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Die Umschreiber

Zwischen Fakt und Fiktion. Selbstentleiber auf den Redaktionen.

Nehmen wir an, es passe nicht ins korrekte Weltbild, dass es schneit. Während vor den Fenstern dicke Flocken vom Himmel fallen, holt der Umschreiber in seiner Verrichtungsbox tief Luft, setzt sich die schalldämpfenden Kopfhörer auf und legt los.

Die Bezeichnung Schneefall für das Symptom des Klimawandels hält einer näheren Betrachtung nicht statt. Oberflächlich betrachtet sieht es danach aus, aber wie wissenschaftliche Untersuchungen erwiesen haben, sind die einzelnen Schneeflocken deutlich kleiner als früher, ihre kristalline Struktur ist durch Umweltverschmutzung zerstört. Das Gleiche gilt übrigens für die gedankenlose Verwendung von «es regnet».  Die Anzahl Regentropfen hat deutlich ab-, ihr Giftgehalt zugenommen. Genauer müsste man von saurem, toxischem Tröpfeln sprechen.

Es käme doch keiner der wahrhaftigen Wiedergabe der Realität verschriebenen Journalisten auf die Idee, einen solchen Stuss zu sabbern? Aber sicher doch.

Eine hochwissenschaftliche Studie zweier angesehener Professorinnen über die Karrierewünsche von Studentinnen wird mit untauglichen Argumenten niedergemacht. Die Wahlchancen von Donald Trump. Die angebliche Existenz eines Netzwerks von rechtspopulistischen und verschwörungstheoretischen Infokriegern. «SonntagsZeitung» und «Tages-Anzeiger» mit rechtspopulistischer Agenda. Die faschistoide, wenn nicht offen faschistische AfD. Die wünschens- und lebenswerte 10-Millionen-Schweiz. Alles Männer- (seltener Frauen-)Fantasien wie von einem anderen Planeten.

Die Abfolge an Beispielen reisst nicht ab und vermehrt sich täglich ins Absurde: in den meisten Massenmedien, ganz extrem aber bei Tamedia und im Randgruppenorgan «Republik», findet ein bemühtes Umschreiben der Wirklichkeit statt. Was nicht passt, wird passend gemacht. Framing, Narrative, festgelegte und unerschütterliche Weltbilder haben Neugier auf die Realität, auf die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten auszuhalten und darzustellen, besiegt.

Selbst krachende Niederlagen in der Vergangenheit vermögen nicht, Wiederholungen von blühendem Wunschdenken zu verhindern. Längst vergessen, dass das Schweizer Farbfernsehen noch tief in die Wahlnacht hinein es nicht wahrhaben wollte, dass die USA nicht zum ersten Mal eine Frau zur Präsidentin gewählt hatten. Auch nachher kamen die «Analysen» nicht über das Niveau hinaus, dass die Amis halt massenhaft ungebildete Schwachköpfe seien, die trotz strengen Ermahnungen falsch gewählt hätten.

Ein ewiger Topos bei diesen Umschreibern ist auch das Verhältnis der Schweiz zur EU. Auch wenn sich angesichts völlig klarer Meinungsumfragen kaum einer mehr traut, offen für den Beitritt zu diesem dysfunktionalen Gebilde mit einer absaufenden Währung zu fordern, wird in Dauerschleife das Abseitsstehen der Schweiz, die Rosinenpickerei, die dramatischen Auswirkungen auf Forschung und Wirtschaft bedauert und bejammert. Es sei vermessen, einen «Sonderweg» zu wählen, sich nicht dreinzuschicken. Nur «Populisten» von der SVP verträten diese irrige Meinung. Damit schreiben diese Besserwisser an der Mehrheit ihrer eigenen Leser vorbei.

Einen Erziehungsauftrag sehen viele, meist männliche Kampfschreiber auch auf dem Gebiet der korrekten Schreibe und Denke. Jedes Sprachverbrechen, jede Verunstaltung ist ihnen recht, wenn sie angeblich inkludierend, nicht rassistisch, nicht frauenfeindlich sei. Dass der überwältigenden Mehrheit der Leser das Gendersternchen und andere Verhunzungen nicht nur schwer am Allerwertesten vorbeigehen, sondern von ihr als nervig und störend empfunden werden – was soll’s, da sieht die Chefredaktorin von Tamedia nur verschärften Erziehungsbedarf.

