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Monokultur

In der Landwirtschaft weiss man um die negativen Auswirkungen.

Monokultur im Anbau hat vermeintlich viele Vorteile. Grossflächig, dadurch einfachere Ernte. Die Bauern sind spezialisiert auf ein Produkt, daher kennen sie es aus dem Effeff.  Die ganze Infrastruktur, der Maschinenpark, das Saatgut, der Dünger, die Pestizide sind auf ein Produkt ausgerichtet, das vereinfacht alles ungemein.

Durch ständige Forschung und Verbesserung können Ertragssteigerungen realisiert werden. Mit dem gleichen Aufwand mehr Wertschöpfung, ein Zusatznutzen für den Produzenten.

So ging das Lobeslied der Monokultur in der Landwirtschaft. Bis die negativen Auswirkungen immer deutlicher wurden. Grossflächige Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten. Schädlingen. Überanspruchung des Bodens durch ausbleibenden Fruchtwechsel. Abhängigkeit der Produzenten von den Herstellern von Düngemitteln, Pestiziden und vor allem auch Samen.

Schliesslich völlige Abhängigkeit von den schwankenden Weltmarktpreisen, die immer die Tendenz haben, bei Knappheit hochzugehen, aber bei Produktionssteigerungen runter, was die Steigerung des Outputs zu einem sehr zweischneidigen Schwert macht, häufig bedeutet, dass mehr Produktivität mit weniger Einkommen bestraft wird. Von den schädlichen Folgen für Mensch und Umwelt ganz zu schweigen.

Monokultur bei Tamedia.

Also geht man inzwischen wieder vermehrt dazu über, auf alte Traditionen wie Dreifelderwirtschaft, Diversität der angebauten Produkte, auf Kleinteiliges umzustellen. Natürlich auch unter Berücksichtigung von Umweltaspekten und der Garantie von stabilen Einkommen der Hersteller.

Während also bei der Landwirtschaft zumindest gegenläufige Bewegungen zur Monokultur erkennbar sind, frönen die Medien dieser Methode immer intensiver. Das ist auch Ausdruck davon, dass so etwas wie Dossierverwaltung zunehmend unbekannt ist.

Monokultur in den Medien

Für jüngere Leser (und Journalisten) sei das kurz erklärt. Früher, als noch alles besser war, gab es genügend Redaktoren bei grossen Tageszeitungen. Die zudem in Konkurrenzkampf zueinander standen und nicht in Newsrooms in Verrichtungsboxen eine klickstarke Einheitssaucse am Laufmeter produzieren mussten.

Es gab also beispielsweise den Spezialisten für Pharma. War sonst nichts los, hatte der ein, zweimal im Jahr seinen Höhepunkt, wenn die grossen Konzerne ihre Jahresberichte veröffentlichten. Die konnte er, gestützt auf jahrelange Erfahrung und ein gutbestücktes Archiv, kompetent analysieren. Die Zwischenzeit vertrieb er sich mit nicht publizierten Untersuchungen oder Interviews mit der Geschäftsleitung. Oder mit Reportagen zum Thema.

Monokultur beim «Blick».

Ein solches Spezialistentum ist weitgehend passé. Weggespart, als überflüssiges Fleisch vom Knochen des skelettierten Journalismus geschabt. Schon alleine das Lesen (und Verstehen!) einer Bilanz überfordert den durchschnittlichen Journalisten. Aktiva, Passiva, wieso steht das Eigenkapital rechts, was sagt diese Bilanz aus, welche Tricks wurden angewendet, ist sie Ausdruck kreativer Buchhaltung oder realistisches Abbild des Istzustands? Dafür müsste man sattelfest sein.

Da das der gemeine Feld-Wald-Wiesen-Journalist nicht ist, greift er noch so gerne auf die ihm zugehaltene, bereits journalistisch aufgearbeitete Darstellung des Veranstalters des Geschäftsberichts zurück. Titel, Lead, Zwischentitel, strukturierter Aufbau, Illustrationsmaterial, verschiedene Längen, wunderbar. Alternative: Man übernimmt den Ticker der SDA, wozu zahlt man denn da noch das teure Abo.

Kürzere und längere Phasen der Monokultur

Bei diesen Zuständen wird eine neue Form von Monokultur im Journalismus gepflegt. Es gibt die kurze und die längere Monokultur. Corona war lang, der Fall Djokovic war kurz. Die Methode war aber die gleiche. Eine ganze Flut, repetitiv, detailverliebt, bis ins Absurde jeden Pipifax von allen Seiten beleuchtende Berichterstattung. Und gab es gerade beim besten Willen nichts Neues zu berichten, dann wurde gemeint. Kommentiert. Ungefragt Ratschläge erteilt. Forderungen aufgestellt. Jeder Redaktor hatte sich in einen Virologen, Epidemiologen, Fachmann für Visafragen, Spezialisten in der Seuchenbekämpfung verwandelt.

Monokultur bei «20 Minuten».

Inzwischen sind fast alle (mit der bedauerlichen Ausnahme Marc Brupbacher) aus dem Laborkittel geschlüpft und haben sich mit schusssicherer Weste und Stahlhelm bewaffnet. Geradezu rührend wirken die Versuche des deutschen Gesundheitsministers oder von Marcel Salathé in der Schweiz, das Thema irgendwie am Leben zu erhalten. Peinlich.

Denn jetzt ist Krieg. Krieg ist – journalistisch gesehen – viel besser als Seuche. Pandemie, das ist ein unsichtbarer Virus. Blöd. Der Virus ist weder gut noch böse, auch nicht heimtückisch oder hinterlistig. Saublöd. Die ihn bekämpfenden Wissenschaftler lassen sich nur beschränkt als tapfere Helden und Krieger abfeiern. Richtig blöd. Es gibt nicht mal genaue Frontverläufe, alles ist irgendwie in der Schwebe. Todeszahlen, Chaos, Zerstörung, Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung: kann man zwar an die Wand malen, aber spätestens nach der zweiten Wiederholung schnarcht das Publikum weg.

Krieg ist in jeder Beziehung für den Journalismus gut

Aber Krieg, das ist gut. Es gibt den Bösewicht und den Helden. Es gibt klare Fronten. Es gibt Tote und Schicksale. Es gibt Waffen und Menschen. Es gibt Unmenschliches und Menschliches. Es gibt Tragödien und Happy Ends. Es gibt Emotionen, Bilder. Jeder Journalist ist nun Militärexperte, beherrscht das Völkerrecht, kann Putin, greift ungeniert auf alle abgelegten Topoi zurück.

Der russische Bär, Russland ist halt doch unzivilisiert, wir haben uns zu recht auch im Kalten Krieg davor gefürchtet. Wer zu verstehen versucht, ist zwar kein Kommunist mehr, aber «Moskau einfach» ist weiterhin angebracht. Jeder kann wieder sein kleinkariertes Schwarzweissraster über die Welt werfen.

Monokultur bei CH Media.

Differenzierung, zu Kritisierendes in der Ukraine, zu Verstehendes in Russland? Niemals. Solche «Versteher» werden ausgegrenzt, abgeklatscht, ganz so wie früher, wo einem ein lobendes Wort über die Errungenschaften des Sozialismus oder ein kritisches Wort über die hässliche Seite des westlichen Imperialismus schwer schaden konnte.

Monokultur bei der NZZ.

Nur war damals die Beschäftigung nicht so obsessiv wie jetzt, gab es in den Medien noch Fachkompetenz, Dossiersicherheit. Heutzutage ist keiner zu klein, Weltenerklärer zu sein. Ist ja auch einfach, in dieser Monokultur der Analysen und Meinungen. Den Vogel schoss hier die NZZaS ab. Sie räumte den gesamten ersten Bund frei, um ausschliesslich ein Monothema zu bewirtschaften.

