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Gedanken zur Freiwilligkeit

Man tut etwas aus freiem, eigenen Willen. Ohne Druck, Beeinflussung oder unter Drohungen. So wie impfen zum Beispiel.

Politik und Medien sind sich einig: die Impfung gegen Covid-19 ist freiwillig. Es gibt keinen Impfzwang in der Schweiz, jeder kann sich entscheiden, ob er an Sinn und Zweck dieser Impfung glaubt oder aus Angst vor Nebenwirkungen oder aus welchen Motiven auch immer darauf verzichtet.

Kurzauftritt der Corona-Kreischen: Das sei keine Frage der persönlichen Freiheit, weil der Nicht-Geimpfte andere Menschen gefährde, indem er sie anstecken könnte.

Es gab in der DDR, der verblichenen Deutschen Demokratischen Republik, die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei. Die Mitgliedschaft bei den «Jungen Pionieren» war völlig freiwillig. Als in der Schule zum ersten Mal gefragt wurde, wer gerne Mitglied werden möchte, meldete sich vielleicht ein Drittel der Klasse.

Einen Monat später waren alle Junge Pioniere, ausser mir. Freiwillig natürlich, aber mein Vater legte sein Veto dagegen ein, es sei schliesslich freiwillig, oder nicht?

Alles freiwillig, oder?

Wer im umliegenden Ausland eine öffentliche Einrichtung, ein Museum, Theater, ein Restaurant besuchen will, muss ein Corona-Zertifikat vorweisen. Die Schlagbäume an den Grenzen gehen wieder runter; immer mehr Länder fordern für die Einreise ein Corona-Zertifikat.

Ungeimpften Schweizer Rückreisenden aus plötzlich dazu ernannten Hochrisikogebieten kann es blühen, in Quarantäne gesetzt zu werden. Es ist absehbar, dass die Schweiz, immer gerne in solchen Umzügen dabei, auch hierzulande die Teilnahme am öffentlichen Leben von dem Impfzertifikat abhängig machen wird.

Inzwischen wird einerseits diskutiert, welche Impfung wie weit gegen die normalen Mutationen des Virus schützt, andererseits, wie sinnvoll eine dritte Impfung sein könnte, euphemistisch Booster-Impfung genannt.

In der Wissenschaft mehren sich die Stimmen, die einerseits Lockerungen der Einschränkungen fordern, andererseits behaupten, dass mit einer vollständigen Durchimpfung der Bevölkerung die Pandemie innert kürzester Zeit besiegt werden könnte.

Pandemie ist das eine, Freiheit das Wichtigere

Im Gegensatz zu vielen Politikern und fast allen Journalisten ist ZACKBUM nicht wissenschaftlich qualifiziert, um hierzu eine fundierte Meinung abgeben zu können. Aber auch im Gegensatz zu den meisten Medienschaffenden hat ZACKBUM eine erhöhte Sensibilität, was in jahrhundertlangen und blutigen Kämpfen errungene Freiheitsrechte betrifft.

Freiheit stirbt scheibchenweise. Das erste Scheibchen: es kann keine freie Debatte mehr stattfinden. Die Schmähkritik vor allem bei Tamedia gegen die jüngste Ausgabe des «Club», wo gewagt wurde, auch Coronaskeptikern die Möglichkeit zur Darlegung ihrer Argumente zu geben, ist ein sehr bedenkliches Anzeichen dafür.

Freiheit stirbt konkret. Klaglos hingenommene Einschränkungen aller wichtigen Freiheitsrechte – Gewerbefreiheit, Reisefreiheit, Bewegungsfreiheit, Besuchsfreiheit – sind konkrete Sterbesignale.

Freiheit braucht Debatte wie die Luft zum Atmen. Es mag sein, dass Impfen tatsächlich der Königsweg aus der Pandemie ist. Es mag sein, dass Impfverweigerer mit sanfter Gewalt zur Einsicht ins Richtige geführt werden sollten. Es mag sein, dass deren eigene Freiheit dort aufhört, wo sie andere damit gefährden würden.

Was aber nicht sein darf: dass über all diese Fragen keine offene, breite, öffentliche Debatte stattfinden kann. Schon eine solche Feststellung trifft auf den erbitterten Widerstand aller Corona-Kreischen, die auf viele zur Verfügung stehende Kanäle verweisen, auf denen alles gesagt, geschrieben, gefilmt werden könne. Allerdings nicht bei ihnen, das gehe dann natürlich nicht, im Fall.

Wer in der Frage der richtigen Bekämpfung der Pandemie auf der richtigen, wer auf der falschen Seite steht, kann ZACKBUM nicht beurteilen. Dass aber alle Debattenverweigerer in den Mainstream-Medien zu den Feinden der Freiheit gehören, daran kann kein Zweifel bestehen. Daher ist zu hoffen, dass sie mitsamt diesen scheiternden Geschäftsmodellen von der Bildfläche verschwinden werden.

Eine Sendung, drei Darstellungen

Es war der gleiche «Club», den Tamedia und «watson» und nau.ch gesehen haben. Nur durch drei verschiedene Brillen.

Corona ist schwierig. Die mediale Behandlung ist in weiten Strecken ein Trauerspiel, ein Rückfall in voraufklärerische Zeiten, als autoritäre Rechthaberei wichtiger war als Erkenntnisgewinn durch Debatte.

Da könnte es ein Lichblick sein, wenn das nicht gerade durch Staatsferne auffallende SRF eine «Club»-Sendung dem Thema «Corona und die Kritiker» widmet. 75 Minuten diskutierten unter der Leitung von Sandro Brotz, selber schon mit kontroversen Aussagen aufgefallen, und Barbara Lüthi eine muntere Runde.

Reto Brennwald (Journalist), Michael Bubendorf (Freunde der Verfassung), Prisca Würgler (Maskenverweigerin), Manuel Battegay (Infektiologe) und Pierre Alain Schnegg (Regierungsrat BE/SVP), da war eigentlich repräsentativ ein hübscher Querschnitt vertreten.

Die Frage beherrschte die Sendung, ob ein Dialog überhaupt noch möglich sei zwischen Befürwortern und Kritikern der Pandemie-Politik der Schweiz. Dazu wollte der «Club» einen Beitrag leisten.

Der «Tages-Anzeiger» leider nicht. Linus Schöpfer weiss, welche Meinung er zu tragen hat. «Club» wird zum Gugus-Spreader-Event», dieser Titel hat immerhin einen Vorteil. Man müsste den Kommentar gar nicht lesen. Aber für die Leser von ZACKBUM tun wir (fast) alles. Auch wenn Schöpfer offensichtlich gegen jede Form von Intelligenz eine natürliche Immunität aufweist – oder dagegen geimpft wurde.

Wie viele Leser verstehen diesen Gaga-Titel?

«Fakten spielten in diesem Club keine Rolle», behauptet er forsch, denn er muss ja dem flotten Titel hinterherhecheln. Er selbst hält sich vorbildlich an diese Behauptung. Ausser, dass der «einzige Wissenschaftler in der Runde» sich – vergeblich – um ein «Mindestmass an Aufklärung» bemüht habe, was ihm aber vor allem von Bubendorf kaputt gemacht wurde, was passierte denn sonst noch in den 75 Minuten?

Welchen «Club» hat Schöpfer wohl gesehen?

«Brotz und Lüthi liessen Nonsense unwidersprochen passieren.» Wobei richtige Verschwörungstheorien doch nicht herumgeboten wurden, wie Schöpfer aufatmend feststellt:

«Niemand sagte Sachen wie «Alain Berset ist ein ferngesteuertes Krokodil».»

