Schlagwortarchiv für: Credit Suisse

Wiederholung, Wiederholung

Es ist gespenstisch. Wir sind in einer Zeitschlaufe gefangen.

Sowohl Politiker wie Medien müssen ins Archiv gestiegen sein und alte Reden und Artikel abgestaubt haben.

«Mitte-Präsident Pfister fordert Umdenken der Bürgerlichen und will Eigenkapitalvorschriften verstärken.»

Wir steigen kurz ins Wurmloch. Am 16. Oktober 2008 wurde verkündet, wie die UBS gerettet wird. «Wir sind jedoch von der Schnelligkeit, mit der sich die Krise verschlechterte, überrascht worden.» Kommt uns dieser Satz bekannt vor? Ja, er wurde ziemlich genau so bei der CS-Rettung gesprochen. Er wurde genau so bei der UBS-Rettung gesprochen.

Danach wurden viele weitere Sätze gesprochen. Die Vorschriften müssen verschärft werden. Banken dürfen nicht mehr voll ins Risiko gehen. Die Boni müssen gedeckelt werden. Überhaupt sollen falsche Anreize ausgeschaltet werden. Die Löhne sind zu begrenzen. Gierbankern muss ein Riegel geschoben werden. Obszöne Gewinne müssen abgeschöpft werden, Dinge wie das High Frequency Trading müssen durch Transaktionssteuern begrenzt werden.

Und vor allem wurde gesagt: so etwas wie die UBS-Rettung darf sich nie mehr wiederholen. Darüber lachten schon damals die Hühner, denn nach dieser Rettung war der Staat, der Steuerzahler in Geiselhaft der Bank geraten. Als die UBS zum zweiten Mal zu Kreuze kriechen musste und Staatshilfe beim Steuerstreit erbettelte, kostete das zwar nicht noch mal Milliarden, aber das Bankgeheimnis. Und ihrem Wunsch musste entsprochen werden, sonst wäre die Bank wieder blank gewesen und das Steuergeld futsch.

Übrigens wurden all diese Massnahmen damals mit Notrecht beschlossen. Auch das sollte nie mehr angewendet werden, daher wurde ein Gesetzeswerk verabschiedet, das die ordentliche Abwicklung einer systemrelevanten Bank ermöglichen sollte. Kranke Teile absprengen, lebensnotwendige Teile wie Zahlungsverkehr, Hypotheken und Kreditvergabe sollten bewahrt bleiben.

Nun sind 14 Jahre vergangen, und geschehen ist genau – nichts. Es ist allerdings noch viel schlimmer. Weil nichts geschehen ist, werden nun wieder die gleichen Forderungen wie damals erhoben. Die Boni sollen gedeckelt, das Eigenkapital hinaufgesetzt … Blabla, Blüblü.

Natürlich gibt es auch wieder Stimmen, die vor zu scharfen Massnahmen warnen, so sollen die Boni für hart arbeitende Mitarbeiter keinesfalls angetastet werden. Und natürlich fordern die Politiker wieder, dass systemrelevante Banken eine Eigenkapitaldecke haben sollten, die sie unsinkbar macht. Meistens wird da die Zahl von 20 Prozent in die Runde geworfen.

Die UBS hat neuerdings eine Bilanzsumme von rund 1600 Milliarden US-Dollar. Das ist in etwa das Doppelte des Schweizer BIP, also der Wert aller in einem Jahr erbrachten Dienstleistungen, Wertschöpfungen und hergestellten Produkten.

Wir brauchen nun kein Wurmloch, um in die Zukunft zu reisen und zu erfahren, welche dieser Forderungen umgesetzt werden. Das kann man locker im Lehnstuhl prognostizieren: keine.

Ach, und damals wie heute wurde und wird gefordert, dass Verantwortliche benannt und sanktioniert werden sollten. Auch her braucht’s keine Reise in die Zukunft, um mit Sicherheit sagen zu können: kein einziger dieser Versager wird auch nur um einen Rappen geschädigt werden. Der Oberversager Urs Rohner nicht, all die Kleinversager um ihn herum genauso wenig.

Im Gegenteil, es herrscht weiterhin völlige Schamlosigkeit. So liess doch der vorvorletzte CEO verlauten, dass unter seiner Ägide dann noch alles super gelaufen sei. Tidjane Thiam kann nun schlecht rot werden, wenn er solchen  Müll verzapft. Aber seine Äusserung wirft ein Schlaglicht auf die Mentalität, die in der Chefetage herrscht. Persönliche Verantwortung, Eingeständnis von Fehlern, Kenntnisnahme des Fakts, dass die Bank mit den vereinten Kräften all dieser Nulpen gegen die Wand gefahren wurde? I wo.

Es waren auch mal wieder nicht die Umstände, auch nicht der Zusammenbruch zweier Bänkli in den USA, schon gar nicht irgend ein Tweet vom anderen Ende der Welt. Es war auch nicht eine etwas ungeschickte Aussage des Präsidenten einer saudischen Bank.

Es war reine und brüllende Unfähigkeit der Chefetage der Credit Suisse. Der ewige Konkurrent UBS lag nämlich 2008 ziemlich am Boden, während die CS stolz verkündete, keine Staatshilfe zu brauchen. Und in den folgenden Jahren setzten die CS-Führer ein Ding nach dem anderen in den Sand. Es wurden horrende Bussen bezahlt, es sah zeitweise so aus, als ob die CS aus Prinzip an jedem Skandal beteiligt sein wollte, der aufpoppte.

Zusammenarbeit mit Bruchpiloten, mit windigen Geschäftsleuten, die Beteiligung an einem Milliardenkredit an ein bankrottes afrikanisches Land, überall, wo’s übel roch, steckte die CS ihre Nase rein. Überall, wo man sinnlos Geld verrösten konnte, tat das die CS.

Nun gab es auch damals und in den Jahren seither viele Leute, darunter auch Medienschaffende, die immer wieder betonten, dass man das alles ja nicht habe kommen sehen. Damals nicht, heute nicht. Dass das so nicht stimmt, kann ZACKBUM beweisen.

Daher beginnen wir heute mit einer kleinen Serie. Eigene Werke des Redaktors René Zeyer, die vor Jahren erschienen, aber keineswegs an Aktualität eingebüsst haben.

Aus heutiger Perspektive waren das geradezu prophetische Ansagen, die ganz alleine auf weiter Flur dastanden. Und die auch heute gar nicht mehr erscheinen könnten, weil das Organ, in denen sie publiziert wurden, inzwischen zum Tages-Anzeiger-Konzern gehört und die gleiche Langeweile wie die Zürcher Ausgabe verbreitet.

Klag dir eins

Die juristische Keule gegen den Journalismus.

Gerade haben wir den eigentlich witzigen Fall, dass eine Bank sich durch Artikel und Kommentare auf «Inside Paradeplatz» in ihrer Persönlichkeit verletzt sieht. Das sei in 29 Artikeln und in 287 Kommentaren erfolgt, behauptet die Zivilklage. Ihr ging eine Strafanzeige in der gleichen Sache voraus.

Alleine die Zivilklage umfasst 265 Seiten. Da in einem Zivilprozess jeder einzelne Klagepunkt kommentiert und widerlegt werden muss, sonst gilt er als eingestanden, bedeutet das entsprechenden Aufwand für IP. Und genau das dürfte die Absicht der Bank gewesen sein. Schutz der Mitarbeiter oder die Forderung nach Gerechtigkeit wirken hingegen lächerlich und als vorgeschobene Gründe, um einen unliebsamen Kritiker finanziell fertig zu machen.

Witzig an diesem Fall ist, dass die kritisierte Bank inzwischen faktisch aufgehört hat zu existieren, denn es handelt sich um die Credit Suisse. Damit stellt sich die Frage, ob auch die UBS nichts Besseres zu tun hat, als diese Klage weiterzuverfolgen. Vielleicht wäre es mit der CS nicht so weit gekommen, wenn sie sich statt um solchen Pipifax um wirklich wichtige Dinge gekümmert hätte.

Auf jeden Fall ist hier Licht am Ende des Tunnels für Lukas Hässig, der zugegebenermassen einen scharfen Reifen in seinen Artikeln fährt. Und in den Kommentaren vielen gefrusteten Bankern Gelegenheit gibt, unter Pseudonym abzulästern – statt was Sinnvolles für ihre Bank zu tun.

