurier-UBS ganz zu schweigen.

Aber das erregt nur unmerklich mehr Aufmerksamkeit. Alleine über den Frauenstreik erschienen in der letzten Woche 840 Artikel. Dabei steht bei dieser fragwürdigen Kaufaktion immerhin ein Viertel des Schweizer BIP im Feuer. Dabei hat hier das Image der Schweiz als Rechtsstaat mit Eigentumsgarantie schweren Schaden genommen.

Zudem sind viele Artikel aus der «Financial Times» und anderen Organen abgeschrieben, wo noch recherchiert wird. Zudem hat ein Einzelkämpfer wie Lukas Hässig die Idee, mal im Handelsregister den Fusionsvertrag genauer anzuschauen – sonst niemand. Damit hat Hässig schwarz auf weiss und amtlich, dass die UBS mit 3 Milliarden Einsatz 20 Milliarden Gewinn gemacht hat – ungeheuerlich.

Zählt man noch die geschenkten 16 Milliarden AT1 hinzu, sind es sogar 36 Milliarden. Da staunte sogar Dagobert Duck

Weitere Ungereimtheiten stehen im Handelsregister, wenn man schaut. Die «Credit Suisse Group» ist tatsächlich gelöscht, existiert nach der Übernahme durch die UBS nicht mehr. Aber siehe da, am Paradeplatz 8 residiert immer noch die «Credit Suisse AG». Sie besteht seit dem «5. Juli 1856» und wurde am 27. April 1883 ins HR eingetragen. Fröhlich werden letztmals am 15. Mai Mutationen bei der Unterschriftenberechtigung vorgenommen, laut HR hat sogar Axel Lehmann noch seinen Job als VR-Präsident.

So als kleiner Lachschlager nebenbei. Aber selbst ins HR zu schauen, das ist im heutigen Elendsjournalismus den Wirtschaftsredaktoren nicht gegeben.

Auch eine ganz einfache und  naheliegende Frage stellen sie nicht, diese Koryphäen.

Der Bund, also der Steuerzahler, geht unbezweifelbar auf verschiedene Arten ins Risiko bei diesem Deal. Es ist die normalste Sache der Welt, dass bei der Übernahme von Risiko eine Gegenleistung erfolgt. Wer zum Beispiel einen Kredit gibt, bekommt dafür eine Risikoprämie namens Zins. Dafür, dass das geliehene Geld auch einfach futsch sein könnte.

Wer sich an einer geschäftlichen Transaktion beteiligt und dabei Risiko trägt, bekommt normalerweise einen Gewinnanteil, sollte sich das Geschäft als profitabel erweisen. Wer beispielsweise mit viel Geld und Garantien beim Entstehen einer neuen Firma durch einen gewaltigen Zukauf hilft, bekommt dafür natürlich eine Gewinnbeteiligung. Die wird selbstverständlich – wie alles andere – vorher schriftlich vereinbart.

Das ist Business as usual, das war auch damals so, als der Bund der abserbelnden UBS unter die Arme griff und ihr bei der Errichtung einer Bad Bank half. Dafür kassierte der Bund dann auch einen netten Gewinn, als sich die UBS wieder erholt hatte.

Das ist bis heute ein Argument gegen die Gegner der damaligen Notrettung der UBS – die dann im Steuerstreit ein zweites Mal gerettet werden musste, diesmal durch die Aufgabe des Bankkundengeheimnisses und Kunden- sowie Mitarbeiterverrat.

Denn das mit der Verantwortung, mit der die Bankenlenker ihre obszönen Gehälter und Boni für Verluste begründeten, galt natürlich nicht im Ernstfall, wenn sie in den USA persönlich für Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter hätten geradestehen sollen.

Aber item, trotz der üblichen Hektik und dem mediokren Personal in der Bundesverwaltung, angeführt von mediokren Bundesräten, war man damals so schlau, eine Gewinnbeteiligung auszumachen.

Inzwischen ist man offenbar noch dümmer geworden. Es ist von einer neuerlichen Gewinnbeteiligung für den Fall, dass die UBS sich tatsächlich grün und blau am Kauf der CS verdienen sollte – nichts bekannt.

Bislang sieht es so aus, dass der Gewinn für die UBS dermassen gigantisch ist, dass er sich nicht mal mit kreativer Buchhaltung kleinrechnen lässt. Sollte das so bleiben, könnten die staatlichen Behörden und die SNB eigentlich einen gewaltigen Batzen Gewinnbeteiligung erwarten, viel mehr als die lächerlichen 100 Millionen, die bislang herumgeboten wurden.

Nur: offenbar gibt es eine solche Vereinbarung nicht. Vergessen? Verstolpert? Nicht dran gedacht? Zu blöd dafür?

Man weiss es nicht. Und in den Massenmedien fragt niemand nach.

Jedes Volk hat die Medien, die es verdient.

 

 

Geballte Kompetenz

Die Wirtschaftsredaktion von Tamedia ist ein Copy-Wohlfühl-Shop.

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Eigentlich sollte man meinen, dass der Kauf der CS zum Schnäppchenpreis und seine Umstände für die Wirtschaftsredaktion des zweitgrössten Medienkonzerns der Schweiz Anlass zu ausführlicher Berichterstattung, eigener Recherche und Analyse seien sollte. Plus kritische Fragen an die Beteiligten, wenn die einem Interview zustimmen.

Immerhin führt das Impressum 11 Fachkräfte auf, darunter viele Häuptlinge, stellvertretende Häuptlinge und sogar einen Chefökonom. Gut, dieser Titel sollte Armin Müller den Rausschmiss aus der Chefredaktion versüssen. Dann hätten wir noch ein vierköpfiges «Hauptstadtbüro Bern» und einen «Ausland-Korrespondenten» im fernen San Francisco. Nicht zu vergessen das Bauernofper Arthur Rutishauser mit mehr Zeit zum Schreiben als Chefredaktor «SonntagsZeitung».