Interessant zu beobachten ist, dass sich CH Media weitgehend bedeckt und normal verhält, was das Umschreiben der Wirklichkeit betrifft. Der «Blick» ist gegenüber seinem früheren Lieblingsfeind, der SVP und ihrem Herrgöttli aus Herrliberg, oder ihrem «Führer», wie ihn das Hausgespenst zu titulieren beliebte, handzahm geworden. Aber auf dem Weg dorthin hat sich das Boulevardblatt, das keins mehr sein darf, selbst entkernt, entleibt, seiner Existenzberechtigung beraubt.

Einigermassen vernünftig verhält sich lediglich die NZZ, die sich gelegentlich intellektuell und sprachlich hochstehend über all diese Genderverirrungen der Kollegen lustig macht.

Wenn es nur der Kampf um den Mohrenkopf wäre, könnte man das als realitätsfernen Spleen einiger Journalisten abtun, die sich an der Sprache abarbeiten, weil ihnen die Realitätsbeschreibung zu anstrengend ist. Aber leider metastasiert dieses Phänomen in alle Winkel und Räume der Welt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass immer mehr Journalisten fachfremd, ungebildet und ohne Hintergrundwissen sind. Ein peinliches Trauerspiel, wie die gesamte Schweizer Wirtschaftsjournaille eins ums andere Mal von angelsächsischen Medien bei der CS-Katastrophe abgetrocknet wurde.

Multikulti, Ausländerkriminalität, Aufarbeitung des Regierungshandelns während Covid, die Suche nach der Wirklichkeit im Ukrainekrieg, eine realitätsnahe Darstellung Chinas und anderer gegendarstellungsfreier Räume, Interviews, in denen dem Gesprächspartner nicht einfach Stichwörter zur freien und beliebigen Beantwortung hingeworfen werden – da herrscht zunehmend «flat lining». So nennt der Arzt den Hirntod, wenn auf dem Monitor nur noch flache Linien statt Ausschläge zu sehen sind.

Es ist eine Mär, dass mit weniger Mitteln halt nur noch Mittelmässiges, Mittelloses hergestellt werden könnte. Ein Blick aus dem Fenster genügte, um zu faszinierenden Storys zu kommen. Denn nie war die Wirklichkeit bunter, scheckiger, widersprüchlicher, interessanter, faszinierender, verwirrender als heute. Aber das muss man aushalten können.

Schlimmer noch: um das zu beschreiben, braucht es gewisse intellektuelle Voraussetzungen und sprachliche Fähigkeiten. Aber in ihrem tiefsten Inneren wissen viele dieser Rechthaber, Umschreiber, Umerzieher, dieser Worthülsenwerfer («dringend geboten, müsste sofort, energische Massnahmen, Fehler korrigieren»): damit decken sie nur das eigene Unvermögen zu, die tiefe Verunsicherung, die mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache zwecks Annäherung an die Wirklichkeit.

Aber es ist wie bei des Kaisers neuen Kleidern: immer mehr Leser sehen, dass diese selbsternannten Meinungskönige pompös daherschreiten, mit strengem Blick Zensuren verteilen, Handlungsanweisungen geben, der Welt sagen, wie sie zu sein hätte – aber in Wirklichkeit nackt sind. Lächerlich nackt. Und was ist schon ein lächerlicher Kaiser? Das Gleiche wie ein lächerlicher Journalist: überflüssig und machtlos.

China-Missversteher, Teil 2

“In China gibt es aber immer nur alles oder nichts”

Von Felix Abt

Hier geht es zum Teil eins.

Thomas Baumann schreibt in seinem Artikel, dass Peking «praktisch jedes einzelne Viruspartikel bekämpft«. Und dass die Partei “paranoid” ist und es für sie nur eine Politik des «alles oder nichts» gibt. Das bedeutet deshalb zwangsläufig eine totale Abriegelung während der Covid-Pandemie! Ich gebe zu, dass ich kein China-Experte bin, aber ich kenne einige, die es wirklich sind. Einer von ihnen ist mein Freund Jerry Grey, der ein britischer Polizeioffizier war, dann Chef des größten Sicherheitsunternehmens in Australien und jetzt seit 20 Jahren mit seiner chinesischen Frau in China lebt. Seine Leidenschaft ist das Radfahren durch das Land. Der rüstige Rentner, der fließend Mandarin spricht, hat Zehntausende von Kilometern auf seinem stählernen Drahtesel zurückgelegt und war zum Beispiel mehrmals in Xinjiang und der Inneren Mongolei unterwegs.