Wumms: Marko Kovic

Der Mann weiss, wie man mit minderen Gaben wuchern kann.

Marko Kovic kommt eigentlich aus dem Nichts und seine wissenschaftliche Qualifikation ist mehr als mager. Aber er bedient die linken Narrative im Schlaf, und so hat er sich heraufgearbeitet zum Spezialisten für Verschwörungstheorien. Rechte Verschwörungstheorien, wohlgemerkt.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit seinen haltlosen Behauptungen befassen. Kovic ist bekanntlich der Entdecker des «Intellectual Dark Web» auf Deutsch, das sich bis zur NZZ erstrecke. Dieser kleine Verschwörungstheorie-Schlingel.

Er musste schon mal eingestehen, dass er bei einer von ihm gross heraustrompeteten angeblich soziologischen Untersuchung nicht mal das Standardwerk zum Thema gelesen hatte, geschweige denn kannte.

Aber das alles macht ja nichts, wenn man immer zur Stelle ist, wenn es darum geht, aus angeblich wissenschaftlicher Warte den Fachmann zu spielen. Seine neuste Luftblase: ehemalige Corona-Verschwörungstheoretiker haben umgesattelt und sind nun Putin-Verschwörungstheoretiker. Also sie bezweifeln grundsätzlich, was in westlichen Medien über Putin und Russland veröffentlicht wird.

«Stammt aus der Propagandafeder des Kreml», wer das wiedergibt, mache sich zu «nützlichen Idiot:innen»,

schreibt er nicht ganz sattelfest im Deutschen in der WoZ. Von Markus Somm über Roger Köppel glaube man moskaugesteuerten Einflüsterungen, furchtbar.

Das bringt ihm flugs ein Interview mit SRF4 News ein, wo der «Sozialwissenschaftler und Journalist» den gleichen Stuss einem Stichwortgeber erzählen darf. Denn er habe ja «in der linken WoZ die Zusammenhänge aufgedeckt». Welche denn?

«Wir wissen aus der Forschung zur russischen Desinformation der letzten 10, 15 Jahre, dass die Regierung Putins über diverse Desinformationskanäle, über Sender wie Russia Today oder Sputnik, aber auch über ihre Social-Media-Präsenz gezielt die Erzählung streut, im Westen seien die Medien korrupt, sie seien unterwandert.»

Unglaublich, diese Russen. Dabei sind die westlichen Medien doch frei, geben allen Standpunkten Raum, entlassen niemals Mitarbeiter wegen deren Meinung, und korrupt, also bitte, für die grossen Medienclans in der Schweiz spielt Geld keine Rolle, das weiss man doch. Gut, sie wollten einen Extrazustupf von einer Milliarde Steuergeld, aber das hätte sie überhaupt nicht korrumpiert.

Das Elend mit so Figuren wie Kovic ist, dass er dem Renommee der Soziologie genauso schadet wie die Journalisten dem Ruf der Medien, die ihn interviewen und nicht einmal eine einzige kritische Frage wagen.

Die naheliegende wäre: Macht man es sich nicht zu einfach, wenn man – wie bei Corona – jeden Kritiker unter den Generalverdacht stellt, er sei ein Verschwörungstheoretiker und/oder ein nützlicher Idiot? Wichtig wäre doch: wie unterscheidet man Leute mit Scheuklappen wie Kovic von ernstzunehmenden Kritikern?

Das ist zwar kein Beleg für angebliche Verschwörungstheorien von angeblich von Corona zu Putin abgewanderten Aluhutträgern. Es ist aber ein Beleg für den jämmerlichen, lausigen, unprofessionellen Zustand der Medien im Westen.

 

Eine Portion Geeiertes

Die Zahl der wegen Corona Hospitalisierten ist Fake News. Es darf geeiert werden.

Es gibt zwei unbestreitbare Tatsachen. Die Zahl der wegen Corona Hospitalisierten sinkt. Die Zahl der wegen Corona Hospitalisierten ist falsch.

Da nicht zwischen «wegen» und «mit» unterschieden werden kann, ist rund die Hälfte aller als Covid-19-Fälle ausgewiesenen Spitaleintritte auf andere Ursachen zurückzuführen. Beinbruch, Herzinfarkt, Altersgebrechlichkeit, was auch immer.

Nur: wenn beim Eintritt oder gar nachher der Patient positiv getestet wird, gilt er statistisch als Corona-Fall.

Wir spielen wieder den Corona-Blues …

Das hat das Bundesamt für Statistik klargemacht und transparent kommuniziert. Nur: kein Schwein hat geschaut (ausser ZACKBUM). Nun hat der «Blick» verdienstvollerweise das Thema aufgegriffen und mit eigenen Recherchen ergänzt. Zum Beispiel die Kantonssspitäler Genf oder Zürich räumen ein, dass rund 50 Prozent ihrer Corona-Fälle aus anderen Gründen stationär behandelt werden.

Das ist ziemlich peinlich, weil die mögliche Überlastung der Spitäler immer als wichtigster Grund für alle, restlos alle Massnahmen, Restriktionen, Einschränkungen Lockdowns, Quarantänebestimmungen usw. verwendet wird.

Das trifft vor allem die Corona-Kreischen in den Medien hart. Entweder konstatieren sie fassungslos: «In der CH ist eine starke Entkopplung der Fallzahlen von den Hospitalisierungen zu beobachten» (Marc Brupbacher), bleiben aber ansonsten stumm. Oder, man setzt zum üblichen Geschwurbel an.

Der «Blick» fällt für einmal als regierungstreues Applausorgan aus. Das ist wohl der speziellen Konstellation zu verdanken, dass der Ringier-CEO Marc Walder etwas ins Feuer geriet, weil er das Offenkundige vor laufender Kamera aussprach: auf seine Intitiative hin werde bei Ringier weltweit die Regierungspolitik gegen die Pandemie unterstützt.

Fällt ein Mainstream-Medium aus, es hat noch zwei

Aber wir haben ja noch Tamedia und CH Media.

Der Wanner-Clan wirft gleich vier Redaktoren in die Schlacht, um kleinzuschreiben, dass trotz allen Unkenrufen die Hospitalisierungen sinken, die ausgewiesenen Zahlen falsch sind.

Zunächst darf der «Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital Aarau» verwedeln: «Die Trennung der Fälle ist nicht so einfach.» Die Medizin, so schaut’s aus, steht offenbar noch ganz am Anfang in der Erkenntnis, so ungefähr im Mittelalter.

Dann dürfen Politiker «irritiert reagieren». Vor einer Beschädigung der Glaubwürdigkeit warnen oder ein «Datenproblem beim BAG» sehen. Schliesslich müsse man bedenken: «Auch mittelschwere Fälle können das Gesundheitswesen überfordern, wenn sie in zu grosser Zahl vorkommen», warne der Infektiologe.

Prognosen für den Papierkorb, die wichtigste Zahl für die Begründung aller Massnahmen dramatisch falsch? Na und, meint CH Media.

Tamedia versucht’s mit einer einzigen Fachkraft

Auch Tamedia muss sich zum Thema äussern. Hier wird ein einziger Redaktor in die Schlacht geworfen. Luca de Carli ist (noch) stellvertretender Ressorleiter Inland beim «Bund». Oder bei der «Berner Zeitung». Oder bei Tamedia. Das weiss man heute alles nicht mehr so genau. Noch weniger, wie lange er das bleibt.