Und was machen diese Koryphäen? Sie lesen fleissig Zeitungen, bei denen noch recherchiert wird. Zum Stehsatz der Berichterstattung gehört seit Längerem: «Wie die britische «Financial Times» berichtet ..

Diesmal wird der Satz ergänzt mit «…soll die UBS den CS-Bankern nach der Übernahme strenge Regeln auferlegen». Hat sich die hochwohllöbliche Wirtschaftsredaktion wenigstens zu einer eigenen Recherchehandlung aufgerafft? Wozu denn, wenn das andere erledigen: «Gegenüber der Nachrichtenagentur AWP wollte die UBS die Liste nicht kommentieren.»

Leichte Unsicherheiten zeigt das vielköpfige Wirtschaftsressort bei der Anwendung des Konjunktivs. Beim fleissigen Zitieren aus der FT heisst es einmal «So ist es etwa verboten». Indikativ (Wirklichkeitsform, für Tamedia-Mitarbeiter). Dann aber «Gesperrt würden zudem …», Konjunktiv oder Würde-Form. Ja was denn nun?

Dann lässt sich Tamedia vom offiziellen Wording der Umstände des Schnäppchenkaufs einseifen. Denn erst vergangenen Freitag wurde der definitive Garantievertrag über 9 Milliarden Risikoübernahme durch den Bund unterzeichnet. Vorher gab es noch jede Menge Fingerhakeln. Wieso muss der Bund eigentlich zusätzlich zum 16-Milliarden AT1-Geschenk und Liquiditätszusagen von 250 Milliarden noch weitere 9 Milliarden drauflegen?

«Der Grund, warum der Bund dafür eine Verlustgarantie aussprechen musste, ist, dass die UBS vor der Übernahme nur kurz in die Bücher der CS schauen konnte

Dabei muss man nicht mal «Inside Paradeplatz» lesen (und abschreiben), um zu wissen, dass die UBS bereits seit letztem Herbst alle Vorbereitungen für eine Übernahme der CS angeleiert hatte. Und da das Führungspersonal der CS in der Endphase fast ausschliesslich aus Ex-UBS-Männern bestand, die niemals nicht interne Informationen an ihren alten (und hoffnungsfroh wieder neuen) Arbeitgeber durchstechen würden …

Nun hatten «Chefökonom» Müller und Bauernopfer Rutishauser Gelegenheit, SNB-Boss Thomas Jordan zu interviewen. Allerdings folgten auch sie dem Tamedia-Prinzip: ja keine unangenehmen Fragen stellen, ja nicht nachhaken.

Lukas Hässig von IP (who else?) zeigt auf eine der vielen Schwachstellen des Interviews:

«Auf die Frage der Journalisten, ob es im letzten Herbst „schon Gespräche mit der UBS über eine Übernahme“ gegeben habe, meinte der SNB-Chef:
„Gespräche mit der Credit Suisse haben stattgefunden. Die Bank musste sich vorbereiten für den Fall, dass der Turnaround nicht gelingt.“
Ein klassisches Ausweichmanöver. Die Frage nach der UBS wird mit Kontakten zur CS beantwortet.»

Wetten, dass FT das nicht so hätte durchgehen lassen? Wetten, dass in einem seriösen Interview hier eine Nachfrage gestellt worden wäre? Und wenn Jordan (oder sein Kommunikationsfuzzi) bei der Autorisierung des Interviews diese Passage dann gestrichen hätte?

Dann hätte Tamedia vielleicht nicht so eine Peinlichkeit wie der SoBli mit seinem misslungenen Rima-Interview aufführen müssen. Aber deutlich darauf hinweisen, dass hier eine wichtige Frage schlichtweg nicht beantwortet wurde.

Das gilt auch für die Behauptung Jordans, dass die SNB nicht «einfach eine Bank übernehmen könne». Natürlich könnte sie das, aber dafür müssten die Interviewer das SNB-Reglement kennen. Was zu viel verlangt ist, offensichtlich. Denn unter dem Gummibegriff «Stabilität des Finanzsystems» hat die SNB schon ganz andere Dinger gedreht, zum Beispiel die Festlegung einer Untergrenze zum Euro.

Aber doch nicht im weichspüler-wohlfühl-genderneutralen Tamedia-Journalismus. Wenn’s um viele Milliarden Steuergelder geht, ist man hier ganz entspannt. Geht es um das Verhalten eines deutschen Rockstars, wird gleich das Canceln seiner Konzerte gefordert. Lächerlich oder jämmerlich? Leider beides.

Endspiel der Demokratie

Wenn die Volksvertretung übergangen wird.

Das Parlament beschliesst, die Regierung führt aus. So sollte es sein. Die Regierung beschliesst, das Parlament hat nichts zu sagen. So ist’s neuerdings in der Schweiz.

Es ist ein Skandal. Ein Sündenfall. Etwas Unerhörtes. Aber kaum einer regt sich gebührend auf. Der Bundesrat hat unter Anwendung der wackeligen Rechtsgrundlage «Notrecht» insgesamt 259 Milliarden Franken ins Risiko gestellt.

Der Bundesrat hat hektisch, übereilt, überfordert die Credit Suisse an die UBS verscherbelt. Ohne Alternativen wirklich zu prüfen. Es war beschämend, zwei inkompetente Bundesräte, einen desinteressierten Nationalbankpräsidenten, eine nichtssagende Figur der Bankenaufsicht FINMA und das Paar Plisch und Plum von der CS am 19. März auf der Bühne zu sehen.

Sprechpuppen, dominiert von Colm Kelleher, dem übermächtigen VR-Präsidenten der UBS. Er herrscht über eine Bank, deren Bilanzsumme doppelt so gross ist wie das BIP der Schweiz, die Summe aller in einem Jahr hergestellten Werte. Nirgendwo anders auf der Welt steht ein solch riesiger Dinosaurier in einem Land. Dass es vor der Finanzkrise eins zwei noch grössere gab, spendet keinen Trost.