Zu Covid schrieb er mir folgendes: “Es stimmt, die Covid-Politik wurde zentral festgelegt, die Umsetzung  erfolgte auf kommunaler Ebene, die nicht einheitlich war – während fast drei Jahren. Ich reiste an viele Orte und erlebte viele verschiedene Situationen, aber es gab kaum Abriegelungen nach dem ersten Februar 2020 bis Ende 2022, als die Welt die Abriegelung Shanghais sah – zur gleichen Zeit gab es Abriegelungen in Guangzhou, aber ich reiste in und aus Guangzhou, trotz Abriegelungen, zum Beispiel war Liwan vielleicht offen, aber Yuexie war abgeriegelt, Huadu war vielleicht offen, aber Baiyun nebenan war abgeriegelt. Zwei Jahre lang gab es so gut wie keine Einschränkungen. Meine Frau und ich sind im März, April und Mai 2021 sieben Wochen lang mit dem Fahrrad von Zhongshan in Guangdong aus durch die ganze Provinz und nach Guanxi gereist und haben wahrscheinlich mehr als 50 Städte ohne jegliche Einschränkungen besucht. Ein Beweis dafür sind meine WeChat-Momente, in denen ich fast jeden Tag gepostet habe.

Neben der Aussage von Jerry Grey habe ich ähnliche Aussagen von anderen in China lebenden Ausländern und von Chinesen gehört.

Eine weitere steile These von Herrn Baumann ist diese: «Die WHO musste erst die chinesische Regierung bitten, informiert zu werden, während halb Asien bereits nervös flüsterte.» Er erwähnt nicht, dass die USA (dank Donald Trump) die Pekinger Niederlassung der CDC einige Monate vor dem Covid-Ausbruch geschlossen hatten und dass sie aktiv in den Prozess eingebunden gewesen wäre, wenn sie noch geöffnet gewesen wäre. Es gibt auch eine Covid-Zeitleiste, aus der klar hervorgeht, dass die CDC in den USA am 31. Dezember 2019 benachrichtigt wurde und die DNA-Sequenz am 11. Januar 2020, also nur 12 Tage später, von China veröffentlicht wurde. Während dieser Zeit war es noch möglich, im benachbarten Vietnam ein- und auszureisen, und ich konnte nirgendwo ein «Nervenflattern» feststellen. Sicherlich wurden in Wuhan Fehler gemacht (z. B. wurden Großveranstaltungen nach Bekanntwerden des Virus nicht abgesagt), was zur Entlassung von hochrangigen Partei- und Stadtverwaltungsbeamten führte.

Gulag-ähnliche Bedingungen?

Herr Baumann schreibt von «Xinjiang-spezifischen Internierungslagern«. Die Provinz Xinjiang hat 25 Millionen Einwohner, so viele wie Australien, das über 100 Gefängnisse hat. Natürlich gibt es auch in Xinjiang Gefängnisse. Viele der Erziehungsstätten und Berufsschulen (im Westen oft «Internierungslager» genannt), die nach jahrelangen Terroranschlägen uigurischer Islamisten eingerichtet wurden, stehen jedoch auch allen anderen ethnischen Gruppen offen. Wer sich informieren will, was sich genau abspielt, kann das hier, hier und hier tun.

Chinesischer Überwachungswahn?

Herr Baumann schreibt von Nachbarschaftskomitees, «alten Vierteln, die verschwinden, um neue zu bauen«, – «riesigen Wohnkomplexen, die auf dem Lande gebaut werden – unter perfekter Überwachung.» Mit anderen Worten: Es wird alles getan, damit die drangsalierten Chinesen auf Schritt und Tritt von der Kommunistischen Partei überwacht werden können.