Nun ist zum Beispiel Reto Brennwald, als altgedienter SRF-Mann und «Arena»-Dompteur, bislang nicht damit aufgefallen, dass er Gugus versprühen würde. Was sagte er denn in dieser Diskussionsrunde? Differenziert-reflektierte Dinge sagte er, daher kommt er bei Schöpfer natürlich nicht vor.

Jede schöpferische Umdeutung der Realität ist erlaubt. Wenn es sich um ein Kunstwerk handelt. Handelt es sich um eine TV-Kritik, oder einfach eine «Meinung» dazu, sollte die zumindest tiefergelegten Massstäben genügen. «Ging leider schief», verurteilt Schöpfer diesen durchaus akzeptablen Versuch eines Dialogs. Denn der einzige, der dazu offensichtlich nicht in der Lage ist, heisst Schöpfer. Unglaublich, dass niemand bei Tamedia sich traut, so einem Gugus-Schreiber den Stecker zu ziehen. Ist doch ein Mann, da könnte man endlich durchgreifen, bevor der Tagi ins Dumpfbackig-Blöde abschmiert.

Es tut weh, das sagen zu müssen: im Vergleich dazu bemüht sich «watson» immerhin um eine gewisse Ausgeglichenheit.

Drei oder 3, das ist hier die Frage.

Allerdings konzentriert er sich auf «3 Punkte», was dann nur erlaubt, Bubendorf («Maskenloser», bäh) zusammen mit «SVP-Schnegg» (neutral, da er «viel erlebt hatte») und Battegay (bravo, «hartnäckiger Kliniker») aufzuführen. Wieso aber «watson» einleitend zum Fazit kommt:

«Eine lebhafte Diskussion, die Mitleid erweckt»?

Zur Entschlüsselung bräuchte es wohl einen Sherlock Holmes. Inhaltlich macht sich zwar auch «watson» keine Mühe und breitet die No-News aus, dass zwar sowieso niemand Masken trug, die zwei Corona-Kritiker aber auch sowieso keine getragen hätten.

Das ist ungefähr so gugus wie zu sagen: es gibt hier keine Sicherheitsgurte. Aber ich hätte sie auch nicht getragen.

nau.ch geht als strahlender Sieger durchs Ziel

Nau.ch wird oft als Fast-Food-Newsschleuder verspottet, als noch mehr gratis als «20 Minuten». Allerdings: die TV-Kritik von nau.ch gewinnt hier mit Abstand den ersten Preis. Die verschiedenen Positionen kommen zu Wort, es wird an Häme oder Vorverurteilung gespart, der Leser könnte sich ein eigenes Bild von der Sendung machen. Hätte er sie verpasst oder wäre an ihrem Inhalt interessiert.

Jeder ZACKBUM-Leser kann den «Club» nachschauen, so er will. Er kann’s auch lassen, sollte dann aber unserer professionellen Neutralität vertrauen. Die Sendung war ein Lichtblick, indem weitgehend auf das Werfen von Schlammkugeln aus der eigenen Gesinnungsblase verzichtet wurde.

Auch die Moderatoren, aus Sicherheitsgründen gleich im Doppelpack aufmarschiert, zeigten sich für einmal wohlwollend zurückhaltend und erzählten sogar Anekdoten aus ihrem eigenen Umgang mit Corona. Gab’s grossen Erkenntnisgewinn, wurde jemand überzeugt? Natürlich nicht, das passiert nie in solchen Talkshows. Aber man hat weitgehend friedlich und mit überschaubarem rhetorischen Geschäume miteinander gesprochen. Grossartig. Nun muss nur noch Tamedia einen Gang runterschalten, dann könnte vielleicht eine Debatte beginnen.

Mann spricht, Frau schaut: Wo bleibt der Aufschrei?

 

 

 

10’000 Todesfälle

Jeder Tod eines Menschen ist eine Tragödie. Die Berichterstattung über Covid-19 ist ein Skandal.

Eines ist sicher: Die Auswirkungen des Covid-19-Erregers auf die Medien sind letal. In nur 20 Monaten hat sich die sogenannte vierte Gewalt ihrer überlebenswichtigen Eigenschaften begeben. Um sinngebend und wertschöpfend zu funktionieren, brauchen Informationsorgane unverzichtbare Attribute.

Die sind überschaubar: Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit, Behaftbarkeit und Transparenz. Der zahlende Konsument eines Newsherstellers will gewisse Sicherheiten. Banaler Art, wie beim Kauf eines Liters Milch. Die Verpackung sollte einen Liter enthalten. Die ausgewiesenen Eigenschaften des Inhalts sollten zutreffen. Wenn es Vollmilch ist, dann sollte der Fettgehalt auch der Definition entsprechen.

Steht oder fällt mit Vertrauen.

Der Konsument sollte auch auf das Haltbarkeitsdatum vertrauen können; darauf, dass ihm kein gesundheitlicher Schaden entsteht und dass er das Recht hat, sollte die Milch wider Erwarten sauer oder ungeniessbar sein, Ersatz gestellt zu bekommen. All diese banalen Voraussetzungen, die Grundlage für ein funktionierendes Angebot mitsamt vorhandener Nachfrage, treffen auf Bezahlmedien weitgehend nicht mehr zu.

Wo Nachricht draufsteht, sollte auch eine drin sein

Angefangen bei so Banalem, dass es geradezu hirnrissig ist, es überhaupt erwähnen zu müssen. Wo Milch draufsteht, sollte auch Milch drin sein. Wo «Nachricht» draufsteht, sollte ein Inhalt vorhanden sein, der dem Bemühen geschuldet ist, verdichtete, kompetent aufbereitete und möglichst wahrhaftig dargebotene Wirklichkeit abzubilden.

Die aktuelle Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit der Pandemie in der Schweiz beträgt 10’906 nach den verfügbaren Statistiken. Das Medianalter der an oder mit Covid-19 Verstorbenen liegt bei der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz. Die Todesfallstatistik weist von Anfang bis heute aus, dass es eine signifikante Zahl von Todesfällen bei Ü-70-Jährigen gibt. In diesem Alter ist es beinahe ausgeschlossen, dass nicht eine oder mehrere Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Rheuma, Arthritis oder Herzinsuffizienz vorhanden sind.

Drei Journalisten treffen sich …

Das sind unbestreitbare Tatsachen. Aus diesen wenigen Zahlen lassen sich die Thesen ableiten, um das Elend der Schweizer Bezahlmedien zu beschreiben.