Aber während diese Klage möglicherweise mitsamt der CS beerdigt wird, ist die Drohung mit der juristischen Keule inzwischen ein probates Mittel geworden, um kritische Berichterstattung zu erschweren – oder gar zu verunmöglichen. Dazu trägt auch bei, dass die Schwelle für das Erlangen einer superprovisorischen Verfügung dank geschickter Lobbyarbeit im Parlament gegen den erbitterten Widerstand vieler Juristen gesenkt wurde.

Superprovisorisch – als Fremdkörper in der Rechtssprechung – bedeutet, dass auf Antrag ein Gericht eine Massnahme beschliessen kann, ohne dass die betroffene Seite vorab Gelegenheit bekäme, sich dagegen zu wehren. Natürlich kann das dann in einem ordentlichen Verfahren nachgeholt werden. Aber in der journalistischen Praxis hat das ganz üble Auswirkungen.

Denn im seriösen Journalismus, also ausserhalb der «Republik», ist es normal und üblich, dass nach der Recherche der oder die Betroffenen Gelegenheit bekommen, sich dazu zu äussern. Man konfrontiert sie also mit den wichtigsten Vorwürfen. Das kann zu verschiedenen Reaktionen führen. Zu einem trockenen «kein Kommentar, und das ist kein Zitat» über längliche Gegenreden bis zum Gang ans Gericht mit der Forderung, die Publikation des geplanten Artikels zu verbieten, weil seine Veröffentlichung nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten würde.

Natürlich ist es widerlich, wenn wie im Fall eines Schweizer-angolanischen Geschäftsmanns ein im roten Bereich drehender Tamedia-Journalist aus gestohlenen Geschäftsunterlagen wilde Anschuldigungen herausmelkt, darauf die Mühlen der Justiz in Gang kommen – und am Schluss der Geschäftsmann von allen Vorwürfen auf ganzer Linie und überall entlastet, freigesprochen wird. Aber er selbst und seine Firmen sind danach kaputt.

Solcher Borderline-Journalismus schadet natürlich dem Metier und bringt es zusätzlich in Verruf. Glücklicherweise sind Christian Brönnimanns nicht allzu häufig unterwegs. Aber auch nach der Publikation eines Artikels wirkt das Erheben der juristischen Keule manchmal Wunder.

Auch dem Autor dieser Zeilen ist es schon mehrfach passiert, dass Artikel – ohne sein Einverständnis oder seine Kenntnis – urplötzlich online verschwanden. Auf Nachfrage wurde jeweils erklärt, dass der im Artikel Kritisierte seinen Rechtsanwalt den üblichen Textbaustein absondern liess. Man zeige die Vertretung von an, müsse diese und jene Textstelle bemängeln, verlange Löschung oder Korrektur plus Entschuldigung, sonst kracht’s.

Das letzte Mal scheint das in Deutschland funktioniert zu haben, als dort ein kritisches Buch über die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet erscheinen sollte. Die Intervention eines teuren und entsprechend beleumdeten Anwalts genügte, dass der Verlag einknickte und das Buch nicht auslieferte. Als die Autorin das dann im Eigenverlag in der Schweiz tat, passierte – nichts. Ein Beispiel, wie man mit leeren Drohungen Wirkung erzielen kann.

Auch grosse Verlage wie CH Media oder Tamedia scheuen rechtliche Verwicklungen wie der Teufel das Weihwasser. Eine Superprovisorische verschiebt zumindest die Veröffentlichung eines Artikels, ihre Bekämpfung kostet. Selbst wenn sie weggeräumt wurde, kann es sein, dass der Artikel inzwischen seine Aktualität eingebüsst hat. Viel Geld für nix.

Auch bei nachträglichen Beanstandungen gibt es immer das Prozessrisiko, dass der beklagte Verlag verlieren könnte. Und selbst wenn er gewönne, die Gegenseite zahlt nie den tatsächlich angefallenen Aufwand des eigenen Anwalts.

Früher, in den besseren Zeiten, war es noch eher eine Prinzipiensache, dass sich Medien nicht so einfach einschüchtern liessen. Heutzutage ist die Abklärung des möglichen Prozessrisikos ein fester Bestandteil der Prozeduren bei der Veröffentlichung eines Artikels.

Damit kann die sogenannte Vierte Gewalt immer weniger ihren Kontrollaufgaben nachgehen. Denn es ist schon so, wie es in einem George Orwell zugeschriebenen Zitat heisst: «Journalismus bedeutet, etwas zu drucken, von dem irgend einer will, dass es nicht veröffentlicht wird. Alles andere ist PR.»

Die Medien kriegen’s nicht hin

Und der Journalist ist der Rechthaber im Nachhinein.

Es gibt wenige Ausnahmen, Arthur Rutishauser gehört dazu. Aber da Kompetenz (und Loyalität) im Hause Tx keinen besonders hohen Stellenwert geniesst, wurde er trotz seiner ständigen Warnrufe Richtung CS als Bauernopfer degradiert. Weil Pietro Supino auch die Kommunikation in der Affaire Roshani versemmelt hatte.

Die übrige Journaille tat das Gleiche, was sie nun dem Bundesrat und der Aufsichtsbehörde FINMA vorwirft: Sie schaute mehr oder minder tatenlos zu, wie die Credit Suisse gegen die Wand geklatscht wurde. Ringier versank in Lobhudeleien der Kurzzeit-Chefs, unvergesslich das Doppelinterview mit dem Alptraumpaar Gottstein Horta. Plisch und Plum waren ein Dreck dagegen.

Ansonsten zeigten weite Teile der Wirtschaftsjournalisten, was sie können. Nämlich nichts. Den Geschäftsbericht einer Bank lesen, das überfordert 90 Prozent von ihnen. Die Zusammensetzung des Eigenkapitals verstehen: Fehlanzeige. Erklären können, was ein CoCo ist: nur im Abschreibemodus. Die wichtigsten Indikatoren identifizieren, um den Zustand einer Bank messen zu können: hä?

Aber damit wissen sich die Mainstream-Medien mit ihrer Regierung einig: frei von Sachverstand kann man am besten vom Blatt lesen. Das war der Zustand bis kurz vor dem Exitus der Bank.

Währenddessen wurde weiterhin ab Blatt gelesen, ab der «Financial Times». Denn im fernen London war man besser über die Verhandlungen, den Inhalt und vor allem die heiklen Punkte informiert als die geballte Fachkraft der Schweizer Medien in Bern.

Auf welches Notrecht stützt sich der Bundesrat genau, was bedeutet der Abschreiber von 16 Milliarden Franken, wieso musste die UBS läppische 3 Milliarden Franken bezahlen, erhält ein Risikopolster von 9 Milliarden plus Liquidität bis zu 200 Milliarden? Kann man Aktionärsrechte so aushebeln? Riskiert der Bundesrat keine Staatsklagen, steht er eventuell in der Verantwortung für diese Entscheidungen – und ihre Kostenfolgen?

Und vor allem: war das mal wieder alternativlos? In welchem Schweizer Medium las man vor dem grossen Showdown vor einer Woche, wie Alternativen aussehen könnten? Dass die Bank schlecht geführt war, das war spätestens seit dem Amtsantritt von Urs Rohner offenkundig. Aber forderte je – ausser dem Autor dieser Zeilen – jemand seinen Rücktritt, mahnte Haftbarkeit an?

Aber nach dem Fall, da kommen nun alle Besserwisser aus den Löchern und überschlagen sich mit Kritiken, basteln grosse Zusammenstellungen von Fehlern und Flops, von dummen Sprüchen der Bankenlenker. Der Lobhudel-«Blick» räumt plötzlich dem alten Schlachtross Oswald Grübel die Spalten frei, der auch kräftig losgaloppiert – nachdem auch er zuvor mit Kritik gelinde gesagt sehr zurückhaltend war. Sicher, als ehemaliger CEO beider Banken, der CS und der UBS, musste er aufpassen, was er sagt.