Auch er berichtet, was der Leitende Arzt der zuständigen Klinik des Unspitals Zürich sagt: «Wir behandeln derzeit nur sehr wenige Omikron-Fälle.»

Auch de Carli räumt  ein, dass die Zahlen der wegen Corona Hospitalisierten «nach oben verzerrt» seien. Aber, erste Einschränkung, auch bei den nur «mit» Covid-19-Hospitalisierten könne «Corona jedoch einen schweren Verlauf nehmen».

Ansonsten gelte aber, was gilt, wenn sich nach der Prognose die Glaskugel mal wieder als defekt erweist: «Wir tappen im Dunkeln», räumt der Leitende Arzt ein.

Statt Warnung, Weltuntergang, Welle als Wand, nun Gewinsel: «Im Tessin hat Michael Llamas, leitender Arzt der Intensivstation der Clinica La Carità in Locarno, ebenfalls mehr Fragen als Antworten: «Bei der ersten Welle war es noch einfacher, die Zahlen zu deuten, zu planen.» Und heute? «Wir haben ehrlich gesagt keine Ahnung, was auf uns zukommen wird.»»

Also wirklich, so geht das nicht. Brupbacher, übernehmen Sie. Jetzt ist der Moment, dass alle Befürworter eines Impfzwangs nochmal in den Ring steigen müssen. Alle besserwisserischen Kommentatoren, die dem Bundesrat und der Bevölkerung Vorschriften machen wollen, die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, unablässig forderten, warnten, mahnten, wo sind sie nur geblieben?

 

 

Wenn ein -ic im Netz hängenbleibt

Besser geht’s nicht. Serbe, Veganer, hält sich für was Besonderes. Auf ihn.

Man kann Menschen schon durch eine bösartige Auswahl des Fotos denunzieren:

Vorsicht, bissiger Serbe …

Man kann auch einen offenbar komplexen Sachverhalt simplifizieren. Dann geht die offizielle Story so: ein «arroganter» Serbe, der auch bei seinem Tennisspiel auf eine «teuflische Strategie» setzt, meint, er sei von allen Regeln befreit.

So ein kleiner Horta-Osório, sozusagen; der VR-Präsident der CS meint ja auch, für ihn gälten keine Corona-Regeln.

Mit dieser Haltung sei Novak Djokovic nach Australien gereist. Obwohl er um seinen Impfzustand ein Geheimnis macht. Wahrscheinlich ist er ein Impfgegner, ein Verschwörungstheoretiker, ein Serbe halt, was kann man da schon erwarten.

Wäre Roger Federer nie passiert. Der lebt schliesslich bescheiden, zurückhaltend, nett, ist aus Teflon gemacht. Kann für so ziemlich alle Produkte gleichzeitig werben, unser Roger.

Hier komme ich, Bahn frei, dachte Djokovic sicherlich, bis ihn die australische Einwanderungsbehörde eines Besseren belehrte. Jetzt sitzt der Trottel in einem Quarantänehotel, während ganz Serbien mordlüsterne Drohungen ausstösst.

Wieso sollte man sich von der Realität eine tolle Vorurteils-Story kaputtmachen lassen? Es ist offenbar so, dass sowohl der ausstralische Bundesstaat Victoria wie auch der Turnierveranstalter Djokovic grünes Licht gegeben haben. Als Genesener sei die Einreise kein Problem, welcome.

Sahen die Grenzer anders, und schwups, schon ist’s eine Affäre, in der es um Gesichtswahrung und Kneten von Emotionen geht.

Viele Spieler beantragten eine Ausnahmebewilligung, nicht nur Djokovic

Insgesamt haben laut Tennis Australia immerhin 26 Spieler am Turnier eine Ausnahmebewilligung und eine Befreiung von der Impfpflicht beantragt.

Geradezu lyrisch wird «The Australian»: «Djokovics Trotz bedroht seine Odyssee, der Beste zu sein», titelt das Blatt. Er stünde «am Rande der Endgültigkeit und am Pranger des Spotts».

Mit dieser Aktion werde sein Vermächtnis unwiderruflich zerstört, behauptet die Zeitung. Häme auf allen Kanälen ist ihm tatsächlich sicher. Hunderte von arroganten Spott-, äh Sportjournalisten geben ihm den guten Ratschlag, doch einfach wieder nach Hause zu fliegen, sich nicht so anzustellen und überhaupt, sich endlich impfen zu lassen.

Dass ein Tennisstar wie Djokovic, ein kleiner Konzern mit Entourage, eng getaktetem Zeitplan, sicherlich nicht einfach so 15 Stunden nach Australien fliegt, um dort mal zu schauen, ob man ihn rein- und spielen lässt, ist zwar offenkundig, würde aber die Möglichkeiten für Häme und Spott deutlich mindern.

Einer haut bei solchen Themen furchtbar gerne auf die Kacke

Richtig auf die Kacke haut wie meist bei solchen Themen Enver Robelli. Vielleicht sollte Tamedia die Berichterstattung über den Balkan nicht einem Mitarbeiter mit, nun ja, Migrationsgeschichte, überlassen. Denn Robelli geht es offensichtlich weniger um die Aufklärung der Leser, mehr um die Abarbeitung eigener Vorurteile.

Über die Abschiedsreise der deutschen Ex-Bundeskanzlerin durch den Balkan zeigte er sich «irritiert», denn: «Merkel umarmt die Autokraten». Da war er aber noch sanft gestimmt. Der gebürtige Kosovare leistet gegenüber Kroatien einen gewaltigen Beitrag zur Völkerverständigung:

«Kroatiens Präsident als Provokateur: Er poltert gerade wie ein Betrunkener – gegen Minister und Bosniaken».

Ein besoffener Präsident, da hat die nüchterne Merkel Schwein gehabt. Auch die Sache mit dem Osmanischen Reich hat Robelli nicht vergessen: «Der Westen darf vor Erdogan nicht einknicken.»

Aber zur Höchstform läuft Robelli bei der Affäre um Djokovic auf. «Serbische Krawallpresse», schimpft Krawallant Robelli, «Belgrader Hetzblatt», hetzt Robelli. «Selbstverständlich hätten die aufopferungswilligen Serben 1389 in der Amselfeld-Schlacht gegen die Osmanen die ganze westliche Zivilisation gerettet», behaupte ein verpeilter «ultranationalistischer Pseudohistoriker» in seinen «Machwerken», die Djokovic promote.

Dabei sollte Robelli wissen, das die historische Wahrheit über dieses Gemetzel – wie meistens – viel komplexer ist, feststehende Tatsache hingegen, dass die Serben tatsächlich aufopferungsvoll gegen das Osmanische Reich in die Schlacht zogen.

Dann diagnostiziert Robelli bei den Serben «Grössenwahn», «verletzten Stolz» und überhaupt «krude Ansichten». Kein Wunder:

«Schwurbler Djokovic geniesst eine ungewöhnlich grosse Narrenfreiheit.»

Dabei sähen wir nun den «tiefe Fall eines grandiosen Tennisspielers».

Die bittere Wahrheit ist aber: Robelli verbreitet hier ungebremst seine kruden Ansichten, die mit dem Versuch, dem Schweizer Publikum die unglaublich komplizierte jüngere Geschichte des Balkans zu erklären, null zu tun haben. Besoffener Präsident, ein Volk im Grössenwahn, Hetzblätter, ein Sportler als Schwurbler.