Zunächst einmal gibt es auch in Vietnam Nachbarschaftsausschüsse. Dort, wo ich wohne, kümmert sich das Nachbarschaftskomitee nicht darum, wer in meinem Haus ein- und ausgeht. Sie kümmern sich eher darum, dass es weniger Stromausfälle gibt, dass die Straßen repariert werden und dass das Internet schneller wird. Wenn es denn das Komitee nicht gäbe, würde ich vorschlagen, eines zu gründen.

Jerry Grey erklärte mir, dass in China die Nachbarschaftskomittees die Grundlage der chinesischen Demokratie sind, da sie den lokalen Behörden Vorschläge unterbreiten, die schließlich zu neuen Gesetzen führen können. Sie sind keine «neugierigen» Nachbarn, sondern Freiwillige, die sich für die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft einsetzen. “Ein weiterer kleiner Mythos über den Social Credit Score stammt ebenfalls aus diesem Bereich: Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, können für ihre guten Taten Punkte sammeln und erhalten früher Zugang zu Eintrittskarten für Veranstaltungen, können ihre Kinder auf bessere Schulen schicken und können diese Punkte sogar als Nachweis dafür verwenden, dass sie gute Bürger sind, wenn sie sich um eine Parteimitgliedschaft bewerben wollen. Aber niemand ist verpflichtet, einem Nachbarschaftskomitee beizutreten.” Oder zusammenfassend: Wer freiwillig anderen hilft, wird dafür belohnt.In diesem Artikel stellt und beantwortet Jerry Grey die Frage, ob das vermeintlich allumfassende Sozialkreditsystem, das im Westen als repressives Instrument gebrandmarkt wird, überhaupt existiert.

Jerry Grey erklärt: “Was das Verschwinden alter Stadtviertel angeht, so ist das absolut richtig – man darf nicht vergessen, dass China vor 70 Jahren wirtschaftlich zu den fünf schwächsten Nationen der Welt gehörte. In vielen Regionen ist die Wirtschaft immer noch unterentwickelt, und Xinjiang ist da keine Ausnahme. Oft reden die Leute über Kashgar, wenn sie über das Thema sprechen, und ich habe das auch in einem Video auf Substack behandelt.”

Auch in Vietnam werden alte, dicht gedrängte Stadtviertel, die teilweise überfüllt sind und nicht einmal genug Platz für die Müllabfuhr haben und in denen oft keine Autos geparkt werden können, durch großzügigere Viertel ersetzt. Ich kenne vietnamesische Stadtplaner, die sich nicht so sehr um die Sicherheit der Regierung kümmern, sondern viel mehr darum, sichere Straßen für ihre Nutzer und Orte zu schaffen, an denen Kinder in Sicherheit spielen können.

Fortsetzung folgt

Wumms: Marc Brupbacher

Der Meister der Unlogik und der Kreische.

ZACKBUM will seine Wasserstandsmeldungen zu Covid & Co. mal aussen vor lassen. Das langweilt inzwischen ausser ihm alle. Wir wundern uns allerdings nachhaltig, woher der «Co-Leiter des Ressorts Daten & Interaktiv» die Zeit nimmt, so ausführlich, umfangreich und jederzeit zu twittern. Oder zu xen.

Launig ist schon mal seine Selbstvorstellung nach dem ellenlangen Titel: «Lieber Dr. Strange als Mr. Long Covid». Das soll wohl ein ziemlich verunglückter Versuch sein, witzig auf einen berühmten Filmtitel zu verweisen. Nun, jeder, wie er kann.

Aber neben Covid findet Brupbacher noch Zeit, sich um den Leerwohnungsbestand oder Wahlprognosen zu kümmern. Aber auch da lässt er es bei der blossen Erwähnung von Zahlen nicht bewenden:

«Die Grünen und GLP kommen zusammen auf weniger als 20% Wähleranteil gemäss Umfragen, obwohl der Klimawandel bei den Leuten beim Sorgenbarometer weit vorne liegt und wir einen beispiellosen Sommer mit extremsten Wetterereignissen erlebten. Erklärungen

Daraufhin entflammt ein hübsches Gezwitscher, unter Beteiligung Brupbachers. Aber zuvor zeigte er wieder ein Husarenstück an Unlogik, aus dem Bereich Kannitverstan, ungefähr so, wie als er die Kosten des Zwangsgebührensenders SRG mit dem freiwilligen Abo der NZZ korrelieren wollte.