Aber eigentlich gab es mal wieder nur einen Einzelkämpfer, der sogar so viel Gas gab, dass ihn die CS mit einer mehrhundertseitigen Klageschrift fertigmachen will. Denn Lukas Hässig fährt auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz»* einen scharfen Reifen. Und lässt regelmässig die gesamte Konkurrenz alt aussehen. Er erlegte fast im Alleingang Pierin Vincenz und veröffentlichte ein Jahr lang eine Bombenstory nach der anderen über den einstmals strahlenden Banker – ohne dass jemand das Thema aufnahm.

Hässig steht auch auf der Shitlist von Daniel Vasella ganz, ganz oben, seit er verhinderte, dass der Pharma-Boss 72 Millionen hätte kassieren sollen – für süsses Nichtstun.

Irgendwie ist die «Blick»-Penisgeschichte symptomatisch für den aktuellen Zustand der Medien. Eigentlich möchte man gerne ein heikles Thema aufgreifen, das nun (fast) jeden Mann interessiert. Denn Nullwachstum in der Hose, das ist auch für Banker schlimmer als Nullzinsen.

Aber früher hätte der Fachmann höchstens als Feigenblatt dafür gedient, den Voyeurismus von weiblichen und männlichen Lesern zu befriedigen. Die Schlagzeile wäre auf der Hand gelegen: «Wenn Sie dieses Foto nicht erregt, sollten Sie zum Arzt». Welcher Art das Foto gewesen wäre, nun, wir breiten den Mantel des Schweigens darüber.

Aber wie löst das der «Blick» heute? Das einzige Boulevard-Organ mit einem Regenrohr im Logo zeigt doch tatsächlich einen Kaktus als Penissymbolbild. Wobei der Kaktus durchaus erigiert erscheint. Allerdings dürfte er weder bei Männern, noch bei Frauen erotische Empfindungen auslösen. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für alle anderen Genderklassen, vielleicht mit Ausnahme von Masochisten.

«Der Penis ist die Antenne des Herzens», der Satz ist so blöd, der könnte glatt von diesem Kim irgendwas sein. Nein, so blöd ist er dann auch nicht.

Wieso nicht «Die UBS ist die Bank der Schmerzen», «von der Credit Suisse zur Debit Suisse zur Debil Suisse».  Oder gleich «Der Kontostand ist der Messfühler des Portemonnaies», «Die Kreditkarte ist die Windfahne der Begierde», «Der Zeigefinger ist das Instrument am Bankomat», «Die Credit Suisse ersetzt den Bankomat durch den Dankomat». Und nur echt mit dem Foto eines kompetent dreinblickenden Fachmanns.

Das kann man alles machen. Aber noch Geld dafür verlangen und behaupten, man sei unverzichtbar als Vierte Gewalt in der Demokratie – das ist nicht nur lachhaft, wenn es die «Republik» behauptet.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich auf IP.

Die Nachtreter

Die Medien überschlagen sich im CS-Bashing. Post festum.

Im Nachhinein besserwissen, das ist die einfachste Übung der Welt. Man braucht nur eine gewisse Schamlosigkeit und die Hoffnung auf das Kurzzeitgedächtnis der Leser.

Ausgerechnet eine Isabell Strassheim zählt im «Tages-Anzeiger» die «Haupt­verantwortlichen im Drama der Credit Suisse» auf. Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, da sorgte Strassheim für eine der dicksten Enten, die jemals durch den Tagi watschelte.

«Bund wollte keine eigene Impfproduktion», behauptete sie kühn. Mitsamt Karikatur auf der Frontseite, bissigem Kommentar und seitenfüllend. Kurz darauf musste der Tagi zähneknirschend eine «Korrektur» abdrucken; «neue Recherchen» hätten ein etwas anderes Bild ergeben. Die Berichterstattung über diesen Megaflop übernahmen dann andere, Strassheim pausierte ein Weilchen.

Nun ist die angebliche Pharma-Spezialistin als Bankendrescherin wiederauferstanden. Das Gefühl von Peinlichkeit oder Scham ist ihr offenbar völlig fremd.

Das geht allerdings nicht nur ihr so. Legion die Artikel, die einen neuen CEO, einen neuen VR-Präsidenten bei der CS enthusiastisch begrüssten. Unvergesslich die schleimige Lobeshymne im «SonntagsBlick» auf den Gewaltstypen aus Portugal. Als unschöne Gerüchte aufkamen, dass es zwischen dem damaligen Traumpaar CEO Thomas Gottstein und VR-Präsident Ontario Horta-Osório zu Friktionen gekommen sei, eilte der SoBli herbei, um den beiden in einem Doppelinterview Gelegenheit zu geben, Sauglattismus zu versprühen:

«Frage: Sie sind ein sehr guter Tennis-Spieler, Herr Gottstein ein begnadeter Golfer …
Horta-Osório: Moment! Ich bin okay. Aber Thomas spielt besser Golf als ich Tennis.
Gottstein: Da bin ich mir nicht so sicher.
Horta-Osório: Du hast am letzten Sonntag beim Golfen unentschieden gespielt, ich habe meine Tennispartie verloren. Das ist Beweis genug. (lacht)»

Nur das zum Artikel gestellte Foto von Plisch und Plum sprach allerdings Bände. So fanden die Gazetten immer wieder lobende Worte für neue und alte Versager auf der Kommandobrücke der CS. Lediglich Arthur Rutishauser, das muss man ihm lassen, wich kaum von seiner kritischen Linie ab.

Aber bei Tamedia zahlt sich Kompetenz schon lange nicht mehr aus. Damit steht man dem wenig kompetenten Big Boss Pietro Supino in der Sonne. Also musste Rutishauser ins Glied zurücktreten, als Bauernopfer, weil die Geschäftsleitung von Tx Group die Affäre Roshani kommunikativ völlig in den Sand gesetzt hatte. Aber das wäre die Geschichte eines anderen Versagens.

Auch Ringier weicht inzwischen von seinem Schmusekurs gegenüber der Knutschkugel Alain Berset ab und setzt deutliche Fragezeichen hinter die misslungene Rettungsoperation des Bundesrats. Zu offenkundig wurde, dass weder Berset noch die frischgebackene Finanzministerin Karin Keller-Sutter die geringste Ahnung vom Inhalt dessen hatten, was sie ungelenk bei der Sonntagspressekonferenz vom Blatt lasen.

Nur die NZZ bleibt sich und ihrem Wackelkurs gegenüber der ehemaligen FDP-Bankenburg CS treu. Zu jung sind noch die engen Verzahnungen, die es zwischen der Falkenstrasse und dem Paradeplatz gab, wo Mehrfachversager Mehrfach-VR-Mandate innehatten und die CS die Hausbank der alten Tante war. Nun schimpft sie zwar fleissig mit im Chor, weist aber immer noch andere scharf zu recht: «Boni zurückfordern oder ganz verbieten – das ist Polittheater

Denn wenn nichts mehr hilft, dann hilft das Evozieren des Allheilmittels: «In einer Marktwirtschaft braucht es andere Instrumente, um Manager zur Rechenschaft zu ziehen.» Was die NZZ geflissentlich übersieht: eine Bank, die «too big to fail» ist, hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Absurde Gehälter und hemmungsloses Greifen in Bonustöpfe für das Produzieren von Milliardenverluste, das hat ebenfalls nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Sondern mit Politikversagen, genauer mit dem Versagen der FDP-Politik.

Es ist verblüffend, wie sich die Schlagzeilen während der Finanzkrise eins im Jahr 2008 und heute gleichen. Sie gleichen sich auch deswegen, weil weder die Medien noch die Politik – und erst recht nicht die Banker – das Geringste aus dem damaligen Systemversagen gelernt hätten.

Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass ja auch die Medienkonzerne irgendwo ihren Finanzhaushalt regulieren müssen. Und das tun sie nicht bei der Alternativen Bank oder dem Sparhafen. Sondern bei einer der Grossbanken in der Schweiz. Dort werden die Konzerne auch für Kredite vorstellig, nehmen gerne Sponsoring von Anlässen entgegen – das alles bremst dann doch etwas das Verlangen, kritisch über die eigene Hausbank zu berichten.