«Wer in diesen Tagen die serbische Krawallpresse liest, der wähnt sich kurz vor einem Weltkrieg.» So leitet Robelli sein Schmierenstück ein. Dabei ist er selbst recht verpeilt: Wer diesen Artikel aus seiner Feder liest, der wähnt sich tatsächlich in den schlimmsten Zeiten von Hetzern und Schwadroneuren und verantwortungslosen Demagogen.

Deutschsprachige Krawallpresse, 1914 …

Wieso ein angebliches Qualitätsmedium wie der «Tages-Anzeiger» so etwas publiziert, ist unverständlich. Nein, ist eine Schande.

Ein Kommentarschreiber bringt die niedere Gesinnung, in der dieser Artikel entstand, auf den Punkt:

«Bitte in dieser Angelegenheit das Wort Serbe oder Serbien rauszulassen. Er ist als Djokovic hingegangen und nicht als Serbe. Auch die verrückten Nationalisten aus Serbien, sowie seinen Vater nicht mit Serbien in Kontext bringen, nur weil sie Bürger des Landes sind. Serbien verdient diesen Kontext nicht, sowie keine andere Nation den Kontext zu Ausreissern unter ihren Bürgern verdient.Damit setzt ihr sie mit mir und anderen Leuten, die diese Stempel zufällig mit der Geburt erhalten haben, in das gleiche Boot. Weder er noch Federer vertreten mich, noch identifiziere ich mich mit ihnen, auch wenn sie die selben Pässe wie ich haben. Mit diesem Stempel setzt ihr euch auf die gleiche Ebene wie die, über die ihr hier berichtet, das ist der Schweiz nicht würdig.»

Nein, weder der Schweiz noch einem sogenannten Qualitätsorgan, das dafür noch Steuergelder erwartet.

Ein Tagi wie jeder andere

Gefangen in der Wiederholungsschlaufe foltert Tamedia ihre Leser.

Vielleicht macht es doch Sinn, Medienclans mit einer Milliarde Steuergeldern unter die Arme zu greifen. Denn wie viele Leser zahlen weiterhin freiwillig einen Haufen Geld für dieses Angebot?

Nehmen wir als Stichprobe die online aufgeschalteten Artikel vom 29. Dezember 2021, am Morgen, wenn der Leser sich einen Überblick verschaffen will. Wir erfinden dabei nichts und verfälschen auch nichts, denn wir sind hier bei ZACKBUM, nicht bei Tamedia.

Zunächst Aufgewärmtes, dann Monothematisches

Zuoberst bietet der Tagi (was dann in alle Kopfblätter ausstrahlt) ein aufgewärmtes Recherchierstück über eine Genfer Bank, die sich einige Rügen der Finanzmarktaufsicht Finma eingefangen hat. Letztlich ein Propagandastück zum Boostern des Postulats einer SP-Nationalrätin, die verlangt, dass die Finma zukünftig «Bussen und weitere Sanktionen» gegen fehlbare Banken aussprechen könne.

Wieso Autor Christian Brönnimann allerdings behauptet, «nun kommt Bewegung in die Sache», das bleibt sein süsses Geheimnis. Vielleicht soll das auch nur die Einleitung zur «Podcast-Serie Pandora Papers: Dreckiges Geld, sauber versteckt» sein. Teil drei immerhin, aber ob sich noch jemand an diesen verröchelten Riesenskandal erinnern mag?

Aber auch all das ist nur Beigemüse zum Monothema des Tages, der Woche, des Monats, des Jahres. Dargeboten in der leicht atemlosen Kreischigkeit, die im Hause Tamedia zum schlechten Brauch geworden ist. Wir zählen kurz auf und mit:

  1. «Sollen auch Geimpfte in Quarantäne geschickt werden?»
  2. «Warum schweigt der Bundesrat?»
  3. «Omikron ist auf dem Vormarsch»
  4. «Omikron stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel»
  5. «Kann die Gesellschaft nachhaltiger schädigen als ein Virus»
  6. «Wenn Omikron China lahmlegt, haben alle ein Problem»
  7. «Wie wird Covid-19 in der anthroposophischen Klinik behandelt?»
  8. «Taskforce wollte vor Weihnachten viel härtere Massnahmen»
  9. «Neue Rekordwerte in den USA»
  10. «Aktuelle Corona-Zahlen»

ZACKBUM hofft, dass wir damit nicht alle Leser verloren haben, woran der Tagi offenbar arbeitet. Ist sonst noch etwas Erwähnenswertes geschehen? Oh ja:

«Was braucht es, damit Strassenlampen nicht mehr reihenweise Insekten töten?»

Dann hat die Tochter Romy Schneiders ein Buch geschrieben. Schon diese News ist von mässigem Interesse. Sobald man liest, dass Nora Zukker die Rezension geschrieben hat, sinkt es auf null.

Die Tagi-Folterkammer für Leser

Noch mehr schlechte Nachrichten? Oh ja, «Bund warnt vor intensivem Dauerregen – Orkanböen in den Bergen». Dann bricht leichte Verzweiflung bei den Blattmachern des Tages aus, aber Hilfe ist nahe: «Die News-Bilder des Jahres». Auch immer beliebt gegen Jahresende: ein kleiner Sozialporno. Der «Blick» mischt schon «undercover» die Obdachlosenszene auf; der Reporter versucht’s sogar im Schlafsack unter der Brücke. Soweit will der Tagi nicht gehen, er besucht trockenen Fusses und feuchten Auges die «Dargebotene Hand».

Aber wer reicht die dem gequälten Leser? Vielleicht der Zürich-Lokalteil? Nun ja, «Polizei erwischt Ladendiebe am Flughafen» (hier fehlt ein «mutmasslich» samt der Unschuldsvermutung!), «Die neusten Zürcher Zahlen zur Corona-Pandemie», «Viele Hunde, die wir bekommen, sind typische Corona-Opfer», ein Stossseufzer Zürcher Tierheime.

Schliesslich noch eine letzte Hiobsbotschaft: «Wenn es nicht klappt mit Biden, kehrt Trump zurück».

Mal im Ernst, liebe Tagianer und Tagianerinnen. Es ist ja lobenswert, dass Ihr an diesem Tag das Thema Gendern, Diskriminierung und Ausgrenzung weitgehend ausgegrenzt habt. Aber trotz des anhaltenden sexistischen und demotivierenden Umfelds auf den Redaktionen: ist das alles, was Ihr hinkriegt? Warum genau soll jemand etwas dafür bezahlen? Worin besteht die interessante, lohnenswerte, lesenswerte, Erkenntnis vermittelnde Eigenleistung von Dutzenden von Journis?

 

Was kostet der Mensch?

Ein Menschenleben ist nicht in Geld aufzuwiegen. Leider Quatsch.

Absolute Wahrheiten sollte man Gläubigen überlassen. Denn wo Zweckrationalität, Logik und Erkenntnis herrschen, gibt es sie nicht.

Absolutes ist sowieso immer bedenklich. «Alles für», «vorwärts im Sinne von», «niemals, immer, auf ewige Zeiten», wer solche Sprüche klopft, ist potenziell gefährlich.

Das gilt besonders heute, in den garstigen Zeiten einer bislang erfolglosen Bekämpfung einer Pandemie. Wer schüchtern nach den Kosten, Folgekosten und Schäden durch drakonische Massnahmen fragt, wird schnell zurecht gestutzt: wie könne man wagen, den Wert eines Menschenlebens in Franken ausdrücken zu wollen.

Menschenverachtend, zynisch, neoliberal, oder wie Dummschwätzer Lukas Bärfuss formuliert: «In einem Teil des rechtsnationalen Spektrums herrscht die Vorstellung, dass Corona den helvetischen Organismus durchputzt.»