Das Elend in 11 Thesen
  1. Was vor allem am Anfang – teilweise bis heute – an Horrorszenarien in den Medien herumgeboten wurde, grenzt an Straffälligkeit. Oder ist es keine Schreckung der Bevölkerung, wenn von bis zu 100’000 Toten, einem zusammenbrechenden Gesundheitssystem, schrecklichen Szenen vor überlasteten Intensivstationen, ja sogar einem Faustkampf um Beatmungsgeräte berichtet wurde?
  2. Prognosen sind immer mit Unsicherheit behaftet, niemand hat eine Glaskugel, in der er in die Zukunft schauen kann. Aber wäre es nicht Ausdruck von Redlichkeit und Anstand gewesen, sich für krachende Fehlprognosen zu entschuldigen – statt sie einfach durch neue zu ersetzen?
  3. Mit der falschen Behauptung, dass nur Unmenschen einen Zusammenhang zwischen einem Menschenleben und Kosten zu seiner Erhaltung sähen, wurde versucht, jede Debatte über die ungeheuerlichen finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Bekämpfung abzuwürgen. Damit wird den folgenden Generationen – ungefragt – ein Schuldenberg in der Höhe von schätzungsweise 200 Milliarden Franken aufgebürdet. Diese Verantwortungslosigkeit wird in den Medien kaum thematisiert.
  4. Die Newsmedien verloren schnell jede Distanz zum Handeln der Regierenden. Wenn der Ausdruck Gleichschaltung nicht historisch vergiftet wäre, wenn der Vergleich mit Staatsmedien im ehemaligen Ostblock mangels Ostblock nicht verfehlt wäre: selten war der Unterschied zwischen SRG und Privatmedien in der Schweiz und Staatsfunk oder dem «Neuen Deutschland» oder der «Prawda» kleiner als heute.
  5. Eine freie Gesellschaft konstituiert sich über eine freie Debatte. Die nur Sinn macht, wenn sie öffentlich ausgetragen wird. Trotz Social Media, Blogs und allen Multiplikatoren im Internet finden solche Debatten weiterhin in den klassischen Medien statt. Fänden statt, wenn nicht selbst ernannte Zensoren, Inquisitoren und Besitzer der guten und richtigen Wahrheit mit mittelalterliche Strenge zwischen richtig und falsch, gut oder böse, erlaubt oder verboten entscheiden würden.
  6. In einer offenen und modernen Gesellschaft ist man sich bewusst, dass jede Form von Entscheidung multifaktorielle Auswirkungen hat; Rückkoppelungen, Spiegelungen, Dinge beeinflusst, an die man gar nicht gedacht hat. Nicht nur im Materiellen. Die psychischen Auswirkungen in allen Formen, auf Kinder, Heranwachsende, Ehepaare, Kleinunternehmer, die Veränderung der Ursachen für Suizide, die Kosten für steil ansteigenden Bedarf an psychologischer Beratung oder Behandlung – alles Themen, die im Tunnelblick der Monokausalität weitgehend untergegangen sind.
  7. Ein Journalist ist meistens ein Mensch, der meint, über alles alles zu wissen. Ein Generalist, der gestern über einen Naturschutzpark, heute über interne Vorgänge in der EU-Kommission und morgen über die Folgen des Attentats auf den haitianischen Präsidenten berichten kann. Dabei auch selbstverständlich zum Epidemiologen, Virologen, Seuchenspezialisten herangereift ist. Rechthaberisch, arrogant, beratungsresistent.
  8. Es hat sich eine fatale Komplizenschaft zwischen einzelnen Wissenschaftlern und den Medien ergeben. Seuchenspezialist ist normalerweise keine akademische Betätigung, mit der man sich im Scheinwerferlicht sonnen kann. Ausser bei einer Seuche. Karriere, Forschungsgelder, Geltungsdrang trifft auf Unkenntnis und der Suche nach Steigerungen in den Medien. Daraus entstand ein absolut unbekömmliches Gebräu, zum Schaden des Ansehens der Wissenschaft, der Medien und auch der Regierenden. Denn die liessen sich von den resonanzverstärkten Fachleuten vor sich hertreiben. Ohne zu berücksichtigen, dass ein Virologe wohl von Viren Ahnung hat. Aber von Wirtschaft, Gesellschaft, Psychologie, gesamtheitlichem Denken – null.
  9. Wer regiert, muss handeln. Wer handelt kann Fehler machen, schuldig werden. Muss mit Auswirkungen umgehen, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gar nicht absehbar waren. Für die er aber dennoch harsch kritisiert wird. Denn Politik ist nicht gerecht oder nett. Sondern ein Kampf um Wählerstimmen, Macht und Posten. Völlig befreit davon sind – Medien und Wissenschaftler. Die einen dienen als willfährige Multiplikatoren, die anderen geben wohlfeile Ratschläge. Beide fordern, kreischen, überbieten sich in der Erregungsbewirtschaftung mit immer absurderen Extremen. Verantwortungslos, zum Schaden ihrer Metiers.
  10. Es gibt keine andere Berufsgattung, bei der die Fähigkeit und der Wille zum Austeilen, zum Kritisieren, zum Rechthaben in einem derartigen Missverhältnis zur Einsicht in eigene Fehler steht. Zur Fähigkeit, Kritik zu vertragen, nicht Besserwisser zu sein, sondern besser zu wissen – als bei Medienschaffenden. Das Eingeständnis eines Irrtums, das Zeigen von Lernfähigkeit, das Beschränken auf Wissensgebiete, über die der Journalist tatsächlich Kenntnisse hat – nur unter Folter denkbar.
  11. Die Darstellung der Wirklichkeit in all ihrer Widersprüchlichkeit, Komplexität, Unüberblickbarkeit – das bräuchte Mut und die intellektuelle Fähigkeit zum «ich weiss doch auch nicht, aber ich beschreib’s halt mal». Ausgeschlossen, wer nicht aus dem Stand bereit ist, dem US-Präsidenten, der Bevölkerung jedes beliebigen Landes der Welt, der Wissenschaft, der Autoindustrie oder der Klimaforschung ungefragt Ratschläge zu erteilen, deren Fehler zu kritisieren, masslose Forderungen aufzustellen – der scheint den Beruf verfehlt zu haben und sollte besser nicht als Journalist tätig bleiben.
Summa summarum: Das sind die wirklichen Krankheitssymptome des Journalismus. Nicht etwa wegbrechende Inserate, schrumpfende Auflagen, flüchtende Abonnenten. Da kann auch Staatshilfe nichts Positives bewirken. Sie gleicht dem Versuch, den Komatösen rote Bäckchen zu verpassen – während die Gehirnaktivitäten gegen null tendieren.

Zu Tode gesparter Journalist betrachtet sich selbst.

Aber keine Panik, das Bedürfnis nach Information über das Nahe und das Ferne, das ist ungebrochen vorhanden. Dafür wird auch in Zukunft Geld ausgegeben. Für die Medien des Duopols in der Schweiz sieht es allerdings aschgrau aus. Zappenduster. Schwarz wie Druckerschwärze. Arme Hungerkünstler, die noch einmal wichtig tun wollen, als klappernde Skelette um die verglimmenden Lagerfeuer der öffentlichen Meinungen tanzen. Umso überzeugter von ihrer Wichtigkeit und Bedeutung, desto deutlicher sie fröstelnd spüren, wie der Nachtwind sie in die Vergänglichkeit weht.

Journalist (früher, nur für Gebildete).

Schweizer, macht Ferien in der Schweiz!

Umso näher die Sommerferien rücken, desto schriller werden die Warnungen.

Nachdem Leichenberge und zusammenbrechende Gesundheitssysteme zurzeit nicht mehr so Thema sind, braucht die Medienmeute ein neues Spielfeld, wo richtig die Blutgrätsche zum Einsatz gebracht werden kann.

Da drängen sich natürlich die Sommerferien auf. Genauer: Sommerferien im Ausland. Man kann zusammenfassend sagen: sollte man lassen. Sollte man vergessen. Schweizer, kauft Schweizer Hotels und Restaurants ihre überteuerten Angebote ab! Das ist die Devise, auf die sich viele Medien geeinigt haben.

Natürlich wird das nicht so plump propagiert. Sondern mit Horrormeldungen insiniuiert. Horrormeldungen über mögliche Probleme, die der kühne Wunsch, Ferien im Ausland verbringen zu wollen, fast zwangsläufig nach sich zieht. Mal eine Auslegeordnung.

Zunächst muss ja gereist werden, um ins Ausland zu gelangen. Per Flugzeug: möglich. Aber: ist der Rückflug auch garantiert? Was passiert, wenn das Ziel während des Aufenthalts von «harmlos» zu «Hochrisikogebiet» hochgestuft wird? Selbst, wenn der Tourist wieder wegkommt, muss er dann 14 Tage in Quarantäne in der Schweiz? Wenn ja, was hält wohl der Arbeitgeber davon?

Neue Marotte: Spielregeln während des Spiels ändern

Spielregeln während des Spiels ändern, das ist tödlich auf jedem Gebiet und überall. Besonders aber im Tourismus, denn der durchschnittliche Pauschaltourist ist ein ängstliches und scheues Wesen. Unter Abenteuerferien stellt es sich höchstens vor, dass am Anfang der Reise noch nicht klar ist, wo am letzten Abend gegessen wird.