Dann nicht nur im Sport fragt man sich bang, was dieses Schlucken der vorletzten international tätigen Grossbank durch die allerletzte für das Sponsoring bedeuten wird. Steht nun einfach UBS drauf, wo früher Credit Suisse stand? Und wo beide Kohle liegen liessen, wir da nun ein Teil eingespart?

Bedeutende Fragen, die natürlich unbeantwortet bleiben. Deshalb lässt man gerne die zweite Garnitur ans Gerät. Wenn dabei auch noch das Geschlecht stimmt, umso besser. Wobei wahrscheinlich so die journalistische Vorhölle aussieht: eine Raphaela Birrer beauftragt eine Isabell Strassheim, ein paar strenge Worte über die CS zu verlieren. Man ist fast versucht zu sagen: also das hat die Bank nicht verdient, etwas mehr Respekt vor einer Leiche.

 

 

Ein Klaps für CH Media

ZACKBUM ist gerecht und kritisiert alle.

Durch das Fehlen eines Leitmediums gerät CH Media immer wieder etwas aus dem laserscharfen Fokus von ZACKBUM. Hoppla, das war ja ein Bild, das die CS verwendete, als sie noch plapperte. Aber item, wie schlägt sich denn der Konzern der Träger von weissen Socken und Lederkrawatten, also der Aargauer, in der CS-Krise? Es geht.

Oberchefredaktor Patrik Müller (der letzte Überlebende des einstigen Triumvirats Dorer, Rutishauser, Müller) kommentiert sehr originell: «Bankenbeben. Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen.» Kam es aber, was sagst du nun. Seine Wirtschaftschefin Florence Vuichard ergänzt mit dem nächsten Stehsatz-Titel: «Erst scheitern, dann kassieren: Auf das CS-Ende folgt die Boni-Malaise».

Es folgen im «Tagblatt» die «Wandertipps», dann «Essen & Trinken», denn das muss ja auch sein.

Weiter oben berichtet das CH Media-Imperium über die «Rolle der Saudis im CS-Drama». Das hört sich nach einer guten Idee an, bis man liest, dass sie von «watson» stammt. Die Berichterstattung des Listicals-, Katzenvideos- und Blödel-Blatts sieht insgesamt so aus:

Wenn Philipp Löpfe einen Ratschlag gibt, ist man gut beraten, genau das Gegenteil zu tun. «40’000 Jobs auf der Kippe: Panische CS-Banker fluten Personalvermittler», so lautet eine weitere Schlagzeile. Die halten sich offenbar nicht an den Ratschlag von Löpfe. Um auf diese Horror-Zahl zu kommen, zählt «watson» einfach die Stellen der UBS und der CS in der Schweiz zusammen – und rundet schwer auf. Befindet sich also mal wieder im weiteren Streubereich der Wahrheit. Oder eigentlich ausserhalb.

Aber was weiss denn die Praktikantin Lea Oetiker über die Scheichs? Nun, all das, was sie aus meist englischen Quellen brav abschreibt. Dass die Scheichs im Allgemeinen zu den Grossaktionären der CS gehörten, dass die Saudi National Bank bei der letzten Kapitalerhöhung der CS zuschlug und mit knapp 10 Prozent der grösste Aktionär wurde. Und dass deren Präsident den berühmten Ausspruch auf die Frage tätigte, ob er weiter Liquidität einschiessen würde: «Absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, abgesehen vom einfachsten Grund, der regulatorischer und gesetzlicher Natur ist.»

Soweit, so bekannt und gähn. Das nennt man im Journalismus Rehash; man hackt Bekanntes, mixt es neu zusammen und serviert es dem Leser als Aufgewärmtes.

Interessant wäre allerdings gewesen, zu erfahren, warum der Bankenpräsident das sagte. Denn anscheinend machte die gleiche Saudi-Bank in letzter Minute ein 5-Milliarden-Angebot, um die CS zu retten. Das wurde angeblich abgelehnt, weil die Saudis die gleichen Garantien forderten, die die UBS dann bekam.

Spinnt also der Scheich? Keineswegs, denn sein Hinweis auf regulatorische Bestimmungen war natürlich völlig richtig. Beim Überschreiten bestimmter Grenzen sind in der Schweiz bürokratische Formalien zu erledigen, es gibt sogenannte Aktienschwellen, deren Überschreiten Meldepflichten nach sich ziehen. Davon gibt es jede Menge: bei mehr als 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33⅓, 50 oder 66⅔ Prozent der Aktien.

Offensichtlich wollte die saudische Bank die Schwelle von 10 Prozent nicht überschreiten, aus welchen Gründen auch immer. Und genauso offensichtlich war sich der Bankpräsident nicht bewusst, in welch wackliger Verfassung sich die Bank bei seiner Aussage befand. Er hatte den Behauptungen der Bank und der Schweizer Behörden vertraut – ein schwerer Fehler heutzutage.

Also hört die Story von «watson», gleich von den anderen Medien von CH Media übernommen, dort auf, wo es eigentlich interessant werden würde. Irgendwie typisch.

Frauen an die Macht?

In den Medienhäusern sind sie auf dem Durchmarsch. Bad News.

Es gibt einen Aspekt im ganzen CS-Schlamassel, der nur mit spitzen Fingern angefasst wird. Verständlich, denn eine Thematisierung führt einen schnell in Teufels Küche. In Begrifflichkeiten wie Sexismus, Diskriminierung, Männerbastionen, Herabwürdigung und Schlimmeres.

Denn auch im Wirtschaftsleben wird bekanntlich gefordert, dass Frauen ihr gerechter Anteil an Führungspositionen zustünde. Das wird nicht zuletzt damit begründet, dass Frauen ganz andere Perspektiven einbringen könnten, nicht so auf Krawall und Konkurrenzkampf wie Männer gebürstet seien, überhaupt der feminine Führungsstil viel angenehmer, effizienter, erfolgreicher sei. Sozusagen: wenn es mehr Patrizia Laeris in Führungspositionen wie der Chefredaktion von CNN Money Switzerland gäbe, wären wir viel besser dran.

Erteilen wir doch mangels CNN Money Switzerland der «Redaktion» von ElleXX das Wort:

Schweinerei. Was kann man da tun? «Auffällig: das Thema kommentieren fast nur Männer – Ökonomen, Rechtsprofessoren, Journalisten. Wir geben explizit Expertinnen eine Stimme.» Mehr Kompetenz dank Klitoris?

Da wollen wir doch einmal die Mitglieder (darüber machen wir jetzt keine Scherze) des Verwaltungsrats der Credit Suisse aufzählen. Der VR ist bekanntlich das entscheidende Lenkungsgremium einer Aktiengesellschaft. Hier werden die grossen Linien, die Strategie, das Geschäftsmodell, die Zukunftsperspektiven beschlossen, die dann von der Geschäftsleitung unter Führung eines CEO lediglich umgesetzt werden sollten.

Bei der CS sieht das so aus: Mirko Bianchi, Jahrgang 1962, seit 2022 im VR. Christian Gellerstad, 1968, seit 2019. Shan Li, 1963, seit 2019. Richard Meddings, 1958, seit 2020. Axel Lehmann, 1959, seit 2021 und letzter VR-Präsident der Bank. Das wäre die männliche Gruppe.

Iris Bohnet, 1966, seit 2012 im VR. Blythe Masters, seit 2021. Clare Brady, seit 2021. Amanda Norton, 1966, seit 2020. Ana Paula Pessoa, 1967, seit 2018. Seraina Macia, 1968, seit 2015. Key Jin, 1982, seit 2022. Das wäre die weibliche Truppe.

Wem fällt da etwas auf? Richtig, es sind 5 Mitglieder und 7 weibliche, nun ja, Mitglieder. Frauen an die Macht. Mehrheit. Super. Triumph. Öhm.

Nun könnte der (oder die oder wie auch immer) Feminist:in* einwenden, dass die Frauen vielleicht nur mindere Aufgaben wahrgenommen hätten. Kinderkrippen, vegane Menüs, Beckenbodentraining, Gratis-Tampons und so. Stimmt nicht. So ist zum Beispiel Blythe Masters von 2021 bis 2022 im wichtigen Vergütungsausschuss gesessen, sitzt im «Governance and Nomination Committee» und ist vor allem Mitglied des Risk Committee sowie Vorsitzende der Credit Suisse Holdings Inc. in den USA.