Die beiden Bundesräte, alle sieben Bundeszwerge, hätten dem UBS-Boss auch gleich die goldenen Schlüssel der Schweiz überreichen können. Von jetzt an muss jede Sitzung der Landesregierung mit den bangen Fragen beginnen: Wie geht es der UBS heute? Wie ist das werte Befinden von Kelleher? Ist seine Laune gut, der Stuhlgang befriedigend, der Nachschub von irischem Whiskey sichergestellt?

Allerdings kann eine überforderte Finanzministerin, teuer, aber parteiisch beraten von einer Anwaltskanzlei, die gleichzeitig die Interessen der UBS vertritt, einen Fehlentscheid treffen. Glücklicherweise gibt es in einer Demokratie Korrekturmöglichkeiten.

Denn eigentlich ist es so, dass die Regierung dazu da ist, vom Parlament beschlossene Gesetze und Richtlinien auszuführen. Walten besondere Umstände, gibt es die Möglichkeit, dass die Regierung vorprellt, handelt, um dann im Nachhinein die Zustimmung des Parlaments zu erbitten. Handelt die Regierung klug und nachvollziehbar, ist das eine reine Formsache.

Da der Bundesrat weder klug, noch nachvollziehbar handelte, verweigerte das Parlament seine Zustimmung zu den getroffenen Vereinbarungen. Das ist sehr peinlich für die Regierung; im Normalfall müsste sie nach einer solchen Ohrfeige zurücktreten. Nun werden in der Schweiz die Bundesräte einzeln gewählt und bilden eine Kollegialregierung. Also müsste die verantwortliche Finanzministerin Karin Keller-Sutter zurücktreten.

Das hat sie offenbar nicht einmal in Erwägung gezogen. Aber noch schlimmer: sie und die Landesregierung haben vor der Parlamentsdebatte erklärt, dass eine Zustimmung im Nachhinein erwünscht, eine Ablehnung bedauerlich – aber völlig wirkungslos sei.

Hier muss der Staatsbürger einen Moment innehalten, rot anlaufen und vor Wut fast explodieren. Wozu haben wir ein Parlament als oberste Entscheidungsinstanz – wenn es schlichtweg keine Rolle spielt, ob es ja oder nein sagt?

Es war ein demokratisches Trauerspiel, als eine Bundesrätin wie eine Sprechpuppe ihre unbefriedigenden Argumente vortrug, wieso der Beschluss richtig gewesen sei und – natürlich – alternativlos. KKS zeigte keinerlei Bereitschaft, dem Parlament in irgendeiner Form entgegenzukommen. Das war die pure Arroganz der Macht, das deutliche Signal: ihr könnt machen, was ihr wollt, ist mir doch egal.

Nachher zu sagen, dass der Bundesrat dieses «Signal» sehr ernst nehme, ist an Heuchelei kaum zu überbieten. Wir nehmen das sehr ernst, aber gleichzeitig pfeifen wir drauf.

Das Parlament selbst hat sich allerdings auch nicht mit Ruhm und Ehre bekleckert. Der sinnvolle Vorstoss, die verbleibenden vier Übersaurier in beherrschbare Einzelteile zu zerlegen, wurde von der SP in der vorberatenden Kommission versenkt – er hatte in der SVP den falschen Absender.

Nach dem Nein zum Multimilliardendeal gab es kurzzeitig eine Debatte, ob der Bundesrat dennoch die gemachten Zusagen honorieren dürfe und die entsprechenden Vereinbarungen unterzeichnen. Hilflose Versuche, dem Parlament doch noch zu seinem Recht zu verhelfen.

Von der Mainstream-Presse wurde das Nein der Volksvertreter teilweise scharf kritisiert. Das bringe nichts, sei Zwängerei, verunsichere die Märkte, schade dem neuen Übersaurier UBS plus CS. Als hofften sie immer noch auf zusätzliche Steuermillionen, beeilten sich die Medien, vor dem Bundesrat einen Kotau zu machen.

Der Besitzer und Verleger von CH Media (die auch das St. Galler «Tagblatt» herausgibt) orgelte: «Für die Rettung der CS hätte Karin Keller-Sutter statt einer Ohrfeige Standing Ovations verdient». Stattdessen beklagt Peter Wanner ein «unheilvolles Signal», «Selbstprofilierung» sei wichtiger gewesen als «die Übernahme von Verantwortung». Wanner hatte schon verantwortungsvoll eine Flugverbotszone über der Ukraine gefordert und den Einsatz von NATO-Truppen angeregt.

Es ist ein Zeichen von Dysfunktionalität der Medien, wenn der Besitzer mit über 10’000 Anschlägen seine unqualifizierte Meinung in seinen Quasi-Monopolblättern ausgiessen darf – und natürlich traut sich niemand, ihm zu widersprechen, Arbeitsplatzsicherung.

Inzwischen wurden auch die letzten juristischen Zweifel an der Legitimität des Notrecht-Entscheids niedergebügelt, der Bundesrat und seine Helfershelfer wissen die Macht des Faktischen hinter sich. Allerdings hat die Eidgenossenschaft noch eine ganze Latte von Schadensersatz- und Staatshaftungsklagen vor sich, denn klaglos lassen sich keine internationalen Grossinvestoren einfach mal 16 Milliarden Franken auf null abschreiben. Ob das rechtens war, ist zumindest sehr umstritten.

Darauf machten aber zuerst englische Medien aufmerksam, die Schweizer Presse hatte diesen Aspekt, dass das zusätzliche Kernkapital einfach per Federstrich für wertlos erklärt worden war, schlichtweg übersehen.

Es ist offenkundig, dass eine Teilverstaatlichung der CS plus eine unbegrenzte Liquiditätsgarantie durch die Nationalbank, wie sie nicht nur der Überbanker Oswald Grübel forderte, also eine Rettung à la UBS 2009, die beste Lösung gewesen wäre. Begleitet von einer Auswechslung des unfähigen Managements, einer Zerlegung und anschliessendem Börsengang.