Aber nun noch mögliche Tests, Hürden, Quarantäne, gefährdete Rückflüge? Vielleicht doch lieber nicht. Aber, wozu hat man denn ein Auto? Damit kann man zwar nicht unbedingt an die Billigstrände der Türkei oder Griechenlands fahren. Aber das nähere Umfeld sollte doch möglich sein. Also Italien, Frankreich, vielleicht auch Österreich oder Deutschland.

Vorsicht, kräht da Tamdia gerade, «an den Grenzen drohen Corona-Staus». Stau, das Wort hört der Automobilist höchstens dann ohne gleich Pickel zu kriegen, wenn es sich um den Stau vor dem Gotthard handelt. Denn das ist dann wenigstens ein ordentlicher Schweizer Stau. Aber an den Grenzen? Da ist man dann doch der reinen Willkür ausländischer Grenzer ausgesetzt. Weiss man denn, was die alles von einem wollen? Tests? Aber welche? Und die dürfen dann auch nicht älter als 48 Stunden sein. Oder 72? Gibt es noch weitere Hindernisse?

Was passiert, wenn der Grenzbeamte es ganz genau nimmt, bei jedem Automobilisten? Das kann dann doch Stunden dauern. Vielleicht sogar Tage. Aber dann ist man erst mal im Ferienland angekommen, wie steht es hier mit der Rückreise? Schweizer Grenzbeamte können auch ganz schön streng gucken und es auch sein. Da nützt dann das Winken mit dem Schweizerpass eher wenig. Quarantäne, Busse, Scherereien?

Positiver Test vor Reiseantritt: und dann?

Wo soll denn da die Erholung bleiben? Oder nehmen wir an, der erst kurz vor der Reise durchgeführte Test (wenn es dann überhaupt noch Testkapazitäten hat, anderes Problem!) ergibt überraschenderweise ein positives Resultat. Der Betroffene ist zwar symptomlos und fühlt sich pudelwohl. Fühlte sich, denn bedeutet das nun, dass die gebuchten Ferien gestrichen werden müssen?

Und was heisst das für die Buchungen? Ist das Geld weg? Kriegt man Anzahlungen wieder zurück? Und wohin soll man im letzten Moment umdisponieren? Ist doch schon alles voll in der Schweiz, und «last minute» heisst heutzutage: sauteuer, nicht schweinebillig. Selbst wenn man all diese Hürden überwunden hat, wie sieht es dann am Zielort aus? Laufen da alle Angestellten mit Masken rum? Oder, noch schlimmer, ohne?

Wie fühlt man sich in einem fast leeren Hotel? Oder ist es voll mit lärmenden Einheimischen, wo man sich doch heimeligen Umgang mit Schweizer Touristen erhofft hatte? Kommt man so in Ferienlaune? Geht so Erholung? Oder ist das alles wieder mal schwer übertrieben, so wie mit den Leichenbergen und zusammenbrechenden Gesundheitssystemen?

Wem kann man noch trauen? Welchen Experten, welchen Medien? Wichtiger noch: bezahlt Schweiz Tourismus wenigstens etwas dafür? Oder machen das die Medien einfach aus Patriotismus oder weil sie vom Zahlvater Bund einen Wink bekommen haben, dass man sich für die Steuerbatzeli satt dann schon etwas erkenntlich zeigen sollte, indem man die einheimische Tourismusindustrie unterstützt?

Der Aargau: wie immer vorbildlich …

Oder nein, noch besser: es ist Seelenverwandtschaft. Der Schweizer Tourismus leidet seit Jahren unter zu hohen Preisen für zu miese Angebote und jammert darüber, dass immer mehr Landsleute lieber die Gastfreundschaft Österreichs oder anderer Ländern geniessen. Kräht zudem nach Staatshilfe, statt einzusehen, dass es so etwas wie Angebot und Nachfrage gibt. Teuer und schlecht war noch nie ein gutes Angebot.

Den privaten Medienhäusern geht es ganz ähnlich. Sie verlangen seit Jahren zu hohe Preise für immer miesere Angebote. Wundern sich, dass ihnen die zahlenden Konsumenten wegbrechen. Und krähen nach Staatshilfe.

Auch das kann in den Fernferien passieren …

 

Es darf gelacht werden: Cohoho. Corona. Kicher. Gröl.

Wir sind endgültig ins Zeitalter des Nonsens, des Slapsticks, der Lächerlichkeit eingezogen.

Immer noch keine Leichenberge. Keine italienischen Verhältnisse (die es so auch nie gab). Keine 20’000, 100’000 Tote in der Schweiz. Kein kollabierendes Gesundheitssystem. Keine herzzerreissenden Szenen vor den Intensivstationen oder Notaufnahmen.

Man hört und spürt förmlich, wie auf den Schrumpfredaktionen Verzweiflung ausbricht. Der Blattmacher schaut mit bösem Blick in die Runde: Na, will wirklich keiner die nächste Sparrunde verhindern? Wenn ich «Corona» sage, was sagt Ihr?

Betretenes Schweigen, als hätte man gerade den Verlust eines nahen Verwandten zu beklagen. Tiefes Schweigen, als hätte man bei der Testamentseröffnung gerade vernommen, dass das erkleckliche Vermögen dem Tierheim «Traurige Pfote» vermacht wird. In dieses Schweigen hinein donnert der Blattmacher: Wollen wir denn ewig Fussball, Cola-Flaschen und ähnlichen Quatsch auf der Front beschreiben? Was sollen wir denn zu unserer Nati noch sagen? Kollektiv-Selbstmord? Alle müssen sich Haare blond färben? Schon mal an eine zweite Karriere im Handball gedacht? Und das Bundesasylzentrum liegt auch schon im Koma, wird künstlich beatmet und alle Körperfunktionen werden extern durch Geräte erledigt

Claudia C. hebt mutig die Hand: «Wie wär’s, wenn ich einen Kommentar über Spielerfrauen schreiben würde?» Der Blattmacher denkt: wenn die nicht den hätte, den sie hat, würde ich sie nun vor versammelter Mannschaft fertigmachen. Stattdessen sagt er: guter Ansatz. Nur, da hatten wir gerade eine Seite drüber im Blatt. Aber ist notiert.

Corona, wo bleibt Corona?

Salome N. meldet sich: «Wieso heisst es eigentlich «der» Fussball? Wieso schreiben wir nicht Fussball*In-EM?» Der Blattmacher nickt matt. Aleksandra I. will die Dritte im Bunde sein: «Wie wäre es mit einem Wörterbuch, welche Ausdrücke beim Kommentieren eines Matchs erlaubt sind – und welche nicht?» Der Blattmacher denkt sehnsüchtig an seine Notfall-Flasche im Pult: ja, schön, mach das mal.

Corona, wirft er dann nochmal in die Runde. Nun meldet sich auch die Macho-Fraktion, also ein paar Männer. «Wie wär’s mit einer Serie: vor einem Jahr? Grenzzaun in Kreuzlingen, usw.» Letzthin mal Schweizer Farbfernsehen geschaut, schnaubt der Blattmacher. «Nebenwirkungen der Impfung?» Zufällig letzthin mal Tamedia-Blätter gelesen, schnappt der Blattmacher. «Hätte da eine schöne Grafik aus der Süddeutschen», sagt der nächste.

Guter Ansatz, leider für Deutschland.

Das ist über Deutschland, du Pfeife, keift der Blattmacher. «Ich hätte da einen Wissenschaftler, der sagt, dass …» Wenn ich noch ein Mal einen Wissenschaftler was sagen höre, dann kriege ich einen Blutrausch, schreit der Blattmacher. Der eine ist wieder besorgt, der andere ist optimistisch, unsere Leser glauben denen doch kein Wort mehr.