Vielen Corona-Kreischen, die sich mit Forderungen nach Lockdowns, nach der wiederholten Paralysierung der Wirtschaft und Gesellschaft überschlagen, sind die Folgeschäden und -kosten schnurzegal. Das muss uns doch ein Menschenleben wert sein, ist ihr Totschlagargument.

Hat nichts mit einem Menschenleben zu tun …

Auch Banker werden schnell emotional

Auch Zahlenmenschen, die normalerweise nicht zu Gefühlsduseleien neigen, rasten schnell aus, wenn es um die Berechnung des Werts eines Menschenlebens geht. Das konnte ZACKBUM gerade austesten, mit der Frage nach den Kosten der Corona-Bekämpfung, drüben auf «Inside Paradeplatz».

Da überschlägt sich jeweils der Kommentator. Natürlich ist die grosse Mehrheit voller Lob, wie es sich gehört. Aber nehmen wir einen anonymen Kritiker, weil der so schön wäffelt:

«Eine Krankenkasse kann nur prüfen ob eine Behandlung wirtschaftlich und Zweckmässig ist, das ist grossmehrheitlich auch alles im Tarif abgelegt, es gibt praktisch keine Individualentscheide. Das KVG ist Deckungsidentisch.

Diese Diskussion steht uns eben allen noch bevor, entgegen Ihrer Behauptung kann die KK eben gerade nicht Entscheiden das dem 90 Jährigen kein neues Hüftgelenk mehr eingesetzt wird, er hat Anspruch darauf auch wenn er 3 Monate später stirbt.»

Zunächst ein schönes Beispiel dafür, dass Kommentarspalten nicht gerade zur Steigerung des Niveaus beitragen (ausser auf ZACKBUM, versteht sich). Dann sehen wir über eine etwas rumpelige Beherrschung der deutschen Sprache hinweg. Und konzentrieren uns auf den Inhalt.

Unbezahlbar oder mit zugemessenem Wert?

100’000 Franken, dann ist Schluss

Dem Absolutismus, dass ein Menschenleben unbezahlbar sei, stehen ganze Tabellen entgegen, die den Wert jedes Körperteils (bzw. dessen Verlust) genau beziffern. Schliesslich ist auch hier der Verursacher eines Schadens haftbar. Kostet der einen Finger, ein Bein, die Niere, das Augenlicht oder die geistige Gesundheit: alles berechenbar, alles in Franken und Rappen umrechenbar.

In einem häufig zitierten Bundesgerichtsurteil von 2012 kamen die obersten Richter zum Schluss, dass in einem spezifischen Fall eines 70-Jährigen eine Therapie für 400’000 Franken nicht von seiner Krankenkasse übernommen werden musste. Maximal 100’000 Franken lägen drin, entschied Lausanne.

Der Wert eines Menschenlebens, wird es schuldhaft beendet, bemisst sich schlicht und einfach nach dem dadurch entstehenden Verdienstausfall. Unter Vermutung der abgekürzten Lebenserwartung, Qualifikation, Vorerkrankung, Alter usw.

Das ist nun kein Einzelfall oder Ausdruck zynischer Richterlogik. Im Gegenteil, it’s the law in der Schweiz. Denn falls keine schwierigen Entscheide getroffen würden, zahlten wir wohl doppelt so hohe Krankenkassenprämien, was auch all den Gutmenschen, die jede Monetarisierung eines Menschenlebens entrüstet ablehnen, auch nicht recht wäre.

Chemisch gesehen sind wir knapp 24 Dollar wert …

In diesem Zusammenhang kann man nur immer wieder auf einen ausgezeichneten Artikel einer ehemaligen Bundesrichterin hinweisen, die als Mitglied der Grünen nicht im Verdacht stehen kann, neoliberaler Menschenverachtung anzuhängen.

Brigitte Pfiffner stellt klar:

«Mediziner, Krankenkassen, Gerichte müssen genau diese Fragen – sprich: Kosten-Nutzen-Erwägungen im Zusammenhang mit Leben und Tod – praktisch täglich beantworten

Dann führt sie Bundesgerichtsurteile an, in denen die Kostenübernahme verweigert – oder befohlen wurde. Denn: «Gesetz und Rechtsprechung stellen bei medizinischen Behandlungen stets Kosten-Nutzen-Überlegungen an. Das Krankenversicherungsgesetz schreibt nämlich vor, dass drei Kriterien – Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit – gleichberechtigt zu prüfen seien. Eine Kostenobergrenze sieht das Gesetz nicht vor.»

Wirtschaftlichkeit, das gilt auch bei allen anderen staatlichen Massnahmen. So ist das Kriterium für die Errichtung einer Lawinenverbauung, in welchem Verhältnis die Kosten mit der Anzahl der potenziell geschützten Menschenleben stehen, also mit deren kumuliertem Wert.

Seherische Fähigkeiten der Autorin

Man muss erwähnen, dass dieser Artikel Anfang Mai 2020 erschien. Als es sich abzuzeichnen begann, dass die Bekämpfung der Pandemie nicht nur mit der Benützung von Schutzmasken durchgeführt wird, sondern dass es auch drakonische Beschränkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens geben wird.

«Wie hoch darf der Preis für die Stilllegung der Wirtschaft sein, um die aktuelle Pandemie zu bekämpfen?»

Geradezu seherisch mutet die Schlussbemerkung der alt Bunderichterin an:

«Zu welchem Preis also erkaufen wir uns bei der Corona-Krise eine nicht bezifferbare Lebensverlängerung?

Wenn es so ist, dass viele Todesfälle wegen oder mitbedingt durch Vorerkrankungen eintraten, relativiert sich die Gefährlichkeit von Covid-19. Wenn es so ist, dass die allermeisten der infizierten Personen eher leichte Krankheitsverläufe aufweisen, relativiert sich die Gefährlichkeit auch aus diesem Grund.

Mit anderen Worten: Bei einer zögerlichen Aufhebung des verordneten wirtschaftlichen Stillstandes – der anfänglich seine Berechtigung hatte – bestünde je länger, desto stärker ein Missverhältnis zwischen Nutzen und Kosten der Schutzmassnahmen.»

Es gibt Artikel, die gültig bleiben – und denen auch fast anderthalb Jahre später nichts hinzuzufügen ist. Man muss nur jede Gelegenheit beim Schopf packen, sie wieder in Erinnerung zu rufen

Oder ist das Leben etwas raunend Mystisches?

Statistik skandalös

Wieso nehmen das die Medien nicht auf? Ein merkwürdiges Schweigen im Blätterwald.

Das Bundesamt für Statistik bietet die Zahlen an, aufgrund deren fundamental wichtige Entscheidungen getroffen werden. Nur: wie sind die richtig zu verstehen? Es ist – ein Datenskandal. Zurückhaltend formuliert.

Manchmal kommt eine Bombe harmlos verkleidet daher. Hier heisst sie «Methodische Erläuterungen» zur Erfassung der «Covid-19-Fälle in der medizinischen Statistik der Krankenhäuser». Herausgegeben vom Bundesamt (BFS) zur Veröffentlichung der Jahresstatistiken der Spitalbetriebe für 2020.

Dauerte ein Weilchen, all die Daten zu erheben, zusammenzubüscheln und zu publizieren. Aber am 19. November war’s dann so weit. Die Bombe platzte – und keiner schaut hin. Auf Seite vier steht in trockenem Beamtenton:

«Angesichts der internationalen ICD-Diagnoseerfassungsregeln sind Covid-19-Erkrankungen immer als Nebendiagnose codiert. Damit ist es nicht möglich zu identifizieren, ob die Hospitalisierung «wegen» Covid-19 oder nur «mit» einer Covid-19-Infektion erfolgte. Personen, die «mit» und nicht «wegen» Covid-19 hospitalisiert wurden oder sich während dem Spitalaufenthalt angesteckt haben, sind in dieser Statistik ebenfalls enthalten.»