Alles zentrale Positionen, um während der sich zuspitzenden Krise zu versagen. Iris Bohnet ist seit 2012 Mitglied im Vergütungsausschuss, Clare Brady ist «Vorsitzende des Conduct and Financial Crime Control Committee». Und so weiter.

Nur: wo und wann hörte man diese weiblichen Stimmen in den letzten Jahren? Wo meldeten sie sich zu Wort, um eine andere Unternehmenskultur anzumahnen, ein weniger risikohaftes Geschäftsgebaren? Wo haben sie Spuren hinterlassen, ausser auf der Payroll der CS? Welche Bäume reissen sie denn sonst noch so (nicht) aus?

Oder gilt auch hier: Klitoris ersetzt Kenntnis? Männer müssen was können, bei Frauen reicht Frausein? Gerade beim Thema Verwaltungsrat spricht man gerne von Seilschaften, von Männerbünden, die sich gegenseitig die Pfründe zuhalten. Das scheint ja bei der CS nicht wirklich geklappt zu haben.

Wie sieht es denn eigentlich bei der UBS aus? Die Bank hat in den letzten Jahren viel erfolgreicher gewirtschaftet als die CS. Nun, hier ist das Verhältnis 8 zu 4. Acht Männer, vier Frauen. Kreisch.

Kann man nun daraus schliessen, dass männerdominierte VR erfolgreicher seien als frauendominierte? Natürlich nicht. Oder doch? Auf jeden Fall kann man aus diesen beiden Beispielen schliessen, dass eine Überrepräsentanz von Frauen im VR keinesfalls segensreich für ein Unternehmen ist. Ob die erfolgreichere Geschäftspolitik der UBS an der Männerdominanz festzumachen ist? Keine Ahnung.

Aber auf jeden Fall scheint die Anzahl Frauen im obersten Leitungsgremium einer AG von völlig nebensächlicher Bedeutung zu sein. Wenn man sich nicht zur These versteigen will: umso mehr Frauen in Führungspositionen, desto durchwachsener das Ergebnis. Wenn man sich nicht zur Absurdität versteigen will: nun sollen auch mal Frauen etwas zum CS-Debakel sagen. Da wären die 7 Verwaltungsrätinnen doch erste Wahl, oder nicht?

Vielleicht wäre es sinnvoll, zum bewährten Prinzip zurückzukommen, dass keineswegs eine proportional «richtige» Verteilung der Geschlechter, gar der Gender in Führungspositionen eine sinnvolle Forderung sei. Sondern das Kriterium Kompetenz alleinentscheidend sein sollte. Ob ein Kompetenzträger auch noch Pimmelträger ist oder nicht, sollte doch völlig nebensächlich sein.

Im Wesentlichen sind ja nur Frauen für eine Quotenregelung, die sich nur auf diese Weise eine Chance ausrechnen, ganz nach oben zu kommen. Die Forderung nach angeblich «gerechter» Verteilung ist einfach eine weitere Waffe im Konkurrenzkampf. Nicht anders als der vielmissbrauchte Vorwurf der verbalen sexuellen Belästigung, des männlichen Mobbings. Was nicht nur in der Affäre Roshani sein hässliches Gesicht zeigt.

Denn wie ist es möglich, dass zwei angesehene deutsche Medien, der «Spiegel» und die «Zeit», faktisch zeitgleich in einer konzertierten Aktion zwei Texte veröffentlichen, in denen sich eine Frau über angeblich unerträgliche Zustände an ihrem letzten Arbeitsplatz beschwert?

Wie wäre es anders möglich, dass alle Mainstream-Medien diese Vorwürfe ungeprüft aufnehmen, kolportieren und mit anonymen weiteren Erzählungen ausschmücken? Ohne sich einen Moment zu fragen, ob es sich hier nicht um eine Racheaktion einer Frau handeln könnte, die sich vergeblich um einen Chefposten bewarb, dann den Inhaber wegwobben wollte, was ihr sogar gelang. Aber anstatt dann endlich selbst doch noch auf den Chefsessel zu klettern, wurde sie deswegen gefeuert.  Sind das nicht genug Gründe, um die Stichhaltigkeit ihrer Vorwürfe zu bezweifeln?

Unabhängig von ihrem Geschlecht. Aber auf Nonsens-Plattformen wie ElleXX wird tatsächlich zum Thema gemacht, dass es noch nie einen weiblichen CEO einer Schweizer Grossbank gab. Und dass auch Frauen dieses Desaster kommentieren sollten. Weil eine Mehrheit von Frauen im CS-VR nichts sagt, aber am Schlamassel mitschuldig ist?

Die Not mit dem Notrecht

Wie die Mainstream-Medien Grundlegendes ignorieren.

Enteignung von Aktionären? Notrecht. 16 Milliarden mit einem Federstrich ausgelöscht? Notrecht. 209 Milliarden Staatsgarantien? Notrecht. Welches Notrecht eigentlich?

Wenn die Not gross ist, gibt es den sogenannten übergesetzlichen Notstand. Notstand wie Katastrophe, Krieg, Überschwemmung. Notstand wie Notwehr. Welches Notrecht kann eigentlich der Bundesrat anwenden, wenn er durch ihr unfähiges Management in Schieflage geratene Banken retten will, weil er meint, er müsse?

Zunächst einmal steht vor dem Notrecht in solchen Fällen das extra dafür verabschiedete Gesetz zur «Too big to fail»-Problematik. Zunächst einmal steht vor dem Notrecht das von der FINMA, der Bankenaufsicht verlangte und überprüfte Prozedere für systemrelevante Banken, wie die in einem Notfall ordnungsgemäss abgewickelt werden können.

Da mussten sogenannte Testamente eingereicht werden, die einen solchen völlig normalen Vorgang vorzeichnen. Denn es gibt das Grundgesetz im Kapitalismus, dass ein privates Unternehmen pleite gehen kann und muss, wenn sein Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert.

Wenn also beispielsweise eine Bank über 3 Milliarden Miese macht, dafür aber über 30 Milliarden Boni ausschüttet, dann ist sie krank und liegt komatös auf dem Sterbebett. Ist aber, wir sprechen natürlich von der Credit Suisse, keinesfalls ein Notfall. Weil das jahrelang so zu und her ging.

Chronisch Kranke werden normalerweise nicht auf der Notfallstation behandelt. Aber das mag der Bundesrat anders sehen. Weil seine Mitglieder von finanztechnischen Feinheiten keine Ahnung haben, bemerkte die Landesregierung erst vergangenen Donnerstag, dass bei der CS die Hütte brennt.

Da muss die Feuerwehr kommen, mit Alarmsirene und Notrecht. Aber welches Notrecht eigentlich, gibt es denn in der Schweiz eigentlich Notrechtparagrafen? Jein.

Es gibt zwei Artikel in der Bundesverfassung, die dafür hingeprügelt werden. Artikel 184 ist der eine. Der trägt zwar den Titel «Beziehungen zum Ausland», hat aber den Absatz 3: «Wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert, kann der Bundesrat Verordnungen und Verfügungen erlassen. Verordnungen sind zu befristen

Was hat das mit einer Bank in Schieflage zu tun? Gemach, es gibt noch Artikel 185. Absatz 2 und 3 lauten:

«Er trifft Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit.
Er kann, unmittelbar gestützt auf diesen Artikel, Verordnungen und Verfügungen erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen. Solche Verordnungen sind zu befristen.»

Jetzt kommt der Witz, der keiner ist: gestützt auf diese beiden Artikel der Bundesverfassung hantiert der Bundesrat mit Notrecht bei Banken. Das tat er mehrfach bei der Rettung der UBS vor dem Abgrund, das tut er inzwischen schon wieder bei der Übung, die CS zum Schnäppchenpreis an die UBS zu verticken. Da fragt sich der juristische Laie, was das Problem der CS mit der «Wahrung der Interessen des Landes» oder mit der inneren Sicherheit oder «mit unmittelbar drohenden schweren Störungen» zu tun habe.