Nachdem er mit seinem Fanclub seinen Ausflug in den «Wildpark Bruderhaus» inkl. Wolfwatching geteilt hat, kommt er mal wieder voll zur Sache:

«Viele feiern Lindemann nun als unschuldig. Dabei hat keine einzige Frau Anklage erhoben. Warum nicht? Weil sie wissen, was sie erwartet hätte. Die Frauen haben ihre Geschichten erzählt, um andere Frauen zu warnen. Und damit waren sie erfolgreich

Das ist ein Kopfzerbrecher, den man ganz langsam angehen muss, will man kein Kopfweh kriegen. Also der Sänger von Rammstein werde als «unschuldig gefeiert». Nicht wirklich; jemand, der keiner Straftat überführt wurde, ist einfach unschuldig. Das dürfte auch auf Brupbacher zutreffen, da Verbrechen gegen die Logik oder Schrecken der Bevölkerung nicht oder nur auf Antrag strafbar sind.

Lindemann wird als unschuldig gefeiert, «dabei hat keine einzige Frau Anklage erhoben». Das ist richtig und falsch, es haben aber Frauen Anzeige erstattet, was Brupbacher wohl entgangen sein dürfte. Aber laut ihm hätten sie das eben nicht getan, im Wissen darum, «was sie erwartet hätte». Wieso, sie haben doch Anzeige erstattet, und erwartet hat sie, dass man ihre Angaben genauer unter die Lupe nahm, was bei Falschbeschuldigungen nicht unüblich ist.

Nun wird es selbst für brupbachersche Verhältnisse sehr wirr: die nicht strafanzeigenden Frauen hätten einfach «ihre Geschichten erzählt». Das ist wahr, sie haben offenbar frei erfundene Geschichten erzählt oder Geschichten vom Hörensagen wiedergegeben. Dafür wurden sie teilweise ins Recht gefasst und mussten ihre Geschichtenerzählereien wieder löschen.

Damit hätten sie erfolgreich andere Frauen «warnen» wollen. Nein, damit wollten sie sich erfolgreich ihre 15 Minuten Ruhm abholen. Und wovor wollten sie denn Frauen warnen? Sich nicht in die Row Zero einladen lassen, dort nicht als Fans kreischen, nicht willig zur After Party gehen? Dort sich nicht wundern, dass nicht Mikado gespielt wird?

Was soll man diesem Irrwisch Brupbacher nur raten? Immerhin beschimpft er zur Zeit keine Bundesräte und auch keine Wähler. Aber auch das kann sich wieder ändern.

Rimoldi randaliert

Auf welcher Seite steht der Irrwisch eigentlich?

Zuerst fand Nicolas Rimoldi, dass die Teilnahme an Wahlen eigentlich sinnlos sei. Dann überlegte er sich anders und kandidiert nun für den Nationalrat.

Sein Beitrag zur allgemeinen Erregungsbewirtschaftung sind gelegentliche Provokationen, die an Dümmlichkeit schwer zu überbieten sind: «Florida erlaubt das verdeckte Tragen von Waffen ohne Lizenz. Bravo! Das Recht auf Selbstverteidigung ist ein Grundrecht. Wann zieht die Schweiz endlich nach?»

Dieses «Grundrecht» wird in den USA immer häufiger für hirnlose Massaker, auch an Schulen, missbraucht. Will Rimoldi wirklich solche Zustände in der Schweiz?

Damit provozierte er eine Nationalrätin der Grünen zu einem ebenso idiotischen Tweet: «Ach was, in Notwehr erstech ich den Rimoldi auch mit dem Sackmesser.» Nun gab er sich plötzlich betupft: «Eine mutmassliche Morddrohung hat in einer Demokratie nichts zu suchen. … Die Terroristen vom Schwarzen Block wissen jetzt, was sie zu tun haben.»  Er wolle die Nationalrätin wegen «mutmasslicher Morddrohung» anzeigen, jammerte Rimoldi.

Dabei ist ein lebender Randalierer doch für alle Gegner seiner Sache viel wertvoller. Nun hat Rimoldi und seine Gruppe «Mass-voll» die dritte Klatsche mit ihrem Referendum gegen die Covid-Gesetzgebung eingefangen. Also das Gegenteil von dem erreicht, was sie eigentlich wollen.