Natürlich wäre das möglich gewesen, denn der Niedergang der CS zeichnete sich ja nicht erst wenige Tage vor der fatalen Medienkonferenz am 19. März ab. Selbst notfallmässig eine bessere Führungscrew zu installieren, das wäre bei diesen amtierenden Pfeifen ein Leichtes gewesen. Natürlich kann und soll weder der Bundesrat, noch die SNB eine Privatbank führen. Aber er hätte sie aus der Bredouille führen können.

Stattdessen liess sich der Bundesrat unter Druck setzen und vorführen. Die UBS ist prächtig ausgestattet, mit Liquidität überschüttet und mit einem 9-Milliarden-Risikopolster beschützt.

Aber das ist nicht mal der wirkliche Skandal. Der besteht in einer Beschädigung der Schweizer Demokratie, wie sie ohne Beispiel ist. Wer das Parlament entmündigt, seine Entscheidungskompetenz aushebelt, vergreift sich an den Grundlagen unseres politischen Systems. Es kann übergesetzliche Notstände geben. Dieser war keiner. Es wurde eine Drohkulisse aufgebaut, von der niemand weiss, ob eine schwere Störung des internationalen Finanzgefüges stattgefunden hätte.

Der Bundesrat hat sich mit einer Macht ausgestattet, die ihm nicht zusteht. Empowerment auf ganz spezielle Art. Wer das tut, wer das gutheisst, ist nicht verantwortungsbewusst. Sondern ein Antidemokrat. Nichts rechtfertigt eine solche Beschädigung unserer politischen Institutionen. Es ist ein Sündenfall. Und nicht der erste. Wie viel weitere verträgt die Schweizer Demokratie noch?

Von Riesen und Zwergen

Die UBS ist gross, der Rest der Schweiz klein.

Es ist immer wieder erfrischend, die Realität in aller Brutalität vorgeführt zu bekommen. Vor allem, wenn es um reine Machtfragen geht.

Die Schweiz ist zweifellos eine Demokratie, sogar eine direkte, die dem Stimmbürger reichlich Gelegenheit gibt, über ihn betreffende Belange mitzureden. Die Wahlen ins Parlament finden pannenfrei und korrekt statt, die Anzahl der Skandale von Politikern ist – sogar im mitteleuropäischen Vergleich – sehr überschaubar.

Hier braucht auch keine Regierung Millionenausgaben für Visagisten und Fotografen, hier fliesst nicht einmal Geld, wenn Regierende gerne positive Berichterstattung möchten. Das Ausnützen von Eitelkeiten reicht dafür.

Der Bau einer Turnhalle, einer Umfahrungsstrasse, der Steuerfuss, Tempo 30, gendergerechte Sprache, über (fast) alles kann abgestimmt und mitbestimmt werden. Das ist schön.

Manchmal geht es aber um die grossen Dinge, um reine Machtfragen. Wer hat das Sagen, das letzte Wort, wenn es um wirklich bedeutende Entscheidungen geht? Das Stimmvolk, seine Vertretung das Parlament, der Bundesrat, Behörden und Ämter und Institutionen wie die Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht FINMA?

Spätestens seit dem 19. März ist (wieder einmal) klar: wenn es hart auf hart kommt, haben all diese Gremien nichts zu sagen. Sind Statisten in einem Spiel, das von anderen gespielt wird. Es hatte etwas rührend Klägliches, wie ein sachfremder Bundespräsident mit ernster Miene vom Blatt las, was man ihm aufgeschrieben hatte. Es hatte etwas berührend Ärmliches, als eine fachunkundige Finanzministerin vom Blatt las, was sie nicht im Ansatz verstand.

Am Tisch sassen noch ein überforderter Präsident der Nationalbank, der seit der fatalen Einführung der Untergrenze zum Euro eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Und irgend jemand von der FINMA, an die sich sowieso niemand mehr erinnert. Dazu Plisch und Plum von der Credit Suisse, die keinerlei Schuldbewusstsein zeigen wollten dafür, dass sie die traditionelle, grosse den Namen der Schweiz im Titel führende Bank gegen die Wand gefahren hatten.

Und dann sass da noch ein kantiger Ire, der sich das Gequatsche simultanübersetzen liess, obwohl es ihn eigentlich nicht sonderlich interessierte. Denn Colm Kelleher wusste: der Einzige, der hier das Sagen hat, bin ich.

Der VR-Präsident der UBS wusste schon lange, dass die Credit Suisse in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Er wusste schon lange, dass die sinnvollste Abhilfe eine zeitweise Verstaatlichung, die Stützung mit unbegrenzter Liquidität durch die SNB, eine Auswechslung des unfähigen Managements und der anschliessende Börsengang wäre.

Das wäre sinnvoll, zum Vorteil der CS, des Schweizer Staates, des Steuerzahlers, des Finanzplatzes. Aber nicht zum Vorteil der UBS. Und Kelleher geht es einzig um den Vorteil der UBS. Daran ist auch nichts auszusetzen, das ist seine Aufgabe, dafür wird er bezahlt.

Wie es ihm dann allerdings gelang, die Bundeszwerge, die überforderte Regierung, die nichtsnutzige FINMA über den Tisch zu ziehen, das ist schon bedenklich. Wie er mit steinerner Miene am Tisch sass und zuhörte, wie die Marionetten brav ihre Texte aufsagten, es ist bewundernswert, wie er seine Gesichtszüge im Griff hatte und nicht gelegentlich ein breites Lächeln aufsetzte.

250 Milliarden Liquidität, im Notfall sicher noch mehr, 9 Milliarden Risikoübernahme, ein lächerlicher Kaufpreis von 3 Milliarden, keine Arbeitsplatzgarantie, keine Standortgarantie, keine Garnichts, Kelleher hätte sich am Anfang der Verhandlungen sicher nicht träumen, lassen, dass er mit allen seinen unverschämten Forderungen glatt durchkommt.

Und die Vierte Gewalt, die Medien? Von ein, zwei Ausnahmen abgesehen ein begleitendes Trauerspiel. Inkompetentes Gequatsche von überforderten Journalisten, die bei einer Bilanz nicht mal wissen, wo links und rechts ist.