Der Mahner, der Warner, der Fehlprognostiker.

«Ich habe da aber einen, der sieht das Ende der Welt kommen», insistiert einer. Wenn selbst die alte Unke Brupbacher ein optimistisches Interview führt, was soll das dann, winkt der Blattmacher ab.

Immerhin: mit der Fotografie (aus der indischen Schweiz)
wird zu viel Optimismus eingefangen.

«Wieso diskutieren wir nicht das Verhältnis von Politik und Wissenschaft», fragt nun einer. Auch die «Republik» und den gähnlangweiligen Artikel eines ETH-Profax gelesen, ja, schüttelt der Blattmacher den Kopf.

Die Vorschläge werden immer verzweifelter

«Hinein in die Corona-Diktatur», wagt nun einer. Wie bitte, sagt der Blattmacher, wo hast du denn deinen Aluhut gelassen? Das sind alles bedauerliche, aber nötige Massnahmen; so steht’s im ungeschriebenen Gesetzbuch der Berichterstattung. Oder frag doch mal Rutishauser, was der von so einer Idee halten würde.

Oder vielleicht mal wieder ein Tweet und seine Folgen?

«Ich kenn da einen, der kennt eine, die wohnt in einer WG mit einer Mitarbeiterin im Bundesasylzentrum.» Und, fragt der Blattmacher. «Nichts und, ich könnte da ja mal recherchieren, aber ich müsste dann das Trambillett auf Spesen nehmen.» Vergiss es, sagt der Blattmacher, wieso nimmst nicht dein Velo. «Hat einen Platten» sagt der Redaktor beleidigt.

Kann man so oder so sehen, heutzutage.

«Ich könnte mal wieder einen Tweet raushauen», sagt Marc C., «dass der Stadtrat, der Kantonsrat, der Bundesrat alle unfähig, fahrlässig, verantwortungslos sind, ich mit denen fertig habe und fordere …», nein, verwirft der Blattmacher die Hände, Rutishauser tut heute noch das Ohr weh, so wurde er nach deinem letzten Quatsch angebrüllt.

«Wie wäre es dann halt mit einem gnadenlosen Recherchierstück: die schönsten Badis? Die besten Glace-Stände? Die lauschigsten Plätze an Limmat und Sihl? Die besten Open-air-Anlässe?» Der Blattmacher applaudiert: danke, endlich was Sinnvolles. Wenn wir diesen Neuzugang vom «Blick» nicht hätten, das Blatt ist gerettet. Helm auf, ans Gerät, ausschwärmen, ihr dürft auch auf Kosten des Hauses eine Glace auf Spesen nehmen. Aber nur eine, und nicht teurer als 2 Franken.

«Dafür kriegt man in Zürich doch keine Glace»,

meckert noch einer. Aber wir können das als Ausdruck unserer sozialen Einstellung in die nächste Rede von Supino einbauen, denkt an eure Arbeitsplätze, hebt der Blattmacher die Sitzung auf.

Corona-Kollateralschäden

Nicht nur Wissenschaftler, auch Medienschaffende können froh sein, dass sie völlig haftungsfrei sind.

Fordern, mahnen, erinnern. Die Lieblingsbeschäftigung vieler Journalisten heutzutage. Zu welchen Sumpfblüten das führt, haben wir schon mehrfach dargestellt.

Wissenschaftler, Politiker und Journalisten haben eins gemeinsam: sie müssen keinerlei persönliche Verantwortung übernehmen. Sie sind nicht haftbar für den Unfug, den sie quatschen. Ein Wissenschaftler hat höchstens eine kleine Delle im Renommee, wenn er sich mal für mal grauenhaft verhauen hat. Politiker können die Wiederwahl nicht schaffen, haben sich aber in der Zeit vorher so gut vernetzt, dass sie problemlos irgendwo ein warmes Plätzchen finden. So wie der Ex-Bundesrat Moritz Leuenberger, der nach Abschluss seiner politischen Karriere flugs Implenia-VR wurde.

Dass er als Bundesrat genau dieser Firma Aufträge erteilt hatte führte, zuerst zu Gebrüll, dann zu seinem schnellen Abgang nach nur zwei Jahren. Journalisten sind für Geschreibsel oder Getwitter auch nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Pressefreiheit plus Meinungsfreiheit. Plus gut bestückte Rechtsabteilungen, die wohl 90 Prozent aller Meckereien wegräumen.

Der Baukonzern leidet auch unter Corona; so hat er viele Baustellen vorläufig still gelegt. Wie der Konzern aus diesem Schlamassel wieder rausfinden soll; schleierhaft. Im Bündnerland könnte sich der nächste Bauskandal anbahnen

Denn dort macht Implenia fast alle Standorte dicht. Nun könnte man sagen: also ein Baukonzern, bzw. seine Führungsetage, muss streng, aber gerecht sein. Und da es bei der Gerechtigkeit mangelt, die meisten Mitarbeiter auf staatliche Aufforderung hin Abstriche hinnehmen müssen, lässt es sich die Chefetage wohl sein.

Welche Folgewirkungen gibt es schon?

Wes Geistes Kind die dort Hockenden sind, ausgestattet mit gutem Gedächtnis und rauchender Zigarre, das ist dem Publikum immer wieder entgangen. Da muss ja eine Planung dahinter stecken, da kommt keiner mehr rein, keiner mehr raus.

Aber das ist ja nur der Eisberg; es gibt noch weitere Zacken und grade deren Folgewirkungen des umstrittenen Lockdowns? Pipifax. Beruhigt nicht wirklich. Pleitewelle von Fitnesscentern im Sommer, das unkt nicht irgend ein Verschwörungstheoretiker. Das wurde auf SRF genau so ausgestrahlt. Zuerst lange geschlossen, dann wieder eröffnet.

Kleine Wellen schlagen auch die vielen Meldungen, dass jugendpsychiatrische Einrichtungen an der Kapazitätsgrenze oder sogar darüber hinaus seien. Die Anzahl von Jugendlichen, die sich wegen Suizidgefährdung selber melden, ist sprunghaft angestiegen. Hat sich einer dieser Schreihälse in den Medien jemals Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen dieses Corona-Jahr auf Heranwachsende hatte?

Das Kollabieren ganzer Wirtschaftszweige; Hotellerie, Gaststätten, Reisebranche, Tourismuszulieferer: wenn man keinerlei Haftbarkeit hat, kann man frei von Verantwortung so viel gute Ratschläge raushauen wie der Tag Stunden hat.

Seit doch etwas für Irritationen sorgt, dass die Eidgenossen und die Reichsdeutschen aufgrund der gleichen Zahlengrundlage – die meisten Indizes in der Schweiz und in Deutschland sind ziemlich nahe beieinander – zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen kommen, hat sich die lautstarke Beschimpfung von Abweichlern deutlich in der Phonstärke gemässigt.

Ohne ständiges Nachschütten von Kompetenz …

Während man vorher ohne jegliche eigene Kenntnisse aufgrund von Parametern, denen die Wissenschaftler eine Bedeutung zumassen, lautstark Lockdown rufen und fordern konnte. Noch lautstärker als alle Aluhutträger und Selbstgefährder beschimpfen, die das anders sehen und sich sogar zu unerlaubten Demonstrationen zusammenrotten.

Da das aber nun auf Regierungsebene nicht so möglich ist, entweder die deutsche oder die Schweizer Regierung als völlig von der Realität abgehoben zu beschimpfen (es gibt in der Schweiz nur einen journalistisch tätigen Amok, der sogar das tut), wird das wohlfeile «da müsste man endlich, wenn man nicht, dann aber, alle sollten mal auf mich hören» schal und billig.