Fast 62 Prozent stimmten für eine Verlängerung des Covid-Gesetzes, damit ist auf dieser Ebene der Mist längst geführt. Wäre vielleicht der Moment, staatstragend und massvoll die Niederlage einzugestehen. Aber doch nicht Rimoldi:

«Die Schweiz ist auf dem Weg in eine dystopische Hölle. Die freie Schweiz ist am Sterben. Wir sind die letzte Chance, um den weltweiten ‹grossen Reset› zu verhindern.»

Also wenn so die letzte Chance aussieht, dann ist der Reset wohl nicht mehr zu verhindern. Willkommen in der «dystopischen Hölle» Schweiz. Was für ein schändlicher Dummschwätzer.

Peinlich!

Die Plattform-Zeitung SoZ ist platt.

Unglaubliche Zustände an der Werdstrasse. Nein, nicht in Sachen Sexismus und Frauendiskriminierung. In Sachen Zensur und Meinungsdiskriminierung.

Wenn einer Redaktion nicht viel einfällt, macht sie einen Rückblick und lädt dazu Fachstimmen ein. Also Rückblick auf Covid. Dazu wurden bekanntere und unbekannte Namen, darunter auch einige Corona-Kreischen, eingeladen. Dazu Pietro Vernazza. Ein ausgewiesener Fachmann: «Prof. Pietro Vernazza war bis zu seiner Emeritierung Chefarzt der Infektiologie und seit 1985 beim Kantonsspital St. Gallen tätig.»

So heisst es in seinem Blog «infekt.ch». Dortselbst hat er eine brisante Story zu erzählen. Einer der vielen stellvertretenden Chefs des Hauses Tamedia bat ihn darum, auf 1000 Anschlägen seine Antworten zu drei Fragen beizusteuern. Vernazza lieferte und erhielt den Dank des Auftraggebers.

Wunderbar, dachte sich der emeritierte Professor. Und staunte nicht schlecht, als der dann die «SonntagsZeitung» aufschlug. Da waren jeden Menge Stimmen versammelt, berufene und weniger berufene. Nur eine fehlte: seine.

Ob das damit zu tun hat, dass Vernazza nicht in den Tamedia-Sound von «Bundesrat, wir loben dich, Massnahmen-Skeptiker sind aluhuttragende Idioten, alle sollten zwangsweise geimpft werden» einstimmte? Auf jeden Fall tat die SoZ dann das, was auch ZACKBUM fast überall häufig passiert. Auf seine Nachfrage blieb man stumm.

Abgesehen davon, dass man seine interessanten Antworten nun nicht in der SoZ, sondern auf seinem Blog (und in der NZZ) lesen kann: ist das nicht von A bis Z peinlich? Soll das ein Beispiel für die grossartige Weiterentwicklung der SoZ sein, für die Arthur Rutishauser extra als Bauernopfer zurückgestuft wurde?

Ist das ein grosser Skandal? Nein, aber ein kleiner schon. Die SoZ ist nicht mal in der Lage, die naheliegende Antwort zu lügen: ach, sorry, leider war der Platz dann doch beschränkt, konnten Sie nicht berücksichtigen, gerne ein Andermal. Aber gelernt ist gelernt: wenn schon etwas in den Sand setzen, dann richtig.

 

Doppelmoral gegen China

Der sich als moralisch überlegen gebärdende Westen zeigt sich solidarisch mit den chinesischen Demonstranten.

…während er seine früheren massiven Gräueltaten gegen China ignoriert.

Von Felix Abt

«White-Paper-Protesters» in China, die im Westen gut ankommen (Foto: Imago)

Natürlich ist das brutale Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten in China und anderswo verwerflich und zu verurteilen. Wenn dies in China geschieht, ist es besonders abscheulich – zumindest aus Sicht der deutschen, schweizerischen und anderen westlichen Mainstream-Medien und Politiker, die sich besonders um die Menschenrechte in China sorgen. Nur ausnahmsweise wirft ein westliches Mainstream-Medium – so wie die amerikanische Zeitschrift «The Atlantic», der man ganz gewiss nicht vorwerfen kann, «chinafreundlich» zu sein, die entscheidende Frage auf: «Wie viele Covid-Tote werden die chinesischen Demonstranten akzeptieren?», und erklärt: «Ohne diese strengen Maßnahmen könnte eine massive Welle neuer Omicron-Infektionen die Intensivstationen überfluten und 1,55 Millionen Menschen töten.» Tatsächlich ist das chinesische Gesundheitssystem eines der schwächsten, mit einer der niedrigsten Krankenhaus- und Intensivstationsraten der Welt. Es wäre mit einem Ansturm vor allem älterer Patienten völlig überfordert.