Und als Sahnehäubchen eine Sondersession des Parlaments wie in Nordkorea. Mit dem einzigen Unterschied, dass dort immer einstimmig der Regierung zugestimmt wird. Das Schweizer Parlament wagte es dagegen, wofür es von den Medien streng gerügt wurde, seine Zustimmung zu verweigern. Nur: spielt überhaupt keine Rolle. Ist völlig egal. Das Parlament hätte auch fordern können, dass die CS die UBS übernimmt. Reine Folklore.

Der einzig ernsthafte Vorschlag, das «too big to fail»-Problem dadurch zu lösen, dass es keine solchen übergrossen Dinosaurierbanken mehr gibt, wurde von den grössten Versagern in der Debatte, der SP, versenkt.

Kelleher wird es sich sicher nicht angetan haben, dieses Kasperltheater anzuschauen und sich übersetzen zu lassen. Aber als man ihm auf Englisch eine Kurzzusammenfassung lieferte, hat er sicherlich herzlich gelacht und sich einen doppelten Teeling Single Grain oder vielleicht einen Bushmills eingeschenkt. Verdient hat er’s.

Die grosse Illusion

Keiner kann Banglish.

Der Niedergang der einstmals stolzen Credit Suisse ist ein Trauerspiel. Es ist nicht schicksalhaft, sondern menschengemacht. Jahrelange Unfähigkeit auf der Chefetage, ein Geschäftsmodell, bei dem über 30 Milliarden an Boni rausgefeuert wurden, um einen kumulierten Verlust von 3 Milliarden herzustellen. Brüllender Wahnsinn.

Politik und Politiker haben versagt. Obwohl sich die Katastrophe seit einem halben Jahr abzeichnete, standen die Regierenden als Bobachter auf der Kommandobrücke und sahen zu, wie der Eisberg immer näher kam. Tatenlos. Dann brach wie meist Hektik aus, und fachlich völlig überforderte Bundesräte mussten Dingen zustimmen, von denen sie nichts verstanden, Wer’s nicht glaubt, sollte einmal die sieben Bundeszwerge fragen, was ein CoCo ist.

Zu diesem Versagen gehört auch, das nun mit grosser Geste ein Bonusverzicht dekretiert wird. Die Medien brechen in Lobgesänge aus, bis zu 60 Millionen werden den Pfeifen in der Bonusetage gekürzt. Die bittere Wahrheit ist: dagegen steht der Rechtsweg offen. Die bittere Wahrheit ist: noch im letzten Jahr, als der Tanker CS aus allen Löchern tropfte, wurden 2 Milliarden Boni ausgeschüttet. Also schlappe 3 Prozent davon, wenn überhaupt, werden nicht ausbezahlt. Lächerlich.

Das Politikversagen geht weiter. Nachdem die SP auf dem Absatz kehrt machte und einem sinnvollen Vorschlag zuerst zustimmte, der die Zerschlagung aller «tot big to fail»-Banken fordert – um ihn dann per Rückkommensantrag zu versenken, weil den Genossen einfiel, dass der ja von der SVP ist, wird das Parlament in seiner Sondersession nach der Devise verfahren: schön, haben wir drüber geredet. Passieren wird, wie nach 2008, schlichtweg nichts.

Zu den Versagern gehören auch die Mainstream-Medien. Was da an mangelndem finanztechnischen Sachverstand das Tageslicht erblickte – erschütternd. Wieso genau wurden der UBS 16 Milliarden Franken geschenkt, wie geht das, wieso kann die FINMA mit einem Federstrich diese Bonds ausradieren, warum rollt deswegen eine Klagewelle auf die Schweiz zu, was für Auswirkungen hat das auf die Reputation des Finanzplatzes? Gute Fragen, sagen die Massenmedien – und nehmen den Telefonjoker, weil sie die Antworten nicht kennen.

Wie ist es möglich, dass ein einzelner cleverer Banker den ganzen Bundesrat, die Politik, die Parlamentarier über den Tisch zieht? Wie kann es dem VR-Präsidenten der UBS gelingen, praktisch ungeschoren damit davonzukommen, die CS für ein Butterbrot zu übernehmen? Wie hat es Colm Kelleher geschafft, dazu noch Liquidität in der sagenhafte Höhe von 250 Milliarden nachgeworfen zu bekommen? Und dann werden noch 9 Milliarden Risikogarantie draufgelegt, als wäre die Verhandlungsdevise gewesen: Darf’s auch noch etwas mehr sein?

Was nützt die grossartige «too big to fail»-Gesetzgebung, die mit grossem Trara diskutiert und beschlossen wurde, wenn sie beim ersten Ernstfall nicht mal aus der Schublade gezogen wird, weil völlig untauglich? Wie ist es möglich, dass sich der Bundesrat schon wieder auf wackelige Notstandsartikel in der Bundesverfassung berufen kann, ohne dass ihm dafür auf die Finger geklopft wird? Ist es so, dass Regierung und Politik in der Schweiz vor den Grossbanken Mal auf Mal kapitulieren? Kann es richtig sein, das Umfallen eines zu grossen Bankdinosauriers zu verhindern, indem man ihn in einen noch grösseren implantiert, der damit zum Übersaurier wird?

Hat man auf diese naheliegenden, drängenden Fragen Antworten gelesen in den Mainstream-Medien? Wie viele sogenannte Wirtschaftsredakteure verstehen überhaupt noch Banglish? Können zum Beispiel verstehen, welche Trigger den 16-Milliarden-Abschreiber auslösen könnten – und ob einer davon auch eintrat?

Die UBS ist nun das Übermonster, der real gewordene Hulk des Banking. Die UBS ist nicht – nach Bilanzsumme – die grösste Bank der Welt. Aber die UBS hält einen einsamen Weltrekord. Die allergrösste Bank der Welt hat eine Bilanzsumme, die weniger als ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ihres Heimatlands China ausmacht. Die grösste US-Bank ist nur 16 Prozent des dortigen BIP schwer. Die UBS bringt sagenhafte 200 Prozent des Schweizer BIP auf die Waage.