Als ob es den Bundesbeamten bewusst geworden sei, was sie da schreiben, verdeutlichen sie die Aussage nochmals unter Punkt 4, Diagnose:

«Personen, die «nur» wegen Covid-19 hospitalisiert wurden, sind nicht eindeutig identifizierbar, weder in der BFS- noch in der BAG-Erhebung. Die BFS-Meldungen enthalten auch Personen, die mit Covid-19 als Nebendiagnose hospitalisiert wurden und/oder sich während dem Spitalaufenthalt angesteckt haben.»

Etwas umfangreicher ist die Dezember-Ausgabe von «BFS aktuell»: «Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Gesundheitsversorgung im Jahr 2020».

Auch hier finden sich Knalleraussagen:

«2020 wurden 40 871 Hospitalisierungen mit einer Covid-19-Diag­nose registriert. Sie betrafen 34 817 Personen. Diese Hospitalisierungen machten 3% der insge­samt 1 344 468 stationären, von 977 597 Personen in Anspruch genommenen Spitalaufenthalte im Jahr 2020 aus.»

3 Prozent.

Dann noch zwei Aussagen zur einzigen Hochrisikogruppe in der Bevölkerung:

«Ältere Personen sind bei den Hospitalisierungen mit Covid- 19-Diagnose in der Überzahl. Bei Spitaleinweisungen mit Covid-19 beträgt das Medianalter 72 Jahre, ohne Covid-19 liegt es bei 58 Jahren.»

«Die Pandemie hatte auch auf die Alters- und Pflegeheime und die von ihnen betreuten Personen gravierende Folgen. Sie verzeichneten eine markante Übersterblichkeit von rund 5000 Todesfällen und die Belegung nahm kontinuierlich ab. Zudem verschlechterte sich die finanzielle Situation zahlreicher Al­ters- und Pflegeheime.»

Alle diese Bomben wurden in den Medien entschärft, entsorgt, ignoriert, nicht kommentiert. Daher holen wir das kurz nach:

  • Laut BFS ist es NICHT möglich, zwischen Hospitalisierungen «wegen» oder «mit» Corona zu unterscheiden
  • Alle Hospitalisierungen mit einer Covid-19-Diagnose machten im Jahr 2020 insgesamt 3 Prozent der stationären Spitalaufenthalte aus.

Dann kommt noch hinzu, dass sich die erhobenen Zahlen von BAG und BFS dramatisch unterscheiden:

«Für das Jahr 2020 zählt das BFS 31’230 Patienten mit laborbestätigten Covid-19-Erkrankungen, wohingegen das BAG-Dashboard-Meldesystem 19’952 Hospitalisierungen ausweist (Stand 29. 10. 2021).»

Bei solchen Informationen, Zahlen, Differenzen erübrigt sich jeder weitere Kommentar. Ausser: wer erklärt diesen Skandal?

Besser: wieso ist es kein Skandal?

Der Medien-Molina

Wahrnehmung ist in der Politik alles. Wenn es nicht um Wirkung, sondern um Selbstvermarktung geht.

Fabian Molina ist süchtig. Oder er leidet unter einem Aufmerksamkeitsdefizit. Aber er therapiert sich selbst. Fast 1000 Treffer in der Mediendatenbank SMD in den letzten sechs Monaten. Das soll ihm mal einer nachmachen.

Der Zürcher SP-Nationalrat hat sich zwecks medialer Wirkung angewöhnt, eigentlich zu (fast) allem eine Meinung zu haben. Die ist dann nicht sehr nachhaltig, aber zumindest zitierfähig.

Molina: ist sich für keinen Medienstunt zu schade.

Ein paar Highlights aus seinem jüngsten Medienschaffen. Da hätten wir mal Afghanistan: Er weiss genau, was dort geschehen muss: «Ziel muss sein, die Taliban mit Anreizen und Sanktionen dazu zu bringen, Menschenrechte zu respektieren.»

Natürlich müsse die Schweiz auch sofort mindestens 10’000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen, fordert Molina. Etwas verkniffen reagiert er allerdings, wenn man ihn fragt, ob er da mit gutem Beispiel vorangehen und selbst so ein, zwei Afghanen bei sich beherbergen könnte:

«Sie werden sicher festgestellt haben, dass ich kein Staat bin. Entsprechend kann ich auch niemandem Asyl und Schutz gewähren.»

Wo er recht hat: niemals würden wir den Möchtegern mit einem Staat verwechseln. Aber er stellt Forderungen, als wäre er einer.

Molina kümmert sich auch ums Ganze

Steht gerade nichts Aktuelles an, kümmert er sich um die grossen und letzten Dinge auf der Welt. Zum Beispiel: «Die NATO gehört endlich aufgelöst.» Denn sie sei «ein gewalttätiger Sonderbund des Westens

Da stellt sich allerdings die Frage, ob Secondo Molina eine Aufnahmeprüfung in Staatskunde bestanden hätte, wenn er beantworten sollte, was denn der Sonderbund genau war.

Molinas Schreckensvorstellung.

Aber gut, auch die NATO hat diesen Angriff überlebt. War ja auch nur so eine Idee für flaue Tage.

Dagegen hat Molina eine weitere Geheimwaffe im Gepäck: er ist «Schweizer Meister im Einreichen von Vorstössen», wie sich CH Media schon über ihn mokierte. Ist da gerade nichts los, fordert er unermüdlich rasche Beitrittsverhandlungen mit Brüssel, denn selbstverständlich muss die Schweiz in der Mitte Europas nicht abseits stehen. Dass nur 13 Prozent der Schweizer diese Meinung teilen, was soll’s, die müssen ja auch nicht immer in den Medien präsent sein.

Molina liebt den grossen Auftritt so sehr, dass es auch ein kleiner tut. So reiste er zusammen mit Céderic Wermuth und Jon Pult, zwei weiteren Kämpfern für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und vorbildliches Leben, nach Berlin, um dort dem Wahlsieger Olaf Schulz zu gratulieren.

Per Flugzeug natürlich.

Wieso dreht sich die Welt eigentlich weiter?

Allerdings musste Molina einräumen: «Die Schweiz ist für Deutschland etwa so wichtig, wie für uns Liechtenstein.» Was nahm er sonst so an Erkenntnissen aus der deutschen Hauptstadt mit?

«Die Party war ausgelassen! Es gab Bier und Musik im Willy-Brandt-Haus.»

Was tut man nicht für so einen Quatsch (Foto in Originalqualität).

Leider ist es so, dass die Welt nicht wirklich zur Kenntnis nimmt, was Molina so alles verlangt, wenn der Tag lang ist und er noch keinen Auftritt in den Medien hatte. Dabei hätte er sogar das Rezept für die Heilung des ganzen Planeten: So forderte er im Mai 2020 «mit einer Erklärung alle Konfliktparteien rund um den Globus auf, sich unverzüglich an einem weltweiten Waffenstillstand zu beteiligen.» Denn nur so könne die Pandemie effizient bekämpft werden.

Wir ahnen es: niemand hörte mal wieder auf ihn, es gibt weder weltweiten Frieden, noch ist die Seuche besiegt. Aber immerhin, das Thema Corona ist inzwischen ein Selbstläufer für den eitlen Selbstdarsteller. Daraus presst er unablässig Medienauftritte, wofür ihm kein auch noch so absurder Vergleich zu schade ist.