So zeigt die chinesische Regierung einmal mehr ihr «brutales» Gesicht, in dem sie die meisten Demonstrationen gegen die bisherigen strengen Covid-Einschränkungen in 17 Städten «weitgehend friedlich aufgelöst» hat, wie sogar CNN vor Ort berichtete. Das «Regime» hat sich bereits einen schlechten Namen gemacht, indem es Kartelle und Monopole brutal zerschlägt (im Interesse der ungefragten Verbraucher und Arbeiter) und die armen Reichen zur Zahlung von Steuern zwingt, um seinem Ziel einer besseren Vermögensverteilung näher zu kommen, was als repressiv empfunden werden kann – vor allem von Milliardären wie Jack Ma, dem «Jeff Bezos Chinas», der beispielsweise gezwungen wurde, die in seinem Besitz stehende «South China Morning Post» zu verkaufen.

Westliche Doppelstandards

Da hat es Jeff Bezos in Amerika besser: Er kann die «Washington Post» behalten und seine Regierung wird ihn nicht daran hindern, wenig oder gar keine Steuern zu zahlen. Doch damit nicht genug: Jeff Bezos will und darf sich auch noch die Hände blutig machen mit den Milliardenaufträgen, die er vom US-Verteidigungsministerium erhält – was Jack Ma und seinesgleichen in China verwehrt bleibt: Der gerade verstorbene frühere chinesische Staatspräsident Jiang Zemin sah eine seiner vier größten Errungenschaften darin, «das Militär aus der Wirtschaft zu verbannen». Auf diese Weise hat er jedenfalls den Aufstieg eines weiteren allmächtigen militärisch-industriellen Komplexes verhindert und die Welt ein wenig sicherer gemacht.

Verschwinden Demonstranten in China im Konzentrationslager?

Die westlichen Medienkonsumenten müssen das Schlimmste für die chinesischen Demonstranten befürchten: Die Medien hypen die Proteste gegen die strengen Covid-Massnahmen und verdrängen die Tatsache, dass es in China immer wieder Proteste gibt. In der Regel führen diese Proteste dazu, dass die Behörden Anpassungen im Interesse der Protestierenden vornehmen. Vielleicht überrascht es die Leser, dass die Behörden in China empfänglicher für Kritik sind als die im Westen. Wenn in Amerika Millionen während vieler Monate auf die Strasse gehen, um gegen Polizeibrutalität zu protestieren, löst es dort keine Polizeireform aus. Wenn die Massen in Amerika gegen die übermächtige Wall Street protestieren, geschieht ebenfalls nichts.

Aber wenn in einem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern einige tausend Unzufriedene auf die Straße gehen, ist das für die westlichen Medien natürlich von allergrößter Bedeutung. Das erwähnte Verdienst des verstorbenen Staatsmannes Jiang Zemin ist dagegen keine Zeile wert!

Über grosse Telegram-Konten koordinierten einige Organisatoren der Demonstrationen ihre Bemühungen, wobei sie dieselbe Taktik wie bei den von den US-Geheimdiensten unterstützten Hongkong-Protesten im Jahr 2019 anwandten. Menschen wurden angeworben, um weisse Papiere zu halten, und erhielten 200 Dollar pro Kopf. Sie sollten gegen die chinesische Führung protestieren und die Proteste viel größer erscheinen lassen, als sie waren.  Die meisten der Rekruten stammten aus Hongkong und Taiwan. Ihr Akzent verriet sie schnell. Die Festlandchinesen kauften ihnen das nicht ab.

Bekannte in China von mir, die ebenfalls von der restriktiven Covid-Regelung genervt sind, haben mir gerade erzählt, dass sie befürchten, dass die Behörden, die die Kritik ernst nehmen, nun überreagieren und die Schleusen zu schnell öffnen könnten, was zu einer Überlastung des Gesundheitssektors führen würde und unter anderem eine ganze Reihe von Long-Covid-Fällen auslösen könnte.

