Gaga-Titel beim Tagi
Kommt halt davon, wenn man (fast) alles aus der SZ übernimmt.
Vielleicht war es der Versuch, Spuren zu verwischen. Denn der Originaltitel des Originalbeitrags von Jakob Wetzel in der «Süddeutschen Zeitung» lautete so:
Er erschien am 14. Juni im Münchner Blatt, der Quelle von copy/paste des Qualitätsmedienkonzerns Tamedia. Der dachte schlau: da warten wir doch einfach acht Tage, bis wir unseren Lesern den gleichen Inhalt aufgewärmt als neu servieren.
Nun könnte ja eine klitzekleine Gefahr bestehen, dass der eine oder andere zahlende Gast beim Tagi denken würde: hm, ist das ein Test auf Alzheimer? Das habe ich doch vor einiger Zeit schon in der SZ gelesen.
Dieser Gefahr beugt der Tagi allerdings geschickt vor, indem er einen ganz anderen Titel setzt. Nach Art des Hauses so einen richtigen Kracher, im Stil von: vergessen Sie alles, was Sie über die Mayas gehört haben. Die Geschichte muss umgeschrieben werden. Neue Maya-Tagebücher aufgetaucht.
Der Lead bei Tamedia ist auch noch geheimnisvoll: «Die Maya opferten ihren Göttern reihenweise Menschen, vor allem junge Frauen, nahm man lange an. Forscher haben nun Knochen aus Massengräbern analysiert – und Überraschendes gefunden.»
Das ist nun – leicht erweitert – genau der gleiche Lead wie in der SZ. Denn die will natürlich auch etwas trommeln, um eine eigentlich stinklangweilige archäologische Untersuchung etwas aufzupeppen. Aber immerhin ist das Münchner Blatt so seriös, im Titel dann nicht nochmal gewaltig Gas zu geben.
Denn eigentlich besteht die grosse Überraschung aus der Vermutung, dass die Mayas nicht nur Fremde als Menschenopfer verwendet hatten, sondern auch – Mayas. Dazu noch das übliche Getrommel, dass es eben bis heute nicht ganz klar sei, wieso die ihre Stadtstaaten aufgaben und sich in den Dschungel zurückzogen.
Ihre heute noch in Mexiko lebenden Nachfahren können dazu leider auch nichts Sachdienliches beitragen.
Nun gibt es Tagi-Leser, die auch mit Fake-Titeln begeistert werden können: «Super spannender und lehrreicher Artikel!», meint einer. Ein anderer ist eine Spur kritischer: «Sehr interessanter Artikel, bloss der Titel ergibt wenig Sinn. Was erweist sich denn nun als falsch?» Und ein Dritter bringt es auf den Punkt: «Und was ist jetzt das Neue daran? Die spannenden Befunde reihen sich doch nahtlos in das bisherige Wissen ein?!»
Da weiss der Leser für einmal mehr als der Redaktor. Wobei, dem Autor Wetzel kann man eigentlich keinen Vorwurf machen. In seinem Einzugsbereich war der Titel ja noch okay und gibt zumindest wieder, was er in seinem Artikel beschreibt.
Ganz anders aber die Qualitätszeitung an der Werdstrasse. Die behauptet so kühn wie falsch, dass unser Wissen über die Rituale der Mayas auf einem Irrtum beruhe. Und wenn sie mit diesem Fliegenpapier den Leser eingefangen hat, fragt der sich dann bei der Lektüre: und was ist nun genau falsch an unseren Kenntnissen über die Mayas?
Auch eine Methode, Leser zu verscheuchen, die das nächste Mal solche Lockstoffe weiträumig umfliegen werden …