Das ist nicht bedenklich. Das ist nicht besorgniserregend. Ds ist nicht beunruhigend. Das ist eine helle Katastrophe, ein angekündigtes Desaster, ein möglicher Untergang des Finanzplatzes Schweiz, des Schweizer Wohlstands, des Erfolgsmodells Schweiz. Aber weder Politiker, noch Medien weisen darauf auch nur in Ansätzen hin. Was für ein Totalversagen.

Der schrecklich mächtige Ermotti

Die CS sank dahin, die GV ging mit Gezeter über die Bühne. Wichtig ist anderes.

Wird der Schweizer Bundesrat noch lernen, was Contingent Convertible Bonds sind, abgekürzt CoCos? Wird VRP Lehmann dann mal wieder ohne Bodyguards rumlaufen? Traut sich Urs Rohner noch in die Öffentlichkeit (aber ja)? Werden die Klagen gegen das Rasieren von Aktionären und Investoren auf staatlichen Geheiss Erfolg haben?

Mit solchen und ähnlichen Fragen befassen sich die Schweizer Medien. Dabei senden und schreiben sie am Riesenelefanten im Raum vorbei. Niemand spricht in aller Klarheit aus: nun ist die UBS nicht mehr «too big to fail». Seit dem 19. März ist sie mehr als eine Monsterbank. Sie ist eine tödliche Bedrohung für die Schweiz.

Denn wenn dieser Riesendinosaurier umfällt, dann bröckelt das Matterhorn. Dann bricht die Schweiz zusammen. Dagegen wäre ein Bankrott der Credit Suisse zwar nicht Peanuts gewesen. Aber abwickelbar.

Die UBS/CS hat ein Bilanzvolumen von rund 1,6 Billionen Franken; das Doppelte des Schweizer BIP. Trotz 259 Milliarden Staatshilfe ist es überhaupt nicht gesagt, dass sie die Transplantation der CS verträgt und verdaut. Es wird nicht nur gegen staatliche Eingriffe geklagt. Die USA stehen bereits in den Startlöchern, angeblich in der Schweiz versteckte Russenmilliarden zu kriminalisieren.

Das wird teuer werden. Aber noch perverser: der gesamte Bankensektor der Schweiz trägt lediglich aufgerundet 5 Prozent zum BIP bei. Aber alleine die UBS bedeutet 100 Prozent Risiko, sollte sie straucheln.

Ihr Mastermind ist der Ire Colm Kelleher. Ihm ist die Schweiz ziemlich egal; er spricht die Sprache nicht, für ihn ist Swiss Banking höchstens ein Asset, mit dem man zusätzlich Geld verdienen kann. Wie knallhart er ist, haben die Bundeszwerge, die SNB und die FINMA bei den Verhandlungen schmerzlich erfahren.

Sozusagen vor dem roten Knopf sitzt allerdings Sergio Ermotti. Im besten (und unwahrscheinlichen) Fall produziert er keine Skandale und Flops. Dann können die Eidgenossen diesem Riesendinosaurier von unten zuschauen, wie er die Schweiz turmhoch überragt. Im schlechtesten Fall drückt Ermotti auf den roten Knopf, natürlich unabsichtlich.

Wenn’s dann die UBS in die Luft jagt, hinterlässt das einen Krater in der Schweizer Wirtschaftslandschaft, der alles zunichte macht, was seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde.

Ermotti ist schrecklich mächtig. Kelleher ist schrecklich mächtig. Ihr Bankdinosaurier ist so wichtig geworden, dass eigentlich jede Bundesratssitzung mit der bangen Frage beginnen müsste: Wie geht’s denn unserer UBS heute? Hoffentlich alles wohl?

Dieser Zustand war nicht alternativlos. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Ob die besser gewesen wären, werden wir nie erfahren. Aber es steht zu vermuten: alles wäre besser als ein schrecklich mächtiger Ermotti. Als ein schrecklich mächtiger Kelleher. Als ein schrecklich gigantischer UBS-Dinosaurier.

CS und «Republik»: Unterschiede?

Alles nur eine Frage der Nullen.

Mal Hand aufs Herz, wer erkennt fünf Unterschiede zwischen dem Online-Medium «Republik» und dem Geld-Medium Credit Suisse? Abgesehen von der Anzahl Nullen? Also der Anzahl Nullen hinter der Zahl, die angibt, wie viel Geld verröstet wird. Oder der Anzahl Nullen, die in führenden Positionen sind.

Immerhin einen Unterschied gibt es, ganz klar. Bei der «Republik» ist der Verwaltungsratspräsident zurückgetreten, seine beiden Kollegen wollen es ihm so schnell wie möglich nachmachen. Ob sie sich mal mit den einschlägigen Bestimmungen bezüglich Haftung von VR vertraut gemacht haben? Aber eigentlich müsste sich niemand Sorgen machen. Weder beim «Kosmos», noch bei der «Republik» und schon gar nicht bei der CS wird auch nur einem Verantwortungsträger ein Haar gekrümmt werden, geschweige denn, ins Portemonnaie gegriffen.

Kontinuität ist auch keine Qualität, die «Republik» oder CS auszeichnet, somit haben wir hier eine zweite Gemeinsamkeit. Allerdings gibt es bei der «Republik» eine «Stabsstelle Chefredaktion». Eine solche Position wurde bei der CS für abgehalfterte CEO nicht geschaffen.

Aber beim Geldverrösten geben beide Buden ihr Bestes, und das ist nicht wenig. Natürlich hat hier die CS ganz andere Möglichkeiten als die «Republik». Daher sind bei deren Zahlen ein paar Nullen mehr hintendran. Aber  eine gewisse Ähnlichkeit gibt es wiederum bei der Art finanzieller Probleme. Bei der «Republik» sind sie steuerlicher Art, was für ein Blatt der Steuerehrlichkeit, das sich dem Kampf gegen Steuerhinterzieher gewidmet hat, eher peinlich ist.