Die Impfpflicht für alle, die er mehr oder minder verklausuliert fordert, das sei so etwa wie die Dienstpflicht für Männer.

Corona gibt immer etwas her

Inzwischen will Molina auch äusserlich seinem erfolgreichen Vorbild Céderic Wermuth gleichen und hat sich für einen – allerdings eher schütteren – Dreitagebart entschieden.

Den hält er natürlich auch jederzeit dorthin, wo eine Kamera läuft und ein Mikrophon angeschaltet ist. So meint der zum Seuchenexperten mutierte Luftikus, dass natürlich «die aktuelle Durchseuchungsstrategie bei Kindern keine Lösung» sei.

Betroffener Blick, Meinung aus dem Stegreif: Molina.

Sollten also auch unsere Kleinen ein Zertifikat mit auf den Lebensweg bekommen? Denn das ist aktuell nur ab 16 Jahre nötig und möglich. Da wirft Molina alle Grundprinzipien der Logik über Bord: «Das Zertifikat ist eine Möglichkeit, mehr Freiheit zurückzubekommen.»

Welche Freiheit sollten Kinder «zurückbekommen»? Sie sind doch zertifikatsfrei. Ob das Zertifikat ein Schritt in die Unfreiheit wäre, sei dahingestellt. Aber auf jeden Fall bekommt jemand, der kontrollierbar geworden ist, dadurch kein Stück Freiheit geschenkt.

Aber um solche Finessen geht es Molina auch gar nicht. Denn er weiss genau: wen interessiert schon mein dummes Geschwätz von gestern. Heute ist ein neuer Tag, morgen auch, und immer wieder in den Medien aufzutauchen, das ist Knochenarbeit. Auch wenn längst schon kein Fleisch mehr an den vorhersehbaren Miniprovokationen des Dampfplauderers hängt.

Schliesslich gehört das zum Anforderungsprofil eines Berufspolitikers, der nichts anderes gelernt hat. So als Dauerstudent der Geschichte und Philosophie. Er wurde im zweiten Anlauf Juso-Präsident, ist ehemaliger Jugendsekretär der Gewerkschaft Unia, «wissenschaftlicher Mitarbeiter» bei «Swissaid» und in den Nationalrat nachgerückter SP-Genosse.

In Molinas Medienmaschinenraum.

Es darf gelacht werden: Sohohonntag in den Medien

Die beliebte Quizfrage: würden Sie hierfür Fr. 17.40 ausgeben?

Das müsste nämlich der Leser hinlegen, der unsere drei Sonntagsblätter am Kiosk käuflich erwirbt.

Die «SonntagsZeitung» macht das, was man halt so tut, wenn ein Thema so ausgelutscht ist, dass inhaltlich eigentlich nichts mehr geht. Impfen? Schnarch. Triage? Gähn. Bundesrat? Dös. Himmel hilf, da braucht es den uralten Trick, die Ebene zu wecheln. Statt die x-te Corona-Koryphäe nun ein anderer Fachmann:

Der Psychiater über die Covid-Wut. So wie bei Jugendfragen unausweichlich die Allzweckwaffe Allan Guggenbühl zum Einsatz kommt, warnt hier Frank Urbaniok «vor den Folgen».  Fehlt noch etwas zum Leserglück? Natürlich, der unvermeidliche Cédric Wermuth. Der SP-Co-Chef weiss, dass man im Kampf um Aufmerksamkeit zuerst ziehen muss, schnell etwas äussern, und «provokativ» muss das auch sein.

Daher, gähn, zieht der Kämpfer gegen den Kontrollstaat ein Impfobligatorium in Betracht. Oder in der Originalformulierung: er fordert «rasch eine offene Debatte über Massnahmen wie G2 oder eine Impfpflicht». Das heisst nun genau nichts, aber Foto und Quote sind ihm sicher, was will er mehr.

Dann folgt ein Beitrag zum Thema «Paid Post». Laut der aktuellen Untersuchung der ZHAW sind bis zu 60 Prozent der Leser nicht in der Lage zu erkennen, dass die nächste Doppelseite ein bezahltes Inserat ist.

Zum Thema Ausland hat die SoZ einen besonderen Leckerbissen parat:

«Neukaledonien stimmt über seine Unabhängigkeit ab».

Himmel hilf, was interessiert das wohl den Schweizer Leser? Er ahnt aber: Autor Maximilian von Klenze ist ein Jungredaktor der «Süddeutschen Zeitung», von wo der Artikel stammt. Und die Teutonen sind immer noch etwas nachtragend, dass Frankreich bis heute so etwas wie ein Kolonialreich hat, während das Volk ohne Raum, das auch zur Sonne strebte, seine Kolonien im Versailler Vertrag weggenommen kriegte*.

Dass auch Symbolbilder Glücksache sind, zeigt die SoZ hier:

Was der grossartige Film «Falling down» mit Michael Douglas über einen durchrastenden kleinen Angestellten mit Corona zu tun hat, erschliesst sich wohl niemandem.

So viel kriegt man für 6 Franken.

Neuerdings probiert’s die NZZaS mit Sauglattismus:

Hat aber das Hörrohr nahe am Leser und führt mit Trara den Bund «2050» zum Thema Klimawandel weiter. Auch die NZZaS ist langsam verzweifelt, was man zum Thema Corona denn noch machen könnte. Aber dem Ingeniör ist nichts zu schwör:

Da sagt der Fuchs schon mal gute Nacht.

Einen besonderen Tiefpunkt setzt mal wieder Aline Wanner in der langsam peinlichen Medienkolumne. Als hätte es einen Rainer Stadler nie gegeben. Sie kritisiert die Medienmarotte, es immer wieder mit Spekulationen über mögliche Corona-Massnahmen zu probieren. Das käme bei «Tages-Anzeiger», «Blick» und «20 Minuten» vor, dort würde «mit einer merkwürdigen Mischung aus Katastrophenlust und  Regelsehnsucht» gemutmasst. Harsches Urteil: «Spekulationen sind Zeitverschwendung, sie bringen nichts ausser Angst und Aufregung».

Diesem Urteil mag man zustimmen. Nur sei die Prognose gewagt, dass Scharfrichterin Wanner mindestens doppelt so glaubwürdig daherkäme, wenn sie auch Beispiele aus dem eigenen Hause erwähnen würde.

Weiter 6.50 sind ausgegeben.

Schliesslich noch der «SonntagsBlick», um die 17.40 komplett zu machen. Dröhnen auf dem Cover, so ist’s recht für den Boulevard.

Im Editorial dann geht Gieri Cavelty der Frage nach:

«Sind die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht Nazis?» Echt jetzt?

Gerade im Boulevard wäre das ein Klassiker für die Antwort: «Nein.» Aber dann könnte Cavelty nicht zeigen, dass er sich Kenntnisse über das Verhältnis der Nazis zum Impfen angeeignet hat. Dabei half ihm – wir rufen bravo! – die Lektüre eines Buchs. Wir wollen die Spannung auf die Spitze treiben, zu welcher Antwort Cavelty nach mehr als 4000 Buchstaben kam – das sei hier nicht verraten.

Und sonst? Wer auf den folgenden Seiten des SoBli irgend etwas findet, das mit grösstem Wohlwollen nach Aktualität, Neuigkeit, Analyse oder Horizonterweiterung riecht, soll sich hier melden. Wir werden dann die nötigen Schritte einleiten.