Ha ha, sagt da der Bundesrat, und willige Staatsrechtler, zufälligerweise als Professoren vom Staat angestellt, stimmen ihm zu: ein Zusammenbruch der CS könnte die Interessen des Landes im Ausland beschädigen, ein möglicherweise zusammenbrechender Zahlungsverkehr zu einer Störung der öffentlichen Ordnung führen.

Wenn der Laie nachfragt, ob das wirklich ernstgemeint ist, dann ist die Antwort, professoral eingekleidet oder einfach mit der besserwisserischen Attitüde, die man als Regierungsverantwortlicher haben muss: ja.

Eine solche Umdeutung geht eigentlich überhaupt nicht, müsste völlig ausgeschlossen sein, wenn gesunder Menschenverstand noch eine Rolle spielte. Wie sagt ein Anwalt, der normalerweise nicht zu kräftigen Ausdrücken neigt:

«Ein Megamurks von Beamtenärschen ohne dogmatische Kenntnisse.»

Die Herleitung der Anwendung von Notrecht ist ein Megamurks. Die Legitimation des Notrechts ist ein Megamurks. Was unter Anwendung von Notrecht stattfindet, ist – Überraschung – auch ein Megamurks.

Eigentlich müsste das Notrecht gegen den Bundesrat angewendet werden. Denn mit der Enteignung von Anteilseignern, dem Kotau vor der UBS, der Nichtberücksichtigung von alternativen Rettungsplänen schädigt der Bundesrat das Image der Schweiz und wahrt keinesfalls ihre Interessen. Eine Störung der öffentlichen Ordnung könnte höchstens durch diese Handlungen des Bundesrats eintreten.

Ist das absurd oder nicht? Unter Verwendung eines für solche Fälle gar nicht vorgesehenen Notrechts schafft der Bundesrat einen Notfall, den er eigentlich verhindern will. So geht verantwortungslose Regierungspolitik als Antwort auf verantwortungslose Bankführung.

Hört damit das Gemurkse auf? Nicht wirklich. Die grossen Medien, also Tamedia, CH Media und Ringier, ebenfalls die NZZ, haben in gewählten Worten hin und her gerudert. Einige Professoren sagen dies zu dieser Anwendung des Notrechts. Andere sagen das. Und letztlich gilt doch die Macht des Faktischen; ist nunmal so beschlossen, war wohl nicht anders möglich.

Was sich genau abspielte, das wird inzwischen aus der «Financial Times» abgeschrieben, weil die Schweizer Wirtschaftsmedien nicht mehr in der Lage sind, selber zu recherchieren. Dass der Abschreiber von 16 Milliarden Franken Additional Tier 1 auf null eine heikle Sache sein könnte: um das zu schreiben, muss man zuerst einmal kapiert haben, worum es sich hier genau handelt.

Und da der durchschnittliche Wirtschaftsjourni schon bei der banalen Frage zögert, ob das Eigenkapital zu den Aktiven oder Passiven gehört, nimmt er hier am liebsten den Telefonjoker oder wartet, dass auch das von der FT erklärt wird. Als die sofort von einem «Aufschrei» schrieb, trauten sich Schweizer Journis halb aus der Deckung, nachdem sie dieses Detail vorher schlichtweg überlesen hatten.

Es ist leider so: Bundesrat? Schwach. Nationalbank? Oberschwach. FINMA? Sackschwach. Medien: peinlich. UBS: clever.

Der Sonntag als Panoptikum

Ach, es ist ein Graus, wenn man samstags wissen sollte, was sonntags passiert …

Die NZZaS schmeisst ihre Front-Aufmachung mit Anrissen oben über Bord, riskiert stattdessen einen scharfen Titel – und verschwendet viel wertvollen Platz mit einer drittklassigen Illustration mit einer visuellen Hammeridee.

Dabei könnte man doch diese Nonsens-Idee des NZZaS-Kriegsexperten Markus Bernath auch auf die CS anwenden:

Man fragt sich wieder einmal, wie verzweifelt eine Redaktion sein muss, um auf die ewige Frage: «und was machen wir zur Ukraine», zu dieser selten dämlichen Antwort zu kommen.

Für den definitiven Blick in die Zukunft hat sich die «SonntagsZeitung» Samstagnacht entschieden:

Gut, die Aussage kann man wohl riskieren, so wie’s am Sonntag aussah. Aber «die Fusion des Jahrhunderts»? Echt jetzt? Die noch geradeaus laufende Schweizer Grossbank UBS kriegt die abgewirtschaftete, von einem selten unfähigen Management an die Wand gefahrene CS aufs Auge gedrückt und bedingt sich dafür Milliardengarantien des Staates aus – denn wer weiss denn, wie viele Leichen noch im Keller der CS schlummern – das soll eine Jahrhundertfusion sein?

Nein, das ist wenn schon ein Jahrzehnteskandal, eine unglaubliche Schweinerei. Die vor allem darin besteht, dass alle Schuldigen, von Urs Rohner abwärts, völlig ungeschoren und haftungsfrei davonkommen werden. Multimillionen kassiert, Multimilliarden an Boni ausgeschüttet, von Skandal zu Skandal, von Busse zu Busse, von Schadenersatz zu Schadenersatz gewankt, ohne Strategie, ohne Perspektive, ohne Plan, ohne nix. Und dann dürfen andere die Scherben zusammenlesen.

Eher bedeckt hält sich der «SonntagsBlick»:

«Müssen antraben», das ist die alte Boulevard-Formel, wenn man eigentlich nichts Genaues weiss, aber so tun will, als könne man unter dem Konferenztisch sitzen und Mäuschen spielen.

Aber natürlich lässt sich auch ZACKBUM nicht weiter auf die Äste raus; als dieser Artikel von der Chefredaktion abgenickt wurde, nach dem Korrektorat in die Produktion ging und schliesslich vom Webmaster online gestellt wurde, wusste man auch noch nichts Genaueres.

Aber es ist ZACKBUM gelungen, weltexklusiv einen kurzen Ausschnitt der Verhandlungen abzuhören. Wir hoffen, uns damit keinem Amtsgeheimnisverrat schuldig zu machen. Wir konnten die meisten Stimmen identifizieren

Alain Berset: «Je ne comprend rien. Soll isch nun mein Schwarzgeld bei der CS abziehen oder nischt? Nein, kleine Scherz, n’est pas.»

Axel Lehmann: «Wenn der nochmal was fragt, dann flippe ich aber völlig aus.»

Ulrich Körner: «Denk an deinen Blutdruck, steht eigentlich ein Notfallarzt bereit

Karin Keller-Sutter: «Dass so ein Scheiss ausgerechnet jetzt passieren muss, wo ich mich doch noch einarbeite.»

Thomas Jordan: «Ich schlage vor, dass man die Sache dem Fachmann überlässt, also mir. Wenn mir nicht ständig reingequatscht wird, habe ich in einer Stunden einen ersten Vertragsentwurf.»

Berset: «Je ne comprend …»

Alle übrigen Stimmen im Chor: «Schnauze, tais-toi, der soll sich doch mit der Ukraine beschäftigen …»

Hier bricht die im Übrigen erfundene Aufzeichnung ab.

Hyperventilieren ist nicht gesund

Banken, Ukraine, Rentenreform. Himmels willen …

Für die modernen Sparmedien gibt es zwei Ausnahmezustände. Der eine: es ist nichts los. Es ist wirklich nichts los. Dieser Ausnahmezustand wird dann mit einer ausführlichen Betrachtung und Beschreibung des eigenen Bauchnabels bewältigt. Der Leser bekommt ungefragt Beziehungsprobleme, Essgewohnheiten, Alltagserlebnisse, Kindergeburtstage und andere Nebensächlichkeiten serviert. Soweit tiefe Einblicke in die physische und psychische Verfassung des Journalisten.

Die gehobenere Form besteht darin, der Schweiz, der EU, der Ukraine, Russland, China, ja überhaupt der ganzen Welt mal wieder zu geigen, was sie zu tun und zu lassen hätte. Was sie falsch macht (fast alles) und was sie richtig macht (sehr wenig).