Bei der CS sind sie Reinfälle von anderem Kaliber, Kredite an ein korruptes und armes Land in Afrika, an einen vorbestraften Geschäftsmann, an einen Hasardeur mit einem windigen Geschäftsmodell. Bei beiden Buden scheint die Compliance, das Controlling, nicht wirklich geklappt zu haben, obwohl dafür ein Heidengeld ausgegeben wird. Und beide versuchen, diese Desaster schön- und kleinzureden.

Ganz nahe beieinander sind die beiden Hohlgefässe beim Verstreuen von Worthülsen. Bei beiden existiert das Wort Krise nicht. Höchstens als Chance, als Neustart, als Schärfung der Strategie. Wobei man zugeben muss, dass die Leerformel vom «laserscharfen Fokussieren» eigentlich von Wortschnitzern der «Republik» stammen sollte, aber von der CS erfunden wurde.

Beide wiederum bedanken sich artig bei abgehalfterten Führungspersonen, seien das Chefredaktore oder CEOs. Allerdings hat hier die «Republik» die Besonderheit, dass sie seit langer Zeit die Position des CEO a.i. kennt. Wiederum gemeinsam ist beiden, dass unabhängig vom Geschäftsgang branchengemäss üppige Gehälter bezahlt werden. Auch für Berater, Sesselfurzer, für Positionen, die eigentlich kein Mensch braucht, die aber mal geschaffen wurden.

Man muss auch sagen, dass beiden Trümmelunternehmen zunehmend ihre eigentliche Aufgabe etwas aus dem Gesichtsfeld rückte. Bei der «Republik» wäre das das Verfassen von interessanten Essays, spannenden Reportagen, aufsehenerregende Enthüllungen. Bei der CS wäre es die Beherrschung von Risiken, mehr Geld einzunehmen als rauszuhauen, bei beiden das Herstellen von Vertrauen in die Geschäftstätigkeit und Zukunftsfähigkeit.

Oder ganz einfach; eine überzeugende Antwort auf die Frage zu geben: wozu braucht’s euch eigentlich? Geldgeschäfte beherrschen auch Postfinance, ZKB oder Raiffeisen. Buchstabensortieren wird auch von Tamedia, CH Media oder NZZ gewährleistet.

Nun gibt es zwischen kapitalistischen und sozialistischen Wirtschaftssystemen einen entscheidenden Unterschied. Im Kapitalismus ist eine Entität, die in keiner Form Mehrwert produziert, überflüssig, zum Untergang verurteilt und wird auch aus ideologischen Gründen nicht künstlich beatmet. Ausser, es handelt sich um ideologische Produkte wie «TagesWoche», «Kosmos» oder «Republik». Aber auch das regelt sich mit der Zeit …

Desaster Meinungsseite

«Tages-Anzeiger» beim Tieftauchen.

Mehr Grauen auf einer Seite geht kaum. Zunächst der Leitartikel, geschrieben von Alexandra Föderl-Schmid:

Die stellvertretende Chefredaktorin der «Süddeutschen Zeitung» watscht gerne Regierungschefs ab. Nach einem etwas misslungenen Empfang für den Palästinenserführer Abbas war der deutsche Bundeskanzler Scholz dran: «Er verabschiedete Abbas sogar noch mit Handschlag – eine Geste, die völlig deplatziert war und für die er allein verantwortlich ist.» Dazu «inhaltlich zu wenig eingearbeitet», «Vertrauen erschüttert», «Beziehungen zwischen Deutschland und Israel in schwieriger Phase», «Gefahr, dass dem Eklat im Kanzleramt ein weiterer folgt». Interessierte den Schweizer Leser ungemein.

Nun nimmt sie sich Benjamin Netanyahu zur Brust. «Eskalation, … Eigennutz, … eigennützige Motive …». Das mag ja alles so sein, nur: wieso schreibt eine Österreicherin, die bei der SZ arbeitet, einen Leitartikel über Israel im Tagi? Der Konzern hat doch theoretisch noch eine Auslandredaktion. Oder ist Münger gerade mal wieder in den Ferien?

Dann meldet sich eine der neuen Kolumnisten zu Wort; das erkennt man an der schummerigen Farbgebung, die von Kim inspiriert zu sein scheint. Diesmal überschätzt die GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy vielleicht ein Mü ihre Bedeutung. Denn sie schreibt an «Lieber Emmanuel Macron». Sie schliesst staatstragend: «Und ich wünsche auch Ihnen, Monsieur le Président, dass Sie eine generationengerechte Altersvorsorge umsetzen können. Und es Ihnen vergönnt ist, die Bevölkerung wieder zu einen.» Zwei Schlusssätze, zweimal «und», na ja.

Bertschy sinniere «in ihrer Kolumne über politische Geistesblitze». Also war das einer, dem französischen Präsidenten ein paar Ratschläge zu geben, wie er seine Rentenreform besser über die Bühne bringe? Da müssen wir Bertschy allerdings möglichst sanft eine bittere Wahrheit näherbringen: ZACKBUM hat sich bis zum Schluss der ellenlange Kolumne durchgekämpft. Monsieur le Président wird nicht mal den Anfang lesen.

Damit ist die Meinungsseite schon fast voll, aber leider noch nicht ganz. Am rechten Rand hat’s noch etwas Platz für Mario Stäuble, der zur Abwechslung nicht über vegetarisches Geschnetzeltes in der «Kronenhalle» dilettiert:

Wahrscheinlich hat er sich gesagt: Wenn selbst Isabelle Jacobi darf, dann ist alles erlaubt. Dann darf doch auch der frisch degradierte Leiter Inland was zu einem Thema sagen, zu dem nun wirklich alle alles gesagt haben. Nur nicht so schlecht: «Nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse (CS) stauen sich die Fragen.» Hoffentlich halten die Staumauern das aus.

Welche Fragen wären denn im Stau? «Wie konnte es so weit kommen?» Das ist doch schon längst, auch im eigenen Blatt, mehrfach und kompetent beantwortet worden, nicht zuletzt von Arthur Rutishauser. Aber Stäuble steht da etwas auf dem Schlauch und hält das für einen Stau. «Haben die betroffenen Behörden die Gefahr verkannt?» Auch diese Frage ist längst beantwortet, das ist nur bei ihm im Stau steckengeblieben.