Und da hinter all diesem medialen Nachgeplapper nur selten eigene Kompetenz oder eigenes Fachwissen stehen, verstummen all die Heerscharen von frisch qualifizierten Corona-Experten in den Medien zunehmend.

Sie haben in der Schweiz ja bloss einen Beitrag dazu geleistet, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemiebekämpfung in Zahlen ausgedrückt wohl bei über 150 Milliarden Franken liegen. Nachbereinigungen durch gigantische Schadenersatzklagen noch gar nicht eingerechnet.

Da zuckt der Journalist mit den Schultern und hofft auf ein neues Thema. Gaza-Streifen gegen Israel und umgekehrt, wenn das eskaliert, kann der Medienschaffende endlich den weissen Wissenschaftlerkittel abstreifen und mit ernster Miene den Beteiligten und der ganzen Welt erklären, wie das Nahostproblem im Handumdrehen gelöst werden könnte.

Nur ganz schlaue Journalisten wundern sich immer mehr, dass immer weniger auf ihre Meinung wert gelegt wird. Und für Artikel mit Hand und Fuss statt copy/paste, dafür fehlt die Zeit und das Know-how. Also her mit der Staatsknete. Und alle Medienkonzerne in der Schweiz machen weiter Dehnungs- und Lockerungsübungen, wie man für Inserenten die Beine noch weiter spreizen könnte.

 

 

Corona: Das Weisse Rauschen

Mal Hand aufs Herz: Haben Sie noch den Überblick? Was erlaubt ist, verboten, was kommt?

  • «Fallzahlen um 98 Prozent gesenkt: wie haben die Portugiesen das geschafft?» Das verrät uns der «Blick».
  • «Gastrosuisse will seine Gästedaten direkt an den Staat liefern.» Das weiss nau.ch.
  • «Basel: Hunderte tanzen im Bahnhof zu Hymne gegen die Corona-Massnahmen», beobachtete «20 Minuten».
  • «Die Schweiz als riesiges Wartezimmer – wie die Corona-Impfung vom grossen Versprechen zur Hängepartie wurde.» (NZZ, hinter Bezahlschranke).
  • «Verbreiteter Irrtum: Wie man sich auch auf einer Restaurant-Terrasse mit Corona anstecken kann.» (CH Media, hinter Bezahlschranke)

Der Selbsttest: Wissen Sie aus dem Stand, was Sie heute mit und was ohne Maske tun dürfen? Kommt der Impfpass mit Privilegien? Gewinnt die Schweiz den Kampf gegen die Pandemie, oder steht’s immer noch unentschieden? Wollen wir mal wieder über die volkswirtschaftlichen Schäden reden?

Ist nun alles gut mit dem Impfen? Werden wir den Sommer geniessen können? Wird es im Herbst dann wieder die übliche Welle geben? Was kehrt wieder zur alten Normalität zurück, was nicht?

Geben Sie’s zu, ich gestehe es auch: Nach weit über einem Jahr Corona, Corona, Corona verschmilzt alles zu einem weissen Rauschen. Leistungsdichtespektrum, so nennt man das in der Physik. Es sind keine einzelnen Töne mehr zu unterscheiden.

Absicht oder Zufall oder Inkompetenz?

Wird diese Granulierung, diese Homogenisierung, dieser Brei absichtlich hergestellt? Absichtlich im Sinn von: mit planhaften Hintergedanken? Soll ausprobiert werden, wie schnell und wie lange sich grössere Teile der Bevölkerung zu Untertanen-Schafen machen lassen? Mit welchen Trigger-Begriffen man Abweichendes, Ausbrechendes, den Status quo Gefärdendes stigmatisieren und diskriminieren kann?

Fällt es niemandem wirklich auf, auf welch kläglichem Niveau der öffentliche Debatte wir schon angelangt sind? Da verwendet der letzte lebende Grossschriftsteller der Schweiz das Wort Auschwitz, um seinen vorangehenden, bedenkenswerten, aber für die aktuelle Wisch-und-Weg-Leserschaft viel zu langen und komplexen Gedankengang wenigstens für mehr als eine Minute im Diskurs zu halten.

Und was passiert Adolf Muschg? Das ist ihm gelungen, aber kein Mensch interessiert sich wirklich für seine Kritik am Blasendenken, daran, dass der Rassismus- oder Sexismus-Kritiker so häufig mit den gleichen faschistoiden Methoden bekämpft, was er eigentlich verabscheut. Und dieser Widerspruch ihm überhaupt nicht auffällt.

Wenn selbst das nicht mehr möglich ist, von ganz wenigen, löblichen Ausnahmen abgesehen, alle einmal blub sagen, Auschwitz, zweimal blub sagen Cancel Culture, dreimal blub sagen: geht gar nicht.

Auschwitz ist plakativ

Auschwitz; notfalls hilft Google, damit kann man etwas anfangen. Auf die zeitgemässe Art: indem man sich fürchterlich erregt. Da kreischt doch ein selbstvergessener Geschichtsprofessor ungehemmt rein: «Herr Muschg sollte sich in Grund und Boden schämen.» Mensch und Meinung, deckungsgleich? Schämen, bereuen, büssen, entschuldigen, bringt das die Debatte einen Millimeter weiter?

Wer debattiert überhaupt noch? Spontane und vorbereitete Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen? Da fragt die Journaille bang: Gibt es wieder ein Krawall-Wochenende? Und reibt sich schon die Hände. Journalisten schwärmen aus und bieten Chaoten aus dem Schwarzen Block an, dass sie sie berühmt machen können, wenn die einen Einsatzplan mit Uhrzeit rüberwachsen lassen. Denn dann ist der Reporter zufällig vor Ort, hat das exklusiv, die Chaoten kommen in die Medien, alle sind zufrieden.

Schon dieser Artikel reicht aus, um auf die Watchlist zu kommen. Die Watchlist von potenziell zu Verschwörungstheorien neigenden Menschen. Denn jede Theorie gegen die maskendumpfe, das Gehirn stilllegende, ein Leichentuch über die Gesellschaft werfende Staatspolitik ist ­– Verschwörungstheorie. Verschwörungsanhänger sind bekanntlich im besten Fall harm- und bedeutungslos, im schlimmsten brandgefährlich.

Man wird ihrer nur Herr, wenn man sie vom Diskurs auschliesst. Meinungen, und damit gleiche Menschen, zum unerwünschten Ausländer erklärt. Weg damit. Und das mit der Beschallung mit weissem Rauschen ergänzt, damit die Welt in Fraktale zerfällt. In endlose, unendliche Knäuel. Schön anzuschauen, aber selbstreferenziell nur sich selbst enthaltend.

Genau wie diese Blasenbewohner. Die zu Zeiten der Aufklärung von Denis Diderot und so vielen anderen aus den Salons gelacht worden wären. Aber heute bestimmen sie die modernen Salons, die Pöbelplattformen, die Monopolmedien. Und weil sie wenigstens erahnen, dass ihre geistigen Fähigkeiten höchstens dazu reichen, schillernde Blasen zu blasen, wollen sie keinerlei Widerworte zulassen. Weil das dann die Stecknadeln wären.

Corona: endlich abgenabelt

Unter verkniffenem Schweigen der Qualitätsmedien tut sich Wunderliches.

Nehmen wir die letzthin in den Vordergrund geschobene Zahl. Die 7-Tage-Inzidenz. Die löste die 24-Stunden-Inzidenz ab, nachdem der Protest gegen diesen Unsinn immer lauter wurde.

Also die Zahl der Neuinfektionen pro 100’000 Einwohner über 7 Tage gemittelt, nachdem der Unfug mit absoluten Zahlen weitgehend auch verschwunden ist.

Da liegen die Türkei, Zypern und Schweden auf den vordersten Plätzen. Obwohl die drei Länder ganz verschiedene Strategien bei der Bekämpfung gefahren haben. Beim Spitzenreiter Türkei sprechen wir von 477,5 Fällen.