Beide Themen werden jeweils mit dieser gravitätischen Unwucht der eigenen Bedeutungsschwere abgehandelt. Das ist leider eine zunehmende Erkrankung vieler Schriftwerke. Umso unbedeutender, unwichtiger die Meinungsäusserungen von Journalisten werden, desto mehr pumpen sie ihre Werke mit vermeintlicher Wichtigkeit auf, geraten schnell in den Diskant, werden kreischig, behaupten wie der Irrwisch Seibt, dass es nun um alles gehe, um wirklich alles.

Dabei geht es meistens nur darum, im Print Spalten zu füllen und im Digitalen den Eindruck einer Themenfülle zu erwecken, die gar nicht existiert.

Der zweite Ausnahmezustand besteht darin, dass mehr als ein grosses Ereignis zeitgleich passiert. Denn seit mehr als einem Jahr ist der Grundbrummton durch den Ukrainekrieg gegeben. Wenn dann noch ein Erdbeben in der Türkei dazukommt, ist schnell einmal die Belastungsgrenze des normalen Journalisten erreicht.

Glücklicherweise haben es Erdbeben aber so an sich, dass sie schnell stattfinden, ihre Verheerungen aus dem Stehsatz beschrieben werden können, der Reigen von Fachleuten, Betroffenen, Schuldigen und überlebenden wird vorgeführt, und dann ist auch wieder gut.

So etwas wie die neuste Rentenreform ist schon sperriger. Eher kompliziertes Thema, irgendwie bedeutend, aber wo soll man noch Platz finden neben der Ukraine? Vor allem, wenn ja wie immer aus heiterem Himmel ein völlig unerwartetes Problem über uns hereingebrochen ist: der Credit Suisse geht es nicht so gut.

Da tut zum Beispiel Tamedia, verflixt, das heisst doch «Tages-Anzeiger», auch in Bern oder Basel, also da tun die Organe des Coninx-Clans das, was für sie inzwischen das Höchste der Gefühle ist. Sie richten einen «News-Ticker» ein, damit der überforderte Redaktor die Agenturmeldungen einfach per copy/paste ins Internet rammen kann.

Und es wird ein eigenes «Gefäss» mit eigenem Titel und eigenem Auftritt geschaffen. Hier heisst es originellerweise «Krise bei der Credit Suisse». Bei der UBS wäre es dann wohl «Unfall bei der UBS», bei den Genossenschaftern «Reibungen bei Raiffeisen», bei der Post «Panik bei Postfinance» und bei der ZKB als letzte der systemrelevanten Banken vielleicht «Zackbum bei ZKB». Dagegen würden wir natürlich energisch Einsprache erheben.

Aber auch bei der «Krise bei der Credit Suisse» wird getan, was man kann. Also nicht viel. Bei Tamedia (wir wollen uns diese Bezeichnung, auch Priska Amstutz zu Ehren, nicht abgewöhnen) gibt’s das obligaten Interview mit dem Fachmann, die «Antworten zur Rettung der Credit Suisse», die bange Frage «Bahnt sich eine Finanzkrise an?» und den kritischen Titel «Der Bundesrat tagt – und schweigt».

Dafür werden gleich zwei Koryphäen in die Schlacht geworfen. Aber Markus Brotschi (Bundeshausredaktor) und Charlotte Walser (promovierte Philosophin aus dem «Bundeshausteam») haben die undankbare Aufgabe, aus einem schweigenden Bundesrat einen Artikel zu melken. ZACKBUM kann eine gewisse Bewunderung nicht verhehlen:

«Im Bundeshaus herrschte am Donnerstag so etwas wie knisternde Anspannung.» Das ist schon mal gut, ein starker Anfang. Nennen wir es gebremstes Tremolo, denn es ist ja nur «so etwas» wie angespanntes Knistern. Und die Frage stand im Raum, schwebte unter der Parlamentskuppel, trieb die Volksvertreter durch die Wandelhalle: «Wie würde der Bundesrat reagieren

Um diese Frage zu beantworten, muss das Bundeshausteam seine Muskeln anspannen, die Ohren spitzen, Beziehungen ausnützen, um berichten zu können: «Tatsächlich traf sich die Landesregierung, wie im Lauf des Tages ruchbar wurde, am Nachmittag zu einer Krisensitzung

Trommelwirbel, nun muss aber der Knaller kommen: «Über den Inhalt der Sitzung werde nicht informiert, schreibt die Bundeskanzlei.» Das ist natürlich bitter, aber dem findigen Journi fällt schon noch etwas ein, denn sonst wäre der Artikel ja fertig: «Im Parlament sorgt die Nicht-Reaktion der Exekutive für Verunsicherung. Parlamentarier formulieren gegenüber dieser Zeitung zunächst ihre Irritation, wollen sich später dann aber nicht zitieren lassen.» Ist das aber nochmal ein Pech. Zuerst sagt der Bundesrat nix, dann sagen die Parlamentarier was, wollen aber doch nix gesagt haben.

Was kann da noch helfen? «Ein Insider spekuliert …», das ist immer das Ende jeder ernstzunehmenden Berichterstattung. Aber hier geht’s doch weiter: «Doch nun müsse man «gesetzgeberisch vorsorgen, dass so etwas nie mehr vorkommt», betonte Co-Präsident Cédric Wermuth». Wunderbar, der Vielschwätzer ist immer mit einer Stellungnahme zur Hand, und so bleibt uns allen ein Zitat von Fabian Molina erspart.

Das gibt natürlich Reaktionen: ««Die SP ist vorgeprescht», sagt (Mitte-Präsident, Red.) Pfister.» Damit ist ein Fass aufgemacht: «FDP-Präsident Thierry Burkart ist ebenfalls der Ansicht …», selbstredend «Für den Banker und SVP-Nationalrat Thomas Matter hat die CS nun die Hauptaufgabe …». Nur: offenbar haben es die Grünen und die Grünliberalen nicht rechtzeitig geschafft, etwas in die Mikrophone zu murmeln.

Dürfen wir kurz zusammenfassen: der Credit Suisse geht es schlecht, sie benützt die Kreditlimite von 50 Milliarden, die ihr bei der SNB zusteht. Der Bundesrat hat sich darüber informieren lassen und sagt nichts. Die Parteien sagen das, was sie meistens sagen.

ZACKBUM fragt aber: Wenn dieser Artikel das Niveau der Berichterstattung illustriert, kann man da dem Hause Tamedia die Kompetenz zutrauen, sinnvoll über die Ukraine, die Türkei, China, Russland, die USA und überhaupt die Welt zu berichten? Sieht das bei CH Media besser aus? Oder bei Ringier? Bei den Randgruppen-Postillen? Wenn man die NZZ als Ausnahme gelten lässt: ist das nicht ein unvorstellbares Elend?

CS: Keiner dran schuld …

Jetzt geht’s dann ganz schnell …

Vorgestern noch solide wie das Matterhorn. Gestern noch solider als manch andere Bank. Heute bröselt und bröckelt es. Und morgen? Morgen ist’s mit der Credit Suisse, wie wir sie kannten, vorbei.

Die Lage der zweitgrössten Bank der Schweiz ist so dramatisch, da muss man zum Dichterwort greifen und Franz Kafka zitieren:

«Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoss sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.»

Das perfekte Bild für den aktuellen Zustand der CS. Sie bestätigt wieder einmal eine alte Regel im Wirtschaftsleben: wenn etwas ins Rutschen kommt, geht’s holterdipolter und sehr, sehr schnell.

Das vorher schon überforderte Management (sonst wäre die einstmals stolze Escher-Bank ja nicht in diese Schieflage geraten) ist völlig von der Rolle. Seine Aussagen sind nur noch mitleiderregend: «Wir haben noch einen weiten Weg vor uns», sagte der CEO Ulrich Körner im Februar dieses Jahres. Im März sieht es ganz danach, aus, als ob er schon am Ende des Weges angekommen sei.

Wenn’s schnell geht, ist «zu wenig, zu spät» der Todeskuss für einen komatösen Patienten. Selbst die Notinfusion durch die Schweizerische Nationalbank vermochte es nicht, dem moribunden Opfer rosa Bäckchen zu verpassen.

Die meist wohlinformierte, zumindest besser als alle Schweizer Wirtschaftsmedien informierte «Financial Times» berichtet bereits, dass Bern und die SNB die Spitzen von UBS und CS dazu gedrängt hätten, übers Wochenende eine Lösung zu finden, bevor am Montag die Börsen öffnen.