Mit dem nächsten Satz betritt Stäuble nicht gerade erkenntnisreiches Neuland: «Eigentlich ist heute schon klar: Der CS-Crash muss sorgfältig aufgearbeitet werden.» Das ist nun bereits seit 10 Tagen klar, aber wenn es Stäuble erst heute klargeworden ist …

Nun soll eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) aufklären. Das befürwortet Stäuble aus ganzem Herzen: «Es ist darum völlig richtig, dass nun das Parlament die Führung übernimmt.» Vielleicht muss Stäuble in seine neue Funktion noch etwas hineinwachsen; Inland ist nicht ganz das Gleiche wie die Zürcher Lokalberichterstattung.

Eine PUK ist keinesfalls das Parlament, sondern eine nach Parteiproporz zusammengesetzte Kommission. Aber noch fataler: zur langen Reihe abgelehnter Anträge auf die Einsetzung einer PUK gehört der Antrag des gleichen Büros des Nationalrats, eine PUK zur Aufklärung der Problematik UBS/Finanzkrise einzuberufen, aus dem Jahre 2010.

Wenn man die Aufklärung der «Mirage-Affäre» im Jahre 1964 mitzählt, gab es bislang ganze 4 solcher Untersuchungskommissionen. Dem stehen 23 abgelehnte Anträge gegenüber. Vielleicht sollte da ein Inlandchef noch etwas Hausaufgaben machen. Oder lieber über kulinarische Genüsse schreiben; beim vegetarischen Geschnetzelten drückte doch etwas der Erbsengeschmack durch, da geht noch was Besseres auf diesem Gebiet. So bietet die «Kronenhalle» auch ein «vegetarisches Tatar» an. Hm, schmatz.

«Blick» als Copy Cat

Selber machen! Wieso eigentlich?

Es gibt zwei eiserne Regeln im Elendsjournalismus. Regel eins: nur die Story, die frei erfunden ist, hat man exklusiv. Diesem Prinzip huldigen gelegentlich alle Medien, von der «Republik» bis zum «Blick».

Die zweite Regel lautet: wieso selber recherchieren und journalistisch tätig sein, wenn das andere für einen erledigen? So haben praktisch alle Schweizer Medien ohne rot zu werden und fleissig die «Financial Times» zitiert, benützt, verwendet, weil deren Berichterstattung über das Begräbnis der Credit Suisse den eigenen journalistischen Anstrengungen haushoch überlegen war und ist.

Nun setzt der «Blick» hier ein neues Highlight:

Eine Sophie Reinhardt, «Redaktorin Politik» zeigt, was sie in der Schule gelernt hat: abschreiben. Zunächst erwähnt sie lobend, ohne sich der Peinlichkeit dieser Aussage bewusst zu sein, dass die FT «stets gut im Bild darüber» gewesen sei, «was hinter verschlossenen Türen besprochen wurde». Im Gegensatz zum «Blick» und allen anderen Mainstream-Medien in der Schweiz.

Nun gebe aber eine weitere «FT-Recherche» zu reden:

«CS-Präsident Axel Lehmann (64) sei bereits am vergangenen Mittwoch von Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59), der Schweizerischen Nationalbank (SNB) unter Thomas Jordan (60) sowie der Finanzmarktaufsicht (Finma) zitiert worden. Dabei habe man Lehmann eine klare Ansage gemacht: «Ihr werdet mit der UBS fusionieren. Das ist nicht optional», heisst es in der FT.»

Das wäre in der Tat eher peinlich, denn noch am Mittwochabend verkündeten Nationalbank und Bankenaufsicht FINMA im Chor, dass man sich keine Sorgen um eine Ansteckung des Schweizer Finanzmarkt durch die Bankenpleiten in den USA machen müsse, die CS erfülle weiterhin alle notwendigen Anforderungen.

Nun sind zwar auch Politiker, ähnlich wie Bankenlenker, weitgehend haftungsfrei. Aber nicht ihre Politik. Denn Aussagen, die börsenrelevant sind, also Auswirkungen auf einen Aktienkurs haben können, sind immer eine heikle Sache. Das weiss nicht zuletzt der letzte VR-Präsident der CS, der sich mit der Behauptung blamierte, dass der Abfluss von Geldern bei seiner Bank hätte gestoppt und sogar rückgängig gemacht werden konnte.

Auch das hat die FT exklusiv herausgefunden, das wird nun von Reinhardt nachgeplappert. Man sollte mit ihr Nachsicht üben, bis 2022 war sie Redaktorin im Ressort Bern beim «Bund», «Schwerpunkt ihrer Berichterstattung ist die städtische Politik, sowie Bildungsthemen». Erst seit Kurzem berichtet sie für den «Blick» aus dem Bundeshaus. Damit hat sich immerhin ihr Arbeitsweg nicht verlängert.

Man sollte auch gerecht mit Reinhardt sein, denn sie tut zudem das, was zum Grundrüstzeug des Journalisten gehört. Sie plappert nach, dann gibt sie Politikern Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Die sind, Überraschung, «empört». Denn als Plappermaul weiss doch der Politiker, was sich gehört. «Könnte ein Grösseres politisches Erdeben sein», meint der Präsident der Grünliberalen, vorsichtig im Modalverb-Modus. «… wer zu welchen Zeitpunkt was wusste», will die SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer wissen, froh darum, dass ihr Kollege Wermuth gerade mal unpässlich war und sie auch etwas sagen darf.

Auch ein SVP-Nationalrat darf sich mit «skandalös» melden, dazu noch ein zweiter SVPler. Soweit, so normal. Allerdings: wo bleibt die FDP? Die Mitte? Die Grünen? Da muss Reinhardt wohl etwas ins Juffeln geraten sein. Oder sie fand in der Eile die passenden Handynummern nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Einfach viel üben und nachsitzen.