Darum herum drehen die meisten Wissenschafter.

Dagegen sehen die Schweiz und Deutschland recht manierlich aus. 176,3, beziehungsweise 171,6 Fälle, damit liegen die Länder auch in der Statistik freundnachbarschaftlich beieinander.

Ähnliche Zahlen, verschiedene Strategien

Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Deutschland ist in Alarmmodus, als sei die «German Angst» wieder ausgebrochen. Bundeskanzlerin Merkel will ungehorsamen Bundesländern mit der höchstamtlichen Notbremse auf die Füsse treten. Massnahmen bis zum Total-Lockdown mit Ausgangssperre und weitgehender Schliessung von allem sind ernsthaft in Diskussion.

Schule wieder zu, Schule ausgedünnt, Schule im Freien, Schule per Fernunterricht, auch da werden alle Massnahmen durchgespielt, diskutiert und ernsthaft in Erwägung gezogen.  Die Wissenschaftler, Überraschung, warnen, geben zu bedenken, fürchten, halten es für dringlich geboten.

Da herrscht noch Einigkeit mit der Schweiz. Auch die Scientific Task Force to the Bundesrat hat Bedenken, befürchtet, sieht gleich den ganzen Sommer in Gefahr. Die Reproduktionszahl liege bei 1.11, Positivität bei 7,6 Prozent. Weitere Erklärungen würden zu weit führen; was man wissen muss: die erste Zahl ist viel zu hoch, die zweite viel zu niedrig.

Glaubt man der Task Force, aber wer tut das schon noch. Deshalb häufen sich die Abgänge; immer mehr Mitglieder rollen die Fahne «hört auf die Wissenschaft» ein. Entweder, weil sie wie Marcel Salathé genügend Wirbel veranstaltet haben, um ein lukratives Pöstchen zu ergattern. Oder weil sie, wie Christian Althaus, Manuel Battegay, Monica Bütler oder Marcel Tanner, nicht genügend Aufmerksamkeit erregen konnten.

Genau wie unlängst Dominique de Quervain. Er täubelt, weil er die Lockerungen für einen Fehler hält. Das ist sein gutes Recht, das hier weniger: «Das ihr auferlegte politische Korsett verhindert die dringend notwendige, ungefilterte wissenschaftliche Aufklärung.»

Entscheidungen fällen immer noch gewählte Verantwortungsträger

Unter politischen Korsett versteht er wohl, dass die Wissenschaftler, weil sie keinerlei Verantwortung für ihre Ratschläge tragen, nur beratend tätig sein dürfen, die Entscheidungen würden immer noch von den Regierenden gefällt, musste sie Bundesrat Berset schon öffentlich zur Ordnung rufen.

Ihr Verhalten ist so aberwitzig, wie wenn ein Rechtsanwalt das Gericht auffordern würde, gefälligst nur seiner Meinung zu folgen. Denn so sähe das auch die Mehrheit aller Anwälte. Sollte es Abweichler geben, so sind die zu vernachlässigen.

Wichtiger als dieses kindische Verhalten – wenn mir eine Entscheidung nicht passt, gehe ich, das habt Ihr dann davon – ist aber etwas anderes. Aufgrund der ähnlichen oder sogar gleichen Zahlen, obwohl die in der Schweiz sogar ein Mü höher als in Deutschland sind, haben die Regierungen diametral entgegengesetzte Schlussfolgerungen daraus gezogen.

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat seit Mitternacht den harten Lockdown verhängt. Schulen, Kitas und die meisten Geschäfte bleiben geschlossen. Auch anderswo gelten schärfere Regeln, inklusive Ausgangssperren. Währenddessen dürfen in der Schweiz Kinos, Fitnesscenter, Theater und Restaurants im Aussenbereich öffnen.

Das findet Deutschland, das finden alle Corona-Kreischen in der Schweiz unmöglich. Gefährlich, fahrlässig, unverantwortlich. Es werden wieder die üblichen Hiobsbotschaften verbreitet: Notfallstationen ausgelastet, bald überlastet. Nächste Welle garantiert. Freiheit im Sommer verspielt.

Zwischen vielen Faktoren abwägen

Dabei wird geflissentlich übersehen: Weder die deutschen, noch die Schweizer Regierenden sind eine Bande von Idioten und Hirnamputierten. Sie mögen ihre Defizite und Schwachstellen haben, das nicht zu knapp. Aber wenn sie zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen aus den vorliegenden Zahlen kommen, heisst das einfach:

Diese Zahlen sind ein Faktor in der Beurteilung und Entscheidungsfindung, aber auch nicht mehr.

Denn Politik ist, im Gegensatz zu Wissenschaft, auch die Kunst des Abwägens, der Verhältnismässigkeit. Unter Berücksichtigung aller Faktoren, wenn möglich, und nicht nur ein paar Zahlen. Denn die Gesamtauswirkungen eines Lockdowns, nur schon auf die Wirtschaft, die Psyche, die Zukunft, die Jugend, sind verheerend und komplex.

Da kann man ohne Weiteres zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen. Aber das ist für viele Wissenschaftler nicht nur völlig falsch, sondern geradezu eine persönliche Beleidigung. Die nur mit Schmollen und Rücktritt abgewaschen werden kann. Der Wissenschaftler als Kindskopf, der sich für den Nabel der Welt hält. Aber: abgenabelt.

Nach der Schlagzeile kann man abdrehen

Radio SRF will in seinen Nachrichten nicht nur informieren, sondern auch «einordnen». Das tut der Sender so konsequent, dass man gar nicht sehr lange hinhören muss.

Von Stefan Millius*

Die gefühlte 842. Corona-Medienkonferenz des Bundesrats steht an, das Gewerbe bettelt im Vorfeld laut um Lockerungen, und Radio SRF 1 schaut in der Sendung «Heute Morgen» um 8 Uhr nach vorne. Das tut sie in Form eines Interviews mit dem Inlandredaktor von SRF 1, dieser beliebten, leicht nach Inzucht riechenden Form des erweiterten Selbstgesprächs.

Kommt Ihnen das Klötzchen-Logo auch bekannt vor?

Aber muss man da hinhören? Muss man nicht. Jedenfalls nicht lange. Denn «Heute Morgen» liefert bereits in der Themenübersicht, den ersten 30 Sekunden der fast 13 Minuten langen Sendung, die Auflösung darüber, was danach kommen wird. Die Schlagzeile zum Thema lautet:

«Bei den Coronamassnahmen hat der Bundesrat derzeit wenig Spielraum. Wir fragen, ob er ihn trotzdem nutzt an seiner heutigen Sitzung.»

Wie von der Bundeskanzlei formuliert

Es gab eine Zeit, da diente eine Schlagzeile dazu, zu sagen, was passiert ist. «Heute Morgen» macht es anders, und das nicht erst seit heute. Der Moderator sagt uns lieber, was eigentlich nicht passieren darf. Nämlich weitere Lockerungen. Dass der Bundesrat «wenig Spielraum» für eine Öffnung hat, beispielsweise in der Gastronomie, ist keine journalistische Betrachtung, sondern eine Schutzbehauptung, als wäre sie von der Kommunikationsabteilung der Bundeskanzlei formuliert worden. Es ist eine rein subjektive Einschätzung. Sie ist richtig, wenn man die Kriterien, die der Bundesrat für Lockerungsschritte eingeführt hat, ernst nimmt. Aber das tun ja hoffentlich nicht mehr viele Leute.