Denn die Nachricht, dass die CS über 50 Milliarden Liquidität verfügen könne, also auf die unbeschränkte Feuerkraft der SNB zählen dürfe, hat an der Börse nur das ausgelöst, was der zynische Börsianer einen «dead cat bounce» nennt. Wenn eine Katze aus dem Hochhaus fällt, prallt sie auf den Boden und ist tot. Aber durch die Wucht des Aufschlags wird sie nochmal in die Luft geschleudert, was man aber nicht mit einer Wiederbelebung verwechseln darf.

So ist es nach 167 Jahren leider Zeit, Bilanz zu ziehen. Rund 160 Jahre lang war die Schweizerische Kreditanstalt SKA der Stolz Zürichs. Der Stolz des Freisinns. Der Stolz der Schweiz. Wie die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) trug sie als Trustmark das Wort Schweiz im Titel. Schweiz stand für stockseriös, bieder, korrekt, zuverlässig, solide. Kein Glamour, keine Angeberei, der Topbanker nahm das Tram zur Arbeitsstelle, hatte eine abgewetzte, alte Ledertasche bei sich.

Er trug Anzüge von ABM, eine grau gemusterte Krawatte war das Äusserste an Modestatement, die Gürtelschnalle war mächtig, aber billig, der Schuh ausgetreten und dunkelbraun oder schwarz. Eigentlich sah jeder Banker wie Walter Roderer aus und benahm sich auch so wie der Schauspieler in seinen Paraderollen als Buchhalter Nötzli. Der leicht verklemmte, biedere, schüchterne Bünzli, aber mit Charakter und Anstand.

Aber schon um die Jahrtausendwende hatte auch bei der SKA, die sich unnötigerweise in Credit Suisse umbenannt hatte, der Wahnsinn Einzug gehalten. Der Wahnsinn in Gestalt von grössenwahnsinnigen US-Investmentbankern, die sich für die «Masters of the Universe» hielten, sich selbst «big swinging dicks» nannten, was wir lieber nicht übersetzen wollen. Das Gleiche passierte auch bei der SBG, neu UBS.

Nicht das Geld war verrückt geworden, aber seine Götzendiener. Sie erfanden Ableitungen, Derivate, Wettscheine, die so kompliziert wurden, dass es Nerds und Quantenphysiker brauchte, um sie zusammenzulöten, mit ellenlangen Algorithmen zu jonglieren. Weder die Hersteller, noch die Anwender verstanden diese finanziellen Massenvernichtungswaffen, die Anwender wussten nur eins: aus ihnen tropfen Bonuszahlungen in unvorstellbarer Höhe. Und das Beste war: unabhängig von Verlust oder Gewinn, der einzige Massstab war der Umsatz.

Da schauten die Buchhalter Nötzli aus der Schweiz mit offenem Mund zu und begannen, auch zu sabbern und zu verdienen. Mit Oswald «Ossi» Grübel trat dann 2007 das letzte Schlachtross bei der CS ab, der noch einigermassen einschätzen konnte, welche Risiken man nehmen durfte – und welche nicht.

Sein Nachfolger wurde der eiskalte US-Investmentbanker Brady Dougan, der sich wie ein Rodeo-Reiter benahm und den Eindruck zu vermitteln versuchte, er lasse sich niemals aus dem Sattel werfen. Für ihn stimmte das, als er abstieg, war er um ein paar hundert Millionen reicher, die CS alleine an Bussen- und Bonuszahlungen um ein paar Dutzend Milliarden ärmer.

Begleitet und vermeintlich überwacht wurde das vom Juristen Urs Rohner, der zehn unselige Jahre als VR-Präsident amtierte und von Anfang bis Ende nur darauf bedacht war, selbst eine «weisse Weste» zu behalten. Dass die von Verlusten rotgesprenkelt war, das kümmerte ihn überhaupt nicht. Als er nach dem Doppelschlag Archegos und Greensill abtrat, fand er lediglich leise Worte des Bedauerns, auf die schon niemand mehr hörte.

Nach Dougan hatte er im Alleingang den Vollversager Tidjane Thiam auf den Posten des CEO gehievt. Der kassierte in seiner nur fünfjährigen Amtszeit satte 100 Millionen und stolperte über einen idiotischen Überwachungsskandal, nachdem er vergeblich versucht hatte, Rohner aus dem Sattel zu werfen. Aber ein VR-Präsident kann einen CEO entlassen, umgekehrt geht nicht.

Dann gab es ein kurzes Zwischenspiel von zwei weiteren Nulpen, bis dann die zweite Garnitur Lehmann/Körner ans Gerät ging, weil schon letztes Jahr kein erstklassiger Banker sich mehr die Finger an diesen Jobs verbrennen wollte. Und seither ging’s nur noch bergab. Dabei: was 160 Jahre lang gestanden ist, kriegt man nicht einfach mit der üblichen Menge von Fehlentscheidungen in die Knie.

Ein solches Gebilde steht wie ein altes Haus schon mal aus Gewohnheit, selbst wenn man tragende Wände rausspitzt. Trotz Umbenennung, trotz idiotischem Logo mit zwei Segeln (wohl eine Anspielung auf die grosse Seefahrernation Schweiz), trotz Geldverpulvern mit einer leichten Anpassung des Logos, trotz oder gerade wegen der Beschäftigung mit solchem Pipifax schlingerte der Tanker nicht nur, sondern bekam immer mehr Schlagseite.

Von der Kommandobrücke kamen lediglich beruhigende Geräusche, man arbeite an einer Rettungsstrategie, das ginge dann im Fall nicht von einem Tag auf den anderen, das sei dann schon ein ganz dickes Ei, das gelegt werde. Als dann mit viel Gegacker und Flügelschlagen das Ei präsentiert wurde, war es nur mit der Lupe erkennbar, dafür in den schönsten Farben der Kommunikationslehre angemalt. Aber kein Börsenhändler liess sich von einem solchen Kuckucksei überzeugen. Der Kurs kannte unaufhaltsam nur eine Richtung: nach unten.

Dann kam noch das übliche Gezeter, natürlich sei der Kurs nicht befriedigend, aber einstellig werde er niemals, ausserdem sei der Aktienkurs nicht alles im Leben einer Bank, stabil, gut aufgestellt, liquide, starke Marke, optimistisch in die Zukunft, Kurswechsel greift, alles kommt gut und besser, wir liefern, Blabla.

Das Publikum, die Investoren, die Kunden, die grossen und kleinen Besitzer der Bank fragten sich zunehmend, in welchem Paralleluniversum eigentlich die Führungscrew der Bank lebte. Und manch einer fragte sich schon, ob die wohl verbotene Substanzen oder verschreibungspflichtige rosa Pillen einwürfen.

Aber wenn der Baumstamm, der so stabil und mit dem Boden verwachsen erscheint, was er nicht ist, wenn der Baumstamm, der nicht leicht wegzuschieben ist, dennoch ins Gleiten, ins Rutschen gerät, dann ist das kein unseliges Schicksal, kein Pech, keine Verkettung unglücklicher Umstände, nichts Unvorhersehbares. Dann ist das das Resultat eines mutwilligen, fast absichtlichen Versagens der Kommandobrücke. Als hätte die sich den Befehl gegeben, den altehrwürdigen Tanker CS mit Volldampf gegen den Eisberg zu lenken. Auf Grund zu steuern, auf die Sandbank zu setzen, in die Klippen zu manövrieren.

Was bleiben wird, leider: niemand war dran schuld. Keiner hat Verantwortung. Alle werden haftungsfrei ihre Millionen geniessen.

Die oben. Die im Maschinenraum werden absaufen, wie immer. Der 50-jährige Anlageberater, die 55-jährige Sachbearbeiterin, der Kundenbetreuer, der sich schon seit Jahren die Beschimpfungen anhören musste, die die da oben verdient hätten: all die werden auf der Strasse stehen, nach dem RAV in die Sozialhilfe absinken.

Dafür fehlen die Worte. Nein, sie gäbe es, aber leider funktioniert das Legal Department, die juristische Abteilung einer Grossbank, immer bis zum Schluss …