Eine grosse Menge von Zuschauern umringte einige chinesische Demonstranten: Die westlichen Medienmagier haben die Demonstranten so präpariert, dass sie für die Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln posieren. So sehen sie wie eine große Gruppe aus. Auf diese Weise täuschen sie das Publikum.

(Screenshot:NDTV)

Westliche Politiker und Medien «warnen» die chinesische Regierung oder geben ihr – natürlich wie immer selbstlos – «gute Ratschläge». Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang natürlich die Äußerungen von Rishi Sunak, dem britischen Premierminister indischer Abstammung: «Anstatt auf die Proteste ihres Volkes zu hören, hat die chinesische Regierung beschlossen, weiter hart durchzugreifen», tadelt er. Interessanterweise kündigte er nur zwei Tage nach dieser Kritik folgende Massnahmen zum Umgang mit «illegalen» Protesten im eigenen Land an:

(Screenshot:Twitter)

Die Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und China ist allerdings eine ganz besondere: Im 19. Jahrhundert war Großbritannien ein «Narko-Staat», ein Land, das sich durch den Handel mit illegalen Drogen finanzierte. Während seiner imperialen Blütezeit war Opium, obwohl in Grossbritannien illegal, nach Land und Salz die drittgrößte Einnahmequelle des britischen Empire in Indien. Bis 1890 waren 15 Millionen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten von dem von den Briten aus Indien gelieferten Rauschgift abhängig geworden, was 10 Prozent der damaligen chinesischen Bevölkerung entsprach und wohl den schlimmsten Fall von nationaler Drogenabhängigkeit aller Zeiten darstellte. Der chinesische Vizekönig Lin Zexu schrieb damals an Königin Victoria und forderte sie auf, die Opiumlieferungen nach China zu stoppen: «Wir haben gehört, dass Opium in Ihrem Land mit grösster Strenge und Härte verboten ist – ein starker Beweis dafür, dass Sie sehr wohl wissen, wie schädlich es für die Menschheit ist.»

Die «goldene» britische Vergangenheit

Aber solche Bitten stiessen in London auf taube Ohren – da die Gewinne der britischen Händler Vorrang hatten. Unter dem Deckmantel des «freien Handels» startete die britische Regierung 1839 den ersten Opiumkrieg gegen China, um die vollständige Öffnung der chinesischen Märkte für britische Drogenhändler zu erzwingen. Die jahrhundertelange wirtschaftliche Weltmacht China wurde von den Briten und anderen ausländischen Mächten gründlich zerstört.

Vielleicht ist der britische Premierminister ja genauso geschichtsvergessen wie andere westliche Politiker und Medienvertreter? Sonst würde er sich gegenüber China vielleicht etwas mehr Zurückhaltung auferlegen.

Indien, auch ein Opfer des britischen Empire, erging es nur wenig besser als China: Indiens Anteil an der Weltwirtschaft betrug 23 %, als die Briten kamen, und als die Briten gingen, waren es nur noch 4 %. Außerdem lebten am Ende der britischen Kolonialherrschaft 90 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, und die Lebenserwartung lag bei 27 Jahren. Die Alphabetisierungsrate in der britischen Kolonie betrug weniger als 17 %. Die Ausgaben vom Kindergarten bis zur Universität betrugen weniger als die Hälfte des Schulbudgets des Staates New York.

Indien wurde vollständig zugunsten Grossbritanniens regiert. Die industrielle Revolution Grossbritanniens basierte auf der Deindustrialisierung Indiens. So wurde beispielsweise die jahrtausendalte, weltberühmte indische Bekleidungsindustrie, deren Erzeugnisse schon von den Frauen des Römischen Reiches geschätzt wurden, durch eine Industrie auf britischem Boden ersetzt.

Grossbritannien zahlte keinen Cent an Reparationen und entschuldigte sich nicht einmal kostenlos bei China und Indien. Und nicht ohne Ironie erklärte Premierminister Sunak vor ein paar Tagen, die «goldene Ära» der Beziehungen zwischen Grossbritannien und China sei vorbei. Mit Blick auf die «goldene» Vergangenheit, die wohl nur für die Briten gilt, kommt dieses Eingeständnis freilich etwas spät.