Denn zu den erwähnten Kriterien gehören unter anderem der aktuelle R-Wert und die 14-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen. Beides basiert bekanntlich auf der Teststrategie, bei der auch mal an Schulen und in anderen Institutionen nur die positiven Resultate gezählt werden, weil alles andere zu aufwendig wäre. Nur in die Rechnung nehmen, was einem in die Hände spielt: Kann man machen, hat hinter dem Eisernen Vorhang ja auch lange funktioniert und in den Büchern zu sensationellen Übererfüllungen der Produktion geführt, während die Läden leer waren.

Freie Betten – na und?

Das einzige Kriterium, das wirklich Sinn macht, ist die Belegung der Intensivstationen, und da wissen wir aus den offiziellen Zahlen: Es gab kaum je einen besseren Zeitpunkt, um einen schweren Unfall zu bauen oder anderweitig Intensivpflege zu benötigen. Freie Betten und Personal hat es zuhauf. Aber eben, nützt alles nichts, solange die anderen Kriterien nicht erfüllt sind, und die sind nicht erfüllbar, weil das System es gar nicht zulässt.

Es ist ein bisschen, wie wenn man seinem Kind sagt:

«Du kriegst mehr Taschengeld, wenn du bis heute um 16 Uhr erstens dein Zimmer aufgeräumt und zweitens eine funktionierende Mondrakete gebaut hast. Beides muss erledigt sein, sonst gibt es nichts.»

Diese Ausgangslage belegt für SRF 1 also, dass es der Bundesrat «wenig Spielraum» für Lockerungen hat. Dass das nur so ist, weil die Kriterien von Anfang an absurd waren: In «Heute Morgen» ist das kein Thema. Der vom Staat total unabhängige Staatssender mag nichts hinterfragen, sondern nimmt das bundesrätliche Wort so absolut wie Moses seine Steintafeln.

Lockern oder nicht lockern, das ist die Frage.

Der Schein der gute Tat

Das Ganze ist aber nicht ungeschickt. Denn wenn es ja kaum Spielraum gibt, wirkt jeder Hauch einer Lockerung plötzlich wie eine grosszügige Geste.  Die Terrassen könnten allenfalls geöffnet werden, raunt der Inlandredaktor im Interview, wissen tut er es natürlich nicht, jedenfalls nicht offiziell, aber es könnte sein. Und kommt es dazu, ist die Landesregierung eine wahre Wohltäterin: Eine Teilöffnung, obwohl die Lage so fürchterlich ist, mehr kann man doch wirklich nicht verlangen!

Damit kann man «Heute Morgen» zwar nach journalistischen Massstäben für seine subtil beeinflussende Schlagzeile kritisieren, muss gleichzeitig aber bewundernd feststellen: Orchestriert sind die 13 Minuten perfekt. Zuerst jede Hoffnung nehmen, dann ein bisschen Hoffnung geben mit dem mutigen Bundesrat als Winkelried der leidenden Gastronomie. Die Achse Radiostudio-Bundeshaus funktioniert eben doch.

*Stefan Millius ist Chefredaktor «Die Ostschweiz». René Zeyer publiziert regelmässig dort.

Märchentante NZZ

Auch der NZZ gelingt nicht alles. Ein Bericht über Sansibar ist Fiction statt Facts.

Sansibar ist vielen von der Schullektüre von «Sansibar oder der letzte Grund» bekannt. Dabei spielt die Insel im Roman von Alfred Andersch nur die symbolische Rolle in einem Tagtraum.

So ähnlich muss es auch NZZ-Auslandredaktor Fabian Urech sehen, der schreibt: «Das Märchen von Sansibar als Paradies ohne Corona». Diese Ferndiagnose stellt Urech von seinem coronafreien Homeoffice aus. Als Beleg reicht die Erzählung einer Touristin, «niemand hält irgendwelche Regeln ein», ein Journalist beschreibe die Situation als «skurril».

Plus noch der investigative Durchgriff, Mail an ein Hotel auf Sansibar geschickt, nein, es gebe keine Einschränkungen wegen Corona, sei die Antwort, und: «Willkommen im Paradies!»

Der tansanische Präsident ist dran schuld

Das kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen, ist sich der NZZ-Redaktor sicher. Schnell enttarnt er die Wurzel des Übels: den tansanischen Präsidenten. John Magufuli scheint tatsächlich etwas schrullig zu sein. Einerseits griff er unbarmherzig gegen die übliche Korruption durch, sagte die Feierlichkeiten für den Unabhängigkeitstag ab, weil man das Geld besser für den Kampf gegen Cholera brauchen könne.

Andererseits ist er ein Abtreibungsgegner und forderte, mit Gebeten gegen Corona anzukämpfen. Die Pandemie verschwand dann auch wunschgemäss; zumindest wird einfach nicht mehr ständig getestet. Auf der anderen Seite füllen sich die Spitäler (noch) nicht mit infizierten der zweiten Welle. Und die Touristen strömen aus aller Welt herbei, vor allem aus Osteuropa und Russland.

Wohl als eine der wenigen Feriendestinationen der Welt konnten Hotels auf Sansibar vermelden, dass sie über Weihnachten/Neujahr ausgebucht waren. Das alles weckt natürlich Misstrauen im Hause NZZ, «kann das gutgehen»? Natürlich nicht, ist Urech offenbar überzeugt. Aber zuerst muss er ein paar Rückschläge hinnehmen.

Wie findet der Rechercheur endlich eine «kritische Stimme»?

Die Überlastung des Gesundheitssystem sei (noch) nicht eingetreten, muss er einräumen, kritische Stimmen seien rar, weil sich die «Strategie der Regierung» für den Tourismussektor auszahle. «Bisher», merkt Urech an. Das macht es ihm offenbar auch schwierig, lokale Kritiker aufzutreiben: «Kritische Stimmen sind auf Sansibar bisher auffallend rar.»

Blöd aber auch. Wobei: Das Schweigen habe «zum Teil» auch mit «der Angst vor staatlicher Repression» zu tun. Sogar verschiedene NGO wollten sich nicht zu Corona äussern. Aber da geht doch noch was? Sicher, «ein lokaler Gesundheitsspezialist wird expliziter: Hinter vorgehaltener Hand» murmelt er bedeutungsschwer, dass die «Spitäler bei einem merklichen Anstieg der Infektionen rasch an ihre Grenzen» kämen. Das ist natürlich übel und zeigt die ganze Verworfenheit dieser «Hochrisikostrategie».

Denn wo sonst auf der Welt würden die Spitäler unter diesen Umständen schnell an ihre Grenzen kommen? Nirgends, nur auf Sansibar. Dann noch etwas Geunke, dass Afrika zwar recht schlank durch die erste Welle gekommen sei, aber in der zweiten sehe das ganz anders aus.

Niemand weiss nichts Genaues

Dennoch, muss Schreibtischrechercheur Urech einräumen, wie die Lage wirklich dort aussehe, «weiss niemand». Ausser Gott, denn die «sonst eher zurückhaltende» katholische Kirche warnte letzte Woche: «Wir sind keine Insel.» Das trifft auf Tansania, aber nicht auf Sansibar zu.

Natürlich ist der Autor felsenfest von der Richtigkeit seiner Meinung überzeugt (das kann nicht gutgehen), aber er sucht bis zum Schluss nach weiteren Argumenten. Das war wirklich nicht leicht, aber er findet wenigstens ein Körnchen: «Mitte Januar wurden zwei dänische Touristinnen, die aus Tansania zurückkehrten, positiv auf die südafrikanische Corona-Mutation getestet.» Endlich, der Beweis. Nicht nur eine, gleich zwei Touristinnen. Das Ende des Märchens ist in Sicht, es wird kein gutes sein. Aber vielleicht reichen zwei dann doch nicht, überlegt sich Urech, und schliesst mit der spitzen Bemerkung: «Sie dürften keine Einzelfälle sein.»

 

Uns bleibt nur zu hoffen, dass solche Artikel in der NZZ Einzelfälle bleiben. Sehr einzeln.