Aber aufgepasst, auf Seite 38/39 lernen wir, dass Sarah und Jan «nachhaltig wohnen». Warum? «Wir wollen eine intakte Welt übergeben.» Das ist nett von ihnen, noch netter ist, dass das von «BKW präsentiert» wird. Genau, die vormalige Bernische Kraftwerke AG hat sich ein doppelseitiges Inserat gegönnt. Hinweis für die bis zu 60 Prozent SoBli-Leser, die das für den interessantesten redaktionellen Beitrag halten.

Ach, und das Gefälligkeitsinterview mit ZuccheroVielleicht war ich in einem früheren Leben Schweizer») ist kein Inserat. Also zumindest ist es nicht so gekennzeichnet. Hier mussten wir dann doch zu Seite 2 zurückblättern, weil wir schon vergessen hatten, ob die Befürworter der allgemeinen Impfpflicht nun Nazis sind oder nicht.

Während wir das herauszufinden versuchten, wir gestehen es errötend, sind wir dann allerdings weggeschnarcht.

 

*Red. Das geschah nicht scheibchenweise, wie hier ursprünglich stand. Nach einem Leserhinweis korrigiert.

Spritze, hilf!

Es ist wieder so weit. Angst und Schrecken in der Vorweihnachtszeit.

Eigentlich sollten Besinnlichkeit und Kaufrausch herrschen. Weihnachtsmänner sollten Kinderaugen zum Leuchten bringen und Kreditkarten zum Glühen.

Stattdessen muss an Art. 258 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs erinnert werden:

«Wer die Bevölkerung durch Androhen oder Vorspiegeln einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum in Schrecken versetzt, wird mit Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Schreckung der Bevölkerung heisst dieser Straftatbestand. Schauen wir mal, ob ihn folgende Schlagzeilen erfüllen:

«Die Lage ist so angespannt wie nie» («Blick»), «Lage so angespannt wie nie» («Aargauer Zeitung»), «Die Situation ist kritisch» («20 Minuten»), «Erste Stationen sind voll» («Bündner Tagblatt»), «Überlastete Spitäler rechnen mit Triage» («Schaffhauser Nachrichten»), «In Zürcher Spitälern spitzt sich die Lage zu» («Tages-Anzeiger»).

Fachkoryphäen warnen wieder, der Chef der Intensivmedizin am Berner Inselspital hat laut eigenem Bekunden Alpträume und prognostiziert:

«Es wird ganz sicher eine Triage geben.»

Für noch nicht genügend geschreckte Leser, die mit dem Wort nicht ganz vertraut sind: Triage stammt aus der Militärmedizin, wenn bei einem plötzlichen Anfall von vielen Verwundeten entschieden werden muss,  wer eine Überlebenschance hat und behandelt werden sollte – und wer nicht.

Das Ende ist nahe – mal wieder

Da der Tagi auch einen Jazzer als Redaktor in Lohn und Brot hält, werden sogar Nebenschauplätze bespielt: «Corona-Verirrungen in der Jazzszene». Hier darf man schon mal zum seltenen Fall gratulieren, dass legal vier Konsonanten aufgereiht werden dürfen. Schpitze!

Also, das Ende ist nahe, das Gesundheitssystem am Anschlag. Bald müssen die Eingänge der Spitäler bewaffnet verteidigt werden, es werden sich herzzereissende Szenen vor Intensivstationen abspielen, Beatmungsgeräte brauchen einen Leibwächter mit Knarre. Und mitten in diesem Tsunamie Pflegekräfte am Rande des Zusammenbruchs, übermüdete Ärzte, Patienten, die auf dringend nötige Eingriffe warten, die verschoben werden müssen.

Bevor uns die Panik wegreisst, treten wir einen Schritt zurück und fragen uns: Ist das so? Und wenn es so ist, wer ist daran schuld? Vor allem aber: Was kann man denn dagegen tun?

Schritt für Schritt

Sind die Intensivstationen (IS) wirklich voll, gibt es faktisch keine freien Betten mehr? Laut offiziellen Zahlen des BAG ist das nicht so. Aber das ist ja nur so eine Statistik, ein Ist-Zustand.

Quelle: BAG; Zahlen vom 30. November 2021.

Die Auslastung der IS liegt bei etwas über 80 Prozent. Das ist im üblichen Rahmen. Völlig normal. Denn ein Bett auf der IS kostet ein Gewehr, ob belegt oder leer. Also sind die Spitäler gehalten, eine möglichst kleine Reserve vorzuhalten, um weitere Kosten im Gesundheitssystem zu vermeiden.

BAG, Zahlen vom 30. 11. 2021.

Punkt zwei: Bei diesen Kapazitäten werden nur sogenannte zertifizierte Betten gezählt. Also offiziell-amtliche. Als beispielsweise vor Ostern 2020 eine ähnliche Welle durch die Medien schwappte, dass die IS in der Schweiz an der Kapazitätsgrenze angelangt seien und die Bevölkerung entsprechend verschreckt reagierte, winkte sogar das BAG selbst ab. Es gebe dann im Fall noch ein paar hundert weitere Intensivpflegestationen, halt nicht zertifiziert. Also sei die Belegung keinesfalls 98 Prozent, sondern nur etwas über 60.

BAG, Zahlen vom 30. 11. 2021

Wer ist daran schuld?

Da sind sich eigentlich alle einig: die Ungeimpften. Die Impfverweigerer. Die fahrlässig Verantwortungslosen, denen die persönliche Freiheit wichtiger ist als das Allgemeinwohl. Wir wollen hier nicht in diese erbitterte Debatte eintreten. Nur: auch das stimmt so nicht. Das Problem sind nicht mangelnde Bettenkapazitäten. Das Problem ist der Pflegenotstand.

Es gibt schlichtweg zu wenig Personal. Wie selbst der von Alpträumen geplagte Berner Professor eingesteht: «Eigentlich hätten wir 36 zertifizierte IPS-Betten. Aktuell können wir 28 betreiben, nächsten Monat noch 26», sagt Chefarzt und Klinikdirektor Stephan Jakob. Grund sei der Personalmangel: «Viele haben gekündigt. Manche sind länger krankgeschrieben, weil sie nach diesen schweren 21 Monaten so erschöpft sind», sagt er auf SRF.

Daran sind aber nicht die Ungeimpften schuld, sondern letztlich wir alle. Die Spitalverwaltungen, die politisch Verantwortlichen und die Stimmbürger, die ihnen kein Feuer unter dem Hintern machen, sondern meinen, auf dem Balkon klatschen und ein paar gesäuselte «da muss nun aber mal dringend» löse das Problem.

Was uns übrigens nicht heimtückisch aus dem Nichts angesprungen hat. Sondern seit Jahren bekannt ist.

Was kann man denn noch tun?

Es gibt die untauglichen Vorschläge von profilierungssüchtigen Politikern. Zuvorderst dabei wie immer der SP-Nationalrat Fabian Molina. Wenn er sich nicht gerade um den Weltfrieden kümmert, hat er diesen Einfall: «Impfpflicht ist besser als ein Lockdown oder Verschärfung für Ungeimpfte». Damit erobert er sich eine Schlagzeile auf «watson». Und reiht sogar sechs Konsonanten aneinander. Schschpitze.

Ihm wird entgegen gehalten, dass das doch ein kräftiger Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte sei. Dem stimmt er zu, um dann die abenteuerliche Begründung hinterherzuschieben: der sei aber «verhältnismässig, weil erforderlich». Diese Bemerkung ist ungefähr so intelligent wie die Feststellung: Die Ampel ist rot, weil sie nicht grün ist.

Wir gestehen: da ist uns selbst Konsumterror mit unablässigem Jingle Bells und Weihnachtsliedern lieber.